Verkehrsrecht

Mietwagenkosten, Mietwagen, Haftungsverteilung

Aktenzeichen  42 S 2362/19

Datum:
5.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 3717
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2
BGB § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2

 

Leitsatz

Verfahrensgang

32 C 290/19 2019-12-04 Endurteil AGWUERZBURG AG Würzburg

Tenor

Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Würzburg vom 04.12.2019, Az. 32 C 290/19, gemäß § 522 Abs. 1 ZPO zu verwerfen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung unzulässig ist.
Die Kammer beabsichtigt den Verfahrenswert für das Berufungsverfahren gem. §§ 2-5 ZPO i. V. m. §§ 40, 43 Abs. 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG auf 2.885,64 € festzusetzen.
Die Berufungsbegründung vom 29.01.2020 (Bl. 200 ff.) erfüllt nicht die Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO.

Gründe

1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht eines Berufungsklägers die Rechtsverletzungen und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 05.11.2019 – II ZB 12/19 -, juris, Rn. 22). Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, in welchen bestimmten Punkten der Berufungskläger das angefochtene Urteil bekämpft und welche tatsächlichen und rechtlichen Gründe er im Einzelnen entgegensetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 16.07.2019 – XI ZB 10/18 -, juris, Rn. 8, m. w. N.). Besondere formale Anforderungen bestehen nicht. Für die Zulässigkeit der Berufung ist es insbesondere ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Jedoch muss die Berufungsbegründung auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen. Dabei muss die Berufung die tragenden Erwägungen des Erstgerichts angreifen und darlegen, warum diese aus Sicht des Berufungsklägers nicht zutreffen; die Berufung muss also – ihre Richtigkeit unterstellt – geeignet sein, das gesamte Urteil in Frage zu stellen. Entsprechendes gilt für die Bezeichnung der konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3; st. Rspr. zuletzt etwa BGH, Urt. v. 02.04.2019 – XI ZR 466/17 -, juris, Rn. 17; BGH, Beschluss vom 15.05.2018 – II ZB 10/17 -, juris, Rn. 11). Wenn das Gericht seine Entscheidung auf mehrere tragende rechtliche Erwägungen stützt, muss der Berufungskläger in der Berufungsbegründung für jede dieser Erwägungen darlegen, warum sie nach seiner Auffassung die angegriffene Entscheidung nicht tragen; andernfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 2018 – II ZB 10/17, juris Rn. 11).
Eine Berufungsbegründung muss sich zudem bei einem teilbaren Streitgegenstand hinreichend, d. h. mit einzeln anzuführender Begründung der Anfechtung, auf alle Teile des Urteils erstrecken, deren Änderung beantragt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 10.09.2009 – VII ZB 21/08 -, juris, Rn. 9). Im Falle einer umfassenden Anfechtung des gesamten Urteils ist die Berufung daher unzulässig, soweit die Berufungsbegründung das Urteil bezüglich eines quantitativ abgrenzbaren Teils des Streitgegenstandes nicht in Frage stellt (vgl. BGH, Beschluss vom 16.10.2007 – VIII ZB 26/07 -, juris, Rn. 6, m. w. N.; bestätigt durch BGH, Beschluss vom 08.04.2014 – XI ZR 317/12 -, juris).
2. Diesen Anforderungen wird die vorliegende Berufungsbegründung vom 29.01.2020, die allein zur Begründung der Berufung der Klägerseite gegen das angegriffene Ersturteil des Amtsgerichts Würzburg – Zivilgericht – vom 04.12.2019 innerhalb der zweimonatigen, nicht verlängerten, Berufungsbegründungsfrist (Ablauf: 04.02.2020 gem. § 520 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 222 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB) eingegangen ist, nicht gerecht.
a) Mit ihrer unbeschränkten Berufung begehrt die Klägerseite die bereits erstinstanzlich geltend gemachte Schadensforderung in voller Höhe, vermindert allein um den – überschaubaren – Teilerfolg der Klage im vorgenannten Urteil. Zur Begründung ihres (Berufungs-)Begehrens verweist die Berufungsbegründung sodann aber allein – wenn auch in der Sache völlig zu Recht – darauf, dass das Erstgericht, auch im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO), trotz der Ausführungen des Sachverständigen im Gutachten vom 20.09.2019 von einem nicht (hinlänglich) aufklärbaren Verkehrsunfall ausgegangen und deshalb, rechtsfehlerhaft (§ 513 Abs. 1 Alt. 1 i. V. m. § 546 ZPO) zu einer hälftigen Haftungsverteilung gekommen sei.
Die Berufungsklägerseite verkennt insoweit möglicherweise, dass ausweislich der – sehr ausführlichen – Urteilsbegründung selbst bei anzunehmend gebotener Zugrundelegung eines für die Klägerseite unvermeidbaren Ereignisses (§ 17 Abs. 3 StVG) allein hieraus noch nicht der angestrebte vollständige Erfolg der Klage folgen würde. Dies deshalb, weil das Erstgericht daneben – kumulativ – auch noch im Zuge der haftungsausfüllenden Kausalität nach Berücksichtigung des nur hälftig angenommenen Haftungsanteils die klägerseitig geforderten Mietwagenkosten nur teilweise als schadensersatzfähig angesehen hat (vgl. EU S. 4 ff. ). Ausdrücklich hat das Erstgericht sogar ausgeführt, dass von den geltend gemachten 862,75 € lediglich 573,43 € – noch vor der angenommenen Mitverantwortlichkeit – als ersatzfähiger Schaden anzusetzen seien (vgl. EU S. 6 sowie EU S. 8 ), weshalb sodann im Zuge der hälftigen Anspruchskürzung nur 286,71 € zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen seien, auf die wiederum bereits 174,34 € gezahlt worden waren (vgl. EU S. 8 ).
Der gestellte Berufungsantrag könnte vor diesem Hintergrund – nur – dann von vornherein überhaupt Erfolg haben, wenn er entweder sich allein auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des restlichen Unfallschadensbetrags ohne die vom Erstgericht als überhöht angesehenen und von der vorliegenden Berufungs(begründung) nicht in Zweifel gezogenen Mietwagenkosten erstrecken würde oder aber, wenn die Berufungsbegründung zumindest auch diesbezüglich konkrete Einwendungen enthalten würde, was allerdings nicht der Fall ist. Eine „teleologische Reduktion“ des ausdrücklich gestellten Berufungsantrags nach Maßgabe der dessen Zulässigkeit nur teilweise stützenden Berufungsbegründung ist prozessual weder vorgesehen noch anderweitig rechtfertigbar.
Der vorliegende Fall ist somit dadurch geprägt, dass die (ganz überwiegende) Teilabweisung der Klage durch das Erstgericht bei rechtem Licht betrachtet auf zwei zueinander selbstständigen Begründungen fußt, nachdem die Berufung ihrerseits nach Maßgabe des gestellten Berufungsantrags (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO) die teilweise Klageabweisung insgesamt angreift und keineswegs nur insoweit, wie eine der beiden Abweisungsgründe für sich genommen reichen. Es ist unverkennbar, dass die teilweise Klageabweisung nicht nur auf die – von der Berufungsbegründung allein angegriffene – Haftungsverteilung von 50% gestützt ist, sondern, darüber hinaus, auch noch auf die, wenn auch nur in untergeordnetem Umfang, als überhöht angesehenen Mietwagenkosten. Es liegt insoweit auch keine untrennbare Abhängigkeit vor, wie sie etwa bei Haupt- und Nebenforderungen der Fall wäre (so schon RG, JW 1938, 2786; BAG, Urt. v. 16.04.1997 – 4 AZR 653/95 -, juris, Rn. 25 ff.), da unbeschadet der Frage der Haftungsverteilung die Frage der rechtlich berücksichtigbaren Mietwagenkosten davon gänzlich „losgelöst“ beurteilt werden kann – und auch muss -; allein bei einer hypothetisch anzunehmenden vollständigen Verneinung einer Haftung der Beklagtenseite könnte die Frage des konkret ersatzfähigen Schadens dahingestellt bleiben, was aber gerade nicht der vorliegenden Konstellation entspricht. Ebenso wenig betrifft der Anfechtungsgrund, hier die rechtsfehlerhafte Beweiswürdigung (§ 513 Abs. 1 Alt. 1 i. V. m. § 546 i. V. m. § 286 Abs. 1 ZPO) im Zusammenhang mit dem erholten Sachverständigengutachten, sowohl die Frage des Mitverschuldens respektive des Mithaftens als auch die Frage der haftungsausfüllenden Kausalität; vielmehr hat dieser – alleinige – in der Berufungsbegründung angeführte Einwand auch nur alleinige Bedeutung für die Haftungsverteilung, nicht aber auch für die ebenfalls teilabgewiesenen Mietwagenkosten.
3. Die Kammer kommt daher nach nochmaliger ausführlicher Überprüfung der Sach- und Rechtslage, insbesondere unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens zu dem Ergebnis, dass die Berufung gegen das Urteil des Erstgerichts als nicht zulässig angesehen werden muss und somit der Berufung der Erfolg insgesamt zu versagen sein wird.
4. Aus Gründen der Kostenersparnis, hier der Reduktion der Gerichtsgebühren für die zweite Instanz von 4,0 Gebühren (Nr. 1220 KV-GKG) auf 2,0 Gebühren (Nr. 1222 Nr. 1 KV-GKG), wird dringend nahegelegt, die Aufrechterhaltung des Rechtsmittelbegehrens kritisch zu überdenken.
Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.


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