Versicherungsrecht

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Aktenzeichen  41 O 123/20 Ver

Datum:
11.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 49055
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Beschluss.
5. Der Streitwert wird auf 78.516,54 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Der Kläger hat keine Ansprüche auf die begehrten Leistungen bzw. Leistungsbefreiung gegen die Beklagte aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zur Versicherungsnummer …, da die Beklagte wirksam von ihrem Nachprüfungsrecht gem. § 6 Abs. 4 BBBUZ E5 Gebrauch gemacht hat, wodurch es zum Wegfall der Leistungspflicht zum 31.07.2019 kam. Die Nachprüfungsentscheidung genügt sowohl den formellen als auch den materiellen Voraussetzungen.
1. a) Hinsichtlich der formellen Voraussetzungen der Nachprüfung wird dem Versicherer auferlegt, die Leistungseinstellung mit einer nachvollziehbaren Begründung zu versehen (BGH NJW-RR 2006, 171). Sie soll dem obliegenheitstreuen Versicherten, der zuvor dem Versicherer die für die Nachprüfung sachdienlichen Auskünfte erteilt hat, die Informationen geben, die er benötigt, um sein Prozessrisiko abschätzen zu können, denn nach einer Einstellung muss sich der Versicherungsnehmer – notfalls im Klageweg – zur Wehr setzen, wenn er weiterhin Leistungen beanspruchen will (BGHZ 121, 284 (294 f.); NJW-RR 2006, 171). Um die Einstellungsentscheidung nachvollziehbar zu begründen, bedarf es insbesondere dann, wenn der Versicherer sich auf eine Verbesserung des Gesundheitszustandes der versicherten Person berufen will, eines von ihm darzustellenden Vergleichs des beim Leistungsanerkenntnis angenommenen und des jetzigen Zustandes und der Auswirkungen auf die Berufsfähigkeit; erst diese vergleichende Betrachtung macht eine Mitteilung im Nachprüfungsverfahren nachvollziehbar (BGH VersR 1993, 562).
b) Diesen Grundsätzen stetiger Rechtsprechung, denen die Kammer folgt, genügt die schriftliche Mitteilung vom 12.11.2019 (Anlage K 11).
Aus dieser ergibt sich eindeutig, dass Grundlage der Annahme einer Berufsunfähigkeit der fehlende Ausschluss einer kardialen Ursache der rezidivierenden Synkopen sowie die Fahruntauglichkeit nebst darauf beruhender Arbeitsunfähigkeit waren, während die Wiedererlangung der Berufsfähigkeit in der Aufhebung des Fahrverbotes sowie als Indiz die Wiederaufnahme der Berufstätigkeit in Vollzeit seit 14.07.2019 gesehen wurden. Entscheidend für die Einschätzung der Beklagten ist damit nicht eine Veränderung des Gesundheitszustands, sondern eine Änderung der prognostischen Risikoeinschätzung der behandelnden Ärzte aufgrund weiter gewonnener Erkenntnisse über die Ursache der aufgetretenen Synkope – nämlich Ausschluss kardialer Ursache, darauf beruhende Aufhebung des Fahrverbots (von dem die Beklagte erst durch das Schreiben des Behandlers Dr. … vom 26.08.2019, Anlage K 9, und nicht etwa durch Mitteilung des Klägers Kenntnis erlangt hat) wegen einer bei Führen von Kraftfahrzeugen nicht erhöhten Gefahrensituation und damit einhergehende Wiederaufnahme der bisherigen beruflichen Tätigkeit. Eine Verbesserung des Gesundheitszustandes ist – wie vom Kläger zurecht geltend gemacht – gerade nicht erfolgt, vielmehr leidet dieser weiterhin an rezidivierenden Synkopen, die aber seine berufliche Tätigkeit nicht mehr einschränken.
Diesen Gedankengang und die darauf beruhende Schlussfolgerung, dass sie damit den Grad der Berufsunfähigkeit von mindestens 50% spätestens ab 14.07.2019 nicht mehr als erreicht sieht, legt die Beklagte im Schreiben vom 12.11.2019 ausreichend dar.
2. Die materiellen Voraussetzungen der Leistungseinstellung nach § 6 Abs. 4 BB-BUZ E5, nämlich dass die Berufsunfähigkeit weggefallen ist oder sich ihr Grad auf weniger als 50% vermindert hat, liegen vor.
a) Die Voraussetzungen der Leistungspflicht sind entfallen, wenn sich der gesundheitliche Zustand des Versicherungsnehmers derart gebessert hat, sodass er nunmehr in der physischen oder psychischen Lage ist, den funktionellen Anforderungen seines letzten Berufs oder eines (zulässigen) Verweisungsberufs in dem bedingungsgemäßen Maße zu genügen. Der Versicherer muss nachweisen, dass der Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt des Anerkenntnisses außerstande war, den zuletzt ausgeübten Beruf wenigstens in dem bedingungsgemäßen Maße (regelmäßig zu mehr als 50%) fortzuführen, dies nunmehr aber aufgrund gesundheitlicher Besserung vermag (Langheid/Rixecker/Rixecker, 6. Aufl. 2019, VVG § 174 Rn. 16).
b) Diese Voraussetzung ergibt sich bereits aus dem unstreitigen Tatsachenvortrag der Parteien.
Danach war dem Kläger mit Entlassung aus der Klinik am 08.11.2018 ein ärztliches „Autoverbot“, also die medizinisch bedingte Untersagung aufgrund des gesundheitlichen Zustandes ein Kraftfahrzeug zu führen, „für die nächsten 6 Monate“ erteilt worden. Im Kontext der unmittelbar zuvor genannten Kontrolle des Ereigniszählers nach 6 Monaten durch einen Kardiologen ergibt sich unzweifelhaft, dass das „Autoverbot“ sich auf den Zustand einer ungeklärten Ursache der Synkopen bezieht und damit – im Sinne der bei der Leistungsprüfung anzustellenden Prognoseentscheidung – länger als sechs Monate andauern wird. Überdies wären auch die bloßen sechs Monate am 07.05.2019, also über sechs Monate nach Beginn der Berufsunfähigkeit am 01.11.2018, abgelaufen. Auf den Zeitpunkt der Nachprüfung kommt es nicht an, sondern nur darauf, ob der Kläger voraussichtlich mehr als sechs Monate berufsunfähig ist. Aufgrund dieses „Autoverbots“ war der Kläger für mehr als sechs Monate nicht mehr in der Lage seinem Beruf zu mindestens 50% des vorherigen Umfangs nachzugehen, da zentraler Bestandteil der Tätigkeit des Klägers die Kundenbetreuung ist, die nur mit entsprechender Mobilität durchführbar ist.
Das medizinische „Autoverbot“ ist aufgehoben bzw. weggefallen. Ob dies wie klägerseits behauptet mit Ablauf der sechs Monate oder erst nach Ausschluss einer kardialen Ursache spätestens zum 14.07.2019 weggefallen ist, ist unerheblich. Jedenfalls war der Kläger spätestens zum 14.07.2019 aufgrund des Wegfalls nicht mehr berufsunfähig. Anderweitige gesundheitliche Einschränkungen seit dem 14.07.2019, die eine Berufsunfähigkeit begründen könnten, macht der Kläger nicht geltend. Lediglich hat er berichtet, dass vereinzelt weitere Synkopen aufgetreten seien. Dass diese die Ausübung seines Berufes, insbesondere das Fahren von Kraftfahrzeugen, unmöglich machten, hat er – trotz ausdrücklicher Aufforderung hierzu in der mündlichen Verhandlung vom 20.11.2020 – nicht vorgetragen. Allein der Bericht im Klageschriftsatz bezüglich der von Dr. … im Fragebogen vom 18.07.2019 festgestellten Einschränkungen ersetzt keinen diesbezüglichen Vortrag. Der Kläger hat sich diese Behauptungen gerade nicht zu eigen gemacht, sondern als bloße Feststellungen wiedergegeben. Dies kann auch nicht als eigene Behauptung ausgelegt werden, da sich dadurch ein nicht aufzulösender Widerspruch zum weiteren Klagevortrag ergeben würde, nämlich dass der Kläger gerade diesen Tätigkeiten, die in dem Fragebogen als völlig eingeschränkt bzw. bei den beruflichen Tätigkeiten als zu 30% bzw. 60% eingeschränkt bezeichnet werden, soweit nachgehen kann, dass er wieder – mit nicht ins Gewicht fallenden Umschichtungen und Umorganisationen – mit 40 Wochenstunden seinem vorherigen Beruf nachgeht.
3. § 6 Abs. 4 BB-BUZ E5 steht der wirksamen Leistungseinstellung zum 31.07.2019 nicht entgegen.
Zwar wird grundsätzlich die Leistungseinstellung danach nicht vor Ablauf eines Monats nach Absenden der Mitteilung wirksam.
Allerdings muss sich der Kläger entgegenhalten lassen, dass er die späte Leistungs- und Nachprüfungsentscheidung wesentlich mit zu verantworten hat und diese ihm deswegen nicht zugute kommen kann. Die Mitteilung der Berufsunfähigkeit mittels Fragebogen vom 04.06.2019 erfolgte erst knapp vor Ende der Berufsunfähigkeit. Den Wegfall des „Autoverbots“ und die Wiederaufnahme seiner Berufstätigkeit hat der Kläger der Beklagten nicht angezeigt; vielmehr konnte diese von diesen Umständen erst im Rahmen der Leistungsprüfung Kenntnis erlangen, womit sich die Entscheidung weiter verzögerte. Hinzu kommt, dass der Kläger kein schutzwürdiges Vertrauen auf einen Fortbestand von Leistungen gehabt hat. Es kam nicht zu der Situation, dass der Kläger sich bereits auf den monatlichen Leistungsbezug eingestellt hätte und sich nach Kenntniserlangung der Einstellung während einer Übergangsphase den geänderten Umständen für seinen Lebensunterhalt anpassen können müsste.
II.
Mangels Anspruchs in der Hauptsache stehen dem Kläger auch die Nebenforderungen nicht zu.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
Verkündet am 11.12.2020 Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle


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