Verkehrsrecht

Mietwagenkostenersatz bei Vermittlung eines Werkstattfahrzeugs ohne tarifliche Erläuterung

Aktenzeichen  3 C 2946/17

Datum:
29.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 51137
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 7
BGB § 280, § 286, § 288, § 311 Abs. 2, § 315
VVG § 115

 

Leitsatz

1. Wenn die Werkstätte trotz entsprechender Kenntnis dem (unfallgeschädigten) Kunden einen Tarif anbietet, bei welchem die Werkstätte wissen muss, dass dieser die Kosten wahrscheinlich nicht erfolgreich vollständig im Wege des Schadensersatzes wird realisieren können, muss sie  ungefragt über diesen Umstand aufklären; anderenfalls verliert sie den (übersteigenden) Vergütungsanspruch. (Rn. 25 – 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Kosten für die Anmietung eines Werkstattwagens werden auf 30 € netto/Tag geschätzt. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 17,85 EUR zu bezahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 22.12.2017.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht vor der Vollstreckung die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Berufung gegen das Urteil wird zugelassen.

Gründe

Die zulässige Klage ist weitgehend unbegründet.
Die Klägerin hat lediglich Anspruch auf den im Tenor genannten Hauptsachebetrag als restlichen Schadensersatz hinsichtlich geltend gemachter Mietwagenkosten gemäß §§ 7 StVG, 115 VVG.
Zu Unrecht ist die Klägerin der Meinung, sie hätte gegen die Beklagte Anspruch auf Mietwagenkosten entsprechend der beim Amtsgericht Regensburg praktizierten Rechtsprechung aus dem rechnerischen Mittelwert aus der Fraunhofer Erhebung und der Schwacke-Liste abzüglich Eigenersparnis.
Das Gericht ist der Auffassung, dass die Klägerin von der Firma Autohaus Hofmann keinen Mietwagen angemietet hat, wofür es keinerlei Anhaltspunkte gibt, sondern einen Werkstattwagen.
Das Gericht hat für die Bemessung der angemessenen, gemäß § 315 BGB der Billigkeit entsprechenden Vergütung davon auszugehen, dass die Klägerin kein als Selbstfahrermietfahrzeug zugelassenes und versichertes Fahrzeug erhalten hat.
Das Gericht geht davon aus, dass es für Werkstattwägen keine einheitlichen Erstattungssätze gibt, sondern die jeweiligen Werkstätten ihre Kunden völlig unterschiedlich behandeln, zwischen „kostenloser“ Zurverfügungstellung eines Ersatzfahrzeugs bis hin zur Erstattung von Mietwagenkosten.
Jedenfalls ist für derartige Fahrzeuge weder die Fraunhofer Erhebung noch die Schwacke-Liste aussagekräftig.
Das Gericht schätzt daher gemäß § 287 ZPO als übliche Kosten für einen Werkstattwagen pro Tag 30,00 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer.
Die Klägerin kann daher für drei Tage 90,00 EUR zuzüglich 17,10 EUR Mehrwertsteuer ersetzt verlangen, auf welchen Betrag die Beklagte bereits dreimal 29,75 EUR, also 89,25 € erstattet hat.
Unstreitig ist die Klägerin von ihrer Werkstätte nicht darauf hingewiesen worden, dass es alleine wegen der Tarifwahlprobleme mit der Regulierung der Kosten im Schadensersatzwege geben 7 könnte. Der Werkstätte war bekannt, dass die Geschädigte berechtigterweise davon ausging, dass sie Anspruch auf Ersatz von 100 % des ihr unfallbedingt entstandenen Schadens hat. Der Werkstätte musste es als Gewerbetreibende, die auch Fahrzeuge vermietet, bekannt sein, dass es seit Jahren Probleme bei der Regulierung von Mietwagenkosten bei Ansatz sogenannter Unfallersatztarife gibt, und im Gerichtsbezirk seit Jahren auch kein Ersatz nach Schwacke-Mietpreisliste zugesprochen wird.
Wenn die Werkstätte bei dieser Konstellation der geschädigten Klägerin einen Tarif anbietet, bei welchem die Werkstätte wissen muss, dass die Klägerin die Kosten wahrscheinlich nicht erfolgreich vollständig im Wege des Schadensersatzes wird realisieren können, muss sie die Geschädigte ungefragt über diesen Umstand aufklären. Es handelt sich hierbei um einen typischen Fall, dass einem Vertragspartner Umstände bekannt sind, von welchen er weiß, dass sie für sie Erreichung des Vertragszwecks des anderen Vertragspartners entscheidend sind.
Die Unterlassung dieser Aufklärung stellt eine Vertragsverletzung gemäß §§ 311 Abs. 2, 280 BGB dar, welche dazu führt, dass die Geschädigte den Teil der Rechnung nicht bezahlen muss, welcher nicht im Wege des Schadensersatzes auf den zu Schadensersatz Verpflichteten überbürdet werden kann.
Diese Einwendungen kann die Klägerin einer möglichen Inanspruchnahme durch ihre Werkstätte entgegen halten.
Die Klägerin hat auch nur Anspruch auf Erstattung von Mietwagenkosten für die notwendigere Reparaturdauer.
Angesichts der Fahrfähigkeit des geschädigten Fahrzeugs wäre es ohne Weiteres möglich gewesen, die Reparaturdauer entsprechend Gutachten DEKRA auf drei Tage zu steuern.
Der vorgelegte Reparaturablaufplan ist nicht recht nachvollziehbar, insbesondere deshalb nicht, weil trotz Vorliegen eines Gutachtens das fahrbereite Fahrzeug einbehalten wurde, um in der Werkstatt zunächst Ersatzteile zu bestellen. Diese unwirtschaftliche Vorgehensweise kann die Klägerin Ansprüchen der Werkstätte entgegen halten.
Nachdem die Mietwagenrechnung klägerseits nicht bezahlt worden ist, kann auch keine Rede davon sein, dass dieser Rechtsstreit praktisch „auf dem Rücken der Geschädigten“ ausgetragen wird.
Zinsen: §§ 286, 288 BGB.
Im übrigen war die Klage abzuweisen.
Kosten: § 92 Abs. 2 ZPO analog.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 11, 711 ZPO.
Die Berufung war zuzulassen, da die Entscheidung auf einer rechtlichen Bewertung der klägerseits geschuldeten Vergütung für ein Mietfahrzeug beruht, welches nicht als Selbstfahrermietfahrzeug zugelassen und versichert sein dürfte. Zu diesem Problemfeld ist unterfertigtem Richter eine obergerichtliche Rechtsprechung nicht bekannt.
Die Zulassung der Berufung dient daher zur Fortbildung des Rechts wie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, § 511 Abs. 4 ZPO.


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