Verkehrsrecht

Verkehrsunfall, Unfall, Reparaturkosten, Betriebsgefahr, Rechtsanwaltskosten, Marke, Kollision, Streitwert, Gesamtschuldner, Gutachterkosten, Kreuzung, Mithaftung, Verschulden, Fahrzeug, Kosten des Rechtsstreits, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten

Aktenzeichen  8 O 89/21

Datum:
16.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 31685
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger € 9.379,98 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von € 7.766,26 seit 01.12.2020, aus einem Betrag von weiteren € 1.579,20 seit 02.04.2021 und aus einem weiteren Betrag in Höhe von € 34,51 seit 26.05.2021 zu zahlen.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von € 612,80 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 05.02.2021 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten gesamtschuldnerisch 80% und der Kläger 20%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10% des jeweilszu vollstreckenden Betrags.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 9.719,83 € bis 30.03.2021, auf € 11.693,83 bis 16.05.2021 und auf 11.736,97 € seit 17.05.2021 festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist weitgehend begründet.
Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass das klägerische Taxi zum Unfallzeitpunkt bereits stand, sodass der Unfall durch das sich noch in Fahrt befindliche Müllfahrzeug verursacht wurde. Aufgrund der ungünstigen Anhalteposition des Taxis war eine (verminderte) Betriebsgefahr von 20% in Ansatz zu bringen. Auch die Kostensätze eines Servicepartners von VW hat sich der Kläger jedoch nicht verweisen zu lassen.
Im Einzelnen:
1. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme stellt sich das Unfallgeschehen wie folgt dar: Der Zeuge … beabsichtigte am Unfalltag von der W. Straße kommend rechts in die J. straße abzubiegen. Als er bemerkte, dass das Müllfahrzeug aus der J. straße kommend links in die W. Straße abbog, hielt er sein Taxi zum Stillstand an. Das Fahrzeug befand sich allerdings in der Anhalteposition relativ mittig in der Straße und hätte vom Zeugen … ohne weiteres näher zum rechten Fahrbahnrand gelenkt werden können. Die Platzverhältnisse waren daher für den Beklagten zu 1) sehr beengt. Beim Versuch, langsam am klägerischen Pkw vorbeizufahren, kam es zu einer Kollision der jeweils linken hinteren Fahrzeugseiten. Am Klägerfahrzeug entstand hierdurch ein Reparaturschaden in Höhe von 8.422,41 €. Es erlitt ferner eine Wertminderung von 600,00 €.
2. Das Gericht stützt seine Überzeugung im Wesentlichen auf die Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) Z, der dem Gericht seit Jahren als kompetenter und zuverlässiger Experte im Bereich der Unfallrekonstruktion bekannt ist.
Dieser gab an, dass kein Zweifel daran bestehe, dass sich das Müllfahrzeug zum Unfallzeitpunkt in Vorwärtsfahrt befunden habe. Er begründete dies einerseits mit von ihm festgestellten typischen Radandrehspuren über die Stoßfängerabdeckung des VW Caddy hinweg. Er konnte aber auch Spuren einer momentanen Verhakung zwischen den Fahrzeugen feststellen, die in ihrer Überdeckung nur durch ein entsprechendes Vorwärtsfahren des Müllfahrzeugs erklärlich sind. Der Sachverständige bestätigte damit die Version des Zeugen … umfassend.
Der Sachverständige stellte aber auch dar, dass der Unfall für beide Seiten technisch abwendbar gewesen sei. Der Beklagte zu 1) als Fahrer des Müllfahrzeugs hätte durch einen besseren Fahrkurs, also durch ein besseres Ausholen und dann Weglenken den Unfall vermeiden können. Aber auch der Zeuge … hätte das Taxi vor dem Unfall frühzeitiger nach rechts lenken können, um dann an einer besseren, sprich an einer weiter rechts befindlichen, Stelle in den späteren Unfallbereich einzusteuern.
Gegenüber dem von der DEKRA angesetzten Reparaturbetrag seien € 7,00 in Abzug zu bringen, da Entsorgungskosten bei einer fiktiven Abrechnung nicht anfallen würden.
Diesen für das Gericht nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Angaben folgt das Gericht.
Im Hinblick auf die beklagtenseits angegebene Referenzwerkstatt gab der Sachverständige an, dass es sich hierbei nicht um eine Werksvertretung im formellen Sinne handele. Die Firma Kaiser firmiere als sog. Servicepartner auch für andere Marken der VW-Gruppe.
3. Da der Schaden vorliegend durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht wurde (§ 17 Abs. 1, 2 StVG), hängt im Verhältnis der Fahrzeugführer zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Die Abwägung im Rahmen des § 17 Abs. 1 StVG ist aufgrund aller festgestellten Umstände des Einzelfalles vorzunehmen, wenn sie sich auf den Unfall ausgewirkt haben. In erster Linie ist hierbei nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung (BGH r+s 2017, 153; BGH r+s 2017, 93; BGH r+s 2016, 147; BGH r+s 2014, 364; BGH r+s 2012, 195; BGH VersR 2010, 642; BGH VersR 2007, 557). Dabei dürfen nur feststehende Umstände berücksichtigt werden, die sich erwiesenermaßen auf den Unfall ausgewirkt haben (BGH r+s 2017, 93; BGH VersR 1995, 357 m.w.N.).
Zunächst ist festzustellen, dass der Unfall für keinen der beiden Fahrer unabwendbar im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 StVG war. Wie der Sachverständige ausführte, hätte der Beklagte zu 1) den Unfall durch einen besseren Fahrkurs abwenden können. Allerdings hätte ein Idealfahrer auf Seiten des Klägerfahrzeugs den Unfall ebenfalls durch ein besseres Fahrverhalten vor der Kollision vermeiden können. Das Taxi stand nämlich relativ mittig in der Straße. Dies führte dazu, dass die Platzverhältnisse für den Beklagten zu 1) sehr beengt waren. Ein Idealfahrer hätte sein Fahrzeug weiter rechts zum Stehen gebracht.
Der Beklagte zu 1) verstieß daher gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht im Straßenverkehr von § 1 Abs. 2 StVG. Es ist ebenfalls ein Verstoß gegen das Rechtsfahrverbot des § 2 Abs. 2 StVG anzunehmen. Allerdings waren die Straßenverhältnisse für den Beklagten zu 1) beengt. Der Unfall ist letztlich aufgrund einer Unachtsamkeit des Beklagten zu 1) entstanden. Der verkehrsrechtliche Verstoß ist daher nicht als so gravierend anzunehmen, dass dahinter die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs vollständig zurücktritt, zumal der Zeuge … sein Fahrzeug ungünstig in der W. Straße im Kreuzungsbereich angehalten hatte. Daher ist eine Mithaftung des Klägers von 20% in Ansatz zu bringen.
4. Vor Quote kann der Kläger daher Schadenersatz in Höhe von 11.724,97 € geltend machen. Unter Zugrundelegung einer Mithaftung von 20% waren dem Kläger daher € 9.379,98 zuzusprechen.
Der Kläger muss sich dabei nicht auf die Referenzwerkstatt verweisen lassen. Bei der Firma K. GmbH handelt es sich lediglich um einen Servicepartner der VW-Gruppe. Diese repariert also nicht lediglich Fahrzeuge der Marke VW, sondern auch anderer Marken der Gruppe wie etwa Audi oder Skoda. Anerkannt von der Rechtsprechung ist jedoch, dass der Geschädigte eines Scheckheftgepflegten Fahrzeugs die Kosten einer markengebundenen Fachwerkstatt ersetzt verlangen kann (BGH, Urteil vom 25.09.2018, Az. VI ZR 65/18).
Von den in Ansatz gebrachten Reparaturkosten waren € 7,00 abzuziehen, da diese auf Entsorgungskosten entfielen, die bei einer fiktiven Reparatur von vorneherein nicht anfallen. Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer kann eine Unfallkostenpauschale lediglich in Höhe von € 25,00 geltend gemacht werden.
Damit kann der Kläger folgende Schadenersatzbeträge geltend machen:
1
Reparaturkosten (lt. SV Z)
8.422,14 €
2
Wertminderung
600,00 €
3
SV-Honorar
660,69 €
4
Unfallkostenpauschale
25,00 €
5
Kosten eines Miettaxis
1.974,00 €
6
Kosten der Nachbesichtigung
43,14 €
5
Summe vor Quote
11.724,97 €
6
davon 80%
9.379,98 €
Verzugszinsen ergeben sich – wie tenoriert – aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 BGB.
Ferner kann der Kläger die Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren aus einem Gegenstandswert in Höhe von € 7.766,26 geltend machen, da die Kosten des Miettaxis sowie der Nachbesichtigung nicht außergerichtlich geltend gemacht wurden.
Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.


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