Versicherungsrecht

Keine Haftung eines Automobilclubs aufgrund eines bestehenden Gruppenversicherungsvertrages für Zollbeschlagnahme eines Motorrades

Aktenzeichen  30 O 18073/15

Datum:
3.11.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 134325
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
HGB § 453, § 454 Abs. 1, § 458, § 461 Abs. 1

 

Leitsatz

Sehen die AVB eines bei einem Automobilclub genommenen Gruppenversicherungsvertrages im Schadenfall den Rücktransport eines Fahrzeugs aus dem Ausland vor, wobei in diesem Fall der Versicherer ein Abschleppunternehmen zu vermitteln hat und im Auftrag des Versicherten tätig wird, scheidet eine Haftung des Versicherers für Fehler des von ihr beauftragten Unternehmens (hier: Verlust eines durch den Zoll beschlagnahmten Motorrades) aus. Der Versicherer schließt vielmehr als Vertreter des Versicherten einen Vertrag über den Transport zwischen dem Abschleppunternehmen und dem Versicherten, aufgrund dessen der Versicherte selbst vertragliche Ansprüche gegenüber dem Abschleppunternehmen geltend zu machen hat. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits und die Kosten der Nebenintervention zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte.
Die Beklagte ist für den begehrten Schadensersatz nicht passivlegitimiert, da sie weder selbst die Rückbeförderung des Motorrades vorgenommen hat noch durch einen Erfüllungsgehilfen vornehmen hat lassen.
1) Soweit der Kläger vorträgt, er habe mit der Beklagten einen Beförderungsvertrag über die Rückführung des Motorrades geschlossen, kann sich das Gericht bereits dieser Argumentation nicht anschließen. Zwischen den Parteien bestand unstreitig ein Versicherungsvertrag, auf den der Kläger seinen Anspruch auf Rücktransport stützen konnte. Insoweit wäre es völlig lebensfremd, wenn er zusätzlich zu diesem anspruchsbegründenden Versicherungsvertrag, einen weiteren – hiervon unabhängigen und vergütungspflichtigen – Vertrag hätte schließen wollen. Dem Kläger war an dem Rücktransport des Krades gelegen, worauf für ihn bereits aus dem Versicherungsvertragsverhältnis ein Anspruch bestand. Dem entsprechen auch die Angaben der Klägervertreterin in der mündlichen Verhandlung, der Kläger habe bei der Beklagten angerufen und ihr den Sachverhalt geschildert; er habe die Beklagte auf ihre Leistung in Anspruch nehmen wollen. Vom Abschluss eines weiteren Vertrages (mit welchen Konditionen im Einzelnen?) wusste die Klägervertreterin nicht zu berichten. Soweit der Kläger in der Klageschrift die Zeugin … als Beweis für den Abschluss eines Beförderungsvertrages angeboten hat, wusste die Klägervertreterin auf Nachfragen in der mündlichen Verhandlung zum einen nicht einmal, woraus sich die behauptete Kenntnis der Zeugin ergibt (Zeugin vom Hörensagen oder Anwesenheit beim Telefonat). Im Übrigen ist die Behauptung, für die die Zeugin als Beweis angeboten wurde, auch nicht mit dem von der Klägervertreterin geschilderten Inhalt des Telefonats in Einklang zu bringen, so dass der Beweis bereits deshalb nicht zu erheben war.
Auch die Auffassung der Klagepartei, die Versicherungsbeiträge seien als Entgelt im Rahmen eines Beförderungsvertrages zu sehen, stellt ein für das Gericht nicht nachvollziehbares Konstrukt dar. Was wäre in diesem Fall die Gegenleistung für den Versicherungsschutz im Übrigen? Was wäre wenn kein Deckungsfall eintritt?
Es ist damit davon auszugehen, dass der Kläger die versicherten Leistungen in Anspruch nehmen und nicht einen weiteren Vertrag mit der Beklagten schließen wollte. Dies hat der Kläger letztlich auch im Schriftsatz vom 13.04.2016 zum Ausdruck gebracht.
2) Aus dem Versicherungsvertragsverhältnis steht dem Kläger aber kein Anspruch auf die geltend gemachten Schäden zu.
Nach den dem Vertragsverhältnis zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen ist die Beklagte nicht verpflichtet, den Rücktransport selbst vorzunehmen oder durch einen Erfüllungsgehilfen vornehmen zu lassen.
Hierzu wird in den Versicherungsbedingungen danach unterschieden, ob der Versicherungsfall im Ausland oder im Inland eintritt.
Gemäß § 30 Nr. 3 b) der Versicherungsbedingungen wird die Beklagte bei einem Schaden im Ausland im Auftrag des Versicherten tätig und vermittelt ein Abschleppunternehmen; die Abschleppkosten werden von der Beklagten erstattet.
Diese Klausel ist dahingehend zu verstehen, dass die Beklagte als Vertreterin des Versicherten einen Vertrag über den Transport zwischen dem Abschleppunternehmen und dem Versicherten abschließt. Die Beklagte führt den Transport nicht selbst und auch nicht mit der Hilfe eines Erfüllungsgehilfen durch. Aus diesem Grund haftete sie auch nicht für Fehler des von ihr beauftragten Unternehmens. Aufgrund des durch die Vermittlung der Beklagten zustande gekommenen Vertrages muss der Versicherte – hier der Kläger – selbst seine vertraglichen Ansprüche gegenüber dem Abschleppunternehmen geltend machen.
Etwas anderes ergibt sich nach Auffassung des erkennenden Gerichts auch nicht aus der Formulierung „Wir transportieren …“ in § 30 Nr. 2 der Versicherungsbedingungen. Sowohl Nr. 2 als auch Nr. 3 der Versicherungsbedingungen stehen unter dem Oberbegriff Fahrzeugtransport. Unter Nr. 3 der Versicherungsbedingungen findet sich aber gerade die Regelung, dass im Ausland – anders als im Deutschland – lediglich eine Vermittlungstätigkeit der Beklagten geschuldet ist.
Dies entspricht auch dem Wesen des Speditionsvertrages gemäß § 453 HGB, wobei dem Spediteur nach § 458 HGB lediglich das Recht zum Selbsteintritt eingeräumt ist.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 11 der Versicherungsbedingungen, wonach die Beklagte zwar wie ein Frachtführer haftet. Hierfür ist gerade Voraussetzung, dass die Beklagte selbst die Beförderung vornimmt („Befördern wir …“), was vorliegend nicht erfolgt ist und wozu die Beklagte – wie ausgeführt – auch nicht verpflichtet war.
Die vorliegend einschlägigen Regelungen in den Gruppenversicherungsbedingungen sind ihrem Wortlaut nach klar und für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer und Verbraucher auch verständlich.
3) Ein Haftungsgrund ergibt sich auch nicht aus den gesetzlichen Vorschriften der §§ 453 ff. HGB.
Synallagmatische Pflichten des Speditionsführers sind nur die Pflichten aus § 454 Abs. 1 HGB. Gemäß § 461 Abs. 1 HGB haftet der Spediteur für Schäden, die durch den Verlust oder Beschädigung des in seiner Obhut befindlichen Gutes entstehen. Für Verlust oder Beschädigung in der Obhut von Dritten hat er nicht einzustehen. Der vom Spediteur beauftragte Frachtführer gehört also nicht zu den Leuten und den anderen nach § 462 HGB von ihm eingesetzten Personen und ist auch nicht sein Erfüllungsgehilfe.
4) Eine Pflichtverletzung im Rahmen der von der Beklagten nach dem Versicherungsvertrag geschuldeten Vermittlungstätigkeit wurde von dem hierfür darlegungs- und beweispflichtigen Kläger nicht substantiiert dargetan. Insbesondere dass die Beklagte schuldhaft ein ungeeignetes oder unzuverlässiges Abschleppunternehmen vermittelt hat, wurde vom Kläger nach wie vor nicht ausreichend substantiiert vorgetragen. Der Kläger hat hierzu lediglich pauschal behauptet, die Beklagte habe gewusst, dass die Streitverkündete den Rücktransport nicht bewerkstelligen könne, da weitere beauftragte Transporte aus Russland desaströs verlaufen seien und hat hierfür Beweis angeboten durch Einvernahme der Zeugin …. Diese Behauptung, der die Beklagte entgegengetreten ist, ist allerdings nicht ausreichend substantiiert, so dass die angebotene Beweiserhebung eine unzulässige Ausforschung darstellen würde, worauf das Gericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat.
5) Ein Anspruch des Klägers kann schließlich auch nicht aus dem Schreiben der Beklagten vom 06.06.2014 (Anlage K 6) hergeleitet werden, da damit erkennbar eine selbständige Verpflichtung nicht begründet werden sollte. Die Beklagte bestätigt darin lediglich, dass sie ihren vertraglichen oder gesetzlichen Schadensersatzverpflichtungen nachkommen werde.
Entsprechendes gilt für die vom Kläger geltend gemachten Kosten für die Anmietung einer Ersatzmaschine. Unabhängig davon, dass der diesbezügliche Vortrag des Klägers, insbesondere zum Zeitpunkt des behaupteten Telefonats mit dem Zeugen …, wenig konkret ist, lässt sich ihm nicht entnehmen, dass dadurch eine selbständige Verpflichtung der Beklagten unabhängig von einer vertraglichen oder gesetzlichen Verpflichtung begründet werden sollte.
Da der klägerische Anspruch bereits an der Passivlegitimation der Beklagten scheitert, konnten die übrigen Streitpunkte – auch bezüglich der geltend gemachten Schadenshöhe – dahingestellt bleiben. Ebenso war die Klage auf Freihaltung abzuweisen.
6) Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in § 709 S. 1 und 2 ZPO.
Es konnte im schriftlichen Verfahren entschieden werden, § 128 Abs. 2 ZPO.
Verkündet am 03.11.2016


Ähnliche Artikel


Nach oben