Verkehrsrecht

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Aktenzeichen  5 O 3229/19

Datum:
4.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 20700
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Traunstein
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 3.192,96 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.12.2020 sowie weitere 236,69 € zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 43 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 57 % zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 5.587,68 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
I.
Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagten als Gesamtschuldner gemäß §§ 7 Abs. 1, 17, 18 StVG, § 115 VVG in Höhe des ausgeurteilten Betrages.
1. Der Unfall am 17. 2019 gegen 18:00 Uhr auf der … in … ereignete sich bei Betrieb der beiden beteiligten Fahrzeuge im Straßenverkehr und wurde nicht durch höhere Gewalt verursacht.
2. Die Abwägung gemäß § 17 I StVG führt zu dem Ergebnis, dass der Schaden zu 30 % von der Klagepartei und zu 70 % von der Beklagtenpartei zu tragen ist.
Gemäß § 17 Abs. 1 StVG hängt im Verhältnis der beteiligten Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zu Ersatz, sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen ab, insbesondere davon, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Nach anerkannten Rechtsgrundsätzen sind bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge nur solche Umstände einzubeziehen, die erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden geworden sind. Die für die Abwägung maßgeblichen Umstände müssen nach Grund und Gewicht feststehen, also unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesen sein. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage haben deswegen außer Betracht zu bleiben. Hinsichtlich der Beweislast gilt der Grundsatz, dass jeder Halter die Umstände beweisen muss, die zu Ungunsten des anderen Halters berücksichtigt werden sollen. Dies führt bei Unaufklärbarkeit des Unfallgeschehens hinsichtlich derselben Tatsache zu wechselnden Beweislastentscheidungen. Falsch wäre es, aus dem Umstand, dass sich eine Partei nicht entlasten kann, das Gegenteil als bewiesen anzusehen.
Es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Zeugin … vor der Einleitung des Abbiegevorgangs den linken Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt hatte. Bis auf den Zeugen … geben alle Zeugen und der Beklagte zu 3 an, dass am klägerischen Fahrzeug der Blinker gesetzt war und sie dies spätestens im Zeitpunkt der Kollision festgestellt hätten. Dabei war der Fahrtrichtungsanzeiger jedoch durch die Zeugin … erst kurz vor dem Einleiten des Abbiegevorganges gesetzt worden. Dies schildert die Zeugin so in ihrer Zeugenaussage. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zeugin diese Angaben wahrheitswidrig gemacht hat. Alle anderen Zeugen und der Beklagte zu 3 können keine Angaben dazu machen, wann der Blinker gesetzt wurde.
Keiner der Zeugen gibt dagegen an, dass der Beklagte zu 3 einen Blinker gesetzt hatte.
Somit wäre der Abbiegevorgang des klägerischen Fahrzeuges für den Beklagten zu 3 erkennbar gewesen und er hat trotzdem überholt. Da ein Rechtsüberholen aufgrund der Fahrbahnbreite nicht möglich war (§ 5 Abs. 7 StVG), hätte der Beklagte hinter dem klägerischen Fahrzeug warten müssen, bis dieses die Straße freigemacht hat.
Die Zeugin … trägt jedoch eine Mitschuld an dem Unfall, da sie gegen ihre doppelte Rückschaupflicht nach § 9 Abs. 1 S. 4 StVO verstoßen hat.
Zum Zeitpunkt des Beginns ihres Abbiegevorgangs wäre für die Zeugin das Ausscheren des Beklagtenfahrzeuges nach den Berechnungen des Sachverständigen bei entsprechendem Blick nach rückwärts entweder in den Rückspiegel oder über die Schulter, zu dem die Zeugin gemäß § 9 Abs. 1 S. 4 StVO verpflichtet gewesen wäre, erkennbar gewesen und sie hätte den Abbiegevorgang abbrechen können. Der Zeitpunkt des Ausscherens des Beklagtenfahrzeuges war ca. 2,9 s bis 6,6 s vor der Kollision. Den Abbiegeentschluss fasste die Zeugin … ca. 2,6 s bis 3,0 s vor Kollision und sie begann ca. 1,6 s-2,0 s vor der Kollision mit dem Abbiegevorgang. Damit hätte sie den Abbiegevorgang noch rechtzeitig abbrechen können.
3. Der Unfall war für die Zeugin … auch nicht unvermeidbar, § 17 Abs. 3 StVG, da sie bei Rückschau vor Beginn des Abbiegevorgangs das Beklagtenfahrzeug hätte erkennen können (s.o.).
4. Der Schaden des Klägers beträgt unstreitig 7.982,40 €. Hiervon haben die Beklagten als Gesamtschuldner 70 % zu tragen.
5. Dieser Betrag ist ab Rechtshängigkeit, somit ab 13.12.2020 zu verzinsen.
6. Die Beklagten haben zudem außergerichtliche Rechtsanwaltskosten des Klägers in Höhe von weiteren 236,69 € zu erstatten, nachdem sie bereits 334,75 € auf diese vorgerichtlich gezahlt haben.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708, 709, 711 ZPO.


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