Versicherungsrecht

Beschränkung der Leistungspflicht in einer Ratenschutz-Arbeitsunfähigkeitsversicherung auf vorübergehende Arbeitsunfähigkeit

Aktenzeichen  31 O 157/19

Datum:
26.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 45731
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Deggendorf
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 305c Abs. 1
VVG – Informationspflichtenverordnung § 1, § 2

 

Leitsatz

Eine Beschränkung der Leistungspflicht in einer Ratenschutz-Arbeitsunfähigkeitsversicherung auf vorübergehende Arbeitsunfähigkeit unter Ausschluss der Leistungspflicht bei dauerhafter Berufsunfähigkeit ist keine überraschende Vertragsgestaltung im Sinne des § 305 c Abs. 1 BGB.  (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der jeweils zu vollstreckenden Forderung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert beträgt 20.010,– €.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
I.
Die Klage ist zulässig, auch soweit sie in Ziffer II auf künftige Leistungen gerichtet ist. Soweit der Rechtsprechung des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken (von der Beklagtenseite vorgelegt als Anlage B 13) Gegenteiliges zu entnehmen ist, schließt das erkennende Gericht sich dem nicht an. Im vorliegenden Fall jedenfalls ist zwischen den Parteien unstreitig, dass bei dem Kläger dauerhafte Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist. Davon, dass dieser Zustand sich jemals wieder ändern könnte, sind weder von der Klägerseite noch von der Beklagtenseite Anhaltspunkte vorgetragen worden. Der Anspruch des Klägers auf die Versicherungsleistung ist, da er seine Gegenleistung bereits bei Abschluss des Kaufvertrages und des Darlehensvertrages erbracht hat, nicht mehr von einer Gegenleistung abhängig. Welche weiteren Voraussetzungen des §§ 257, 258 ZPO nicht vorliegen sollten, hat die Beklagtenseite nicht vorgetragen. Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit bestehen daher insoweit nicht.
II.
Die Klage ist aber nicht begründet.
1. Gem. Ziff. 4 der „Allgemeine(n) Vertragsinformationen entsprechend §§ 1 und 2 der VVG – Informationspflichtenverordnung“ (Anlage K 5 S. 1 oben) findet auf das streitige Rechtsverhältnis der Parteien aufgrund Vereinbarung iSd Art. 3 I 1, 7 III 1 lit. a) der Rom-I-Verordnung deutsches Recht Anwendung.
2. Zwar steht der Begründetheit der Klage nicht schon das alleinige Bezugsrecht der Darlehensgeberin entgegen. Die Beklagte verweist im Ansatz zutreffend auf die unstreitig in den Versicherungsvertrag einbezogenen Allgemeinen Bedingungen für die Ratenschutzversicherung (Anlage K 5, Bl. 1), in deren § 8 es heißt: „Leistungen aus dem Versicherungsverhältnis werden an den Versicherungsnehmer zugunsten des Finanzierungskontos erbracht“. Versicherungsnehmer im Sinne dieser Bestimmung ist unstreitig die Darlehensgeberin, nämlich die S. Bank gemäß Ziffer 1 der „Allgemeine(n) Vertragsinformationen entsprechend §§ 1 und 2 der VVG – Informationspflichtenverordnung“ (Anlage K 5 S. 1 oben).
Eine Einstandspflicht der Beklagten vorausgesetzt, befand diese sich indes durch das Ablehnungsschreiben vom 07.02.2018, Anlage K4, im Zustand der endgültigen Erfüllungsverweigerung, mithin gem. § 286 III Nr. 3 BGB im Verzug. Der Kläger kann daher die Leistungen, die er trotz bestehender Einstandspflicht der Beklagten aus seinem eigenen Vermögen erbracht hat, im Wege des Begehrens auf Zahlung an sich selbst als Verzugsschaden geltend machen, § 286 IV BGB.
3. Die Klage ist indessen nicht begründet, weil ein Versicherungsfall nicht vorliegt.
Nach dem zitierten Regelwerk leistet die Beklagte lediglich im Falle vorübergehender Arbeitsunfähigkeit, nicht aber im Falle dauerhafter Berufsunfähigkeit bzw. völlig aufgehobener Erwerbsfähigkeit. Der Kläger ist nicht im Sinne des § 1 Ziffer 2 der „Besonderen Bedingungen“ vorübergehend außerstande, (seine) berufliche Tätigkeit … auszuüben, sondern er ist im Sinne des § 2 Ziff 5 unbefristet berufsunfähig. An diesem Regelwerk ist der Kläger festzuhalten.
a) Bei dem Kläger liegt nicht vorübergehende Arbeitsunfähigkeit, sondern dauerhafte Berufsunfähigkeit vor. Dies ist zum einen zwischen den Parteien unstreitig und folgt zum anderen aus den ärztlichen Bestätigungen gem. den Anlagen K 2, K 3, B 1 bis B 10, auf die inhaltlich verwiesen wird.
b) Entgegen der Auffassung der Klägerseite sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beschränkung der Leistungspflicht auf vorübergehende Arbeitsunfähigkeit unter Ausschluss der Leistungspflicht bei dauerhafter Berufsunfähigkeit eine überraschende Vertragsgestaltung im Sinne des § 305 c I BGB wäre mit der Folge, dass die entsprechende Bestimmung nicht Vertragsbestandteil geworden wäre. Die Bestimmung müsste objektiv ungewöhnlich sein, um durch die negative Einbeziehungskontrolle aus dem Vertrag ausgeschieden werden zu können. Weder erforderlich noch für sich genügend ist es, wenn eine Bestimmung inhaltlich unbillig ist. Weicht eine Klausel vom gesetzlichen Leitbild ab, kann das indiziell auf eine ungewöhnliche Gestaltung hinweisen, einen Automatismus kann man daraus indes nicht ableiten. Die Feststellung, dass eine Bestimmung nach den Gesamtumständen des konkreten Vertragsschlusses ungewöhnlich ist, setzt einen Vergleich mit dem voraus, was als gewöhnliche Regelung berechtigterweise erwartet werden kann (Schmidt – BeckOK BGB, 01.08.2019, § 305c Rn 14).
Diese Voraussetzungen der „Überraschung“ liegen hier nicht vor. Es kommt daher nicht mehr darauf an, in welcher Weise die hierdurch entstehende vertragliche Lücke aufzufüllen wäre, ob also in diesem Fall von einer Leistungspflicht des beklagten Unternehmens auch im Falle einer „dauerhaften Arbeitsunfähigkeit“ auszugehen wäre.
aa) Unbehelflich ist in diesem Zusammenhang der Vortrag der Klägerseite betreffend das Verhalten des Zeugen H., weshalb eine Vernehmung des Zeugen nicht erforderlich war. Die Klägerseite trägt hierzu vor, dass auch dem Zeugen H. der Unterschied zwischen vorübergehender und dauerhafter Arbeitsunfähigkeit nicht bekannt gewesen sei. Sie trägt indessen nicht vor, dass im Gestalt der Mitteilungen dieses Zeugen, der sichtlich im Hauptberuf Autoverkäufer ist und lediglich „nebenbei“ im Zuge der Finanzierung des Autokaufes auch einen hierzu vermeintlich passenden Versicherungsvertrag „mitverkauft“, im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung falsche Auskünfte des Vertreters des Versicherers vorliegen würden.
Wenn eine bestimmte Versicherungsbestimmung den Erwartungen des Versicherungsnehmers, die vom Versicherer bzw. seinem Vertreter geweckt werden oder denen jedenfalls nicht widersprochen wird, widerspricht, so ist zwar die Bestimmung für den Versicherungsnehmer regelmäßig überraschend (Langheid/Wandt, Münchner Kommentar zum VVG, 2. Auflage, 50. Allgemeine Versicherungsbedingungen Rn. 71 mwN zur Rsp.). Dies gilt aber nur dann, wenn der Vertreter der Versicherung bei dem Versicherungsnehmer (hier: bei dem beitretenden Kunden) bestimmte Erwartungen weckt oder bei diesem vorhandenen Erwartungen nicht widerspricht. Hierfür ist aber nichts ersichtlich. Weder der Kläger noch der Zeuge H. haben sich ausweislich des Vorbringens der Klägerseite darüber Gedanken gemacht, dass zwischen vorübergehender und dauerhafter Arbeitsunfähigkeit unterschieden werden müsste. Es hat somit in dieser Hinsicht keinerlei Erwartungen und Vorstellungen gegeben.
bb) Auch die beklagtenseits gewählte Vertragskonstruktion führt nicht dazu, dass das Regelwerk als überraschend angesehen werden müsste. Es trifft zwar zu, dass in dem hier so genannten Hauptvertrag (das gesamte Vertragswerk besteht aus den zusammengehörenden Anlagen K 1 und K 5) auf dessen Seite 2 unter lit. A) VII nur davon die Rede ist, dass „bei Arbeitsunfähigkeit“ die Versicherung die monatlichen Darlehensraten übernimmt. Nicht definiert ist dort aber, was unter „Arbeitsunfähigkeit“ zu verstehen ist. Wenn also bei dem Kunden diesbezüglich Unsicherheiten herrschen, kann ihm durch den „Hauptvertrag“ kein unrichtiges Bild vermittelt werden, sondern es kann ihm allenfalls die Erkenntnis vermittelt werden, dass er allein mit dem Hauptvertrag seine Frage, was denn nun tatsächlich versichert ist, nicht beantworten kann. Aufgrund des nachstehenden Verweises auf die Allgemeinen und Besonderen Versicherungsbestimmungen (K 1 S. 2 unten: „Die weiteren Voraussetzungen, Ausschlüsse sowie Obliegenheiten ergeben sich aus den Allgemeinen und Besonderen Versicherungsbedingungen“) wird der durchschnittlich interessierte Versicherungsnehmer also sodann „im Kleingedruckten“ nachlesen, um herauszufinden, welches Risiko denn eigentlich versichert ist. Hierbei wird der durchschnittlich interessierte Leser auf die beklagtenseits angeführten „Besonderen Bedingungen für die Ratenschutz-Arbeitsunfähigkeitsversicherung“ stoßen, in denen in der im gesamten Versicherungsvertragsrecht üblichen Weise zwischen dauerhafter Berufsunfähigkeit und vorübergehender Arbeitsunfähigkeit unterschieden wird. Das Gericht vermag nicht zu erkennen, was hieran überraschend sein soll. Insbesondere trifft nicht zu, dass durch eine pauschale Formulierung in dem „Hauptvertrag“ der Versicherungsnehmer bzw. die versicherte Person auf eine „falsche Fährte“ geführt würde.
c) Versichert sind daher aufgrund der wirksam einbezogenen „Besonderen Bedingungen“ nur diejenigen Fälle, in denen eine vorübergehende Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Eine derartige vorübergehende Unfähigkeit liegt aber, wie dargestellt, unstreitig nicht vor. Es ist somit der Versicherungsfall nicht eingetreten, sodass die Klage, auch in den Nebenanträgen, abzuweisen war.
III.
Kosten: § 91 I ZPO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO.
Bei der Festsetzung des Streitwerts ist das Gericht dem bedenkenfreien Vorschlag der Klägerseite gefolgt.


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