Aktenzeichen M 6 K 16.1742
Anlage 4 zur FeV Vorbemerkung 3, Nr. 9.1, Nr. 9.2.2, Nr. 9.5
StVG StVG § 3 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
Entgegen der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur “verfahrensrechtlichen Einjahresfrist”(grundlegend BayVGH BeckRS 2005, 26983) darf die Fahrerlaubnisbehörde im Hinblick auf den Konsum von Betäubungsmitteln auch dann noch ohne weiteres vom Verlust der Fahreignung ausgehen und nach § 11 Abs. 7 FeV verfahren, wenn seit dem Tag, den der Fahrerlaubnisinhaber als Beginn der Betäubungsmittelabstinenz benannt hat, ein Jahr oder mehr vergangen ist (Fortführung VG München BeckRS 2016, 51664). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Berufung wird zugelassen.
Gründe
Die Klage bleibt ohne Erfolg.
Soweit der Kläger die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids des Beklagten vom 25. Februar 2016 begehrt, ist die Klage teilweise bereits unzulässig und im Übrigen unbegründet.
Soweit der uneingeschränkt gestellte Antrag gemäß § 88 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – dahingehend auszulegen ist, dass der Kläger auch die Aufhebung der in Nr. 4 des Bescheids vom 25. Februar 2016 enthaltenen Androhung des Zwangsgelds begehrt, ist die Klage unzulässig. Der Führerschein des Klägers ging am … März 2016 bei der Fahrerlaubnisbehörde des Beklagten ein. Damit ist die Verpflichtung aus Nr. 2 des Bescheids erfüllt. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Beklagte das in Nr. 4 des Bescheids angedrohte Zwangsgeld entgegen der Vorschrift des Art. 37 Abs. 4 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes – VwZVG – gleichwohl noch beitreiben wird. Daher fehlt es dem Kläger insoweit am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis für seine Klage.
Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Zunächst nimmt das erkennende Gericht vollumfänglich Bezug auf die ausführlichen Gründe des Bescheides vom 25. Februar 2016 und macht sich diese zur Begründung der vorliegenden Entscheidung zu Eigen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Der Beklagte hat sowohl die den Bescheid tragenden Rechtsgrundlagen zutreffend angegeben als auch im Ergebnis richtig festgestellt, dass dem Kläger die Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG – und § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV – mangels Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu entziehen war, weil er seine Fahreignung aufgrund des eingeräumten Konsums von Amphetamin am … März 2015 verloren und mangels Nachweises einer einjährigen Abstinenz sowie einer stabilen Einstellungsänderung zu Drogen auch nicht wiedererlangt hat (vgl. Nr. 9.1 und Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV).
Die hiergegen erhobenen Einwände des Bevollmächtigten des Klägers greifen nicht durch.
Soweit vorgetragen wird, dass hier wegen des Vorliegens besonderer Umstände – einmaliger Drogenkonsum ohne Zusammenhang mit dem Straßenverkehr, keine Drogenvorgeschichte sowie familiäre, berufliche und soziale Integration des Klägers – von einem Ausnahmefall im Sinne der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV auszugehen sei, mit der Folge, dass der einmalige Konsum sog. harter Drogen (Amphetamin) hier abweichend von der Regelvermutung in Nr. 9.1. der Anlage 4 zur FeV nicht zum Verlust der Fahreignung führe, ist dies aus den im Beschluss des Gerichts vom 20. Juli 2016 im Verfahren M 6 S 16.1744 ausführlich dargelegten Gründen – auf die verwiesen wird – nicht überzeugend.
Soweit der Bevollmächtigte des Klägers geltend macht, dass seit dem letzten, angeblich einmaligen Konsum von Amphetamin am … März 2015 bereits mehr als ein Jahr verstrichen sei und daher jedenfalls eine auf § 11 Abs. 7 FeV gestützte unmittelbare Entziehung der Fahrerlaubnis ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen nicht mehr zulässig sei, folgt dem das erkennende Gericht nicht.
Zwar hat der Kläger bei seiner Vernehmung durch die Polizei angegeben, er „nehme sonst nie Drogen und habe auch noch nie welche genommen“. Auch gegenüber dem Gutachter hat er sich dahingehend geäußert, dass er am … März 2015 „einmalig Amphetamin und Cannabis konsumiert“ und gedacht habe, er solle Drogen „auch mal probieren“. Diese Angaben beinhalten zumindest inzident die Behauptung, seit diesem Vorfall keine Drogen mehr zu nehmen und somit abstinent zu leben. Untermauert wird die (inzidente) Abstinenzbehauptung durch die im Rahmen der ärztlichen Begutachtung vorgenommenen Urinproben mit jeweils negativem Ergebnis, auch wenn diese lediglich eine Momentaufnahme darstellen und damit nur nachgewiesen ist, dass der Kläger in einem vergleichsweise kurzen Zeitraum von etwa zwei Wochen auf die Einnahme von Betäubungsmitteln verzichtet hat. Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur sog. verfahrensrechtlichen Einjahresfrist wäre hier somit davon auszugehen, dass die Fahrerlaubnisbehörde jedenfalls zum Zeitpunkt der Zustellung des streitgegenständlichen Bescheids am … März 2016 nicht mehr ohne weiteres auf der Grundlage von § 46 Abs. 3 i. V. m. § 11 Abs. 7 FeV die Fahrerlaubnis des Klägers hätte entziehen dürfen. Denn der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Fahrerlaubnisbehörde nach Ablauf der sog. verfahrensrechtlichen Einjahresfrist, d. h. nach Ablauf eines Jahres nach dem Tag, den der Fahrerlaubnisinhaber als Beginn der Betäubungsmittelabstinenz benannt hat, nicht mehr ohne weiteres nach § 11 Abs. 7 FeV vom Verlust der Fahreignung ausgehen dürfe (vgl. grundlegend BayVGH, U. v. 9.5.2005, Az. 11 CS 04.2526 – juris; B. v. 22.9.2015, Az. 11 CS 15.1447 – juris). Die Anwendung dieser Rechtsprechung hätte somit zur Folge, dass die Fahrerlaubnisbehörde hier allein wegen des Verstreichens einer Frist von einem Jahr seit dem letzten nachgewiesenen, angeblich einmaligen Konsum von Amphetamin am … März 2015 zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Entziehung der Fahrerlaubnis am … März 2016 nicht mehr auf die Ungeeignetheit des Klägers hätte schließen dürfen. Dies hält das erkennende Gericht für nicht überzeugend und verweist insoweit auf die Rechtsprechung der ehemaligen Kammer 6b des Bayerischen Verwaltungsgerichts München (U. v. 9.12.2015, Az. M 6b K 15.1592; allerdings wirkungslos geworden durch Hauptsacheerledigung im Berufungsverfahren, BayVGH, B. v. 30.6.2016, Az. 11 BV 16.157), der sich die vorliegend erkennende 6. Kammer bereits in mehreren Entscheidungen angeschlossen hat (vgl. etwa VG München, B. v. 13.5.2016, Az. M 6 S 16.1354, B. v. 13.5.2016, Az. M 6 S 16.1438 sowie U. v. 6.6.2016, Az. M 6 K 15.4693):
„1.1.4 Unter Beachtung der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur sog. „verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“ seit seinem Beschluss vom 9. Mai 2005 – 11 CS 04.2526 – würde nun Folgendes gelten:
Der Kläger hat in einem Telefonat mit der Fahrerlaubnisbehörde am … Januar 2013 behauptet, ca. neun Monate Abstinenzdauer belegen zu können. Damit hat er auch eine entsprechende Abstinenzbehauptung aufgestellt und hierzu außerdem zunächst den Abstinenznachweis der … GmbH vom … August 2012 über drei Monate Abstinenz vor dem … Juli 2012 vorgelegt. Von dieser Abstinenzbehauptung ist der Kläger bislang nicht abgerückt und es ist auch sonst nichts Gegenteiliges bekannt. Vielmehr hat er nachfolgend bis in die jüngste Zeit weitere Abstinenznachweise der … GmbH vorgelegt und seine Abstinenzbehauptung damit quasi erneuert und bekräftigt, indem er zuletzt über 11 Monate zusammenhängende aktuelle Abstinenz nachweisen konnte.
Daher könnte ausschließlich wegen der seit Beginn der behaupteten Abstinenz verstrichenen Zeit nicht mehr ohne weiteres von seiner Fahrungeeignetheit ausgegangen werden. Die Fahrerlaubnisbehörde wäre vielmehr gehalten, den Kläger im Hinblick auf eine etwaige Wiedererlangung der Fahreignung zunächst zu einem engmaschigen, behördlich überwachten Drogenscreening mit anschließender medizinisch-psychologischer Untersuchung auf der Grundlage des § 14 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. Abs. 1 FeV aufzufordern, allerdings ohne jegliches Ermessen (vgl. BayVGH, B. v. 27.2.2015 – 11 CS 15.145 – und B. v. 24.6.2015 – 11 CS 15.802 – jeweils für Fälle sog. harter Drogen).
Ob aber § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV auf Fälle der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ohne weiteres generell anwendbar ist, wäre noch zu klären. Denn bei § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV geht es um die Klärung der Frage, ob der Betroffene noch abhängig ist oder – ohne abhängig zu sein – weiterhin die in Absatz 1 genannten Mittel oder Stoffe einnimmt. Für Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV hingegen kommt es bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis grundsätzlich auf die Trennung von Konsum und Fahren an, nicht lediglich auf die bloße Einnahme als solche.
1.1.5 Die erkennende Kammer folgt mit vorliegendem Urteil jedoch nach reiflicher Überlegung dieser Rechtsprechung nicht mehr und gibt ihre eigene ständige Rechtsprechung in dieser Hinsicht hiermit auf.
Denn die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs verlangt danach, einen Fahrerlaubnisinhaber, der sich als fahrungeeignet erwiesen hat, so lange von der aktiven Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr als Führer eines Kraftfahrzeugs auszuschließen, bis er den positiven Nachweis der Wiedererlangung seiner Fahreignung erbracht hat. Es ist demgegenüber nicht hinzunehmen, einem Fahrerlaubnisinhaber bis zum Abschluss des Nachweises seiner einjährigen Abstinenz und nachfolgend noch für die Zeitdauer zur Erstellung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens seine Fahrerlaubnis zu belassen und ihm damit eine weitere Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr zu ermöglichen, wenn er selbst seine Fahrungeeignetheit zuvor unter Beweis gestellt hat. Dies widerspricht dem Sinn und Zweck des Gesetzes, fahrungeeignete Kraftfahrzeugführer vom öffentlichen Straßenverkehr bis zum Nachweis ihrer Fahreignung auszuschließen. Es ist der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs seit dem Beschluss vom 9. Mai 2005 zwar zuzugestehen, dass ein Fahrerlaubnisinhaber nach Ablauf der sog. „verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“, die seit Beginn der behaupteten Abstinenz verstrichen sein muss, seine Fahreignung möglicherweise wiedererlangt haben kann. Damit er zur Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr wieder zugelassen werden kann, ist jedoch der abschließende positive Nachweis seiner Fahreignung zwingend erforderlich, nachdem das Fahrerlaubnisrecht ein Rechtsinstitut etwa einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis bis zum Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung, vergleichbar etwa § 111a Strafprozessordnung – StPO -, nicht kennt. Es ist auch kein rechtlich durchgreifendes Argument dafür ersichtlich, warum ein Fahrerlaubnisinhaber nach Ablauf der sog. „verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“ – innerhalb derer er ohnehin fahrungeeignet weiter am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen hat – bis zum Abschluss des Fahreignungsüberprüfungsverfahrens nach Nachweis seiner einjährigen Abstinenz und abgeschlossener medizinisch-psychologischer Begutachtung besser gestellt werden sollte als ein Fahrerlaubnisbewerber, dem – z. B. nach vorheriger Entziehung der Fahrerlaubnis innerhalb der sog. „verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“ bei ansonsten gleicher Sachlage – erst dann eine Fahrerlaubnis neu erteilt werden kann, wenn er den positiven Nachweis seiner Fahreignung erbracht hat. Letztlich hängt es oft von Zufälligkeiten, wie insbesondere auch der Arbeitsbelastung der zuständigen Fahrerlaubnisbehörden, oder auch dem eigenen Verhalten des betreffenden Fahrerlaubnisinhabers, z. B. indem er mit Rechtsbehelfen den Eintritt der Rechtskraft ordnungswidrigkeiten- oder strafrechtlicher Entscheidungen und damit deren Mitteilung an die Fahrerlaubnisbehörden verzögert, ab, ob eine Fahrerlaubnisbehörde bzw. im Falle der Einlegung eines Widerspruchs nachfolgend noch die Widerspruchsbehörde innerhalb der sog. „verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“ eine entsprechende Entscheidung zur Entziehung der Fahrerlaubnis bzw. ggf. zur Zurückweisung eines dagegen gerichteten Widerspruchs erlassen kann oder nicht. Solches kann und darf jedoch nicht zulasten der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs gehen (in diesem Sinne auch: VGH BW, B. v. 7.4.2014 – 10 S 404.14, wonach im Rahmen eines Fahrerlaubnisentziehungsverfahrens ohne Beachtung einer „verfahrensrechtlichen“ Jahresfrist bzw. sonstiger starrer zeitlicher Vorgaben grundsätzlich vom Fortbestand einer zuvor festgestellten oder feststellbaren Fahrungeeignetheit auszugehen ist, solange der materielle Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung nicht erbracht worden ist [vgl. BayVGH, B. v. 27.2.2015 – 11 CS 15.145]; vgl. auch: Künzl/Sinner, Verwaltungs- und arbeitsrechtliche Fragen des Suchtmittelkonsums von Kraftfahrern, NZA-RR 2013, Heft 11, S. 561, 563, die zudem einen überzeugenden Vergleich zur Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem Punktsystem – heute Fahreignungs-Bewertungssystem – ziehen).
1.1.6 In jüngster Zeit hat zudem der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem Urteil vom 17. November 2015 – 11 BV 14.2738 – die Rechtsauffassung vertreten, dass es innerhalb des Zeitraums, in dem eine Tat noch im Fahreignungsregister eingetragen und daher berücksichtigungsfähig ist, nicht vorgesehen sei, dass die einmal wegen Alkoholmissbrauchs verloren gegangene Fahreignung allein durch Zeitablauf zurückgewonnen werden könne. Denn wenn in der Vergangenheit fahrerlaubnisrechtlicher Alkoholmissbrauch vorgelegen habe, führe dies zum Ausschluss der Fahreignung. Durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten sei zu klären, ob – je nach individuellen Erfordernissen – eine stabile Alkoholabstinenz vorliege oder Prophylaxestrategien hinsichtlich des Trennungsvermögens entwickelt worden seien und ob der Einstellungswandel stabil und motivational gefestigt sei (Rn. 42).
Hinsichtlich der Einnahme von Betäubungsmitteln, hier ganz konkret bzgl. der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV, kann nichts anderes gelten.
1.1.7 An Fällen wie dem vorliegenden wird die Problematik der sog. „verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“ deutlich, weil betreffende Fahrerlaubnisinhaber trotz feststehenden Verlustes ihrer Fahreignung weiterhin – wenn auch (so allerdings aktuell nicht beim Kläger) unter „Überwachung“ durch ein Drogenscreening – mit einem Kraftfahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen dürfen, bis letztlich erst nach erheblicher Zeit ein medizinisch-psychologisches Gutachten eine Aussage zur Fahreignung trifft, auf der die Fahrerlaubnisbehörde ihr weiteres Vorgehen aufbauen kann. Kommt dann ggf. noch die Problematik der Rüge unzureichender und damit nicht (sogleich) verwertbarer Gutachten hinzu, verschärft sich die Lage im Hinblick auf die Zeitdauer bis zur Klärung der Frage der Fahreignung nochmals, ebenso wenn es – anders als hier – um harte Drogen mit womöglich noch erheblich stärkerem Suchtpotential geht, denen ein Betreffender u.U. trotz Drogenscreenings nicht zu widerstehen vermag.
Vor diesem Hintergrund ist der Wille des Gesetzgebers absolut nachvollziehbar, solche Fahrerlaubnisinhaber von der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr gänzlich auszuschließen, bis sie die Wiedererlangung ihrer Fahreignung unter Beweis gestellt haben. Dann würden auch Verzögerungen des Verfahrens gleich welcher Art (z. B. bei der Erbringung der Abstinenznachweise wegen Nichtwahrnehmung kurzfristig angesetzter Screeningtermine aufgrund angeblicher Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit, u.U. mit bloßer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines Arztes) zu ihren Lasten gehen und in manchen Fällen wäre wohl auch eine höhere Kooperationsbereitschaft der Betreffenden zu erwarten als es in vielen Fällen, die der Kammer schon zur Entscheidung vorgelegen haben, der Fall war.
Die hier nun vertretene Rechtsauffassung würde voraussichtlich für die praktischen Rechtsanwendung durch die Fahrerlaubnisbehörden eine ebenso große Vereinfachung und Erleichterung bringen wie die kürzlich erfolgte Aufgabe der bislang ebenfalls ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass eine Nichttrennung von Konsum und Fahren im Sinne der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV erst ab einem Wert von über 2,0 ng/ml THC i. S. gegeben sei (s.o. unter Nr. 1.1.2).“
Die hier erkennende Kammer folgt dem weiterhin in vollem Umfang. Dabei ist es rechtlich unerheblich, dass es sich im zitierten Urteil um Cannabis mit sich daraus eventuell noch ergebenden Zusatzproblemen gehandelt hat. Gerade der vorliegende Fall ist erneut geeignet, die Problematik der sog. verfahrensrechtlichen Einjahresfrist deutlich vor Augen zu führen. Denn während der gesamten Zeit seit dem Vorfall am … März 2015 bis zum Bescheid vom 25. Februar 2016 durfte der Kläger ungehindert als Führer eines Kraftfahrzeugs – unkontrolliert hinsichtlich weiteren Drogenkonsums – am Straßenverkehr teilnehmen und dürfte es, folgte man der genannten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, auch weiterhin, obwohl er sich wegen der Einnahme einer sog. harten Droge (Amphetamin) als fahrungeeignet erwiesen hat und noch nicht ansatzweise davon ausgegangen werden kann, dass seine Abstinenzbehauptung für die Vergangenheit und Zukunft zutrifft. Zudem hat er noch nichts dazu überhaupt nur vorgetragen, ob und wie sich seine Einstellung gegenüber Drogenkonsum geändert hätte und aufgrund welcher Umstände von einer Dauerhaftigkeit eines Einstellungswandels ausgegangen werden könnte. Dass er dennoch weiter am motorisierten Straßenverkehr teilnehmen können soll, ist unter dem Aspekt der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs nicht akzeptabel. Dies gilt umso mehr, als im vorliegenden Fall die verfahrensrechtliche Jahresfrist, die nur knapp, nämlich höchstens um zwei Wochen überschritten worden ist, jedenfalls auch aus dem Grund abgelaufen ist, weil der Bevollmächtige des Klägers bei der Fahrerlaubnisbehörde zweimal um Verlängerung der ihm gesetzten (angemessenen) Anhörungsfrist von zwei Wochen ersucht hat und ihm die beantragte Fristverlängerung auch gewährt worden ist. Auch wenn dem Kläger bzw. dessen Bevollmächtigten ein insoweit zielgerichtetes Verhalten nicht unterstellt werden soll, so leistet die Rechtsprechung zur verfahrensrechtlichen Einjahresfrist einem Verhalten doch Vorschub, das allein den Ablauf der Frist zum Ziel hat. Hierzu wird ergänzend auf die Ausführungen im Beschluss vom 20. Juli 2016 im Verfahren M 6 S 16.1744 verwiesen.
Nicht unerwähnt bleiben kann an dieser Stelle die Anfälligkeit von Drogenscreenings für Manipulationen und das Unterlaufen einer Einbestellung, indem der Betroffene etwa unauffindbar, unerreichbar (z. B. der Akku des Mobiltelefons sei leer gewesen), im Urlaub, sonst auf Auslandsreise u.s.w. war. Bisher jedenfalls war parallel zu Urinscreenings keine begleitende Haaranalyse gefordert worden, was freilich auch das Problem der Angemessenheit dieses Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aufwerfen würde.
Zu berücksichtigen ist zudem, dass die nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vorzunehmende Prüfung einer eventuellen Wiedererlangung der Fahreignung etwa auch durch die Behauptung mangelnder finanzieller Leistungsfähigkeit, angeblicher Überlastung von Labors und Begutachtungsstellen, durch Einwendungen und Rechtsbehelfe gegen Gutachtensanordnungen, Einwendungen gegen angeblich falsche (positive) Testergebnisse und zahlreiche andere Maßnahmen verzögert und behindert werden kann, ohne dass die Fahrerlaubnisbehörde dies ohne Weiteres zum Anlass für eine Entziehung der Fahrerlaubnis nehmen könnte. All das führt u.U. dazu, dass Personen, obwohl sie sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen haben, jahrelang weiter am Straßenverkehr teilnehmen können, ohne einen hinreichenden Beleg für die Wiedererlangung ihrer Fahreignung erbracht zu haben. Keine dieser Verhaltensweisen und Maßnahmen ist in Fällen zu beobachten, in denen es dem Betroffenen darum zu tun ist, die Wiedererlangung seiner verlorenen Fahreignung nach Entzug der Fahrerlaubnis im Wiedererteilungsverfahren nachzuweisen.
Soweit der Kläger die Verpflichtung des Beklagten zur Herausgabe des abgegebenen Führerscheins begehrt, ist die gemäß § 88 VwGO insoweit als allgemeine Leistungsklage auszulegende Klage bereits unzulässig. Denn auch insoweit wäre dem Kläger bereits mit der Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids gedient. Mit der Aufhebung der in Nr. 2 enthaltenen Pflicht zur Abgabe des Führerscheins entfiele nämlich der Rechtsgrund für das vorläufige behalten dürfen dieses Dokuments für die Fahrerlaubnisbehörde. Anhaltspunkte dafür, dass die Behörde in diesem Fall ihrer Pflicht zur (vorläufigen) Rückgabe des Führerscheins nicht nachkäme, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Selbst wenn man den Klageantrag in eine Anfechtungsklage umdeuten wollte, bliebe diese erfolglos, da die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i. V. m. § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV findet. Aus denselben Gründen scheitert auch der (hilfsweise) gestellte Antrag auf Neuausstellung eines Führerscheins.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung – ZPO -.
Die Zulassung der Berufung beruht auf § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124 und 124a Abs. 1 VwGO kann die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
eingelegt werden. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Sie ist spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen. Die Berufungsbegründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe).
Über die Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 7.500 festgesetzt
(§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- i. V. m. den Empfehlungen in den Nrn. 46.2 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit [abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, Anh. § 164 Rn. 14]).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.