Verwaltungsrecht

Abschiebung nach Nigeria, Aussetzung der Abschiebung (Duldung), Antragsbefugnis der traditionell angetrauten Ehefrau, Ehefrau und zwei Kinder im Bundesgebiet, Rechtliches Abschiebungshindernis, Schutz von Ehe und Familie

Aktenzeichen  M 24 E 22.1432

Datum:
11.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 16089
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
AufenthG § 60a Abs. 2
GG Art. 6

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 1.250,- EUR festgesetzt

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Antrag gegen die für den … März 2022 vorgesehene Abschiebung des Herrn H2. H2. (Betroffener).
1. Der Betroffene ist nigerianischer Staatsangehöriger, geboren am … … … Er ist mit der Antragstellerin, ebenfalls nigerianische Staatsangehörige, geboren am … … …, seit Oktober 2017 traditionell verheiratet. Eine Urkunde über die zivilrechtliche Gültigkeit dieser Ehe liegt nicht vor. Zuletzt gab die Antragstellerin in der Antragsschrift an, dass sie und der Betroffen kein Paar mehr seien. Der Betroffene und die Antragstellerin haben zwei gemeinsame Kinder, zum einen die Tochter H2. H2., geboren am … … …, für die der Betroffene eine Vaterschaftsanerkennung abgegeben hat, zum anderen den Sohn H2. H2., geboren am … … …, für den eine Vaterschaftsanerkennung und eine Erklärung zur gemeinsamen elterlichen Sorge vorliegen.
Der Betroffene reiste am … Februar 2018 nach erfolglosem Asylverfahren in Italien und nicht abgeschlossenem Asylverfahren in der Schweiz in das Bundesgebiet ein und stellte am 23. April 2018 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag. Mit Bescheid des Bundesamts vom 1. Oktober 2019 wurde der als Zweitantrag gewertete Asylantrag als unzulässig abgelehnt. Die hiergegen erhobene Klage wurde durch Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts München vom 31. Januar 2020, Az. M 21b K 19.33700, abgelehnt. Der Betroffene hat hiergegen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt. Das Klageverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Im Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erging jedoch am 22. November 2019 ein ablehnender Beschluss des Verwaltungsgerichts München (Az. M 21b S 19.33701). Somit ist der Betroffene seit dem 30. November 2019 vollziehbar ausreisepflichtig.
Die Antragstellerin und das ältere Kind H2. sind ihrerseits seit dem 25. Januar 2021 nach erfolgloser Durchführung eines Asylverfahrens (Bescheid des Bundesamts vom 3. April 2019, klageabweisendes Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 22. Oktober 2020, Az. M 8 K 19.31439, sowie Beschluss des BayVGH vom 25. Januar 2021, Az. 3 ZB 21.30117) vollziehbar ausreisepflichtig.
Hinsichtlich des jüngeren Kindes … wurde nach der Geburt ebenfalls ein Asylverfahren eingeleitet. Dieses ist inzwischen seit dem 3. November 2021 ebenfalls rechtskräftig abgeschlossen (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 27. September 2021, Az. M 21a K 20.33009). Auch das jüngere Kind ist somit vollziehbar ausreisepflichtig.
Die Antragstellerin hielt sich mit den beiden Kindern vorübergehend in Italien auf und reiste am 28. Januar 2022 erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie gab an, ledig zu sein. Sie ist nach Auskunft des Antragsgegners derzeit schwanger in unbekanntem Schwangerschaftsmonat.
2. Ab dem … November 2019 befand sich der Betroffene in Untersuchungshaft, anschließend ab dem *. November 2020 bis zum *. März 2022 in Strafhaft. Mit Urteil des Amtsgerichts Rosenheim 23. April 2020 wurde der Betroffene wegen der gewerbsmäßigen Abgabe von Betäubungsmitteln als Person von über 21 Jahren an Jugendliche unter 18 Jahren in 150 tatmehrheitlichen Fällen zu einer Freiheitstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt.
Daraufhin wurde der Betroffene mit Bescheid des Landratsamtes Rosenheim vom 28. Januar 2021 aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen. Es wurde ein Einreise- und Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren angeordnet. Mit Rücknahme der gegen diesen Bescheid eingereichten Klage (Az. M 24 K 21.1061) in der mündlichen Verhandlung vom … September 2021 wurde der Ausweisungsbescheid bestandskräftig.
Seit Ende seiner Strafhaft befindet sich der Betroffene in der Justizvollzugsanstalt … in Abschiebungshaft.
3. Mit Schreiben vom 10. März 2022, eingegangen bei Gericht am gleichen Tag, wandte sich die Antragstellerin an das Verwaltungsgericht München. Sie beantragt sinngemäß,
es im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes der Ausländerbehörde Rosenheim zu untersagen, den Vater ihrer Kinder nach Nigeria abzuschieben.
Auf die Begründung des Antrags wird Bezug genommen.
Der Antragsgegner erwiderte mit Schreiben vom 11. März 2022 und legte die Behördenakte vor. Er beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Auf die Begründung der Antragserwiderung wird verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten, auch im Verfahren M 24 K 21.1061, Bezug genommen.
II.
Der Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragspartei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei hat die Antragspartei sowohl die Dringlichkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) zu bezeichnen und glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 1 und 2, 294 Zivilprozessordnung – ZPO). Der Antrag kann nur Erfolg haben, wenn und soweit sich sowohl Anordnungsanspruch als auch -grund aufgrund der Bezeichnung und Glaubhaftmachung als überwiegend wahrscheinlich erweisen (BayVGH, B.v. 16.8.2010 – 11 CE 10.262 – juris Rn. 20 m.w.N.). Maßgeblich sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
Liegt eine Fallgestaltung vor, in der im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO die Hauptsache teilweise oder ganz vorweggenommen werden würde, darf eine vorläufige Regelung nach § 123 VwGO nur ergehen, wenn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht und die ohne einstweilige Anordnung zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar wären (vgl. BayVGH, B.v. 16.9.2011 – 22 CE 11.2174 – juris Rn. 3 m.w.N.), also ein Anordnungsgrund von besonderem Gewicht vorliegt.
2. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist auch die Antragsbefugnis der Antragstellerin (§ 42 Abs. 2 VwGO analog) zu bejahen, obwohl die fragliche Abschiebung nicht ihr selbst droht. Denn durch die Abschiebung des Vaters ihrer Kinder besteht, unabhängig davon, dass eine zivilrechtlich gültige Ehe zwischen der Antragstellerin und dem Betroffenen vorliegend nicht glaubhaft gemacht ist und vielmehr angegeben wird, dass eine Paarbeziehung zwischen beiden nicht mehr bestehe, jedenfalls die Möglichkeit einer Verletzung der Antragstellerin in eigenen Rechten, insbesondere in ihrem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus Art. 8 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), Art. 6 Abs. 1 GG.
3. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Es besteht zwar glaubhaft ein Anordnungsgrund, da der Betroffene vollziehbar ausreisepflichtig ist (vgl. § 50 Abs. 1 i.V.m. § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG) und die Abschiebung in Kürze bevorsteht. Es ist jedoch kein auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung durch Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG gerichteter Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1, 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
3.1. Der Antragsteller ist infolge des bestandskräftigen ablehnenden Asylbescheids des Bundesamts vom 1. Oktober 2019 nach Ablauf der ihm gesetzten Ausreisefrist vollziehbar ausreisepflichtig und ist nach der Gesetzeslage abzuschieben (§ 58 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 AufenthG).
3.2. Der Abschiebung stehen auch keine Abschiebungshindernisse entgegen. Es liegt kein Duldungsgrund vor.
Die Abschiebung eines Ausländers ist gem. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Zunächst ist eine tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung vorliegend nicht vorgetragen und insbesondere nicht glaubhaft gemacht. Sie ist auch nicht sonst ersichtlich. Für eine Reiseunfähigkeit bestehen keine Hinweise. Ein Heimreisedokument liegt vor. In Betracht kommt daher allein ein rechtliches Abschiebungshindernis aufgrund familiärer Gründe nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG i.V.m. Art. 6 GG, Art. 8 EMRK. Das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungshindernis ist insoweit aber nicht glaubhaft gemacht.
3.2.1. Gemäß Art. 6 Abs. 1 GG steht die Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfasst der Schutzbereich die tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft von Eltern und Kindern (BVerfGE 80, 81 (90 f.); BVerfGE 127, 263 (287); BVerfGE 133, 59 (82); BVerfG NJW 2019, 1793 (1795)) in den verschiedenen Phasen ihrer Entwicklung, von einer Lebens- und Erziehungsgemeinschaft bis hin zur Haus- und schließlich zur Begegnungsgemeinschaft (BVerfGE 80, 81 (90 f.); BVerfGE 108, 82 (112)). Erfasst sind auch solche Fälle, in denen das Kind mit einem Elternteil, z.B. dem Vater, nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebt, soweit zwischen ihm und dem Kind eine soziale Beziehung besteht.
Weder Art. 6 GG noch Art. 8 Abs. 1 EMRK gewähren dabei einen unmittelbaren Anspruch des Ausländers auf Aufenthalt. Allerdings verpflichtet die in Art. 6 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde und das Gericht, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d. h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (BVerfG, B.v. 5.6.2013 – 2 BvR 586/13 – juris Rn. 13 f.). Kann die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, etwa weil das Kind deutscher Staatsangehörigkeit und ihm wegen der Beziehungen zu seinem anderen Elternteil das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind die Rechtspositionen des Kindes und seiner Eltern im Einzelfall umfassend zu berücksichtigen, insbesondere sei deshalb maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit bestehe, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen sei (BVerfG, B.v. 8.12.2005 – 2 BvR 1001/04 – juris; B.v. 23.1.2006 – 2 BvR 1935/05 – juris.; vgl. auch BVerwG, U.v. 20.2.2003 – 1 C 13/02 – BVerwGE 117, 380, 390 f.).
3.2.2. Dies zu Grunde gelegt, ist eine aus Art. 6 Abs. 1 GG oder Art. 8 EMRK herrührende rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung des Betroffenen nicht glaubhaft gemacht.
Die Antragstellerin hat zwar erklärt, dass zwischen dem Betroffenen und den beiden gemeinsamen Kindern eine persönliche Verbundenheit bestehe. Diese konnte aber in der näheren Vergangenheit aufgrund der Inhaftierung des Betroffenen naturgemäß nur sehr eingeschränkt gelebt werden. Mithin hat auch der Betroffene sein zweites Kind, den Sohn H2., allenfalls einmal während der Haft im Alter von vier Monaten gesehen. Die Antragstellerin hat weiter geschildert, dass die Tochter H2. mit dem Betroffenen so oft telefoniere, wie es diesem möglich sei. Die Antragstellerin und der Betroffene wollten beide als Eltern für ihre Kinder da sein. Sie wollten sich zu gleichen Teilen um die Kinder kümmern. Die Antragstellerin benötige auch die Unterstützung des Betroffenen.
Unabhängig von der Frage, ob damit bereits eine Glaubhaftmachung eines besonderen persönlichen Näheverhältnisses im Sinne der o.a. Rechtsprechung erfolgt ist, führt dieses nicht zu einem rechtlichen Abschiebungshindernis.
Denn insoweit ist auch festzuhalten, dass das von der Antragstellerin vorgetragene Näheverhältnis zwischen den Betroffenen und den gemeinsamen Kindern nicht nur durch die Haft des Betroffenen seit Ende 2019 und die dadurch erzwungene Distanz zu den Kindern, sondern auch durch den Umstand relativiert wird, dass die Antragstellerin und die beiden gemeinsamen Kinder zeitweise aus Deutschland ausgereist sind und sich an einem auch dem Betroffenen unbekannten Ort, wahrscheinlich in Italien, aufhielten. Das Gericht verweist auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung im Verfahren M 24 K 21.1061 vom 23. September 2021.
Ob die geplante Abschiebung zu einer unzumutbaren Familientrennung und damit einem unverhältnismäßigen Eingriff in Art. 6 Abs. 1 und 2 GG beziehungsweise Art. 8 Abs. 1 EMRK führen würde, ist darüber hinaus grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls (vgl. BVerfG, B.v. 23.1.2006 – 2 BvR 1935/05 – juris Rn. 16). Bei dieser Betrachtung des Einzelfalls sind neben den geschilderten familiären Bindungen zur Begründung eines Abschiebungshindernisses auf der anderen Seite auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Insoweit weist das Gericht darauf hin, dass sämtliche Familienmitglieder, beginnend mit der Antragstellerin selbst und dem Betroffenen, aber auch beide gemeinsamen Kinder, vollziehbar zur Ausreise aus dem Bundesgebiet verpflichtet sind, nachdem jeweils erfolglos Asylverfahren betrieben wurden. Es ist der Familie daher zuzumuten, die gewünschte familiäre Lebensgemeinschaft in ihrer gemeinsamen Heimat Nigeria zu leben. Ein Sachverhalt, der dies mit Blick auf die Antragstellerin und ihre derzeitige Schwangerschaft anders erscheinen ließe, ist nicht glaubhaft gemacht. Hierzu liegen keine Informationen vor.
Auch eine durch die Abschiebung bewirkte und mit Blick auf das noch junge Alter der beiden betroffenen Kinder zu beachtende längere Dauer einer möglichen Trennung der Familienmitglieder führt vorliegend nicht zu einem rechtlichen Abschiebungshindernis aufgrund der Wertungen von Art. 6 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK. Denn beide Kinder sind aufgrund der Situation in den beiden vergangenen Jahren, in denen sie sich überdies teilweise in Italien aufhielten, daran gewöhnt, mit ihrem Vater im Wesentlichen über Fernkommunikationsmittel zu kommunizieren. Eine vorübergehende zusätzliche räumliche Trennung bis zur Wiederherstellung der Familieneinheit wird sich nicht als dauerhafter Verlust des Vaters für sie darstellen.
Schließlich hat das Interesse des von einer Abschiebung betroffenen Ausländers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet umso eher zurückzustehen, je gewichtiger das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Ausländers im Bundesgebiet ist. Diesem Aspekt kommt umso größere Bedeutung zu, je mehr das öffentliche Interesse nicht allein auf einwanderungspolitische Erwägungen, sondern darüber hinaus auf das Sicherheitsinteresse des Staates zurückzuführen ist (vgl. Art. 8 Abs. 2 EMRK). Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen der betreffende Ausländer im Bundesgebiet in erheblichem Umfang Straftaten begangen hat und gleichzeitig eine erhebliche Gefahr erneuter Straffälligkeit besteht. Familiäre Belange setzen sich also nicht stets gegenüber gegenläufigen öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung eines Ausländers durch. Es gibt keinen unbedingten Vorrang des Kindeswohls vor entgegenstehenden öffentlichen Interessen (BayVGH, B.v. 11.11.2021 – 10 CE 21.2580 -, juris Rn 26 mwN.). Der Betroffene hat vorliegend erhebliche Straftaten begangen, die mit einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten geahndet wurden und ist deshalb bestandskräftig ausgewiesen. Die Taten waren der Drogenkriminalität und damit einem Kriminalitätsfeld zuzuordnen, bei der eine besondere Notwendigkeit der Bekämpfung mit allen staatlichen Mitteln besteht (vgl. Art. 83 Abs. 1 AEUV). Die oben dargestellten familiären Belange der Antragstellerin und des Betroffenen vermögen sich bei Berücksichtigung dieser Straftaten und der damit einhergehenden Wiederholungsgefahr auch bei Berücksichtigung von Art. 6 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht gegen die staatlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung durchzusetzen. Ein rechtliches Abschiebungshindernis besteht nicht.
Der Antrag war demzufolge abzulehnen.
4. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
5. Der Streitwert ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nr. 1.5, 8.3 des Streitwertkatalogs.


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