Verwaltungsrecht

Abgewiesene Asylklage eines iranischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  RO 4 K 17.32745

Datum:
12.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 51323
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
AsylG § 3 Abs. 1, § 4

 

Leitsatz

Die Prognose, ob der Ausländer nach Rückkehr in sein Heimatland anknüpfend an die Religion Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt ist, setzt zunächst eine Prognose des vom Ausländer im Heimatland zu erwartenden religiösen Verhaltens voraus, wobei nur eine dauerhafte und ernsthafte religiöse Überzeugung eine tragfähige Grundlage dafür bietet, ein religionsbezogenes (Verfolgungsmaßnahmen auslösendes) Verhalten des Ausländers vorherzusagen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 4.5.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Ein Anspruch des Klägers darauf, ihm die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG)) zuzuerkennen, besteht nicht. Die hilfsweise zu prüfenden Voraussetzungen des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG und die weiter hilfsweise zu prüfenden Voraussetzungen des nationalen Schutzes nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG liegen hier ebenfalls nicht vor (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)).
Zur Begründung wird in vollem Umfang auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid, die aus Sicht des Gerichts auch nicht durch die Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung widerlegt wurden, Bezug genommen. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird daher abgesehen(§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist folgendes auszuführen:
1. Das Vorbringen des Klägers zu seinen Vorfluchtgründen ist nicht glaubhaft. Der Kläger hat sich beim Bundesamt darauf berufen, mit iranischen Behörden Probleme gehabt zu haben, weil seine Einträge bei facebook beanstandet worden seien. Die Inhalte hätten sich mit Menschenrechten und politischen Gefangenen beschäftigt. Er sei deshalb zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Das sei ein halbes Jahr vor seiner Ausreise gewesen. Legt man dieses Vorbringen des Klägers zugrunde, ist -wie im streitgegenständlichen Bescheid ausgeführtdavon auszugehen, dass der Kläger sein Heimatland unverfolgt verlassen hat. Soweit der Kläger sich in der mündlichen Verhandlung darauf beruft, er sei homosexuell und habe deshalb im Iran Schwierigkeiten gehabt, ist sein Vorbringen aus Sicht des Gerichts nicht glaubhaft. Der Kläger hat erstmalig in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, homosexuell zu sein. Seine Erklärung dafür, es falle ihm schwer, darüber zu sprechen, vermag nicht zu überzeugen. Der Kläger ist bereits am 30.4.2014 in Deutschland eingereist. Seine Anhörung vor dem Bundesamt erfolgte am 2.3.2017, also fast drei Jahre später. Der Kläger gab in der mündlichen Verhandlung an, in dieser Zeit auch in Deutschland eine Beziehung gehabt zu haben. Aus Sicht des Gerichts ist es daher nicht nachvollziehbar, warum der Kläger den eigentlichen Grund für seine Ausreise, nämlich die von ihm behauptete Homosexualität, beim Bundesamt nicht benannt hat. Auch sein Vorbringen, er habe gehofft, dass sein Einsatz für die Menschenrechte und seine Konversion, für eine Anerkennung ausreichend seien, zeigen, dass es sich bei den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung, um reine Schutzbehauptungen handelt. Der Kläger hat seinen Vortrag dahingehend gesteigert, homosexuell zu sein, um seinem Begehren, als Flüchtling anerkannt zu werden, zum Erfolg zu verhelfen. All dies zugrunde legend, hält das Gericht das Vorbringen des Klägers hinsichtlich seiner Homosexualität nicht für glaubhaft. Von einer Vorverfolgung des Klägers im Iran ist daher nicht auszugehen.
2. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3°Abs. 1 AsylG zu, weil er in Deutschland zum christlichen Glauben konvertiert ist. Es fehlt nach Überzeugung des Gerichts an einer dauerhaften und ernsthaften Konversion des Klägers.
Aufgrund der aktuellen asylrelevanten Lage, welche sich aus den in das Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln ergibt, besteht nach Ansicht des Gerichts im Iran für christliche Konvertiten, die ihren Glauben in Gemeinschaft mit anderen ausüben, die beachtliche Gefahr von Verfolgungshandlungen. Insgesamt betrachtet ist eine religiöse Betätigung von muslimischen Konvertiten im Iran selbst im häuslichprivaten oder nachbarschaftlichkommunikativen Bereich nicht mehr gefahrlos möglich (VG Würzburg, Urteil vom 18.1.2012, Az.: W 6 K 10.30246 – juris mit weiteren Hinweisen auf die Rspr. und Literatur).
Zwar liegen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass ein im Zufluchtsland nur formal vollzogener Glaubensübertritt zum Christentum, der hier seitens des Klägers am 7.2.2015, erfolgt ist, allein für sich im islamischen Heimatland des schutzsuchenden Ausländers mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit selbst dann zu erheblichen Verfolgungsmaßnahmen führt, wenn er dort seine christliche Glaubenszugehörigkeit verheimlichen, verleugnen oder aufgeben würde. Die vorzunehmende Prognose, ob der Ausländer nach Rückkehr in sein Heimatland anknüpfend an die Religion Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt ist, setzt mithin zunächst eine Prognose des vom Ausländer entsprechend seiner Religion im Heimatland zu erwartenden Verhaltens voraus. Dabei bietet nur eine dauerhafte und ernsthafte religiöse Überzeugung eine tragfähige Grundlage dafür, ein religionsbezogenes (Verfolgungsmaßnahmen auslösendes) Verhalten des Ausländers vorherzusagen. Denn es ist nicht anzunehmen, dass der Ausländer nach Rückkehr in sein Heimatland einer Religion entsprechend lebt, die er in seinem Zufluchtsland nur vorgeblich, oberflächlich oder aus asyltaktischen Gründen angenommen hat (VG Ansbach, Urteil vom 15.1.2009, Az.: AN 18 K 08.30313 – juris).
Nach den Einlassungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung ist nicht davon auszugehen, dass er sich aus wahrer innerer Glaubensüberzeugung dem christlichen Glauben zugewandt hat und die christlichen Religion im Heimatland praktizieren möchte. Der Kläger hat vielmehr erklärt, es probiert und beiseitegelegt zu haben und auch keine Kirche mehr zu besuchen.
3. Auch das vom Kläger geltend gemachte exilpolitische Engagement führt nicht dazu, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft nach § 3°Abs. 1 AsylG zuzuerkennen wäre. Wie bereits im streitgegenständlichen Bescheid, auf den insoweit ausdrücklich nochmals Bezug genommen wird (§ 77 Abs. 2 AsylG), eingehend dargestellt wurde, ist eine exilpolitische Betätigung nur dann erheblich, wenn der Betreffende nach außen erkennbar, persönlich exponiert und regimefeindlich aktiv wird. Das Gericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung eingehend zu seiner exilpolitischen Betätigung befragt. Der Kläger hat dabei erklärt, lediglich ein normales Mitglied der „Vereinigung zur Verteidigung der Menschenrechte im Iran“ zu sein. Der Kläger hat zwar Audiobeiträge verfasst, die auch mit seinem Namen bei Youtube eingestellt wurden. Er hat aber selber erklärt, dass in diesen Audiobeiträgen keine Kritik am iranischen Regime geübt wird. Davon vermochte sich das Gerichts auch dadurch zu überzeugen, dass der vom Kläger verfasste Audiobeitrag auszugsweise in der mündlichen Verhandlung angehört und vom Dolmetscher übersetzt wurde. Es handelte sich um einen sachlichen Bericht über die Tötung eines Kindes und die Verurteilung des gefassten Mörders. Regimefeindliche Äußerungen ergaben sich nicht. Eine andere Bewertung des exilpolitischen Engagements des Klägers ergibt sich auch nicht deshalb, weil er vereinsintern kritische Äußerungen an die Redaktion des Vereins schickt. Insoweit handelt es sich um ein untergeordnetes exilpolitisches Engagement, zumal der Kläger selbst auch nicht darüber entscheidet, was letztlich für eine Veröffentlichung freigegeben wird. Diese Entscheidung obliegt vielmehr dem Redakteur.
4. Es ist auch nicht anzunehmen, dass dem Kläger aufgrund seiner illegalen Ausreise oder seiner Asylantragstellung in Deutschland bei einer Rückkehr in den Iran politische Verfolgung drohen würde (vgl. hierzu BayVGH, Beschluss vom 25.2.2013, Az.: 14 ZB 13.30023 – juris – mit Hinweisen auf die Auskunftslage).
5. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylG und nationalen Schutz nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) hätte.
6. Gegen das in Ziffer 6 des streitgegenständlichen Bescheides angeordnete befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG bestehen keine rechtlichen Bedenken, solche wurden im Übrigen vom Kläger im Verfahren auch nicht vorgetragen.
Nach alledem war die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83 b AsylG.
Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO, §§ 708 ff ZPO.
Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben