Verwaltungsrecht

5 C 13/19

Aktenzeichen  5 C 13/19

Datum:
14.4.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2021:140421U5C13.19.0
Spruchkörper:
5. Senat

Leitsatz

1. Das Integrationsamt ist bei Erlass des Feststellungsbescheides nach § 77 Abs. 4 Satz 2 SGB IX a.F. (= § 160 Abs. 4 Satz 2 SGB IX) an die in dem Feststellungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit nach § 80 Abs. 3 SGB IX a.F. (= § 163 Abs. 3 SGB IX) getroffene Regelung gebunden.
2. Rechtsbehelfe gegen den Feststellungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit nach § 80 Abs. 3 SGB IX a.F. (= § 163 Abs. 3 SGB IX) haben keine aufschiebende Wirkung, weil die Ausgleichsabgabe eine sonstige öffentliche Abgabe im Sinne von § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG ist und der Bescheid zu ihrer Anforderung ergeht.
3. Eine Erstattung überzahlter Beträge der Ausgleichsabgabe ist auch nach Ablauf der Frist des § 77 Abs. 4 Satz 8 SGB IX a.F. (= § 160 Abs. 4 Satz 8 SGB IX) möglich, wenn erst danach ein Rechtsbehelfsverfahren gegen einen Feststellungsbescheid nach § 80 Abs. 3 SGB IX a.F. (= § 163 Abs. 3 SGB IX) zu Gunsten des Abgabepflichtigen abgeschlossen wird.

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 17. September 2019, Az: 4 L 101/18, Urteilvorgehend VG Magdeburg, 27. März 2018, Az: 6 A 292/16, Urteil

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 17. September 2019 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen die Anforderung von Ausgleichsabgaben durch das Integrationsamt der Beklagten wegen der Nichtbeschäftigung der vorgeschriebenen Zahl schwerbehinderter Menschen für die Jahre 2012 und 2013.
2
Die Klägerin betreibt einen Pflegedienst, zwei Pflegeheime und einen Krankenfahrdienst. Unter dem 7. Juni 2013 zeigte sie für Zwecke der Berechnung der Ausgleichsabgabe gegenüber der Agentur für Arbeit für das Jahr 2012 zur Betriebsnummer ihres Pflegedienstes eine jahresdurchschnittliche Arbeitsplatzzahl von 26,16 an. Für 2013 erfolgte eine Anzeige unter dem 31. März 2014 mit einer jahresdurchschnittlichen Arbeitsplatzzahl von 29,16. Am 2. Dezember 2013 teilte die Klägerin der Agentur für Arbeit mit, ihre Anzeige für 2011 korrigieren zu wollen, da sie vier unabhängige Firmen mit eigenem Büroteil und Einzelverträgen mit den Krankenkassen habe.
3
Die Bundesagentur für Arbeit erließ daraufhin am 18. September 2014 gegenüber der Klägerin nach § 80 Abs. 3 SGB IX Feststellungsbescheide, mit denen sie zusammengefasst für alle Betriebe die jahresdurchschnittliche Arbeitsplatzzahl für das Jahr 2012 auf insgesamt 65,08 und für das Jahr 2013 auf insgesamt 72 festsetzte sowie den Gesamtbetrag der an das Integrationsamt zu zahlenden Ausgleichsabgabe für das Jahr 2012 auf 11 310 € und für das Jahr 2013 auf 12 470 € auswies. Die Feststellung sei auf Grundlage der von Amts wegen ermittelten Betriebsdaten erfolgt. Die Klägerin habe die nach § 80 Abs. 2 SGB IX zu erstattenden Anzeigen auch bis zum 30. Juni 2013 bzw. 30. Juni 2014 nicht richtig erstattet. Gegen diese Feststellungsbescheide der Bundesagentur für Arbeit hat die Klägerin später – nach erfolglosem Widerspruchsverfahren – Klage vor dem Sozialgericht erhoben.
4
Mit Bescheid vom 21. November 2014 legte der Beklagte für das Jahr 2012 unter Heranziehung der Bescheide der Bundesagentur für Arbeit eine Ausgleichsabgabepflicht von 11 310 € zugrunde und stellte die Zahlungspflicht mit einem offenen Zahlungsbetrag von 8 550 € fest. Für das Jahr 2013 wies der Beklagte mit weiterem Bescheid vom selben Tag eine Ausgleichsabgabepflicht in Höhe von 12 470 € aus und stellte die Zahlungspflicht unter Berücksichtigung von Zahlungseingängen mit 11 090 € fest. Der dagegen gerichtete Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos.
5
Das Verwaltungsgericht hat die Bescheide des Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2016 aufgehoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, das Integrationsamt sei zwar bei Erlass eines Feststellungsbescheides an die Feststellungen der Bundesagentur für Arbeit gebunden. Die Feststellungsbescheide der Bundesagentur für Arbeit hätten aber keine solche Bindungswirkung, weil den gegen sie eingelegten Rechtsbehelfen aufschiebende Wirkung zukomme.
6
Das Oberverwaltungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Habe die Bundesagentur für Arbeit einen Feststellungsbescheid erlassen, nehme das Integrationsamt keine eigenständige Ermittlung der Berechnungsgrundlagen der Ausgleichsabgabe vor, sondern sei insoweit an den Inhalt des Bescheides der Bundesagentur für Arbeit gebunden. Auf dessen Bestandskraft oder Vollziehbarkeit komme es dabei nicht an. Zwar dürften während des durch die aufschiebende Wirkung bedingten Schwebezustandes aus dem angefochtenen Verwaltungsakt grundsätzlich keine Folgerungen gezogen werden und dieser dürfe nicht umgesetzt werden. Allerdings könne der Gesetzgeber für Materien, in denen ein besonderes Bedürfnis nach einer Eingrenzung der aufschiebenden Wirkung besteht, eine abweichende Regelung treffen und vorsehen, dass trotz aufschiebender Wirkung der Rechtsmittel aus dem Verwaltungsakt noch Folgerungen gezogen werden können. So liege es hier. Auf die materielle Richtigkeit der Festsetzung der Ausgleichsabgaben komme es infolge der Bindungswirkung der Bescheide der Bundesagentur für Arbeit nicht an.
7
Mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Auffassung, dass es für den Erlass der angefochtenen Feststellungsbescheide nicht auf die Bestandskraft der Feststellungsbescheide der Bundesagentur für Arbeit ankomme, verletze ebenso Bundesrecht wie die Zusammenfassung ihrer vier Einzelbetriebe für die Abgabenfestsetzung.
8
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts.


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