Verwaltungsrecht

Abgelehnter Antrag im Verfahren gegen die Ablehnung eines Asylantrages

Aktenzeichen  M 9 S 17.46843

Datum:
3.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 56450
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 30 Abs. 1, § 30 Abs. 3 Nr. 1, § 36 Abs. 4, § 77 Abs. 2
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags als offensichtlich unbegründet.
Der Antragsteller ist (vgl. die in der Bundesamtsakte enthaltene Kopie eines nigerianischen Passes, Bl. 60 und 86 der Bundesamtsakte) nigerianischer Staatsangehöriger, geboren am … 1985, er reiste spätestens am 25. Mai 2015 (vgl. Bl. 48 der Bundesamtsakte) auf dem Landweg (Bl. 49 der Bundesamtsakte) in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 8. Juni 2015 Asylantrag.
Die Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) erfolgte am 18. August 2016. Zur Begründung des Asylbegehrens machte der Antragsteller im Wesentlichen geltend, Offizier bei der nigerianischen Armee gewesen zu sein. Da der Antragsteller nicht gegen Boko Haram habe kämpfen wollen, sei er von der Armee desertiert und habe Ende des Jahres 2010 Nigeria verlassen. Im Falle einer Rückkehr fürchte der Antragsteller, bereits bei Rückkehr verhaftet und wieder zum Militärdienst gegen Boko Haram herangezogen zu werden, wo er fürchte, in den Kampfhandlungen getötet zu werden. Auf die Niederschrift über die Anhörung im Übrigen wird Bezug genommen (Bl. 104 – 107 bzw. Bl. 111 – 114 der Bundesamtsakte).
Mit Bescheid vom 4. August 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung sowie auf subsidiären Schutz jeweils als offensichtlich unbegründet ab (Nrn. 1 bis 3), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4), forderte den Antragsteller zum Verlassen der Bundesrepublik innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung auf und drohte die Abschiebung nach Nigeria an (Nr. 5). Unter der Nr. 6 des Bescheids wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG befristet. Auf den Bescheid und seine Begründung wird Bezug genommen.
Der Bescheid wurde ausweislich der in der Bundesamtsakte enthaltenen Kopie der Postzustellungsurkunde am 8. August 2017 zugestellt.
Der Antragsteller erhob am 9. August 2017 zur Niederschrift bei der Rechtsantragstelle des Verwaltungsgerichts München Klage (M 9 K 17.46842) mit dem Antrag,
den Bescheid vom 8. August 2017 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller als Asylberechtigten anzuerkennen, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, ihm subsidiären Schutz zuzuerkennen und festzustellen, dass bei ihm Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG bei ihm vorliegen.
Außerdem wurde beantragt,
hinsichtlich der Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Zur Begründung der Rechtsbehelfe wird auf die Angaben gegenüber dem Bundesamt Bezug genommen und weiter ausgeführt, dass das Bundesamt am Wahrheitsgehalt der Angaben des Antragstellers zweifle. Er könne aber anhand von Handy-Fotos nachweisen, dass er sich bei der nigerianischen Armee in der Ausbildung zum Offizier befunden habe. Auf diesen Fotos sei der Antragsteller gut zu erkennen, teilweise sogar ein Namensschild. Er werde versuchen, von den Aufnahmen Abzüge erstellen zu lassen und diese dem Gericht als Beweismittel vorzulegen. Am selben Tag gab der Antragsteller sechs Bildausdrucke (schwarzweiß) bei der Rechtsantragstelle ab, die ihn nach seinen Angaben während seiner Ausbildung bei der nigerianischen Armee zeigen sollen.
Mit Schreiben vom 20. Oktober 2017 bestellte sich der Bevollmächtigte des Antragstellers und kündigte eine ergänzende Klagebegründung an, die jedoch bis heute nicht eingegangen ist.
Die Antragsgegnerin hat die Akten vorgelegt, sich in der Sache jedoch nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in diesem und im dazugehörigen Klageverfahren sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO hinsichtlich der nach § 75 AsylG kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Abschiebungsandrohung ist unbegründet.
Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen, wobei Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, unberücksichtigt bleiben, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (§ 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, § 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.). Die gerichtliche Überprüfung der vom Bundesamt getroffenen Offensichtlichkeitsfeststellung hat im Hinblick auf den nach Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz aufgrund der als asylerheblich vorgetragenen oder zu erkennenden Tatsachen und in Anwendung des materiellen Asylrechts erschöpfend, wenngleich mit Verbindlichkeit allein für das Eilverfahren zu erfolgen (BVerfG, B.v. 19.6.1990 – 2 BvR 369/90 – juris Rn. 20). Die Anforderungen entsprechen insofern denjenigen der Ablehnung einer asylrechtlichen Klage als offensichtlich unbegründet (BVerfG, B.v. 19.6.1990 a.a.O. juris Rn. 21).
Anknüpfungspunkt für die Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht ist daher die Prüfung, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann.
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG), zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 103 Abs. 1 GG die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach § 51 Ausländergesetz 1990 BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
Der Antragsteller hat aller Voraussicht nach weder Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3 ff. AsylG, Anerkennung als Asylberechtigter, Art. 16a Abs. 1 GG, subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG noch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Der ablehnende Bescheid des Bundesamtes vom 8. August 2017, auf den gemäß § 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen wird, ist unter Zugrundelegung des Prüfungsumfangs des Verfahrens auf vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Nach Maßgabe der oben dargelegten Grundsätze bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Offensichtlichkeitsurteils. Die Begründung des Offensichtlichkeitsurteils ist nach der Maßgabe von § 30 Abs. 1 AsylG sowie § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG nicht zu beanstanden.
Ein Asylantrag ist gemäß § 30 Abs. 1 AsylG offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Flüchtlingseigenschaft (einschließlich der Voraussetzungen für subsidiären Schutz) offensichtlich nicht vorliegen. Dies ist dann anzunehmen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Ablehnung des Antrags geradezu aufdrängt (BVerfG, B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – juris Rn. 3). Der Antragsteller hat bezogen auf ein Asylbegehren, den Flüchtlingsschutz, und auch den subsidiären Schutz nichts Durchgreifendes vorgetragen. Die Schilderung der Geschehnisse, die ihn nach seinen Angaben zum Verlassen des Heimatlandes bewegt haben, weist bereits keine Anknüpfung an Umstände auf, die asyl- oder flüchtlingsrelevant sein könnten, da es daran fehlt, dass die geschilderten Geschehnisse an ein asylerhebliches Merkmal i.S.v. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b AsylG anknüpften. Es kommt hierfür nicht darauf an, ob es stimmt, dass der Antragsteller Mitglied der nigerianischen Armee war und sogar die Offiziersausbildung durchlaufen hat. Zwar hat der Antragsteller das nicht belegt – die vorgelegten Kopien oder Ausdrucke von Fotos sind nicht dazu geeignet, die Zweifel des Bundesamts, die das Gericht teilt, zu entkräften, weil man auf diesen Bildern den Antragsteller definitiv nicht erkennen kann (die Bilder zwei bis sechs lassen überhaupt nichts erkennen, aber auch das erste lässt keinesfalls eindeutig den Antragsteller erkennen, siehe im Vergleich etwa Bl. 85 der Bundesamtsakte) -, letztlich führt dieser Umstand, selbst wenn man ihn unterstellt, aber nicht zu der Annahme einer Anknüpfung des geschilderten Verfolgungsvorbringens an eines der im Gesetz genannten asylerheblichen Merkmale.
Dazu kommt noch, dass bereits aus dem eigenen Vorbringen des Antragstellers keine asylerhebliche drohende Verfolgung hervorgeht. Der Antragsteller hat gerade nicht angegeben, tatsächlich selbst zum Kampf gegen Boko Haram herangezogen worden zu sein. Er sei desertiert, bevor er überhaupt in den Kampf gegen Boko Haram geschickt worden sei. Ob das überhaupt irgendwie konkret im Raum stand, geht aus dem extrem knappen und vollkommen vagen Vortrag des Antragstellers nicht ansatzweise hervor. Unabhängig davon, dass der Antragsteller nicht erklärt hat, weshalb er, nachdem ihm Zweifel hinsichtlich seiner Berufswahl gekommen seien, nicht zunächst um Entlassung aus dem Dienst gebeten hat, behauptet er nicht einmal selbst, dass er gegen Boko Haram habe kämpfen müssen, geschweige denn, warum das – unterstellt, er wäre wirklich Soldat gewesen – individuell für den Antragsteller in irgendeiner Form asylerheblich gewesen sein sollte. Die theoretische Möglichkeit, als Soldat der nigerianischen Armee irgendwann einmal gegen Boko Haram kämpfen zu müssen, reicht nicht aus, unabhängig davon, dass für den Fall, dass der Antragsteller wirklich desertiert ist, ohne weiteres ein legitimes Strafinteresse seines Herkunftsstaats bestünde. Wiederum unabhängig davon ist jedenfalls der Vortrag der Desertion, selbst wenn man unterstellt, dass der Antragsteller Soldat der nigerianischen Armee gewesen ist, mit dem Vortrag der Ausreise auf dem Luftweg über die Türkei nicht vereinbar, insbesondere erklärt der Antragsteller nicht, wie es ihm möglich gewesen ist, seine Identität bei den Grenzkontrollen an den Flughäfen zu verschleiern.
Die Bewertung des Bundesamts, dass beim Antragsteller die Voraussetzungen gemäß § 30 Abs. 1 AsylG vorliegen, ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden.
Ebenso liegt, wie das Bundesamt ebenfalls zu Recht annimmt, auch das Regelbeispiel gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG vor. Nach dieser Vorschrift ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn in wesentlichen Punkten das Vorbringen des Ausländers nicht substantiiert oder in sich widersprüchlich ist, offenkundig den Tatsachen nicht entspricht oder auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel gestützt wird. Das Vorbringen des Antragstellers ist sowohl nicht substantiiert als auch in sich widersprüchlich. Auf die entsprechenden Ausführungen im Bescheid des Bundesamts, insbesondere auf Seite 3 vierter Absatz von oben bis Seite 4 vorletzter Absatz, mit denen ausführlich und unter Bezugnahme auf die Angaben des Antragstellers in der Anhörung der Tatbestand des Regelbeispiels subsumiert wird, wird Bezug genommen.
Auch ein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes liegt unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen und unter Bezugnahme auf die entsprechenden Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid offensichtlich nicht vor.
Auch ein Abschiebungsverbot auf der Grundlage von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen schwieriger wirtschaftlicher Verhältnisse im Heimatland kommt nicht in Betracht; insofern wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die auch diesbezüglich zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Bescheid, dort insbesondere auf Seite 6 unter 4. bis Seite 9 oben Bezug genommen; dabei weist das Bundesamt zutreffend darauf hin, dass vom Antragsteller als erwerbsfähigem Mann mit nach eigenen Angaben für die Verhältnisse in Nigeria guter Schulbildung (vgl. Bl. 106 der Bundesamtsakte) erwartet werden kann, dass er in der Lage ist, sich im Heimatland nach der Rückkehr dorthin eine Lebensgrundlage zu schaffen. Für den Antragsteller kann auf Grund seiner individuellen Voraussetzungen und konkreten Lebenssituation bei einer Rückkehr nach Nigeria keine mit hoher Wahrscheinlichkeit eintretende besondere – außergewöhnliche – Gefahrenlage angenommen werden. Der arbeitsfähige Antragsteller wird daher auch im Falle der Rückkehr nach Nigeria in der Lage sein, den Lebensunterhalt für sich sicherzustellen. Es ist nichts durchgreifendes dafür ersichtlich, dass gerade der Antragsteller in herausgehobener Weise stärker betroffen wäre als vergleichbare Personen.
Es liegen auch ansonsten keine Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
Die auf der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet beruhende Abschiebungsandrohung mit der einwöchigen Ausreisefrist nach §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG ist nach alledem nicht zu beanstanden.
Der Antrag wird daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abgelehnt. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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