Verkehrsrecht

Zum Vorsatzausschluss in der Kfz-Haftpflichtversicherung bei bedingt vorsätzlicher Herbeiführung des Unfalls

Aktenzeichen  17 O 3335/11

Datum:
12.4.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 122798
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VVG § 103, § 115 Abs. 1 S. 1, § 117 Abs. 3

 

Leitsatz

Der Kfz-Haftpflichtversicherer kann sich im Verhältnis zum Geschädigten auch dann gemäß § 103 VVG auf den Ausschluss seiner Leistungspflicht berufen, wenn der Fahrer des versicherten Fahrzeugs die Verletzungen des Geschädigten bedingt vorsätzlich herbeiführt (bestätigt durch OLG München BeckRS 2017, 112607 Rn. 16, 26; vgl. auch BGH BeckRS 2009, 20969; anders OLG Frankfurt a.M. r+s 1996, 472). (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

17 O 3335/11 2012-07-10 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Die zulässige Klage erwies sich als nicht begründet.
Nach dem Gutachten des Sachverständigen … steht fest, dass der Zeuge … mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Der Sachverständige … der der Kammer seit langem als äußerst zuverlässiger und kompetenter Sachverständiger bekannt ist, hat in seinem Gutachten ausgeführt, er könne zwar unfallanalytisch nicht beurteilen, ob der Zeuge … mit einem bedingten Vorsatz gehandelt habe, dies bleibe der richterlichen Beurteilung vorbehalten. Sachverständiger Weise ließe sich aber zweifelsfrei feststellen, dass sich die Geschädigte … im direkten Sichtbereich des Zeugen … befunden habe und bei einem Losfahren sei die Möglichkeit einer Berührung zwischen dem Fahrzeug und der Fußgängerin offensichtlich und dieser Kontakt habe auch tatsächlich stattgefunden. Wenn man in der Situation des Zeugen … der sich der Anwesenheit der Geschädigten … bei seinem Fahrzeug während der vorherigen Rückwärtsfahrt bewusst gewesen sei und sie dann auch an seinem linken vorderen Kotflügel gesehen habe, in dieser Situation losfahre, so sei es offensichtlich, dass ein extrem hohes Verletzungsrisiko für die sich am Fahrzeug befindende Person besteht. Fährt man dennoch los, kann sich dieses hohe Verletzungsrisiko ohne weitere realisieren, was im streitgegenständlichen Fall auch so gewesen sei. Durch dieses Überfahren seien auch die wesentlichen Verletzungen der Geschädigten entstanden. Damit besteht eine Leistungsfreiheit gemäß § 103 VVG. Dieser setzt eine vorsätzliche Tat voraus. Vorsatz im Sinne dieser Vorschrift ist derjenige des allgemeinen Zivilrechts, also im Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolgs. Es genügt, wenn der Handelnde den als möglich erkannten Erfolg billigend in Kauf nimmt.
Durch das Gutachten des Sachverständigen … ist der Eventualvorsatz des handelnden Zeugen … eindeutig nachgewiesen. Durch das Anfahren zu einem Zeitpunkt, zu dem sich die Geschädigte im unmittelbaren Bereich seines Fahrzeugs befand, hat der Zeuge … billigend in Kauf genommen, dass sein Fahrzeug die Geschädigte berühren würde und verletzen könne. Dies ist ja dann tatsächlich auch so geschehen. Auf die Frage, ob zu diesem Zeitpunkt die Stimmung hasserfüllt war oder nicht, kommt es nach Ansicht des Gerichts nicht an, da diese für den bedingten Vorsatz nicht entscheidungserheblich ist.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.


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