Verwaltungsrecht

2 C 1/21

Aktenzeichen  2 C 1/21

Datum:
13.10.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2021:131021U2C1.21.0
Spruchkörper:
2. Senat

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 24. November 2020, Az: 1 A 2361/18, Urteilvorgehend VG Köln, 17. Mai 2018, Az: 15 K 12110/16, Urteil

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. November 2020 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1
Der 1966 geborene Kläger steht im Amt eines Polizeihauptkommissars (BesGr A 11 BBesO) bei der Bundespolizei im Dienst der Beklagten. Die Beklagte wies den Kläger von Juli 2012 und bis Juli 2013 einer Auslandsverwendung in der bilateral mit Afghanistan vereinbarten Mission “German Police Project Team” (im Folgenden: GPPT) zu. Die Beklagte vergütete diese Einsätze, die parallel zu einer EUPOL-Mission in Afghanistan stattfanden, (u.a.) mit einer Auslandsverpflichtungsprämie.
2
Im Juli 2014 entschied das Bundesministerium des Innern, dass die Auslandsverpflichtungsprämie für Entsendungen von Polizeibeamten in die Mission GPPT ab Januar 2015 nicht mehr gewährt werde. Der Zweck der Prämie, eine Zielzahl von 200 Polizeibeamten in der Mission GPPT zu erreichen, sei erfüllt. Der nach der inhaltlichen Neuausrichtung der Mission ab 2015 benötigte Personalbedarf von 42 Polizeibeamten könne ohne Auslandsverpflichtungsprämie gedeckt werden. Mit Rundschreiben vom August 2014 wies das Bundesministerium des Innern die Mitglieder der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Internationale Polizeimissionen (AG IPM) auf die veränderte Anwendung der Auslandsverpflichtungsprämie hin. Danach sollte die Zahlung der Auslandsverpflichtungsprämie ab Januar 2015 entfallen, wenn sich ein Beamter auf eine nach Bekanntgabe dieses Rundschreibens erfolgte Ausschreibung bewirbt. In den Stellenausschreibungen sollte auf die geänderte Prämiengewährung hingewiesen werden. Für alle bereits dem GPPT-Projekt zugewiesenen sowie in der Vorbereitung befindlichen Polizeikräfte sollte bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Auslandsverpflichtungsprämie über den 1. Januar 2015 hinaus bis zum Ende der jeweiligen Abordnung gewährt werden.
3
Die Beklagte wies den Kläger in dem Zeitraum von Mai 2015 bis Juli 2016 erneut der Mission GPPT zu. Mit Bescheid vom August 2016 lehnte das Bundespolizeipräsidium u.a. die Gewährung einer Auslandsverpflichtungsprämie ab.
4
Die nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren erhobene Klage mit dem Antrag, unter entsprechender Aufhebung der dem entgegenstehenden Bescheide die Beklagte zu verpflichten, an ihn eine Auslandsverpflichtungsprämie in Höhe von 15 401,68 € zu zahlen, hilfsweise über seinen Antrag auf Zahlung einer solchen Prämie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, blieb ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger habe weder einen Anspruch auf Zahlung einer Auslandsverpflichtungsprämie noch auf Neubescheidung. Das dem Dienstherrn in der besoldungsrechtlichen Norm eingeräumte Ermessen, eine Auslandsverpflichtungsprämie zu gewähren, diene allein öffentlichen Interessen. Zweck der Norm sei es, durch Zahlung einer Prämie die Personalgewinnung für einen spezifischen besonderen Auslandseinsatz zu verbessern. Ein subjektives, gerichtlich einklagbares Recht der Polizeibeamten auf eine fehlerfreie Ausübung dieses rein innenrechtlichen (Organisations-)Ermessens korrespondiere damit nicht. Ein Anspruch folge auch nicht aus der Selbstbindung der Verwaltung.
5
Hiergegen wendet sich die vom Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision des Klägers, mit der er beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. November 2020 und des Verwaltungsgerichts Köln vom 17. Mai 2018 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundespolizeipräsidiums vom 24. August 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. November 2016, soweit darin die Zahlung einer Auslandsverpflichtungsprämie abgelehnt wurde, zu verpflichten, an den Kläger eine Auslandsverpflichtungsprämie in Höhe von 15 401,68 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Auslandsverpflichtungsprämie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts erneut zu entscheiden.
6
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
7
Der Vertreter des Bundesinteresses unterstützt den Antrag der Beklagten.

Entscheidungsgründe

8
Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht nicht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Zahlung einer Auslandsverpflichtungsprämie gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 BBesG in der Fassung des Art. 1 Nr. 16 des Gesetzes zur Unterstützung der Fachkräftegewinnung im Bund und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften vom 15. März 2012 (BGBl. I S. 462 – BBesG a.F.) noch einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Die Vorschrift des § 57 BBesG a.F. vermittelt keinen subjektiven Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensausübung, der sich zu einem unbedingten Anspruch verdichten könnte (1.). Ein Anspruch auf Zahlung der Auslandsverpflichtungsprämie folgt auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung (2.).
9
1. Rechtsgrundlage für die Gewährung einer Auslandsverpflichtungsprämie ist § 57 BBesG a.F. Maßgebend sind diejenigen Vorschriften des Bundesbesoldungsgesetzes, die zur Zeit der Verwendung im Ausland in Kraft sind (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2011 – 2 C 58.09 – Buchholz 240 § 58a BBesG Nr. 4 Rn. 10). In dem Zeitraum der Verwendung des Klägers in der Mission GPPT in Afghanistan von Mai 2015 bis Juli 2016 galt die Vorschrift des § 57 BBesG a.F. Die Nachfolgeregelung in der Fassung des Art. 1 Nr. 32 des Gesetzes zur Modernisierung der Strukturen des Besoldungsrechts und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften (Besoldungsstrukturmodernisierungsgesetz – BesStMG) vom 9. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2053) ist am 1. Januar 2020 in Kraft getreten.
10
Gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 BBesG a.F. kann, wenn bei – parallel stattfindenden – besonderen Verwendungen im Rahmen der polizeilichen Zusammenarbeit innerhalb eines Staates, die der höchsten Stufe des Auslandsverwendungszuschlags zugeordnet sind, auf Grund des Zusammentreffens von Zahlungen von dritter Seite und Ansprüchen nach deutschem Recht für materielle Mehraufwendungen und immaterielle Belastungen sowie für Reisekosten unterschiedliche auslandsbezogene Gesamtleistungen gewährt werden, bei einer Verpflichtung zu einer Verwendung mit mindestens sechs Monaten Dauer (Mindestverpflichtungszeit) in der Verwendung mit der niedrigeren auslandsbezogenen Gesamtleistung eine Prämie gewährt werden.
11
a) Der Wortlaut des § 57 Abs. 1 Satz 1 BBesG a.F. (“kann”) bringt deutlich zum Ausdruck, dass die Gewährung einer Auslandsverpflichtungsprämie im Ermessen des Dienstherrn steht. Mit dem Wort “kann” wird der Behörde regelmäßig – so auch hier – auf der Rechtsfolgenseite ein Ermessen eingeräumt (BVerwG, Urteil vom 25. November 2004 – 2 C 46.03 – Buchholz 236.1 § 44 SG Nr. 8 S. 3). Daraus folgt aber nicht gleichsam automatisch ein subjektiver Anspruch auf eine fehlerfreie Ausübung des Ermessens. Einen allgemeinen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung gibt es nicht (vgl. § 40 VwVfG, § 114 VwGO). Ein solcher Anspruch besteht nicht losgelöst von einer subjektiven Rechtsposition quasi für sich selbst (“eo ipso”) (BVerwG, Urteil vom 19. November 2015 – 2 A 6.13 – BVerwGE 153, 246 Rn. 27). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts begründen Rechtsvorschriften, die der Verwaltung ein Ermessen einräumen, einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nur dann, wenn die das Ermessen einräumende Norm nicht ausschließlich der Durchsetzung von Interessen der Allgemeinheit, sondern – zumindest auch – dem Interesse des durch die Regelung Begünstigten zu dienen bestimmt ist (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 4. November 1976 – 2 C 40.74 – BVerwGE 51, 264 , vom 26. Februar 1993 – 8 C 20.92 – BVerwGE 92, 153 und vom 19. November 2015 – 2 A 6.13 – BVerwGE 153, 246 Rn. 27). Eine lediglich mittelbar-tatsächliche Begünstigung, ohne dass dem Gesetz eine entsprechende Absicht zu entnehmen wäre, reicht zur Begründung eines Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensausübung nicht aus (vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Oktober 1994 – 7 C 15.94 – BVerwGE 97, 39 und vom 26. Oktober 2000 – 2 C 38.99 – Buchholz 237.7 § 48 NWLBG Nr. 1 S. 2 m.w.N.). Rechtssätze, in denen der Einzelne nur aus Gründen des Interesses der Allgemeinheit begünstigt wird, haben reine Reflexwirkungen (vgl. auch BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 27. April 1971 – 2 BvR 708/65 – BVerfGE 31, 33 ; Kammerbeschlüsse vom 6. Juli 1989 – 1 BvR 290/87 – NJW 1990, 2249 und vom 10. Juni 2009 – 1 BvR 198/08 – NVwZ 2009, 1426 ). Ob einer Norm in diesem Sinne – zumindest auch – eine individuell-begünstigende Funktion zukommt, ist durch Auslegung zu ermitteln (stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 28. März 2019 – 5 CN 1.18 – Buchholz 436.511 § 90 SGB VIII Kinder- und Jugendhilfegesetz Nr. 10 Rn. 19 zur Schutznormtheorie).
12
b) § 57 Abs. 1 Satz 1 BBesG a.F. dient nicht dem Schutz individueller Interessen. Die Norm eröffnet allein im öffentlichen Interesse dem Dienstherrn, nämlich in dessen Personalgewinnungsinteresse, die Möglichkeit, einem Beamten eine Verpflichtungsprämie für eine besondere Auslandsverwendung zu gewähren. Dies folgt zwar nicht eindeutig aus dem Wortlaut der Norm, aber aus ihrem Sinn und Zweck, die unter Rückgriff auf ihre Entstehungsgeschichte und auf die Gesetzessystematik zu bestimmen sind.
13
aa) Das Wortverständnis der Norm des § 57 Abs. 1 BBesG a.F. ist indifferent. Nach ihrem Wortlaut finden individuelle Interessen weder ausdrücklich noch inzident eindeutig Erwähnung. Die Wortwendung “Prämie bei einer Verpflichtung zu einer Verwendung”, die Begriffe “Auslandsverpflichtungsprämie” und “Mindestverpflichtungszeit” sowie der als Höchstbetrag der Prämie bestimmte “Unterschiedsbetrag zur höheren auslandsbezogenen Gesamtleistung im … Verwendungszeitraum” deuten nicht zweifelsfrei auf subjektive Komponenten hin. Sie lassen ebenso die auf das Interesse der Allgemeinheit zielende Deutung zu, dass es dem Dienstherrn für die Erfüllung bilateraler Vereinbarungen im Rahmen der polizeilichen Zusammenarbeit frei steht, eine Prämie auszuloben, um unter den Bundespolizeibeamten Freiwillige für eine Dienstleistung im Ausland mit einer bestimmten Mindestdauer anzuwerben. Dieser Interpretation steht die Bestimmung des § 57 Abs. 2 BBesG a.F. nicht entgegen. Sie betrifft lediglich die Zahlungsmodalitäten einer vom Dienstherrn gewährten Prämie.
14
Allerdings folgt – anders als die Revision meint – aus dem Wortlaut der Norm unverkennbar, dass es sich bei der Auslandsverpflichtungsprämie nicht um eine einsatzbezogene kollektive Prämie handelt. Gegenstand der Regelung ist eine auf den einzelnen zu verpflichtenden Beamten bezogene Prämie. Die neu gestaltete Fassung des § 57 BBesG durch das Besoldungsstrukturmodernisierungsgesetz vom 9. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2053) stellt dies ausdrücklich klar.
15
bb) Entstehungsgeschichtlich hat der Gesetzgeber die Auslandsverpflichtungsprämie allein mit dem Ziel eingeführt, dem Dienstherrn Personalrekrutierungen für internationale Polizeimissionen zu erleichtern, die der höchsten Stufe des Auslandsverwendungszuschlags zugeordnet sind. Intention des Gesetzgebers war es, mit der Einführung der Auslandsverpflichtungsprämie ein gleichmäßiges Abgeltungsniveau für die unterschiedlichen Formen der polizeilichen Auslandsverwendung in demselben ausländischen Staat zu ermöglichen, um damit Problemen der Personalrekrutierung für monetär weniger attraktive – bilaterale – Mission zu begegnen und den Personalbedarf für diese Mission stellen zu können. Die Verpflichtungsprämie war Mittel zum Zweck der Personalanwerbung. Der einzelne geworbene Beamte sollte nur aus Gründen dieses öffentlichen Interesses begünstigt werden; die Verpflichtungsprämie nach § 57 BBesG a.F. hat insofern reine Reflexwirkung. Sie sollte allein um des öffentlichen Zieles willen gewährt werden, die Personalkontingentverpflichtung zu erfüllen. Ihr Ziel war es nicht, (auch) individuellen Interessen Rechnung zu tragen und die von Polizeibeamten als ungerechtfertigt empfundenen Vergütungsunterschiede zwischen der bilateralen und der VN- oder EU-Mission generell anzugleichen. Ein entsprechender gesetzgeberischer Wille hat in der Gesetzesbegründung keinen Niederschlag gefunden (vgl. BT-Drs. 17/7142 S. 26 f.).
16
Der politische Kontext, in dem die Norm entstanden ist, bekräftigt das in der Gesetzesbegründung benannte Motiv der Personalrekrutierung als alleinigen Hauptzweck.
17
Die Bundesregierung hatte im Rahmen der Afghanistan-Konferenz Ende Januar 2010 in London gegenüber der Afghanischen Regierung zugesagt, das Ausbildungskontingent im bilateralen Polizeiprojekt GPPT bis spätestens Ende Januar 2011 dauerhaft auf 200 Polizisten zu erhöhen; gleichzeitig sollte der personelle Beitrag zur EUPOL-Mission Afghanistan erhöht werden (vgl. Bulletin der Bundesregierung Nr. 16-1 vom 10. Februar 2010 ; vgl. auch BT-Drs. 17/654 S. 6). Die Bundesrepublik Deutschland stand damit vor der Aufgabe, eine ausreichend große Anzahl von freiwilligen Polizeibeamten zu akquirieren, um das bilateral vereinbarte Personalkontingent unter Berücksichtigung der dienstlichen Notwendigkeiten vor Ort stellen zu können. Denn für die Auslandseinsätze bedurfte es der Zustimmung der Polizeibeamten (vgl. § 29 Abs. 1 BBG i.V.m. § 8 BPolG), für die auch die Höhe der Vergütung der jeweiligen Mission bestimmend sein konnte. Zwar gelang es der Beklagten nach der unwidersprochen gebliebenen Äußerung des Vertreters des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht im Juli 2010 – erstmals – 200 deutsche Polizeibeamte im bilateralen Polizeiprojekt GPPT in Afghanistan einzusetzen; deren Zahl war aber bis zum Oktober 2010 bereits wieder auf 160 Polizeibeamte gesunken. Angesichts dieser politischen Situation drängt es sich auf, dass es Ziel des gesetzgeberischen Handelns war, einen monetären Anreiz zu schaffen, um Polizeibeamte für eine freiwillige Auslandsverwendung im bilateralen GPPT zu gewinnen und damit die gegenüber Afghanistan zugesagten Personalkontingente in diesem Projekt erfüllen zu können. Die darin zugleich liegende Begünstigung der angeworbenen Polizeibeamten ist bloßer, zur Verwirklichung des im öffentlichen Interesse liegenden Hauptzwecks unvermeidbarer Nebeneffekt. Es liegt außerhalb des Regelungsgegenstandes des § 57 BBesG a.F., individuelle Interessen der im Ausland verwendeten Polizeibeamten zu wahren.
18
cc) Die Gesetzessystematik bestätigt dieses Verständnis. Die immateriellen und materiellen Belastungen eines bei einer besonderen Auslandsverwendung eingesetzten Beamten werden abschließend mit dem gestuften Auslandsverwendungszuschlag (zurzeit des Streitfalls: § 56 BBesG 2009) abgegolten.
19
Der Gesetzgeber hat die Regelung über die Auslandsverpflichtungsprämie (§ 57 BBesG a.F.) bei ihrer Einführung in einen systematischen Zusammenhang mit der Regelung des Auslandsverwendungszuschlags gestellt. Die Prämie darf – tatbestandlich – nur für besondere Verwendungen im Rahmen der polizeilichen Zusammenarbeit gewährt werden, die der höchsten Stufe des Auslandsverwendungszuschlags zugeordnet sind. Der in Stufen gestaffelte Auslandsverwendungszuschlag wird bei einer Verwendung im Rahmen einer humanitären oder unterstützenden Maßnahme gewährt, die aufgrund eines Übereinkommens, eines Vertrages oder einer Vereinbarung mit einer über- oder zwischenstaatlichen Einrichtung oder mit einem auswärtigen Staat auf Beschluss der Bundesregierung im Ausland oder außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets auf Schiffen oder in Luftfahrzeugen stattfindet (besondere Verwendung im Ausland). Der Zuschlag wurde als § 58a BBesG durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes über dienstrechtliche Regelungen für besondere Verwendungen im Ausland (Auslandsverwendungsgesetz – AuslVG) vom 28. Juli 1993 (BGBl. I S. 1394, § 58a BBesG 1993) in das Bundesbesoldungsgesetz eingefügt. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 30. Oktober 2002 – 2 C 24.01 – (Buchholz 240 § 58a BBesG Nr. 1 S. 3) entschieden hatte, dass der Auslandsverwendungszuschlag nach § 58a BBesG 1993 nicht dem Ausgleich wirtschaftlicher Belastungen, sondern “nur” der mit dem Auslandseinsatz verbundenen physischen und psychischen Belastungen sowie von Gefahren für Leib und Leben dient, hat der Gesetzgeber den Auslandsverwendungszuschlag durch Art. 2 Nr. 44 und 45 des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160, BBesG 2009) in § 56 BBesG neugefasst und seine Zweckbestimmung ausdrücklich erweitert. Mit dem Auslandsverwendungszuschlag werden seither pauschal alle materiellen Mehraufwendungen und immateriellen Belastungen mit Ausnahme der nach deutschem Reisekostenrecht zustehenden Reisekostenvergütung abgegolten (vgl. BT-Drs. 16/7076 S. 145 f., vgl. § 56 Abs. 2 Satz 1 BBesG 2009, nunmehr § 56 Abs. 3 Satz 1 BBesG). Daraus folgt zugleich, dass die zum 1. Juni 2011 eingeführte Auslandsverpflichtungsprämie einen anderen Zweck verfolgen muss. Hätte der Gesetzgeber individuelle Belastungen oder Interessen der auf der höchsten Auslandsverwendungsstufe eingesetzten Beamten in noch größerem Umfang ausgleichen und vergüten wollen als bisher, hätte es nahegelegen, den Auslandsverwendungszuschlag der höchsten Stufe zu erhöhen, gegebenenfalls um einen variablen Höchstbetrag. Andernfalls verlöre die gesetzlich verankerte Pauschalabgeltung für eine besondere Auslandsverwendung (§ 56 Abs. 2 Satz 1 BBesG 2009, nunmehr § 56 Abs. 3 Satz 1 BBesG) ihren Sinn.
20
dd) Keine andere Beurteilung rechtfertigt sich daraus, dass die Vorschrift des § 57 BBesG a.F. rückwirkend zum 1. Juni 2011 in Kraft getreten ist. Die rückwirkende Einführung der Auslandsverpflichtungsprämie war ein taugliches Mittel, um die Personalanwerbung für Erst-, Langzeit- oder Wiederverwender frühestmöglich zu verbessern. Es ist mit dem besoldungsrechtlichen Gesetzesvorbehalt des § 2 Abs. 2 Satz 1 BBesG vereinbar, die Gewährung einer Prämie unter dem Vorbehalt des rückwirkenden Inkrafttretens der entsprechenden besoldungsrechtlichen Regelung zuzusagen. Auch ein solches In-Aussicht-Stellen einer Prämie hat Anreizwirkung.
21
c) Die Entscheidung des Bundesministeriums des Innern, ob und in welchem Umfang die Auslandsverpflichtungsprämie als Mittel zur verbesserten Personalrekrutierung von Polizeibeamten für Auslandsverwendungen einzusetzen ist, beruht auf der objektiv-rechtlichen Organisations- und Planungshoheit des Bundesministeriums. Es obliegt seiner Organisations- und Planungshoheit, eine internationale Polizeimission so vorzubereiten, zu gestalten und durchzuführen, dass die von der Bundesrepublik Deutschland eingegangenen internationalen Verpflichtungen erfüllt werden. Dies umfasst die Planung des Bedarfs an Polizeibeamten, die in die Auslandsmission zu entsenden sind. Dazu gehört wegen der dafür erforderlichen Zustimmung eines jeden Polizeibeamten (§ 29 Abs. 1 BBG i.V.m. § 8 BPolG) auch die Prognose, ob ein ausreichend großes freiwilliges Bewerberinteresse vorhanden ist, um das erforderliche Personalkontingent für die Auslandsmission stellen zu können. Im Fall einer ungünstigen Prognose ist es Sache des Bundesministeriums zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Gewährung der Auslandsverpflichtungsprämie als Instrument zur Personalgewinnung einzusetzen ist. Diese Beurteilung beruht auf planerisch-organisatorischen Gesichtspunkten und damit weitgehend auf verwaltungspolitischen Zweckmäßigkeitserwägungen, bei denen auch haushaltsrechtliche Aspekte der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten sind. Derartige Zweckmäßigkeitserwägungen sind der gerichtlichen Überprüfung von vornherein entzogen (BVerwG, Beschlüsse vom 26. März 2015 – 1 WB 41.14 – juris Rn. 17 und vom 27. Februar 2014 – 1 WB 48.13 – juris Rn. 26 zur militärischen Bedarfsplanung). Der einzelne Polizeibeamte kann nicht zur Nachprüfung stellen, ob die Beklagte die Ziele der jeweiligen internationalen Verpflichtung mit zutreffenden Mitteln anstrebt, erreicht oder verfehlt hat (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25. November 2004 – 2 C 46.03 – Buchholz 236.1 § 44 SG Nr. 8 S. 4).
22
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Gewährung der Auslandsverpflichtungsprämie aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung.
23
a) Im grundsätzlich objektiv-rechtlichen Bereich der Organisationsgewalt des Dienstherrn kann sich – ausnahmsweise – ein subjektiv-rechtlicher Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie, insbesondere willkür- und missbrauchsfreie Entscheidung aus Art. 3 Abs. 1 GG unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung ergeben, wenn der Dienstherr Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um sein Verwaltungshandeln gleichmäßig zu steuern (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2020 – 2 A 2.20 – BVerwGE 171, 17 Rn. 23). Maßgeblich für die Selbstbindung der Verwaltung (Art. 3 Abs. 1 GG) ist – insbesondere bei unklarem und daher auslegungsbedürftigem Wortlaut – die tatsächliche Handhabung der Verwaltungsvorschriften in der Verwaltungspraxis zur maßgeblichen Zeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 1996 – 11 C 5.95 – NJW 1996, 1766 m.w.N. und Beschluss vom 11. November 2008 – 7 B 38.08 – juris Rn. 9). Eine durch Verwaltungsvorschriften festgelegte Verwaltungspraxis kann aus willkürfreien, d.h. sachlichen Gründen geändert werden. Die Selbstbindung der Verwaltung verpflichtet nur zu einer Behandlung aller Fälle nach den gleichen Maßstäben; sie verbietet aber keine Änderung der Maßstäbe für die Zukunft (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. April 1997 – 3 C 6.95 – BVerwGE 104, 220 und vom 26. Mai 2011 – 3 C 21.10 – Buchholz 418.21 ApBO Nr. 21 Rn. 28). Bei der Änderung der Verwaltungspraxis ist das verfassungsrechtlich verbürgte Gebot des Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 GG) zu berücksichtigen, wenn damit nachträglich in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände nachteilig ändernd eingegriffen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. April 1997 – 3 C 6.95 – BVerwGE 104, 220 ).
24
b) Die Entscheidung des Bundesministeriums des Innern, die Auslandsverpflichtungsprämie für Verwendungen von Polizeibeamten in der Mission GPPT in Afghanistan ab Januar 2015 nicht mehr zu gewähren, beruht auf sachlichen Gründen. Tragend für die Entscheidung war, dass der Zweck der Prämie – die Entsendung der zugesagten Zielzahl von Polizeibeamten in das GPPT-Projekt – erreicht worden war. Der nach der inhaltlichen Neuausrichtung des Projekts ab 2015 bestehende, um ein Vielfaches geringere Personalbedarf konnte nach Einschätzung des Bundesministeriums des Innern ohne Auslandsverpflichtungsprämie erfüllt werden.
25
Die vom Bundesministerium des Innern getroffene Übergangsregelung begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Es ist sachlich gerechtfertigt, Beamte aus Gründen des Vertrauensschutzes von der Neuregelung auszunehmen und die Auslandsverpflichtungsprämie weiter zu gewähren, wenn die Beamten vor der Bekanntgabe des Wegfalls der Prämie mit dem Rundschreiben vom August 2014 dem GPPT-Projekt bereits zugewiesen waren oder sich in der Einsatzvorbereitung befanden. Der Kläger unterfällt diesem Vertrauensschutz nicht. Nach den den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte dem Kläger im Rahmen des Bewerbungsverfahrens mitgeteilt, dass eine Auslandsverpflichtungsprämie nicht mehr gewährt wird. Dementsprechend enthält die Zuweisungsverfügung des Klägers den Hinweis, dass die Bewerbung auf eine Stelle der besonderen Auslandsverwendung erfolgte, die nach Bekanntgabe des Rundschreibens vom August 2014 ausgeschrieben worden war.
26
Die Übergangsregelung ist auch dann nicht zu beanstanden, wenn sie – wie der Kläger meint – zur Folge hatte, dass sich der Empfängerkreis der Auslandsverpflichtungsprämie auf Polizeibeamte mit bestimmten Funktionen beschränkte, bei denen Personalrekrutierungsprobleme unverändert fortbestanden. Im Hinblick auf den Zweck des § 57 BBesG a.F. wäre es nicht sachwidrig, die Auslandsverpflichtungsprämie auf Spezialkräfte der Polizei (etwa IT-Experten, Diensthundeführer oder Fachbereichsleiter) weiter anzuwenden, um sie für eine besondere Auslandsverwendung zu gewinnen.
27
Dass die Prämie in den Vertrauensschutzfällen nicht nur bis zum Ende der zunächst vorgesehenen Einsatzzeit, sondern darüber hinaus auch für Verlängerungen bis zum Ende der Zuweisung (“zum Ende der jeweiligen Abordnung”) gewährt wurde, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt waren, entspricht der getroffenen Übergangsregelung und ist nicht willkürlich. Demgemäß ist dem vom Kläger benannten Beamten F., Diensthundeführer, die Prämie bis zum Dezember 2015 zu Recht gewährt worden. Nach den den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts ist über den Einsatz des Beamten F. vor der Bekanntgabe des Rundschreibens vom August 2014 entschieden und seine Zuweisung über den Oktober 2015 hinaus bis zum 1. Februar 2016 verlängert worden. Die Fortzahlung der Auslandsverpflichtungsprämie für den Monat Januar 2016 ist dagegen rechtswidrig erfolgt, weil die Tatbestandsvoraussetzungen des § 57 BBesG a.F. nicht mehr gegeben waren. Eine Beteiligung deutscher Polizeibeamter an der parallel durchgeführten EUPOL-Mission in Afghanistan lag zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vor. Dies hatte die Beklagte, wie sie in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, irrtümlich übersehen. Jedoch hat der Kläger insoweit keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht.
28
Im Übrigen zeigt der Kläger keine Fallkonstellation auf, die seiner Situation vergleichbar ist und für die die Beklagte Zahlungen nach § 57 BBesG a.F. geleistet hat. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass sie sich auf eine dem Kläger zugutekommende Art und Weise selbst gebunden haben könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. August 2003 – 3 C 49.02 – BVerwGE 118, 379 zur “Selbstbindung wider Willen”).
29
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.


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