Verkehrsrecht

Verkehrsunfall, Kollision, Fahrzeug, Einstandspflicht, Gehweg, Abbiegemanöver

Aktenzeichen  2 O 6992/18

Datum:
28.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 52114
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StVO § 10, § 2 Abs. 1 S. 2
StVG § 18 Abs. 1 S. 1, § 17 Abs. 3
VVG § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
BGB § 254

 

Leitsatz

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schaden aus dem Unfallereignis vom 15.6.2018 an der Kreuzung R.dorfer H.straße/R.dorfer Schulgasse in 9. N. zu 100% zu ersetzen, soweit Schadensersatzansprüche nicht kraft Gesetzes auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen.
2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.  
Beschluss
Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe

A.
Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.
I.
Die erhobene Klage ist als Feststellungsklage zulässig.
Da die Beklagten unstreitig vorgerichtlich ihre Einstandspflicht endgültig und ernsthaft in vollem Umfang zurückgewiesen haben, besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Interesse an einer alsbaldigen Feststellung der Einstandspflicht dem Grunde nach (vgl. BGH NJW 1986, 2507). Hiergegen wenden sich die Beklagten zu Recht auch nicht.
II.
Die Beklagten haften der Klägerin gesamtschuldnerisch zu 100%.
1. Die Beklagten stellen nicht in Abrede, dass die Klägerin beim Betrieb des vom Beklagten zu 1 gefahrenen und bei der Beklagten zu 2 pflichtversicherten Fahrzeugs verletzt worden ist. Damit steht die Haftung der Beklagten dem Grunde nach fest (§ 18 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG). Die Haftung der Beklagten ist nicht gem. § 17 Abs. 3 StVG wegen Vorliegens eines unabwendbaren Ereignisses ausgeschlossen. Die Beklagten könnten sich auf diese Regelung bei einem Unfall unter Beteiligung eines nicht motorisierten Verkehrsteilnehmers nicht berufen (st. Rspr., z.B. BGH, Urteil vom 18. November 2003 – VI ZR 31/02, r+s 2004, 122; OLG Hamm Urt. v. 11.1.2019 – 9 U 81/18, BeckRS 2019, 2511; vgl. auch Rogler in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 25 StVO Rn. 232). Die Beklagten können den ihnen damit obliegenden Nachweis eines fehlenden Verschuldens des Beklagten zu 1 am Unfall (§ 18 Abs. 1 Satz 2 StVG) nicht führen.
a) Tatsächlich steht nach der durchgeführten Beweisaufnahme fest, dass der Beklagte zu 1 die Klägerin unter Verstoß gegen § 10 Satz 1 StVO verletzt hat.
Nach Zeichen 325.2 StVO (Ende eines verkehrsberuhigten Bereichs) ist beim Ausfahren § 10 StVO zu beachten. Danach muss derjenige, der aus einem verkehrsberuhigten Bereich auf die Straße einfahren will sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. „Anderer Verkehrsteilnehmer“ ist jede Person, die sich selbst verkehrserheblich verhält, d.h. körperlich und unmittelbar auf den Ablauf eines Verkehrsvorgangs einwirkt (BGH v. 15.05.2018 – VI ZR 231/17, r+s 2018, 447). Hierzu rechnet in der konkreten Unfallsituation auch die Klägerin als Radfahrerin (vgl. OLG Hamm Urt. v. 11.1.2019 – 9 U 81/18, BeckRS 2019, 2511). Die sich aus § 10 S. 1 StVO ergebenden Verpflichtungen enden auch nicht – wie von Beklagtenseite im Hinblick auf die Kollisionsstelle hinter dem Zeichen 325.2 StVO angedeutet – generell auf der Höhe dieses Verkehrsschildes. Sie enden vielmehr in der Regel erst dann, wenn sich das Gebot aktualisiert, beim Einfahren aus einem verkehrsberuhigten Bereich in eine andere Straße eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen. Dies ist regelmäßig an der nächsten Einmündung oder Kreuzung nach Ende des verkehrsberuhigten Bereichs der Fall (BGH, Urteil vom 20. November 2007 – VI ZR 8/07, r+s 2008, 126 zu Zeichen 326 a.F.).
Ist das Zeichen 325.2 mehr als 30 m vor der nächsten Einmündung oder Kreuzung aufgestellt, enden die Verpflichtungen aus § 10 StVO in der Regel am Aufstellungsort des Zeichens. Dies kann der Fall sein, wenn der verkehrsberuhigte Bereich nur für einen bestimmten Straßenabschnitt angeordnet ist oder sich die nächste Kreuzung oder Einmündung aus anderen Gründen mehr als 30 m hinter dem Aufstellungsort des Zeichens befindet. Eine Fallgestaltung, bei der sich das aus § 10 StVO folgende Gebot aktualisieren kann, liegt dann nicht vor (BGH aaO). Auch wenn die dieser BGH-Entscheidung zugrunde liegende Fassung der VwV zu § 42 StVO in der aktuellen Fassung vom 22.09.2015 die in der vorgenannten Entscheidung erwähnten 30 Meter nicht mehr ausdrücklich bezeichnet, bleibt der damit ausgesprochene Grundgedanke unberührt: Entscheidend ist darauf abzustellen, ob das Einfahren in eine andere Straße bei objektiver Betrachtung als Verlassen des verkehrsberuhigten Bereichs im Sinne des § 10 StVO erscheint. Dies ist nach dem Gesamtbild der äußerlich erkennbaren Merkmale zu bestimmen (BGH aaO). Es kommt also nicht nur darauf an, in welcher Entfernung sich das Verkehrsschild vor der Einmündung befindet, sondern auch darauf, ob der Einmündungsbereich trotz der Aufstellung des Schildes einige Meter davor bei objektiver Betrachtung noch als Ausfahrtsbereich der verkehrsberuhigten Zone erscheint. Befindet sich das Zeichen nicht mehr als 30 m vor der nächsten Einmündung oder Kreuzung, wird in der Regel davon auszugehen sein, dass für den Ausfahrenden die Verhaltensanforderungen des § 10 StVO gelten, wenn keine Anhaltspunkte vorliegen, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen. Solche Anhaltspunkte können sich insbesondere aus der Straßenführung oder der baulichen Gestaltung im Bereich der Unfallörtlichkeit ergeben (etwa farblichen oder gestalterischen Abgrenzungen der Fahrbahnflächen; BGH aaO).
Gemessen an dieser vorstehenden Rechtsprechung des BGH unterlag der Beklagte zu 1 hier noch den Anforderungen des § 10 Abs. 1 StVO. Der Unfall ereignete sich nur ca. eine Fahrzeuglänge nach Passieren des in Fahrtrichtung des Beklagten zu 1 gesehen am rechten Fahrbahnrand befindlichen Zeichens 325.2 StVO. Dies wird anhand der von der Polizei aufgenommenen Lichtbilder, die das Fahrzeug des Beklagten zu 1 in (mehr oder weniger) Endstellung zeigen, ohne weiteres erkennbar (Anlage I des Sachverständigen, dort Bild 017). Auch wenn der Bereich des Ausfahrttrichters nicht durchgehend einheitlich asphaltiert ist, sondern sich dort eine parallel zur H. straße verlaufende Pflasterung befindet, lässt dies nicht den Eindruck aufkommen, dass der verkehrsberuhigte Bereich bereits zu Beginn dieser Pflasterung endet. In diesem Zusammenhang ist zu sehen, dass erst der nachfolgende Bordstein, der zudem noch abgesenkt ist (vgl. Bilder 15 und 16 der Ermittlungsakte), die Fluchtlinie zur H. straße bildet. Erst an dieser Fluchtlinie „aktualisiert“ sich im Sinne der vorgenannten BGH-Rechtsprechung das Gebot des Ausfahrenden, dem fließenden Verkehr Vorrang einzuräumen. Unterstützt wird die vorbeschriebene Wahrnehmung noch dadurch, dass die Pflasterung in diesem Bereich nicht identisch ist mit derjenigen des Gehweges (quadratische Pflastersteine), sondern sich mit der dort befindlichen Verbundsteinpflasterung auch deutlich vom Gehweg abhebt.
Vorstehendes bedeutet aber nicht, dass der Beklagte zu 1 erst ab der Fluchtlinie gehalten war, die nach § 10 S. 1 StVO geforderte Sorgfalt einzuhalten. Auch wenn andererseits der „eigentliche“ verkehrsberuhigte Bereich mit dem Zeichen 325.2 StVO beendet war – und damit die mit Zeichen 325.1 verbundenen Sorgfaltsanforderungen an Kraftfahrer -, bedeutet dies nicht, dass der Beklagte zu 1 sich zwischen den Regelungsbereichen des § 10 S. 1 StVO und Zeichen 325.1 StVO gleichsam im „Niemandsland“ ohne Geltung jeglicher Sorgfaltsmaßstäbe befand. Vielmehr ist in diesem Bereich von einer „Nach-“ bzw.- „Vorwirkung“ der Regelungsbereiche des Zeichens 325.1 StVO und § 10 S. 1 StVO zumindest nach dem Maßstab des § 1 Abs. 2 StVO auszugehen. Die danach gebotene Sorgfaltsanforderungen sollten jedenfalls auch die Klägerin als Verkehrsteilnehmerin an der Grenze/Übergang des verkehrsberuhigten Bereichs schützen.
Unstreitig ereignete sich die Kollision mit der Klägerin jedenfalls im unmittelbar unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Ausfahren des Beklagten zu 1 aus dem verkehrsberuhigten Bereich. Damit spricht bereits der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Beklagte zu 1 die Klägerin infolge Unaufmerksamkeit beim Ausfahren erfasste (vgl. LG Osnabrück, Beschluss vom 13. Januar 2016 – 4 S 414/15 -, juris zu § 10 S. 1 StVO).
Dass der Beklagte zu 1 sich im Moment der Kollision in Vorwärtsbewegung befand, wird aus den Ausführungen des Sachverständigen ohne weiteres deutlich. Diese lassen aufgrund der Anschlagsdynamik des Fahrrades und den damit verbundenen Schürfspuren nur den Schluss zu, dass der PKW mit ca. 5 bis 7 km/h in Vorwärtsbewegung war. Unzweifelhaft lässt sich aufgrund der Sachverständigenrekonstruktion (vgl. Anlage VI) die Kollisionsstelle auch noch im Bereich des Gehwegs nach dem verkehrsberuhigten Bereich verorten und nicht auf der Straße selbst. Eine solche Konstellation wird auch von den Beklagten nicht behauptet.
Der Umstand, dass die Klägerin sich mit ihrem Fahrrad im Moment der Kollision – zumindest zum Teil – bereits auf der vorgenannten gesonderten Pflasterung des Ausfahrttrichters befand, ändert nach dem Vorstehenden an dem Verstoß des Beklagten zu 1 gegen § 10 Satz 1 bzw. § 1 Abs. 2 StVO nichts. Auch wenn sich die Kollisionsstelle zwar nicht im durch Verkehrszeichen 325.1 StVO gekennzeichneten „Kernbereich“ des verkehrsberuhigten Bereichs befand, sondern auf dem zwischen diesem und der H. straße befindlichen Gehweg, war der Beklagte zu 1 doch auch in diesem Bereich noch zu einer in Anlehnung an Zeichen 325.1 StVO bzw. § 10 Satz 1 StVO geforderten Sorgfalt mit zumindest dem Maßstab des § 1 Abs. 2 StVO verpflichtet. Hiergegen hat der Beklagte zu 1 mit seinem unaufmerksamen Ausfahren verstoßen.
b) Zudem hat der Beklagte zu 1 gegen das Verbot Nr. 1a zu Zeichen 295 StVO in Verbindung mit § 2 Abs. 1 StVO verstoßen.
Demnach darf der, der ein Fahrzeug führt, eine durchgehende Linie auch nicht teilweise überfahren. Im Bereich der Unfallstelle grenzte die durchgezogene Linie – fotografisch durch den Sachverständigen dokumentiert und auch in der nachgereichten Anlage VI eingetragen – einen Seitenstreifen von der Fahrbahn ab (vgl. Erläuterung zu Zeichen 295 StVO Ziff. 2). Der Beklagte war als PKW Fahrer verpflichtet, nach § 2 Abs. 1 S. 1 StVO die Fahrbahn zu benutzen, wozu ein Seitenstreifen aber nicht rechnet (§ 2 Abs. 1 S. 2 StVO).
Dass der Beklagte zu 1 jedenfalls zum Teil bei seinem Abbiegemanöver nach rechts diesen Seitenstreifen überfahren hat, lässt sich aus der fotografisch gesicherten Fahrzeugposition (z.B. Bild 8, Ermittlungsakte S. 12) ohne weiteres nachvollziehen und ist auch vom Sachverständigen so rekonstruktiv bestätigt.
Das Überfahren der durchgezogenen Linie und das damit verbundene Befahren des Seitenstreifens sind auch unfallursächlich geworden. Hätte der Beklagte zu 1 den Rechtsabbiegebogen weiter genommen, eben ohne teilweises Überfahren der durchgezogenen Linie, hätte er die Kollisionsstelle, an der sich die Klägerin befand, nicht erreicht.
Die Abgrenzung des Seitenstreifens diente im konkreten Unfallbereich auch dem Schutz der Klägerin. Der Seitenstreifen ist mit einem Fußgängersymbol markiert (vgl. Bild 6, Ermittlungsakte S. 11), sollte also am Fahrbahnrand eine Schutzzone für Fußgänger schaffen. Hierauf kann sich auch die Klägerin berufen, da diese jedenfalls nicht nachweislich (vgl. dazu sogleich) Fahrrad fuhr.
c) Der Umstand, dass der Beklagte zu 1 bei der Unfallfahrt Badeschlappen trug, kann hingegen nicht als zusätzlich Betriebsgefahr erhöhend berücksichtigt werden (§ 1 Abs. 2 StVO).
Es ist nicht erkennbar, dass der Unfall sich bei „festem“ Schuhwerk nicht ereignet hätte oder aber zumindest die Verletzungen der Klägerin geringer ausgefallen wären. Letztlich ist die Klägerin dem entsprechenden Einwand der Beklagten auch nicht substantiiert entgegengetreten.
2. Die Klägerin muss sich ein haftungsminderndes Mitverschulden nicht entgegenhalten lassen.
a) Nach § 9 StVG i.V.m. § 254 BGB hat eine Berücksichtigung des Mitverschuldens des Radfahrers zu erfolgen (BGH, Urteil vom 18. November 2003 – VI ZR 31/02, r+s 2004, 122). Der insoweit den Beklagten obliegende (vgl. BGH VersR 2000, 467) Beweis eines unfallursächlichen Verstoßes der Klägerin gegen Sorgfaltsvorschriften kann durch die Beklagten nach der Beweisaufnahme jedoch nicht als geführt angesehen werden.
b) Insbesondere konnten die Beklagten nicht beweisen, dass die Klägerin entgegen § 2 Abs. 1 S. 1, 5 StVO im Moment der Kollision den Gehweg befuhr.
Die Klägerin hat insoweit angegeben, dass das für sie zur Linken frühzeitig erkennbar werdende Beklagten-Fahrzeug Anlass war, ihr Fahrrad zum Stehen zu bringen. Sie sei insoweit lediglich vorsichtig gewesen und stehen geblieben, damit das Auto auf die H. straße habe herausfahren können. Die Klägerin, die ihre Angaben ruhig und nicht um Übertreibung bemüht machte, gab auch zu, zuvor entgegen der Fahrtrichtung auf dem Gehweg gefahren zu sein. Insgesamt machten die Angaben der Klägerin durchaus einen glaubwürdigen Eindruck. Unterstützt werden die Angaben der Klägerin zudem erheblich durch die Erkenntnisse des Sachverständigen, der nach den Unfallspuren am PKW und Fahrrad davon ausgeht, dass vieles dafür spricht, dass das Fahrrad beim Anprall im Stillstand war. Der Sachverständige geht aufgrund des erforderlichen Geschwindigkeitsunterschiedes zwischen Fahrzeug und Rad von 10:1 davon aus, dass allenfalls noch eine Rollbewegung des Rades bis zu knapp 1 km/h in Betracht kommt.
Bei dieser Sachlage kann die hinreichende Überzeugung davon, dass die Klägerin ihr Fahrrad tatsächlich noch gefahren hat keinesfalls gewonnen werden.
Zudem ist zu sehen, dass den Beklagten neben dem eigentlichen Verstoß auch der Beweis dafür obliegt, dass ein etwaiger Verstoß überhaupt unfallursächlich geworden ist (vgl. BGH NJW 2013, 2018; Rogler in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 25 StVO Rn. 133, 234). Auch hieran bestehen erhebliche Zweifel, da nichts dafür erkennbar ist, dass der Unfall sich nicht in gleicher Weise ereignet hätte, wenn die Klägerin sich definitiv stehend an der Unfallstelle befunden hätte. Es spricht viel dafür, dass der Beklagte zu 1 seinen Blick lediglich nach links richtete, da sich vermeintlich alleine von dort Fahrzeuge auf der H. straße nähern konnten. Die gebotene und aufgrund der Sichtverhältnisse auch ohne weiteres zu gewinnende Überzeugung davon, dass sich nicht von rechts auch keine Fußgänger in seiner beabsichtigten Fahrtrichtung befinden, hat der Beklagte zu 1 offenbar unterlassen.
c) Ein Mitverschulden kann auch nicht darin gesehen werden, dass die Klägerin sich gleichsam sehenden Auges in die erkennbar abzeichnende Abbiegespur des Beklagtenfahrzeugs begeben hätte. Die Klägerin gab an, dass sie das Beklagten-Fahrzeug das erste Mal wahrnahm, als dieses im Stillstand war. Bei dieser Ausgangslage – und Gegenteiliges ist zumindest nicht mit hinreichender Überzeugung bewiesen – kann ein Fehlverhalten der Klägerin, die ihr Fahrrad ja – zumindest ist zu ihren Gunsten davon auszugehen – in diesem Moment zum Stillstand gebracht hatte, nicht festgestellt werden.
3. Zusammenfassend ist damit auf der einen Seite zu sehen, dass die Unachtsamkeit des Beklagten zu 1 beim Ausfahren aus dem verkehrsberuhigten Bereich (zumindest nach § 1 Abs. 2 StVO) und das mit dem teilweisen Überfahren der durchgezogenen Linie (Zeichen 295 StVO) verbundene Kurveschneiden die Betriebsgefahr des Beklagten-Fahrzeugs deutlich erhöhten. Auf der anderen Seite kann der Klägerin ein unfallursächlicher Verstoß nicht nachgewiesen werden. Eine Betriebsgefahr im Sinne des StVG ist zu ihren Lasten ohnehin nicht zu berücksichtigen. Selbst wenn man aber davon ausginge, dass die Klägerin sich noch mit minimalster Vorwärtsbewegung, weniger als Schrittgeschwindigkeit eines Fußgängers, am rechten Rand des Ausfahrtrichters befand, könnte hierin kein unfallursächliches Verschulden gesehen werden, das im Rahmen der erheblich erhöhten Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs bedeutsames Gewicht zu erlangen hätte.
Nach alledem ist von einer Haftung der Beklagten zu 100% auszugehen. Die Klage ist damit in vollem Umfang erfolgreich.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.


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