Aktenzeichen W 1 K 17.101
Leitsatz
1 Nach § 25 PStG können auch solche Personen die Feststellung ihres Personenstands verlangen, die zwar nicht hilflos sind, aber zutreffende Angaben über ihren Personenstand nicht machen können. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2 Das Verfahren nach § 25 PStG darf nicht dazu missbraucht werden, eine Person, die ihren Namen und ihre Herkunft zu verheimlichen sucht, mit einem amtlich festgelegten “Ersatz-Personenstand” auszustatten (BVerwG BeckRS 9998, 160130). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Maßnahmen nach § 25 PStG. Der Bescheid des Landratsamtes vom 22. Dezember 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Klage ist zulässig.
Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet, da es sich bei der Bestimmung des Personenstandes um einen Verwaltungsakt handelt. Gegen die Entscheidung sind die Rechtsbehelfe nach der VwGO gegeben (Gaaz/Bornhofen, PStG, 3. Aufl. 2014, § 25 Rn. 15).
Der Kläger ist auch gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, da eine Verletzung der Rechte des Klägers durch die Ablehnung des begehrten Verwaltungsakts jedenfalls nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder denkbaren Betrachtungsweise unmöglich erscheint (Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 42 Rn. 65). Faktisch werden die Daten und der Name des Klägers, deren Eintragung er begehrt, im Rechtsverkehr bereits seit vielen Jahren verwendet, so dass ein Personenstand bereits etabliert ist. Eine Eintragung könnte ihm wohl keinen Vorteil bringen, da auch die Eintragung zu keiner Klärung der Identität führt. Allerdings kann die Möglichkeit der Rechtsverletzung nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Bei § 25 PStG handelt es sich um eine Ordnungsvorschrift, die im Wesentlichen öffentlichen, daneben aber auch den privaten Interessen des Betroffenen dient, der durch seinen ungeklärten Personenstand erhebliche Nachteile erleiden könnte (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.1966 – VII C 112.65 – BVerwGE 25, 109; HessVGH, U.v. 4.12.1964 – OS IV 72/63 – FamRZ 1965, 140).
2. Die Klage ist jedoch unbegründet, da die Voraussetzungen des § 25 PStG nicht vorliegen.
Nach § 25 PStG bestimmt die zuständige Verwaltungsbehörde, welcher Geburtsort und Geburtstag sowie Vorname und Familienname für eine Person einzutragen ist, die im Inland angetroffen und deren Personenstand nicht festgestellt werden kann.
Zwar unterfällt der Kläger grundsätzlich dem Merkmal der „angetroffenen Person“, das von § 25 PStG erfasst werden soll. Die genannte Vorschrift sollte zwar in erster Linie Menschen erfassen, die infolge körperlicher oder geistiger Hilflosigkeit nicht in der Lage sind Angaben zu ihrem Personenstand zu machen. Der Wortlaut und auch der Sinn und Zweck der Norm schließen es aber nicht aus, dass auch solche Personen die Feststellung ihres Personenstands verlangen können, die zwar nicht hilflos sind, aber zutreffende Angaben über ihren Personenstand nicht machen können. Die Worte „wird angetroffen“ besagen nicht, dass eine nicht hilfsbedürftige Person, deren Personenstand nicht feststellbar ist, nicht angetroffen werden könne (vgl. HessVGH, U.v. 4.12.1964 – OS IV 72/63 – FamRZ 1965, 140).
Allerdings ist weitere Voraussetzung für die Anwendung des § 25 PStG, dass der Personenstand des Betroffenen nicht festgestellt werden kann, d.h. nicht zu ermitteln ist. Der Entscheidung müssen deshalb eingehende Ermittlungen durch die zuständige Verwaltungsbehörde vorausgehen. Eine Feststellung nach § 25 PStG kommt nur und erst dann in Betracht, wenn sämtliche von den Behörden vorgenommenen Nachforschungen ergebnislos geblieben sind oder jedenfalls kein sicheres Ergebnis erbracht haben (BVerwG, U.v. 23.9.1966 – VII C 112.65 – BverwGE 25, 109; Gaaz/Bornhofen, PStG, 3. Aufl. 2014, § 25 Rn. 4). Die Tatsache, dass der Personenstand zweifelhaft ist, weil er urkundlich nicht nachgewiesen werden kann oder weil die Einträge in vorhandenen Urkunden voneinander abweichen, genügt für sich allein nicht für die Anwendung des § 25 PStG. Eine Person, die sichere Angaben über ihren Namen sowie Geburtstag und -ort macht, diese Angaben aber nicht urkundlich belegen kann, ist zunächst auf die Möglichkeit der Urkundenbeschaffung, auch einer Ersatzbeurkundung oder Wiederherstellung von Urkunden, zu verweisen (Gaaz/Bornhofen, PStG, 3. Aufl. 2014, § 25 Rn. 5).
Der Betroffene muss alles in seinen Kräften Stehende getan haben, um zu einer Klärung beizutragen, und alle ihm möglichen sachdienlichen Auskünfte gegeben haben. Das Verfahren nach § 25 PStG darf nicht dazu missbraucht werden, eine Person, die ihren Namen und ihre Herkunft – aus welchem Grund auch immer – zu verheimlichen sucht, mit einem amtlich festgelegten »Ersatz-Personenstand« auszustatten (BVerwG, U.v. 23.09.1966, a.a.O., BVerwGE 25/109). Deshalb ist insbesondere bei Ausländern Zurückhaltung geboten. Eine Feststellung kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn zwar feststeht, dass der Betroffene nicht Deutscher ist, sein Heimatstaat aber nach sorgfältigen Ermittlungen nicht festzustellen ist. Steht der Heimatstaat fest, so muss es diesem in erster Linie überlassen bleiben, den Personenstand zu ermitteln (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.1966 – VII C 23.66 – BVerwGE 25, 113). Vorrangig hat die deutsche Ausländerbehörde darauf hinzuwirken, dass der Ausländer seiner Passpflicht (§ 3 AufenthG) genügt. Eine Feststellung nach § 25 PStG scheidet insbesondere aus, wenn der Betroffene bekanntermaßen oder vermutlich aus einem Staat stammt, in dem eine geordnete Personenstandsbuchführung nicht besteht oder jedenfalls zur Zeit seiner Geburt nicht bestand (Gaaz/Bornhofen, PStG, 3. Aufl. 2014, § 25 Rn. 6).
Lehnt die Behörde die Bestimmung des Personenstandes ab, weil sie den Personenstand für feststellbar hält und Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die betroffene Person ihren wahren Personenstand verschleiert, dann geht es zu Lasten der betroffenen Person, wenn die Nichtfeststellbarkeit zweifelhaft bleibt. Würde die Behörde in einem solchen Fall verpflichtet sein, den Personenstand zu bestimmen, dann würde sie im Ergebnis der Verschleierung des wahren Personenstandes Vorschub leisten. Kennt der Kläger seinen wahren Personenstand, ohne ihn der Behörde zu offenbaren, oder trägt er nicht alles Zumutbare dazu bei, seinen Personenstand festzustellen, dann lässt sich sein Verlangen auf Bestimmung seines Personenstandes auch nicht mit dem auch das öffentliche Recht beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben vereinbaren (vgl. BVerwGE 25, 109; Gaaz/Bornhofen, PStG, 3. Aufl. 2014, § 25 Rn. 16).
Der Kläger hat vorliegend jedoch nicht in ausreichender Weise an der Klärung seines Personenstandes mitgewirkt bzw. durch seine widersprüchlichen Angaben den Verdacht begründet, dass er seinen wahren Personenstand zu verschleiern sucht. Am 17. November 2009 hat der Kläger bei der Behörde nach mehrmaligen Aufforderungen einen detaillierten Lebenslauf eingereicht. Mit Schreiben vom 9. Dezember 2009 bat das Landratsamt um die Klärung von aufgetretenen Widersprüchen und um die Beantwortung einiger zusätzlicher Fragen. Bis heute hat der Kläger weder die benannten Widersprüche aufgeklärt noch sich bemüht diese Fragen zu beantworten. Soweit der Klägerbevollmächtigte sich diesbezüglich darauf beruft, dass der Kläger dadurch „die dunkelsten Stunden seines Lebens erneut durchleben müsste“, so gehört dies dennoch zum Pflichtenkreis des Klägers. Nichts anderes wird von Asylbewerbern erwartet, die im Heimatland Traumata durch Verfolgung erlitten haben. Im Übrigen sind Traumata oder psychische Erkrankungen des Klägers, auf die Rücksicht zu nehmen wäre, bisher nicht substantiiert dargetan. Sofern einzelne Fragen durch den Kläger mangels Erinnerung nicht mehr zu beantworten sind, so kann er dies bei der Beantwortung kennzeichnen. Wenn der Kläger angibt keine dieser Fragen beantworten zu können, kann ihm diesbezüglich nicht geglaubt werden. Es widerspricht jeglicher Lebenserfahrung, dass bspw. sein Adoptivvater, der ein Freund der Familie war, ihm die Namen seiner Eltern nie genannt hat. Auch die Widersprüche, die der Kläger seit Beginn seines Asylverfahrens in Deutschland bis heute produziert hat, fallen in seine Sphäre und sind daher von ihm aufzuklären. Sich hierbei auf mangelndes Erinnerungsvermögen zu berufen, verfängt nicht.
Zwar hat die Behörde den Kläger auch mehrmals ohne Erfolg beim pakistanischen und afghanischen Generalkonsulat vorsprechen lassen. Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger dort zusätzliche Angaben bspw. zu seinen Eltern gemacht hat, um die Ermittlungen zu erleichtern. Solches hat der Kläger auch nicht vorgetragen.
Der Kläger hat daher nicht alles in seinen Kräften stehende getan, um zu einer Klärung beizutragen. Es erscheint nicht völlig aussichtslos, nach Beantwortung (auch nur eines Teils) der gestellten Fragen durch den Kläger bei erneuten Ermittlungen durch das pakistanische oder afghanische Konsulat weitere Erkenntnisse zu gewinnen. Der Vergleich des Schicksals des Klägers mit dem Schicksal der sog. „Wolfskinder“ ist unbehelflich und kann nicht dazu führen, dass der Kläger die Eintragung seines Personenstandes erhält ohne seinerseits in ausreichendem Maße an der Klärung beigetragen zu haben.
3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.