Verwaltungsrecht

Abgewiesene Klage im Streit um Zwangsgeldandrohung

Aktenzeichen  Au 4 K 19.1148

Datum:
29.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 13422
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 43
VwZVG Art. 19 Abs. 1 Nr. 3, Art. 23 Abs. 1 Nr. 2, Art. 31 Abs. 3 S. 3, Art. 37 Abs. 1 S. 1, Art. 38 Abs. 1 S. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über die Klage konnte aufgrund des Einverständnisses der Parteien ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage hat keinen Erfolg.
I. Hinsichtlich der Fälligkeitsmitteilung ist nicht die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO mangels Verwaltungsaktqualität statthaft, sondern eine Feststellungsklage nach § 43 VwGO. Nach der Regelung in Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG ist bereits die Androhung eines Zwangsgeldes ein nach Maßgabe des Art. 23 Abs. 1 VwZVG vollstreckbarer Leistungsbescheid, weshalb die Vollstreckung von Zwangsgeldern nicht den Erlass weiterer Bescheide voraussetzt, sondern unmittelbar aufgrund der erfolgten Androhung in die Wege geleitet werden kann. Die zeitlich nachfolgende Fälligkeitsmitteilung hat nur deklaratorische Wirkung und ist gesetzlich nicht vorgeschrieben (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 21.1.2015 – 1 CE 14.2460, 1 CE 14.2520 – juris Rn. 10).
Die so verstandene Klage (vgl. § 88 VwGO) ist zwar zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.
Soweit sich die Klage im oben ausgeführten Sinn gegen das mit Bescheid vom 8. Juli 2019 angedrohte und mit Fälligkeitsmitteilung vom 23. Juli 2019 fällig gestellte Zwangsgeld in Höhe von 3.000,- EUR richtet, ist die Klage unbegründet. Das angedrohte Zwangsgeld wurde von Seiten des Beklagten zu Recht fällig gestellt, nachdem der Kläger die mit Bescheid vom 8. Juli 2019 mit Sofortvollzug angeordnete und mit Zwangsgeldandrohung versehene Baueinstellung auf den Grundstücken Fl.Nr.,… und… Gemarkung… nicht befolgt hat (vgl. Art. 37 Abs. 1 Satz 1, Art. 31 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG).
Mit der Verpflichtung des Klägers zur Baueinstellung vom 8. Juli 2019, gestützt auf Art. 75 BayBO, liegt ein grundsätzlich vollziehbarer Grundverwaltungsakt vor. Dessen Vollziehbarkeit ergibt sich aus Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG aufgrund der Anordnung des Sofortvollzugs.
Damit liegt gegenüber dem Kläger eine grundsätzlich vollziehbare Unterlassungsverpflichtung vor. Überdies ist darauf zu verweisen, dass die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung im Vollstreckungsverfahren nicht zu prüfen ist, da es ausschließlich auf die Vollziehbarkeit der der Vollstreckung zugrundeliegenden Maßnahme ankommt.
Der der Vollstreckung zugrundeliegende Verwaltungsakt ist auch nicht unwirksam. Eine Nichtigkeit, die nach Art. 43 Abs. 3 BayVwVfG zur Unwirksamkeit des der Vollstreckung zugrundeliegenden Verwaltungsakts führen würde, ist nicht erkennbar. Insbesondere liegt kein Fall von Art. 44 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG vor, wonach ein Verwaltungsakt insbesondere dann nichtig ist, wenn er von niemand ausgeführt werden kann. Die vom Kläger geforderte Handlungspflicht (Baueinstellung) ist dem Grunde nach durchaus erfüllbar.
Das Gericht ist nach den vorgelegten Lichtbildern und der Einlassung des Klägers im Verfahren überzeugt, dass der Kläger der Baueinstellungsverfügung des Beklagten vom 8. Juli 2019 zuwidergehandelt hat, so dass das im Bescheid angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 3.000,- EUR fällig geworden ist. Die vom Beklagten anlässlich der Baukontrolle vom 23. Juli 2019 gefertigten Fotografien (Behördenakte Bl. 66 – 69) belegen dies hinreichend. Dies wird vom Kläger auch nicht substantiiert bestritten. Soweit er geltend macht, die Fortführung der Arbeiten nicht veranlasst bzw. auf eine Klärung der „Problematik“ durch seinen Auftragnehmer mit den Behörden vertraut zu haben, dringt er damit ebenfalls nicht durch. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Ausübung des Anwendungsermessens (Art. 37 Abs. 1 Satz 1 BayVwZVG; vgl. BayVGH, B.v. 20.12.2001 -1 ZE 01.2820 – BayVBl 2002, 437, B.v. 1.3.2012 – 9 ZB 11.2528 – juris Rn. 17) ergeben sich daraus nicht. Denn der Beklagte durfte zu Recht darauf abstellen, dass der Kläger Adressat der sofort vollziehbaren Baueinstellungsverfügung ist. Er war damit für die Einhaltung der im Bescheid getroffenen Anordnung verantwortlich. Als Pflichtiger hat er dafür Sorge zu tragen, dass auch von ihm in seinem Betrieb Beschäftigte oder Familienangehörige einem gegen ihn ergangenen Unterlassungsgebot nachkommen. Er kann sich seiner Verantwortung nicht dadurch entziehen, dass er bspw. die Betriebsführung und die damit verbunden die Sorge für die Einhaltung der Unterlassungspflicht vollends anderen überlässt (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.1975 – V 76.74 – juris Rn. 12 m.w.N.; Troidl in Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG VwZG, 11. Aufl. 2017, § 14 Rn. 6). Ausgehend hiervon ist dem Kläger das Fehlverhalten seines Auftragnehmers entsprechend dem in § 278 BGB zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken zuzurechnen (Mosbacher in Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG VwZG, 11. Aufl. 2017, vor §§ 6 – 18 Rn. 10 m.w.N.).
Das mit Bescheid der Beklagten vom 8. Juli 2019 angedrohte Zwangsgeld konnte demnach gegen den Kläger fällig gestellt werden, dessen Klage bleibt insoweit ohne Erfolg.
II. Gleiches gilt bezüglich der erneuten Androhung eines erhöhten Zwangsgeldes im mit der Klage angegriffenen Bescheid des Beklagten vom 23. Juli 2019. Diese erneute Zwangsgeldandrohung, diesmal über einen Betrag von 6.000,- EUR, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Da es sich um eine isolierte, nicht mit dem zugrundeliegenden Grundverwaltungsakt verbundene Androhung eines Zwangsgeldes handelt, ist die Anfechtbarkeit gem. Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG eingeschränkt. Die Zwangsgeldandrohung kann nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird. Einwendungen gegen den unanfechtbaren Grundverwaltungsakt sind damit ausdrücklich ausgeschlossen (vgl. BayVerfGH, B.v. 24.1.2007 – Vf. 50-VI-05 – juris Rn. 53). Möglich ist nur noch die Rüge von Rechtsverletzungen, die die gesetzlichen Voraussetzungen der Zwangsmittelandrohung als solche betreffen.
Die erneute Zwangsgeldandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, Art. 31 und Art. 36 VwZVG. Es liegen sowohl die allgemeinen (Art. 18 ff. VwZVG) als auch die besonderen (Art. 29 ff. VwZVG) Vollstreckungsvoraussetzungen vor. Der der Vollstreckung zugrundeliegende Grundverwaltungsakt, die Baueinstellung vom 8. Juli 2019 war zum maßgeblichen Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG aufgrund der Anordnung des Sofortvollzugs vollstreckbar. Die Pflicht zur Befolgung der Baueinstellung stellt sich als eine Pflicht zu einer Handlung, einer Duldung oder einem Unterlassen i.S.v. Art. 31 VwZVG dar, zu deren Erfüllung das Zwangsgeld gemäß Art. 31 Abs. 1 VwZVG das richtige und auch das mildeste Zwangsmittel darstellt. Auch die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes in Höhe von 6.000,- EUR ist im Hinblick auf Art. 31 Abs. 2 Satz 2 und 4 VwZVG nicht zu beanstanden.
Gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG können Zwangsmittel solange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist. Gemäß Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG ist eine erneute Androhung eines Zwangsmittels erst dann zulässig, wenn die vorausgegangene Androhung des Zwangsmittels erfolglos geblieben ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die in Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG geforderte Erfolglosigkeit der ersten Zwangsgeldandrohung meint nicht, dass vor erneuter Androhung das zuvor angedrohte Zwangsgeld erfolgreich beigetrieben werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 12.1.2012 – 10 ZB 10.2439 – juris Rn. 12; OVG NW, B.v. 23.6.2015 – 7 B 351/15 – juris Rn. 9 ff.). Es soll nämlich nicht von der Zahlungsmoral des Pflichtigen abhängen, ob die Behörde ein erneutes Zwangsgeld androhen darf.
Für das Vorliegen von Ermessensfehlern bei der Auswahl des Zwangsmittels und dessen Höhe i.S.v. § 114 Satz 1 VwGO ist nichts ersichtlich.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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