Versicherungsrecht

Keine Hausratdeckung bei elektronischer Überwindung des Kraftfahrzeugverschlusses

Aktenzeichen  274 C 7752/19

Datum:
12.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 27479
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 305c Abs. 2, § 307
StGB § 243
VHB 1.2.1, 1.2.3

 

Leitsatz

Die unbefugte Öffnung eines durch ein keyless-go-System verschließbaren Fahrzeugs durch elektronische Verstärkung oder Verfälschung eines Funksignals ist kein Versicherungsfall in der Hausratversicherung. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert wird auf 3.314,72 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Schriftsatz des Klägers vom 20.02.2020 wurde bei der Entscheidung noch berücksichtigt. Die beiden Schriftsätze der Beklagten vom 05.02.2020 und 20.02.2020 wurden dagegen nicht berücksichtigt.
A.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus dem streitgegenständlichen Vorfall, da dieser gemäß der Versicherungsbedingungen der Beklagten keinen Versicherungsfall darstellt, bei dem eine Erstattung der Beklagten zu erfolgen hätte.
I. Hierbei kann dahinstehen, ob der Kläger den Pkw vor dem Verlassen ordnungsgemäß verriegelt hat (und damit kein Fall des sogenannten „Jamming“ vorliegt). Auch das vom Kläger vermutete unbefugte Öffnen des Pkw per Funksignal fällt nicht unter die Versicherungsbedingungen der Beklagten. Ein Öffnen mittels Drahtseil, das laut Kläger ebenfalls nicht ausgeschlossen werden könne, stellt eine bloße Spekulation des Klägers dar. Ein dahingehender Beweis ist in Hinblick darauf, dass die Beklagte die vom Kläger genannten Möglichkeiten des Vorgehens des unbekannten Täters bestritten hat, nicht angeboten worden.
II. Es ist im hiesigen Verfahren unstreitig geblieben, dass der Pkw des Klägers bei dem Diebstahl nicht beschädigt wurde, und sich auch im Übrigen keine Aufbruchspuren fanden.
III. Streitentscheidend war damit, ob die vom Kläger vorgetragene Vorgehensweise des unbefugten Öffnens des Pkw per Funksignal von den Versicherungsbedingungen der Beklagten umfasst ist, insbesondere unter den Begriff „Aufbrechen“ fällt (vgl. Anlage K10). Dies ist nach der Überzeugung des Gerichts nicht der Fall.
1. Der Wortlaut des Begriffs „Aufbrechen“ ist nach Auffassung des Gerichts eindeutig.
Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch (und auch der Definition des Duden) umfasst ein entsprechendes Vorgehen die Anwendung von Gewalt. Auch wenn nach Auffassung des Gerichts nicht zwangsläufig eine Beschädigung der Sache erforderlich ist, fällt unter „Aufbrechen“ nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sicher nicht jedes unbefugte Öffnen mittels Verstärkung eines Funksignals oder Verwendung eines „falschen“ Funksignals. Aufgrund der Eindeutigkeit des Begriffes ist es aus Sicht des Gerichts auch nicht erforderlich, dass der Begriff in den Versicherungsbedingungen der Beklagten gesondert definiert wird. Dies kann nicht hinsichtlich jedes Begriffes erwartet werden.
2. Nach der Überzeugung des Gerichts ist insoweit auch keine Auslegung erforderlich, die zu einem anderen Ergebnis führen könnte, und es bestehen auch keine Zweifel, die zulasten der Verwenderin gehen könnten (vgl. § 305c Abs. 2 BGB).
a. Das Gericht verkennt hierbei nicht, dass es für den Kläger letztlich keine Rolle spielt, auf welche Weise die Gegenstände entwendet wurden. Maßgeblich für die Beurteilung von allgemeinen Geschäftsbedingungen (die hier zweifelsfrei vorliegen) sind jedoch beide Seiten des Vertrages.
b. Für die Kosten- und Risikokalkulation der Beklagten ist es zwangsläufig erforderlich, dass der Versicherungsumfang (und damit ihre zu erwartenden Risiken) klar abgegrenzt sind. Es können nicht einfach (später) zusätzliche versicherte Risiken durch Auslegung entgegen eines eindeutigen Wortlauts in den Vertrag aufgenommen werden.
c. Im Übrigen ist wohl nicht davon auszugehen, dass die Versicherungsbedingungen der Beklagten veraltet sind. Vielmehr wurden die entsprechenden Formulierungen in den Versicherungsbedingungen offenbar bewusst gewählt. So wurde der Umfang und die Begrifflichkeit von § 243 StGB gerade nicht übernommen. Es wird nicht der Begriff „einbricht“ aus § 243 StGB verwendet, sondern „Aufbrechen“. Im Übrigen ist in § 243 StGB das Einbrechen nur als eine von mehreren einen besonders schweren Fall des Diebstahls begründenden Varianten genannt. Das Verwenden eines falschen Schlüssels ist dort gesondert aufgeführt. Der von Seiten des Klägers angestellte Vergleich zwischen den Versicherungsbedingungen der Beklagten und der Formulierung von § 243 StGB hilft ihm daher nicht weiter.
d. Auch auf die Definition des Einbruchsdiebstahls unter Ziffer 1.2.3 kann sich der Kläger nicht berufen. Diese betrifft nur Diebstähle aus dem Raum eines Gebäudes, nicht Kraftfahrzeuge. Bei diesen hat die Beklagte ersichtlich eine andere Formulierung gewählt.
Diese Unterscheidung ist für das Gericht auch ohne weiteres nachvollziehbar, da für die Bereiche Gebäude (insbesondere Haus oder Wohnung) und im freien befindliche Pkw unterschiedliche Risiken zu versichern sind. Der Diebstahl mittels Verwendung eines falschen Schlüssels wird bei Kraftfahrzeugen vermutlich häufiger vorkommen als bei Wohnungen, da sie bei letzteren schwieriger zu realisieren sein dürften, auch wegen einer größeren Entdeckungsgefahr durch Nachbarn o. ä.
Für eine unterschiedliche Behandlung dieser Fälle spricht auch die Nachprüfbarkeit durch die Beklagte und die Beweislage. Bei dem versicherten gewaltsamen Aufbrechen dürfen in der Regel Spuren hinterlassen werden. Im Fall einer elektronischen Überwindung per Funksignal könnte die Abgrenzung zum schlichten Vergessen des Absperrens durch den Versicherungsnehmer nur deutlich unsicherer anhand der Angaben des Versicherungsnehmers und ggf. Zeugen erfolgen. Für die Beklagte wäre dies kaum nachprüfbar, und es bestünde nach Auffassung des Gerichts eine nicht unerhebliche Missbrauchsgefahr.
Die unterschiedlichen Voraussetzungen gegenüber dem Einbruchdiebstahl und die Beschränkung von Versicherungsfällen auf ein „Aufbrechen“ des Pkw ist damit aus Sicht des Gerichts (auch für einen verständigen Versicherungsnehmer) nachvollziehbar. Ein Versicherungsnehmer kann damit nicht davon ausgehen, dass auch ein unbefugtes Öffnen des Pkw ohne Anwendung von Gewalt einen Versicherungsfall darstellen sollte.
3. In Anbetracht der obigen Ausführungen stellen die Versicherungsbedingungen der Beklagten auch keine unangemessene Benachteiligung des Klägers dar (vgl. § 307 BGB).
IV. Auch aus den vom Kläger vorgetragenen Angaben des Versicherungsvertreters M lässt sich kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte herleiten. Nach entsprechenden Hinweis des Gerichts stellte der Kläger klar, dass vom Versicherungsvertreter M nicht zugesichert wurde, dass auch eine elektronische Überwindung des Keyless-Go-Systems vom Versicherungsschutz umfasst sei. Somit liegt keine vorrangige Individualvereinbarung hinsichtlich des Versicherungsumfang vor. Auch anderweitige Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte aufgrund der vorgetragenen Angaben des Versicherungsvertreters sind damit nicht ersichtlich. Insbesondere kann keine Rolle spielen, wovon der Kläger ausgegangen ist, ohne vom Versicherungsvertreter insoweit getäuscht worden zu sein.
B.
Aufgrund der Klageabweisung hinsichtlich der Hauptforderung war die Klage auch in Bezug auf die geltend gemachten Nebenforderungen abzuweisen.
C.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.
D.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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