Aktenzeichen VI ZR 215/14
Leitsatz
Wird die Klage allein aus dem Gesichtspunkt der Verjährung abgewiesen, reicht es grundsätzlich für eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung aus, dass der Kläger vorträgt, die aus einem bestimmten Unfallereignis geltend gemachten Schadensersatzansprüche seien nicht verjährt.
Verfahrensgang
vorgehend LG Wuppertal, 23. April 2014, Az: 8 S 56/13vorgehend AG Wuppertal, 26. September 2013, Az: 33 C 170/13
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 23. April 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls am 21. November 2009. Bei dem Unfall kollidierte der im Eigentum des Klägers stehende Pkw mit einem von dem Beklagten zu 2 gesteuerten, von der Beklagten zu 3 gehaltenen und bei der Beklagten zu 1 pflichtversicherten Pkw. Nach Behauptung des Klägers ist der Pkw der Beklagten zu 3 beim Überholen des klägerischen Fahrzeugs zu knapp vor diesem wieder eingeschert. Der Kläger macht Schadensersatz in Höhe von 2.171,93 € geltend (Wiederbeschaffungsaufwand: 1.650 €, Schadensfeststellungskosten: 496,93 €, Kleinkosten zur Schadensverfolgung: 25 €).
2
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, weil etwaige Ansprüche verjährt seien. Das Landgericht hat die Berufung des Klägers verworfen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Schadensersatzansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
I.
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Nach Auffassung des Berufungsgerichts genügt die Berufungsbegründung nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, weil sie nicht erkennen lasse, dass und inwiefern der gerügte Fehler in der Rechtsanwendung für die angefochtene Entscheidung erheblich sei. Der Kläger berufe sich auf eine Verletzung des materiellen Rechts durch das Amtsgericht, da dieses zu Unrecht von einer Verjährung der Schadensersatzansprüche ausgegangen sei. Er habe – zugeschnitten auf den Streitfall und aus sich heraus verständlich – diejenigen Punkte rechtlicher Art darzulegen, die er als unzutreffend beurteilt ansehe, und die Gründe anzugeben, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit jener Punkte und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung herleite. Aus der Berufungsbegründung ergebe sich nicht, dass und weshalb die angeführte Rechtsverletzung für die angefochtene Entscheidung im Ergebnis auch erheblich sei. Der Kläger habe weder dargelegt, wie der Rechtsstreit bei Berücksichtigung seiner Rechtsansicht zu entscheiden wäre, noch habe er in konkreter oder allgemeiner Weise auf sein erstinstanzliches Vorbringen Bezug genommen und dieses so zum Gegenstand der Berufungsbegründung gemacht. Aus dieser ergebe sich lediglich, dass ein “Schadensersatzanspruch” nicht wegen Verjährung gehemmt wäre. Dass und in welcher Höhe ihm ein solcher Anspruch zustehe, habe der Kläger weder ausdrücklich noch durch eine Bezugnahme dargelegt. Bei der Prüfung, ob die für die zulässige Berufung notwendige Berufungsbegründung den Anforderungen des § 520 ZPO genüge, könne nicht auf den gesamten Prozessstoff abgestellt werden. Es stellte einen Zirkelschluss dar, wenn bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit der Berufung, deren Folge eine Anlandung des gesamten Prozessstoffes in der zweiten Instanz sei, der gesamte Prozessstoff zu prüfen und zu berücksichtigen wäre.
II.
4
Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Verwerfung der Berufung als unzulässig verletzt den Kläger in seinem Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip).
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a) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist die Berufung nicht schon deshalb unzulässig, weil nicht erkennbar ist, dass die Berufungsbegründung von dem durch den Briefbogen als Ersteller ausgewiesenen Rechtsanwalt unterschrieben wurde. Es ist zwar anders als in anderen Schriftsätzen in der Berufungsbegründung nicht angegeben, dass die Unterschrift von dem Prozessbevollmächtigten zweiter Instanz des Klägers stammt. Zudem unterscheidet sich die Unterschrift von den Unterschriften unter den anderen Schriftsätzen. Der Kläger hat jedoch durch Vorlage von Kopien des Ausweises der Rechtsanwaltskammer, des Führerscheins sowie des Personalausweises seines zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten und dessen anwaltliche Versicherung glaubhaft gemacht, dass dieser die Berufungsbegründung unterschrieben hat. Der erkennende Senat hat aufgrund dessen Begründung, er unterzeichne nach geäußerten Bedenken des Vorsitzenden einer Berufungskammer gegen seine übliche Unterschrift Berufungsschriftsätze anders als andere Schriftsätze mit seiner “bürgerlichen Unterschrift”, keine Zweifel daran, dass die Berufungsbegründung von ihm unterschrieben wurde.
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b) Das Berufungsgericht hat die in § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO beschriebenen Anforderungen an den Inhalt der Berufungsbegründung überspannt und hierdurch dem Kläger den Zugang zur Berufungsinstanz in unzulässiger Weise versagt.
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aa) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Besondere formale Anforderungen bestehen zwar nicht; auch ist es für die Zulässigkeit der Berufung ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Die Berufungsbegründung muss aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen (st. Rspr., vgl. Senat, Beschlüsse vom 11. März 2014 – VI ZB 22/13, VersR 2014, 895 Rn. 8; vom 27. Januar 2015 – VI ZB 40/14, juris Rn. 7; vom 10. Februar 2015 – VI ZB 26/14, z.V.b.; BGH, Beschlüsse vom 13. September 2012 – III ZB 24/12, NJW 2012, 3581 Rn. 8; vom 23. Oktober 2012 – XI ZB 25/11, NJW 2013, 174 Rn. 10; vom 22. Mai 2014 – IX ZB 46/12, juris Rn. 7; jeweils mwN).
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bb) Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht zu strenge Anforderungen an den Inhalt der Berufungsbegründung gestellt (§ 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO).
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Der Kläger hat – wie gefordert zugeschnitten auf den Streitfall und aus sich heraus verständlich – den vom Amtsgericht für die Klageabweisung maßgeblichen Gesichtspunkt angegriffen, dass die Schadensersatzansprüche des Klägers aus dem Unfallereignis vom 21. November 2009 verjährt seien. Er hat dies näher ausgeführt und die Umstände mitgeteilt, die aus seiner Sicht das Urteil in Frage stellen. Für die Zulässigkeit der Berufung ist ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind.
10
Aus der Berufungsbegründung ergibt sich auch noch ausreichend, dass der Kläger Schadensersatzansprüche aus einem Unfallereignis vom 21. November 2009 geltend macht und der Auffassung ist, dass ihm solche Ansprüche zustehen. Nachdem das Amtsgericht die Klage allein aus dem Gesichtspunkt der Verjährung abgewiesen und dementsprechend etwaige Ansprüche aus §§ 7 ff. StVG und § 823 BGB nicht geprüft hat, war es nicht geboten, ausdrücklich noch einmal das gesamte erstinstanzliche Vorbringen zu den Voraussetzungen des verfolgten Klageanspruchs zu wiederholen und auf diese Weise die Entscheidungserheblichkeit des Berufungsangriffs darzutun. Diese ergibt sich im Streitfall bereits daraus, dass eine inhaltliche Prüfung der geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht erfolgt und die Klage allein wegen Verjährung abgewiesen worden ist. Im Übrigen ergeben sich nähere Umstände des Sachverhalts und des Vorbringens des Klägers aus dem Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils, auf den das landgerichtliche Urteil Bezug genommen hat.
III.
11
Nach alledem durfte das Berufungsgericht die Berufung nicht als unzulässig verwerfen, so dass das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist, damit es über die Begründetheit der Berufung befindet (§ 563 Abs. 1 ZPO).
Galke Pauge Stöhr
Offenloch Oehler