Aktenzeichen B 5 K 18.90
BGB § 282
StVO § 9 Abs. 5
Leitsatz
Tenor
1. Der Leistungsbescheid vom 18.08.2017, Az. … und der Widerspruchsbescheid vom 09.01.2018, Az. … werden aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
1. Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg. Die Auslegung des Klageantrags ergibt, dass der Kläger die Aufhebung der angefochtenen Bescheide wünscht.
Gem. § 75 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) haben Beamtinnen und Beamte, die vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihnen obliegenden Pflichten verletzt haben, dem Dienstherrn, dessen Aufgaben sie wahrgenommen haben, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Der Kläger hat zwar als Beamter die Obhuts- und Sorgfaltspflicht hinsichtlich des ihm anvertrauten Dienst-Kfz verletzt und hierdurch bei seinem Dienstherrn einen kausalen Schaden in Höhe der Reparaturkosten verursacht, dies geschah jedoch nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig.
Grobe Fahrlässigkeit erfordert nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein besonders schwerwiegendes und auch subjektiv schlechthin unentschuldbares Fehlverhalten, das über das gewöhnliche Maß an Fahrlässigkeit erheblich hinausgeht. Ob Fahrlässigkeit als einfach oder grob zu bewerten ist, hängt vom Ergebnis der Abwägung aller objektiven und subjektiven Tatumstände im Einzelfall ab und entzieht sich deshalb weitgehend einer Anwendung fester Regeln. Die Abwägung ist Sache der tatrichterlichen Würdigung (vgl. BVerwG, B. v. 6.8.2009 – 2 B 9.09 – BeckRS 2009, 37623, beck-online). Entsprechend dem Rechtsgedanken des § 282 BGB geht es beim Vorliegen einer objektiven Pflichtverletzung und eines dadurch verursachten Schadens zu Lasten des Beamten, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass er die Pflichtverletzung vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen hat (vgl. etwa BVerwG, B.v. 08.02.1983 – 2 C 82/81 – Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 27, und B.v. 25.05.1988 – 6 C 38/85 – Buchholz 236.1 § 24 SG Nr. 12 = NVwZ-RR 1988, 101 m.w. Nachw.). Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe haftet der Kläger vorliegend nicht für den entstanden Schaden.
Aus dem zwischen den Beteiligten unstreitigen Sachverhalt ergibt sich deutlich, dass der Kläger zwar fahrlässig handelte, aber sein Fehlverhalten nicht besonders schwerwiegend oder gar subjektiv schlechthin unentschuldbar war. Der Kläger hatte das Dienst-Kfz in einer Parklücke der Sparkasse in Konstanz abgestellt, um den fließenden Verkehr zu kontrollieren. Links neben dem Dienst-KfZ befand sich dabei eine Mauer der Sparkasse, rechts ein Privat-Kfz. Beim (vorwärts) Ausfahren aus der Parklücke lenkte der Kläger zu früh nach links ein und touchierte dabei die Mauer der Sparkasse, wodurch das Dienst-Kfz im hinteren linken Bereich beschädigt wurde.
Der Kläger hat sich bei dem Ausparkvorgang hinsichtlich des Abstandes zur Mauer, der Abmessungen des Dienst-KfZ und des Kurvenradius beim Ausparken verschätzt. Solche Fehleinschätzungen passieren im Verkehr häufig und führen regelmäßig gerade beim Ausparken zu entsprechenden Schäden. Der Vorwurf gegenüber dem Kläger wiegt auch nicht deshalb schwerer, weil die Beklagte ihre Beamten in einer Dienstanweisung regelmäßig darauf hinweist, dass beim Rückwärtsausparken ein Einweiser zur Hilfe zu nehmen ist (vgl. hierzu auch § 9 Abs. 5 StVO). Vorliegend handelte es sich gerade nicht um einen solchen Fall, da der Kläger das Fahrzeug rückwärts eingeparkt hatte und vorwärts aus der Parklücke ausfuhr. Beim Vorwärtsausparken sind die Sichtverhältnisse völlig anders als beim Rückwärtsausparken. In einem solchen Fall ist die Zuhilfenahme eines Einweisers auch im privaten Leben unüblich. Es ist auch nicht klar, inwiefern ein Einweiser die Fehleinschätzung des Klägers hätte verhindern sollen. Auch der Beifahrer hätte als Einweiser nicht alle Seiten des Fahrzeuges ständig gleichzeitig überwachen können. Den Seitenbereich kann der Fahrer auch durch die Spiegel des Fahrzeugs überblicken. Dass er nicht alle Seiten des Fahrzeuges gleichzeitig sehen kann, ändert sich auch durch einen Einweiser nicht. Es würde wohl auch nicht zum Ansehen der Bundespolizei beitragen, wenn deren Beamte bei jedem Parkvorgang den Beifahrer als Einweiser zur Hilfe nehmen müssten. Für den von der Beklagten vorgetragenen Vorwurf, der Kläger habe nicht in die Spiegel geschaut gibt es keinen Anhaltspunkt. Auch wenn der Abstand zu der Mauer und dem nebenstehenden PKW durch einen Blick in den Spiegel überprüft wurde, kann es anschließend immer noch dazu kommen, dass man den Kurvenradius und die Abmessungen des eigenen Fahrzeuges falsch einschätzt. Solche Fehleinschätzungen sind auch bei einem regelmäßig benutzen Fahrzeug möglich und kommen auch im Privatbereich ständig vor. Soweit die Beklagte darauf verweist, der Kläger hätte auch aus dem Fahrzeug aussteigen können, um sich einen Überblick über die Situation zu verschaffen, erschließt sich der Sinn dieser Handlung nicht. Dem Kläger war die Parksituation bekannt, er hat lediglich zu früh das Lenkrad eingeschlagen. Auch ein vorheriges Korrigieren des Seitenabstandes war aus Sicht des Gerichtes nicht notwendig. Die Ausfahrt aus der Parklücke wäre durchaus schadensfrei möglich gewesen, was sich bereits daran zeigt, dass der Kläger das Kfz in der identischen Parksituation bereits schadensfrei rückwärts eingeparkt hatte. Der Klage war daher in vollem Umfang statt zu geben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.
2. Als unterliegender Beteiligter hat die Beklagte gem. § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).