Aktenzeichen 5 C 17/19 D
Verfahrensgang
vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 1. Oktober 2019, Az: OVG 3 A 4.19, Urteil
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über eine Entschädigung für die überlange Dauer eines abgabenrechtlichen Klageverfahrens.
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Der Kläger ist ein Zweckverband von Städten und Gemeinden in den Landkreisen M., O. und B. mit der Aufgabe, im Verbandsgebiet die Trinkwasserversorgung und die Schmutzwasserbeseitigung durchzuführen. Gegenstand des vom Kläger als überlang gerügten Ausgangsverfahrens war ein von ihm erlassener Beitragsbescheid für die Herstellung der öffentlichen Schmutzwasserbeseitigungsanlage, gegen den der betroffene Bürger im Oktober 2011 Klage erhoben hatte. Im November 2012 hatte das Verwaltungsgericht das Verfahren mit Blick auf ein anhängiges Berufungsverfahren ausgesetzt und als statistisch beendet ausgetragen. Auf einen im August 2013 gestellten Antrag des Klägers, der in diesem Verfahren Beklagter war, wurde das Klageverfahren fortgesetzt. Im Oktober 2017 erhob der Kläger Verzögerungsrüge. Das Verwaltungsgericht wies die Klage des Bürgers mit Urteil vom 23. November 2018, dessen Rechtskraft im Januar 2019 eingetreten ist, ab.
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Die daraufhin vom Kläger erhobene Klage auf Gewährung einer Entschädigung für immaterielle Nachteile, die durch die Überlänge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens im Umfang von aus seiner Sicht mindestens 42 Monaten entstanden seien, hat das Oberverwaltungsgericht abgewiesen. Der Kläger könne sich als Zweckverband zwar nicht auf die grundgesetzliche Gewährleistung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts in Art. 28 Abs. 2 GG stützen. Es sei aber nach dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte nicht von vornherein ausgeschlossen, dass er sich auf § 198 Abs. 6 Nr. 2 GVG berufen könne, weil ihm nach brandenburgischem Landesrecht ein Selbstverwaltungsrecht eingeräumt sei. Der Kläger sei aber zur Geltendmachung des Anspruchs gemäß § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG nicht aktivlegitimiert, weil er nicht Verfahrensbeteiligter im Sinne von § 198 Abs. 6 Nr. 2 GVG gewesen sei. Träger der öffentlichen Verwaltung wie Gemeinden und kommunale Zweckverbände seien danach nur dann Verfahrensbeteiligte, wenn sie in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts am Verfahren beteiligt seien. Diese Voraussetzung sei nur gegeben, wenn das Selbstverwaltungsrecht – anders als hier – selbst Streitgegenstand des als überlang gerügten Ausgangsverfahrens gewesen sei.
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Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Entschädigungsbegehren weiter. Er trägt insbesondere vor, es sei nach § 198 Abs. 6 Nr. 2 GVG ausreichend, dass sich das streitige Rechtsverhältnis im gerichtlichen Verfahren auf die Ausübung eines Selbstverwaltungsrechts zurückführen lasse. Die Befugnis zur Heranziehung der Nutzer einer öffentlichen Einrichtung sei Teil der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG, sodass denklogisch nicht nur der Erlass des Gebührenbescheides, sondern auch dessen Verteidigung vor Gericht eine Wahrnehmung des Rechts auf kommunale Selbstverwaltung sei. Eine unangemessene Verfahrensdauer schädige außerdem die Refinanzierung der kommunalen Selbstverwaltungsträger, sodass deren Ausschluss vom Entschädigungsanspruch des § 198 GVG nicht nur dem Grundgedanken der Entschädigungsregelung widerspreche, sondern auch mit der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG in ihrer Ausprägung als kommunale Finanzhoheit nicht vereinbar sei. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei außerdem anerkannt, dass Art. 19 Abs. 4 GG auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts gelte.
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Das beklagte Land verteidigt die angegriffene Entscheidung.