Verwaltungsrecht

Abgewiesene Klage im Verfahren wegen internationalem und nationalem Schutz

Aktenzeichen  RO 13 K 18.31307

Datum:
14.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 37208
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 154 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.  

Gründe

Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg.
I.
Der Kläger konnte das Gericht nicht davon überzeugen, dass eine im Sinne der §§ 3 ff. AsylG relevante Verfolgung vorliegt.
Im Kern bringt der Kläger vor, er unterliege als Angehöriger der Glaubensgemeinschaft der Kakai der Verfolgung. 2014 hätten seine Familie und er von Jalawla vor dem IS nach Khanakin fliehen müssen. Als die Miliz Haschd Al-Schabi 2017 dorthin gekommen sei, habe er wegen seiner Zugehörigkeit zu den Kakai auch mit diesen Probleme bekommen. Beide Gruppierungen würden die Kakai verfolgen.
Soweit in früheren Jahren von einer Gruppenverfolgung der Kakai durch den IS ausgegangen werden konnte (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 12. Januar 2019, Abschnitt II.1.3, S. 12), ist nunmehr festzustellen, dass stichhaltige Gründe dafür sprechen, dass eine derartige Gruppenverfolgung mittlerweile nicht mehr droht. Der IS verfügt nicht mehr über die Strukturen, die es ihm ermöglichen würden, Zugehörige zu einer Glaubensgemeinschaft systematisch im Rahmen eines Verfolgungsprogramms zu verfolgen (vgl. VG Berlin vom 13. Juni 2018, 25 K 132.17 A, juris, Rz 41. Zu einem vergleichbaren Ergebnis gelangt unter Auswertung zahlreicher Erkenntnismittel bezogen auf die Jeziden auch das OVG Lüneburg, 30. Juli 2019, 9 LB 133/19, juris, Rz 68 ff.).
Der UNHCR vermeldet, dass der IS weiterhin in Gebieten aktiv sei, die traditionsgemäß von Mitgliedern der Kakai-Gemeinschaft bewohnt würden, welche vom IS als „Untreue“ betrachtet würden, weshalb auch etliche Dörfer im Daquq-Distrikt in der Provinz Kirkuk Berichten zufolge verlassen seien (vgl. UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen, Mai 2019, S. 89, FN 462). Auch nach den Berichten von ANF News vom 13. November 2018 und vom 29. August 2019 beschränken sich als „Angriffe“ bezeichnete Maßnahmen des IS gegen die Kakai auf den Distrikt Daquq in der Provinz Kirkuk. Der UNHCR führt zudem aus, dass der IS weiterhin eine asymmetrische Bedrohung im Nord- und Nord-Zentral-Irak (Provinzen Kirkuk, Ninawa und Salah ad-Din) und im Zentralirak (Provinzen Anbar, Bagdad und Diyala) darstelle und z.B. operative Angriffszellen in der Provinz Diyala in Muqdadiyya, Jalawla/Saadiya/Qarah Tabah und in Mandali unterhalte (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 19, FN 71). Mit der Einschätzung als asymmetrische Bedrohung bestätigt der UNHCR auch die o.g. Rechtsprechung zur fehlenden Struktur, um ein Verfolgungsprogramm systematisch umzusetzen. Unabhängig davon, dass der Kläger als in Kalar/Provinz Sulaimaniyya registrierter Kurde wohl seinen Aufenthalt auch in der für die Kakai sicheren Region Kurdistan-Irak (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 25. Mai 2018 an das VG Schleswig: Kakais werden in der Region Kurdistan-Irak in keiner Weise verfolgt; sie können ihre religiösen Rituale praktizieren.) nehmen können müsste, ist nicht erkennbar, dass in der Region Khanakin operative Angriffszellen des IS bestünden, welche dort gezielt gegen Kakai vorgehen würden. Derartige Aktivitäten des IS beschränken sich nach den vorliegenden Erkenntnisquellen auf einen Bezirk in der Provinz Kirkuk.
Anhaltspunkte dafür, dass die Miliz Hasch Al-Schabi in der Region Khanakin Maßnahmen gegen Kakai durchführt, welche die Intensität einer Gruppenverfolgung erreichen, finden sich in den Erkenntnisquellen des Gerichts nicht. Dies gilt auch für die Bevölkerung insgesamt.
Das Gericht teilt somit auch die Einschätzung des VG Berlin (13. Juni 2018, 25 K 132.17 A, juris, Rz 42), das eine gezielte Gruppenverfolgung der Kakai im Irak nicht stattfindet. Es gibt zwar Beispiele für eine gesellschaftliche und ökonomische Diskriminierung, worunter auch das Vorbringen des Klägers, die Bevölkerung esse und arbeite nicht mit Kakai, fällt. Dies gilt auch für die erstmalig in der mündlichen Verhandlung erwähnte Verpflichtung, als Kakai auch gegen den eigenen Willen vom Lehrer gezwungen worden zu sein, den Koran zu lesen, und dabei beschimpft, geschlagen und aus dem Klassenzimmer geschickt worden zu sein. Es ist nicht dokumentiert, dass derartige Diskriminierungen in einem für eine Gruppenverfolgung anzunehmenden qualitativ und quantitativ erheblichen Ausmaß geschehen sind.
Die vom Zeugen geschilderten Vorfälle (Tötung bzw. Verletzung von drei Männern vor maximal zwei Monaten, Tötung des Bruders des Zeugen vor fünf Jahren sowie das Abbrennen von zwei unbewohnten Häusern vor ca. drei Monaten in Khanakin) sind nicht geeignet, eine Gruppenverfolgung der Kakai zu belegen. Auf die Problematik des sog. Zeugen vom Hörensagen – der Zeuge berichtete nur Vorfälle, die er nicht selbst miterlebt hatte, sondern nur solche, die ihm anderweitig zugetragen worden waren – muss nicht näher eingegangen werden, denn der Inhalt der Aussagen belegt bereits zum einen nicht, dass die Vorfälle nur deshalb stattgefunden haben, weil sie gegen Kakai gerichtet waren. Zum anderen ist der Zeuge auch nicht in der Lage, die Vorfälle dem IS, der Miliz Haschd Al-Schabi oder überhaupt einem konkreten Täter oder einer konkreten Tätergruppe zuzuweisen. Mutmaßungen alleine reichen nicht.
Gegen eine Gruppenverfolgung der Kakai durch die Hasch Al-Schabi spricht zudem auch, dass sie nach dem Bekunden des Klägers einmal im Jahre 2017 und einmal im Jahre 2019 seine Mutter und seine Geschwister aufgesucht haben sollen, um (auch) nach ihm zu fragen. Seine Mutter und seine Geschwister seien nach Angaben des Klägers ebenfalls Kakai. Gleichwohl schilderte der Kläger nicht, dass diesen bei den Besuchen irgendetwas „Nachteiliges“ geschehen wäre. Dies verträgt sich nicht mit der Annahme, die Haschd Al-Schabi würden die Kakai verfolgen, weil sie Kakai sind.
Die vom Kläger geschilderten Sprengungen von zwei heiligen Orten der Kakai in den letzten beiden Jahren, die durch Erkenntnismittel nicht bestätigt werden können, können ebenfalls keine Gruppenverfolgung der Kakai belegen. Selbst der Kläger sah sich nicht in der Lage, diese Sprengungen, so sie denn tatsächlich stattgefunden haben, einem bestimmten Täter zuzuordnen. Gleiches gilt für den unbestätigten Angriff auf ein Dorf am 16. Oktober 2019.
Unabhängig von der fehlenden Gruppenverfolgung hat der Kläger auch nicht glaubhaft gemacht, dass er speziell in seiner Person wegen seiner Eigenschaft als Kakai einer Einzelverfolgung unterlegen ist bzw. noch unterliegen würde.
Der Kläger ist nach Aktenlage 1989 geboren und hat die Schule mit dem Abitur abgeschlossen. Das Abitur wird im Irak nach Kenntnis des Gerichts aus anderen Verfahren im Alter von 18 oder 19 Jahren erworben. Der Kläger dürfte das Abitur deshalb so in etwa im Jahre 2008 erworben haben. Die Vorfälle im Zusammenhang mit dem Lesen des Koran haben sich demnach in einem davor liegenden Zeitraum ereignet. Um eine Einzelverfolgung zu belegen, liegen sie somit viel zu lange zurück. Zudem hätten die Schilderungen durchaus noch mehr Details vertragen können. Es liegt nahe, dass es sich um die Einzeltat eines Lehrers gehandelt hat, denn es finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Staat Irak religiöse Minderheiten gezielt diskriminiert oder verfolgt (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 12. Januar 2019, Abschnitt II.1.3, S. 12). Diese Vorfälle haben sich auch offensichtlich nicht negativ auf den Schulabschluss des Klägers ausgewirkt, denn er hat ja nach seinen Angaben die Schule mit dem Abitur abgeschlossen.
Auch die vom Kläger geschilderten Vorgänge im Zusammenhang mit seiner Teilnahme an einer Demonstration gegen die Haschd Al-Schabi im Oktober 2017, vermögen die Bewertung als Einzelverfolgung nicht zu tragen. Der Kläger sei am 22. Oktober 2017 für die Dauer von zwei Stunden festgenommen worden. Nachdem er anhand seiner Ausweispapiere als Kakai erkannt worden sei, sei er anders behandelt worden als andere Festgenommene. Er sei beschimpft, geschlagen und gefoltert worden. Trotz ausdrücklicher Nachfrage in der mündlichen Verhandlung unterließ der Kläger es allerdings, detailreiche Angaben zum Schlagen und Foltern zu machen. Lediglich hinsichtlich der Beschimpfungen konnte er veranlasst werden, ergänzend zu sagen, er sei bedroht worden und die Haschd Al-Schabi hätten sehr schlechte Wörter benutzt und unangenehme Aussagen getätigt. Er sei Kakai und schlecht, ein Verräter und habe keine Rechte. Sie hätten z.B. Feigling gesagt. Sie hätten auch gesagt, dass sie ihn nicht wieder sehen wollten. Die mündlichen Aussagen, welche die HaschdAl Schabi dem Kläger gegenüber nach dessen Angaben getätigt haben sollen, erreichen nicht das für die Annahme einer Verfolgung relevante erhebliche Maß. Hinsichtlich des Schlagens und des Folterns beließ es der Kläger bei der Aufstellung der nicht näher erläuterten Behauptung. Diese wird deshalb vom Gericht als nicht glaubhaft bewertet.
Die beiden vom Kläger geschilderten Besuche der Haschd Al-Schabi bei seiner Mutter und den Geschwistern in den Jahren 2017 und 2019 belegen, so sie denn stattgefunden haben, nicht, dass der Kläger deshalb gesucht worden sein soll, weil er Kakai sei. Nach seinen Aussagen in der mündlichen Verhandlung (vgl. S. 2 des Protokolls vom 14. November 2019) seien auch die anderen seinerzeit Festgenommenen nochmals festgenommen worden. Die Ursache für die Suche nach ihm, liegt demnach nicht in seiner Zugehörigkeit zu den Kakai.
II.
Hinsichtlich des Fehlens der Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären bzw. nationalen Schutzes wird auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen.
III.
Die Abschiebungsandrohung und die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots begegnen keinen rechtlichen Bedenken.
IV.
Kosten: §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylG.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben