Verwaltungsrecht

Abschiebung, Asylantrag, Bescheid, Asylanerkennung, Unterkunft, Einreise, Asylberechtigter, Ausreise, Abschiebungsverbot, Aufenthaltsverbot, Abschiebungsverbote, Herkunftsland, Georgien, Verletzung, Kosten des Verfahrens, Anerkennung als Asylberechtigter, Bundesrepublik Deutschland

Aktenzeichen  AN 4 K 19.30224

Datum:
27.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 20927
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Über die Klage konnte trotz Ausbleibens der Beklagten verhandelt und entschieden werden, da sie hierauf bei der Ladung hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5, Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter, auf die Zuerkennung internationalen Schutzes oder auf die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Auch im Übrigen ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, denen das Gericht folgt (§ 77 Abs. 2 AsylG). Im Hinblick auf den entscheidungserheblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) ist noch ergänzend auszuführen:
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG und aufgrund der Identität der Schutzgüter auch keinen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG.
a) Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten die in § 3a Abs. 1 AsylG genannten Handlungen. Die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründe werden in § 3b Abs. 1 AsylG konkretisiert. Zwischen den Verfolgungsgründen und den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG). Die Verfolgung kann ausgehen (Nr. 1) von dem Staat, (Nr. 2) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder (Nr. 3) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c AsylG). Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG) oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG). Zu den Rechten, von denen nach Art. 15 Abs. 2 EMRK in keinem Fall abgewichen werden darf, gehört Art. 3 EMRK, der Folter und unmenschliche oder erniedrigende Strafen und Behandlungen verbietet. Eine Behandlung ist unmenschlich, wenn sie vorsätzlich und ohne Unterbrechung über Stunden zugefügt wird und entweder körperliche Verletzungen oder intensives physisches oder psychisches Leid verursacht; sie ist erniedrigend, wenn sie eine Person demütigt oder erniedrigt, es an Achtung für ihre Menschenwürde fehlen lässt oder sie herabsetzt oder in ihr Gefühle der Angst, Beklemmung oder Unterlegenheit erweckt, geeignet, den moralischen oder körperlichen Widerstand zu brechen (EGMR, U.v. 21.1.2011 – 30696/09 – M.S.S./Belgien u. Griechenland – NVwZ 2011, 413 Rn. 220). Um unter Art. 3 EMRK zu fallen, muss die Behandlung ein Mindestmaß an Schwere erreichen, das unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Falles zu beurteilen ist, wie der Dauer der Behandlung, ihrer physischen und psychischen Auswirkungen sowie, in manchen Fällen, des Geschlechts, des Alters und des Gesundheitszustands der Person (EuGH, U.v. 15.10.2019 – C128/18 – juris Rn. 59).
Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer bei einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Die beachtliche Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine individuelle Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Diese Würdigung ist auf der Grundlage einer „qualifizierenden“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung vorzunehmen. Entscheidend ist, ob in Anbetracht der Gesamtumstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 33/18 – juris Rn. 15; U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – BVerwGE 146, 67 – juris Rn. 32). Bei der Abwägung aller Umstände ist die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in die Betrachtung einzubeziehen. Besteht bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine geringe mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung, macht es auch aus der Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen erheblichen Unterschied, ob er z.B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber die Todesstrafe riskiert. Maßgebend ist damit letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit; sie bildet das vorrangige qualitative Kriterium, das bei der Beurteilung anzulegen ist, ob die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr „beachtlich“ ist (BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 33/18 – juris Rn. 15; B.v. 7.2.2008 – 10 C 33/07 – juris Rn. 37).
Dieser Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit gilt unabhängig von der Frage, ob der Antragsteller vorverfolgt ausgereist ist oder nicht. Vorverfolgte werden nicht über einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab, sondern über die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 privilegiert (BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 33/18 – juris Rn. 17). Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde bzw. von solcher Verfolgung unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung bedroht wird. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigen Antragsteller eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass sie erneut von einer solchen Verfolgung bedroht sind (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – BVerwGE 136, 377 – juris Rn. 20).
Das Gericht trifft seine Entscheidung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen Überzeugung. Auch in Asylstreitsachen muss das Gericht sich die für seine Entscheidung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO gebotene Überzeugungsgewissheit dergestalt verschafft haben, dass es die volle Überzeugung von der Wahrheit und nicht etwa nur von der Wahrscheinlichkeit des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangt hat. Das Gericht darf keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit verlangen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind. Dem persönlichen Vorbringen des Klägers und dessen Würdigung kommt gesteigerte Bedeutung zu. Zur Asylanerkennung kann schon allein der Tatsachenvortrag des Asylsuchenden führen, sofern seine Behauptungen unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände in dem Sinne „glaubhaft“ sind, dass sich das Tatsachengericht von ihrer Wahrheit überzeugen kann (BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109/84 – juris Rn. 16; VGH BW, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris Rn. 38 f.).
Der Asylsuchende hat aufgrund seiner Mitwirkungspflicht die Gründe für seine Furcht vor Verfolgung schlüssig vorzutragen. Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – ergibt, dass er bei verständiger Würdigung die Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten hat. Hierzu gehört, dass er zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen u. a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Asylsuchenden berücksichtigt werden. Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag kann dem Schutzsuchenden aber nur geglaubt werden, wenn die Widersprüche und Ungereimtheiten überzeugend aufgelöst werden (BVerwG, B.v. 19.10.2001 – 1 B 24/01 – juris Rn. 5; U.v. 24.3.1987 – 9 C 321/85 – juris Rn. 9; OVG NW, U.v. 29.10.2020 – 9 A 1980/17.A – juris Rn. 36; BayVGH, B.v. 11.1.2019 – 13a ZB 17.31521 – juris Rn. 4; VGH BW, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris Rn. 43 f.).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen droht dem Kläger bei einer Rückkehr nach Georgien keine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG.
Der Kläger konnte bereits nicht glaubhaft machen, in der Ukraine durch den russischen Geheimdienst verfolgt worden zu sein. Es bleibt unklar, woher der Kläger wissen will, dass der russische Geheimdienst Informationen über die Kämpfer der Georgischen Legion in der Ukraine erhalten haben soll. In der mündlichen Verhandlung äußerte er lediglich, dass er im Besitz dieser Information sei. Soweit der Kläger vortrug, dass sein Kamerad der Georgischen Legion … im März 2018 an einem Baum erhängt und der Israeli …, der zusammen mit dem Kläger gedient habe, am 10. September 2018 in seiner Wohnung erschossen aufgefunden worden seien und er den Verdacht habe, dass die beiden Männer entgegen der offiziellen Darstellung keinen Selbstmord begangen hätten, handelt es sich hierbei um bloße Vermutungen. Selbst wenn diese Todesfälle nicht auf Suizid zurückzuführen seien sollten, bleibt weiter unklar, wer für den Tod der beiden Männer verantwortlich ist. Eine Bedrohung des Klägers durch den russischen Geheimdienst kann hieraus nicht abgeleitet werden. Konkrete Bedrohungen gegen oder Angriffe auf sich selbst durch den russischen Geheimdienst in der Ukraine hat der Kläger nicht geschildert. Der Kläger berichtete bezogen auf seine Person nur von einem Vorfall drei oder vier Tage nach … … Tod im September 2018, bei dem er vor dem Areal in … auf dem Armaturenbrett eines parkenden Fahrzeuges ein Foto von sich habe liegen sehen. Aus dem bloßen Vorhandensein eines Fotos des Klägers in einem unbekannten Fahrzeug lässt sich noch keine Verfolgung des Klägers ableiten.
Unabhängig davon, ob der Kläger in der Ukraine vom russischen Geheimdienst oder anderen Personen verfolgt wurde oder nicht, handelt es sich bei der Befürchtung des Klägers, bei einer Rückkehr nach Georgien an Russland ausgeliefert zu werden, um eine reine Spekulation, für die es keine objektiven Anhaltspunkte gibt. Den Erkenntnismitteln lassen sich keine Auslieferungen georgischer Staatsangehöriger durch Georgien an Russland wegen eines Kampfeinsatzes in der Ukraine entnehmen. Auch dem Kläger selbst ist kein konkreter Fall einer Auslieferung eines Georgiers an Russland bekannt. Der Kläger äußerte lediglich, dass der Georgische Traum mit Russland kooperiere und er sich zu 99% sicher sei, dass die verschwundenen Menschen ausgeliefert worden seien. Woher er diese Sicherheit nimmt, bleibt unklar.
Die vom Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung geltend gemachten Probleme in Georgien vor seiner Ausreise in die Ukraine konnte der Kläger nicht zur Überzeugung des Gerichts darlegen. In der mündlichen Verhandlung führte der Kläger aus, dass er 2017 in die Ukraine ausgereist sei, nachdem sein Schwager, der während der Saakaschwili-Zeit ein hochgestellter Polizeibeamter gewesen sei, ihm gesagt habe, dass die Situation um den Kläger sehr schlecht aussehe und es gut wäre, wenn er das Land verließe. Die Ausführungen des Klägers zu seinen Problemen in Georgien blieben sehr pauschal. Er sprach lediglich von einer sehr schlecht aussehenden Situation, ohne zu konkretisieren, in welcher Situation er sich genau befunden habe. Auch auf konkrete gerichtliche Nachfrage, ob zwischen 2008 und 2017 in Georgien etwas Konkretes passiert sei, antwortete der Kläger oberflächlich und ausweichend, dass es schwer für ihn sei und es ihm schwerfalle, so weit weg von Georgien zu sein. Konkrete Vorfälle in Georgien, welche eine Vorverfolgung darstellen könnten, schilderte der Kläger nicht. Gegen die Glaubhaftigkeit des diesbezüglichen Vortrags des Klägers spricht zudem, dass der Kläger die angeblichen Probleme in Georgien und die Warnung seines Schwagers erstmals in der mündlichen Verhandlung erwähnte und damit seinen Sachvortrag gegenüber den Ausführungen beim Bundesamt wesentlich steigerte. Die Erklärung des Klägers, dass er beim Bundesamt von seinen Problemen in Georgien nicht erzählt habe, weil er nicht nach den Gründen für seine Ausreise in die Ukraine gefragt worden sei, überzeugt vor dem Hintergrund nicht, dass beim Bundesamt ausdrücklich gefragt wurde „Warum können Sie nicht nach Georgien zurückkehren. Sie haben bisher keine Probleme geschildert, die Sie in Georgien gehabt haben?“ (Seite 5 der Anhörung) und der Kläger hierauf antwortete, dass die aktuelle Politik in Georgien auf Russland ausgerichtet sei und er im besten Fall befürchten müsse, von Georgien an Russland ausgeliefert zu werden. Hier wurde dem Kläger ausdrücklich Gelegenheit eingeräumt, Probleme in Georgien darzulegen.
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt (Nr. 1) die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, (Nr. 2) Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder (Nr. 3) eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG). § 3c bis § 3e AsylG gelten entsprechend (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG).
Der Kläger hat keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in Georgien ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG droht. Insoweit wird auf die Begründung des angefochtenen Bescheides (§ 77 Abs. 2 AsylG) und die obigen Ausführungen verwiesen.
3. Der Abschiebung des Klägers steht kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG entgegen.
Nach § 60 Abs. 5 AsylG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
Aufenthaltsbeendende Maßnahmen sind unter anderem dann verboten, wenn dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK droht. Wie bereits im angefochtenen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG) und oben ausgeführt, droht dem Kläger in Georgien weder Folter noch eine unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung.
Eine Verletzung des Art. 3 EMRK und ein daraus resultierendes Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG ergibt sich auch nicht aus den derzeitigen humanitären Bedingungen in Georgien. Schlechte humanitäre Verhältnisse im Herkunftsland können nur im Ausnahmefall ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung begründen (BVerwG, B.v. 8.8.2018 – 1 B 25/18 – juris 9; BayVGH, B.v. 26.3.2019 – 8 ZB 18.33221 – juris 11). Dies setzt voraus, dass im Zielstaat der Abschiebung das für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung erforderliche Mindestmaß an Schwere erreicht wird. Das kann der Fall sein, wenn ein Ausländer im Zielstaat seinen existentiellen Lebensunterhalt nicht sichern kann, kein Obdach findet oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhält (BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 45/18 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 26.3.2019 – 8 ZB 18.33221 – juris 11). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor.
Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Die staatliche Sozialhilfe liegt bei bis zu 220 GEL im Monat. Die Rentensätze für Personen unter 70 Jahre liegen bei 220 GEL im Monat. Rentner über 70 Jahre erhalten aktuell zwischen 250 und 300 GEL. Die soziale Absicherung erfolgt in aller Regel durch den Familienverband (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien, Stand: November 2020, 17.11.2020, S. 16).
Trotz der beachtlichen wirtschaftlichen Entwicklung seit 2003 sind große Teile der georgischen Bevölkerung unterbeschäftigt oder arbeitslos (Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation, Georgien, Version 3, letzte Änderung am 1. Dezember 2020, S. 39). Die Arbeitslosenquote betrug 2018 12,8%. Die meisten Erwerbstätigen befinden sich im Alter von 40 bis 60 Jahren Die meisten Arbeitsplätze gibt es im Groß- und Einzelhandel sowie in Autowerkstätten und im Kleinwarengeschäft sowie in der Industrie und im Bauwesen. Eine Arbeitslosenhilfe gibt es in Georgien nicht (Internationale Organisation für Migration (IOM), Länderinformationsblatt Georgien 2019, S. 6 f.).
Familien, die unter der Armutsgrenze leben, können um Sozialhilfe ansuchen. Mittels eines Punktevergabesystems wird die Bedürftigkeit festgestellt. Bis zu einem Wert von 57.000 Punkten besteht der Anspruch auf finanzielle Unterstützung wie folgt: GEL 60 für Alleinstehende; ab zwei Personen erhält das älteste Familienmitglied GEL 60 und alle anderen GEL 48 pro Monat. Ausschlussgründe sind insbesondere die Arbeitsaufnahme eines Familienmitgliedes, Gefängnishaft, Militärdienst oder ein Auslandsaufenthalt von mehr als drei Monaten (Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation, Georgien, Version 3, letzte Änderung am 1. Dezember 2020, S. 41).
Das Gericht geht davon aus, dass der Kläger als gesunder und arbeitsfähiger alleinstehender Mann in der Lage sein wird, in Georgien durch eine Erwerbstätigkeit seinen Lebensunterhalt zu sichern. Der Kläger hat Bauingenieurwesen studiert und eine Ausbildung als Journalist absolviert. In Georgien hat er als Journalist für Fernsehen und Rundfunk und die letzten drei bis vier Jahre vor seiner Ausreise als Bodyguard gearbeitet. Darüber hinaus verfügt der Kläger in Georgien über ein familiäres Netzwerk bestehend aus seinen Eltern, zwei Schwestern und zahlreichen weiteren Verwandten, auf deren finanzielle Unterstützung er zur Überbrück etwaiger Anfangsschwierigkeiten nach der Rückkehr zu verweisen ist.
4. Der Abschiebung des Klägers steht auch kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG entgegen. Es ist weder vorgetragen noch erkennbar, dass dem Kläger in Georgien eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit, insbesondere aus gesundheitlichen Gründen, droht.
5. In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen sind auch die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung nach Georgien rechtmäßig. Gegen die Befristung des gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG zu erlassenden gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung bestehen keine Bedenken. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich (§ 114 Satz 1 VwGO).
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.


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