Verwaltungsrecht

Ablehnung vorläufigen Rechtsschutzes bei einem offensichtlich unbegründeten Asylantrag eines malischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  M 21 S 17.40314

Datum:
2.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 3e, § 4, § 36 Abs. 4
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Bei einem aus Gao stammenden malischen Staatsangehörigen besteht auf der Basis aktueller Lageberichte überstaatlicher wie auch staatlicher und nichtstaatlicher Stellen die Möglichkeit internen Schutzes im Sinne von § 3e AsylG, insbesondere in Bamako und Umgebung. (Rn. 17 – 21) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt R. B., R., wird für das Eilverfahren abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller, der bislang weder Personalpapiere noch andere Identitätsnachweise seines Herkunftslands vorlegte, ist nach eigenen Angaben ein lediger, in Gao geborener Staatsangehöriger der Republik Mali muslimischen Glaubens vom Volk der Bambara.
Er stellte am 8. Juni 2015 bei der Außenstelle des Bundesamts für … (kurz: Bundesamt) in M. einen Asylantrag.
Zur Niederschrift über seine Anhörung bei der Außenstelle des Bundesamts in M. am 13. Oktober 2016 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, sich bis zur Ausreise im Stadtviertel Dioulabou, Gao, aufgehalten zu haben. Er habe im April 2012 sein Heimatland verlassen und sei im Januar 2015 in das Bundesgebiet eingereist. Seine Eltern seien verstorben. Er habe noch Brüder, mit denen er sich nicht verstehe, und Cousins im Heimatland. Lesen und schreiben habe er in Deutschland gelernt. Unentgeltlich habe er sich um die Tiere seines Vaters gekümmert. Wegen des Erbes des Vaters habe er Probleme mit seinen drei Brüdern gehabt. Bevor sein Vater 2009 gestorben sei, habe er ihm die Verantwortung für die Tiere übergeben. Als die Terroristen 2012 Gao erobert gehabt hätten, hätten seine Brüder ihm gesagt, sie müssten jetzt das Erbe des Vaters aufteilen. Damit sei der Antragsteller einverstanden gewesen. Zeugen für die Erbteilung hätten gesagt, der Antragsteller sei kein legitimer Erbe, weil er ein uneheliches Kind sei. Seine Brüder hätten ihm vorgeworfen, eine Vase des Vaters gestohlen zu haben und hätten ihn beim Kommandanten der Terroristen angezeigt. Er sei dann verhaftet worden und habe die Terroristen beschuldigt, dem Koran zuwider zu handeln. Nach zwei Tagen in Haft hätten ihn zwei bewaffnete Terroristen mit einer Decke über dem Kopf in den Busch gefahren. Er sei dann geschlagen worden. Eine Patrouille der MNLA habe ihn gerettet und nach Kidal gebracht. Dort sei er medizinisch behandelt worden. Bilal Agserif habe ihm dort geraten, nach Algerien zu gehen. Wegen der Terroristen habe er nicht mehr nach Mali zurück gewollt.
Mit Bescheid vom 3. Mai 2017 lehnte das Bundesamt die Anträge des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1.), auf Asylanerkennung (Ziffer 2.) und auf subsidiären Schutz (Ziffer 3.) als offensichtlich unbegründet ab, verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (Ziffer 4.) und drohte ihm mit einer Ausreisefrist von einer Woche die Abschiebung nach Mali an (Ziffer 5.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, selbst bei Wahrunterstellung knüpfe die vorgetragene Bedrohung wegen des Erbstreits nicht an ein Merkmal nach § 3 AsylG an. Jedenfalls stehe dem Antragsteller nach wie vor eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Eine inländische Fluchtalternative sei in jeder größeren Stadt sowie auch auf dem Land im Süden Malis gegeben. Eine Rückkehr nach Bamako sei ohne Betroffenheit von einer Bürgerkriegsgefahr möglich. Der Antragsteller sei gesund und arbeitsfähig. Es gebe keinen Anlass zu der Annahme, dass es ihm nicht gelingen werde, bei einer Rückkehr das wirtschaftliche Existenzminimum zu erreichen. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 36 Abs. 1 AsylG.
Am 16. Mai 2017 ließ der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage erheben und beantragen, den Bundesamtsbescheid vom 3. Mai 2017 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise, ihm subsidiären Schutz zu gewähren, hilfsweise, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
Über die Klage (M 21 K 17.40311) ist noch nicht entschieden.
Am 16. Mai 2017 ließ der Antragsteller zugleich beim Bayerischen Verwaltungsgericht München beantragen,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen und ihm unter Beiordnung des Bevollmächtigten Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Zur Klage- und Antragsbegründung wurde durch Schriftsatz vom 16. Mai 2017 im Wesentlichen ausgeführt, zu Unrecht gehe das Bundesamt davon aus, der Antragsteller habe kein individuelles Verfolgungsschicksal substantiiert vorgetragen. Die Mujao hätten darauf bestanden, dass sich alle männlichen Mitglieder der Familie des Antragstellers ihnen anschließen. Als er sich geweigert habe, sei er festgenommen und misshandelt worden. Darüber hinaus sei ihm mit dem Tod gedroht worden. Ihm stehe im südlichen Teil Malis keine zumutbare inländische Fluchtalternative zur Verfügung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten zu Eil- und Klageverfahren und auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
1. Der zulässige Eilantrag ist unbegründet.
Gemäß Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 GG wird die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen insbesondere in Fällen, die offensichtlich unbegründet sind, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen. Im Anschluss an Art. 16a Abs. 4 Satz 2 GG bestimmt § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG, dass die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden darf, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (Art. 16a Abs. 4 Satz 2 GG, § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG). „Ernstliche Zweifel“ im Sinne des Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 GG liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99).
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamts, dass dem Antragsteller kein subsidiärer Schutzstatus nach § 4 AsylG zuzuerkennen ist und dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht bestehen, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung in § 36 AsylG nicht unmittelbar zu entnehmen, dafür sprechen jedoch § 34 Abs. 1 AsylG und Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, B.v. 17.7.1996 – 2 BvR 1291/96 – juris Rn. 3).
Gemessen an diesen Maßstäben bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, an die Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung.
Ernstliche Zweifel bestehen insbesondere nicht an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet und an der Rechtmäßigkeit der Verneinung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
Zur näheren Begründung wird auf die Gründe des angefochtenen Bundesamtsbescheids Bezug genommen (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend ist Folgendes auszuführen.
Abgesehen von der nicht entscheidungserheblichen Frage der Glaubhaftigkeit des Vorbringens muss sich der Antragsteller auf Basis aktueller Lageberichte sowohl überstaatlicher (vgl. nur http://www.refworld.org/pdfid/59d388b84.pdf) als auch staatlicher (vgl. nur https://www.state.gov/documents/organization/265488.pdf) und nichtstaatlicher Stellen (vgl. nur https://www.amnesty.de/jahresbericht/2017/mali) jedenfalls hinreichend gesichert auf internen Schutz im Süden Malis, insbesondere auf die Gegend in und um Bamako, verweisen lassen (§ 3e AsylG).
Im Vergleich zum Bericht des Generalsekretärs des Sicherheitsrats der UN über die Lage in Mali im Juni 2017 haben sich die politische und die Sicherheitslage dort zum Zeitpunkt Ende September 2017 verschlechtert. Die UN berichten allerdings in diesem Zusammenhang von einer Wiederaufnahme der Kämpfe zwischen den bewaffneten Signatarkräften in Nordmali, wachsender Unsicherheit im Zentrum des Landes und steigender politischer Unruhe im Zusammenhang mit dem verfassungsrechtlichen Prüfungsprozess, der zu einer verspäteten Umsetzung des Abkommens geführt habe. Für die Region Kidal wird von einer Verschlechterung der Sicherheitslage berichtet. Asymmetrische Angriffe gegen internationale Kräfte seien insbesondere in den Regionen Gao, Kidal und Timbuktu zu verzeichnen. Die Sicherheit von Zivilisten habe sich in den Gegenden um Ménaka und Mopti verschlechtert.
Dementsprechend wird vom Außenministerium der Vereinigten Staaten festgehalten, für Teile des Nordens und des Zentrums des Landes werde insbesondere von ernsthaften Menschenrechtsverletzungen durch nichtstaatliche, extremistische Organisationen berichtet. Die Truppen der Regierung und der Französischen Republik hätten jedoch dort verschiedene Terrorgruppen bekämpft. Angriffe durch bewaffnete Gruppen, welche die Vereinbarung von 2015 unterzeichnet hatten, seien im Berichtszeitraum 2016 sporadisch und örtlich begrenzt gewesen. Terroristische Gruppen hätten ihre Aktivitäten (nur) im Norden und zentralen Teilen des Landes fortgesetzt. Die Regierung habe nicht genügend Ressourcen gehabt, um diese Fälle im Norden (allein) zu verfolgen und zu untersuchen.
Auch Amnesty International berichtet Stand 19. Mai 2017, die Instabilität habe in Mali vom Norden auf das Landesinnere übergegriffen. Es habe immer mehr bewaffnete Gruppierungen gegeben, die Anschläge verübten. Die Stadt Kidal im Norden des Landes sei von bewaffneten Gruppen kontrolliert worden. In Gao und Ménaka sei die Versorgung mit humanitärer Hilfe durch Entführungen seitens bewaffneter Gruppen behindert worden.
Bei dieser Lage muss sich der Antragsteller hinreichend gesichert auf internen Schutz im Süden Malis, insbesondere auf die Gegend in und um Bamako, verweisen lassen.
2. Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt R. B. war nach den vorstehenden Ausführungen für den Eilantrag mangels hinreichender Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung (§ 166 VwGO, §§ 114 Abs. 1 Satz 1, 121 Abs. 2 ZPO) ebenfalls abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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