Verwaltungsrecht

Abweichung von einer Satzung hinsichtlich der Farbe der Dacheindeckung

Aktenzeichen  M 9 K 15.5148

Datum:
27.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 63 Abs. 1, Abs. 3, Art. 81 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Wenn eine beabsichtigte Dacheindeckung mit ihrem dunklen Erscheinungsbild deutlich von dem nach einer Gestaltungssatzung gewollten Erscheinungsbild abweicht und in einer durch Rottöne geprägten Dachlandschaft als Fremdkörper wahrgenommen wird, liegt keine atypische Fallgestaltung vor, die eine Abweichung rechtfertigt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf erneute Verbescheidung ihres Antrags auf Erteilung einer Abweichung von der Ortsgestaltungssatzung der Beklagten. Der Bescheid der Beklagten vom … Oktober 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Streitgegenstand ist aufgrund der ausdrücklichen Antragstellung des Bevollmächtigten der Kläger lediglich der behauptete Anspruch auf erneute Verbescheidung des Antrags der Kläger vom 10. Juni 2014. Ein solcher Anspruch auf erneute Verbescheidung besteht nicht. Die hier in Streit stehende Bestimmung B.6.2 OGS ist wirksam (1.). Die von den Klägern gewählte Dacheindeckung bedarf einer Abweichung von der OGS (2.). Die Voraussetzungen für eine Erteilung einer Abweichung sind nicht gegeben, da keine atypischen Verhältnisse vorliegen (3.).
1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere haben die Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis für die Entscheidung über die begehrte isolierte Abweichung, da B.6.2 OGS eine wirksame Rechtsgrundlage für die von der Beklagten geforderte Dachgestaltung darstellt.
Gemäß B.6.2 OGS sind bei geneigten Dächern Eindeckungen mit dem Erscheinungsbild von naturroten bis rotbraunen Tonziegeln oder Betondachsteinen zu verwenden. Dies gilt nicht für untergeordnete Bauteile gemäß Art. 6 Abs. 8 BayBO. Unzulässig sind hochglänzend beschichtete Eindeckungen.
Die Beklagte konnte eine derartige Regelung auch bei Berücksichtigung des im Ortsteil … vorhandenen Baubestands treffen, ohne den Rahmen der Ermächtigungsgrundlage in Art. 81 BayBO zu überschreiten. Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO gestattet den Gemeinden im eigenen Wirkungskreis örtliche Vorschriften über besondere Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen zur Erhaltung und Gestaltung von Ortsbildern zu erlassen. Die Gemeinden sind deshalb nicht auf die Abwehr verunstaltender Anlagen beschränkt, sondern haben darüber hinaus die Möglichkeit, positive Gestaltungspflege zu betreiben (BayVGH, U.v. 11.9.2014 – 1 B 14.170 – juris Rn. 20). Sie haben einen beträchtlichen gestalterischen Spielraum und dürfen im Rahmen der positiven Pflege der Baukultur auch einen strengen ästhetischen Maßstab anlegen (BayVGH a.a.O.). Auch wenn im Ortsteil …, wie die Kläger durch die Vorlage eines Luftbildes dargelegt haben, bereits eine größere Zahl von Gebäuden mit dunkler Dacheindeckung vorhanden ist, hindert das die Beklagte somit nicht daran, im Rahmen dieses Gestaltungsspielraums auch auf eine positive Gestaltung durch eine sukzessive Herstellung der Einheitlichkeit der Dachlandschaft hinzuwirken (BayVGH, B.v. 10.11.2014 – 2 ZB 13.2429 – juris Rn. 3). Dies gilt hier umso mehr, als die Dachlandschaft nach dem vorgelegten Luftbild eindeutig durch ziegelrote Dächer geprägt wird und eine Entwicklung zu einer einheitlichen Dachlandschaft angesichts des geringen Anteils dunkler Dacheindeckungen ohne weiteres möglich ist.
Die OGS der Beklagten ist auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Der Vortrag des Bevollmächtigten der Kläger, es handle sich um einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn die Beklagte unterschiedliche Ortsteile mit verschiedenen Gestaltungsanforderungen belege, ist rechtlich nicht nachvollziehbar. Vielmehr ist es aufgrund der unterschiedlichen Gestalt bestimmter Ortsteile regelmäßig sinnvoll und unter Umständen geboten, die Gestaltungsanforderungen zu differenzieren (BayVerfGH, U.v. 23.1.20112 – Vf.18-VII-09-BayVBl. 2012, 397). Ein sachlicher Differenzierungsgrund für die unterschiedliche Behandlung von Ortsteilen ist wegen der abweichenden Bausubstanz gegeben.
Die Bestimmung B.6.2 OGS ist auch nicht aufgrund der für die Farbgebung gewählten Formulierung unbestimmt und damit unwirksam. Durch die Regelung „ziegelrot bis rotbraun“ hat die Beklagte ein Spektrum an Farbtönen vorgeben wollen, in denen der Rotanteil mitprägend in Erscheinung tritt. In dieser Form trägt die Formulierung dem Bestimmtheitsgrundsatz ausreichend Rechnung. Der Wille des Normgebers ist bei Berücksichtigung der Verkehrsauffassung ohne weiteres zu erschließen (BayVGH, U.v. 12.5.2005 – 26 B 03.2454 – juris Rn. 29).
2. Nach dem Ergebnis des Augenscheins widerspricht die von den Klägern gewählte Farbe B.6.2 OGS. Zur unveränderten Beibehaltung des Farbtons der Dacheindeckung der Kläger ist eine Abweichung von der OGS gemäß Art. 63 BayBO i.V.m. B.15.1 OGS erforderlich. Wie die Kläger selbst vortragen, hat die Dacheindeckung den Farbton RAL 8014, der in der RAL-Farbkarte als sepiabraun bezeichnet wird. Ein Rotton ist bei dieser Farbe nicht erkennbar. Er widerspricht daher eindeutig der vorstehend ermittelten Intention von B.6.2 OGS, die auf ein rötliches Erscheinungsbild der Dacheindeckung abzielt.
3. Die Ablehnung einer Abweichung von B.6.2 OGS durch den Bescheid der Beklagten vom … Oktober 2015 ist rechtmäßig, eine erneute Verbescheidung kommt nicht in Betracht.
Nach Art. 63 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 BayBO kann die Gemeinde Abweichungen von örtlichen Bauvorschriften zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO vereinbar sind. Eine Abweichung verlangt einen von der Regel abweichenden Sonderfall und eine atypische Situation (VG München, U.v. 8.8.2012 – M 9 K 10.5497 – juris Rn. 32). Eine solche Atypik setzt einen Unterschied des zu entscheidenden Falles vom normativen Regelfall voraus (BayVGH, B.v. 5.12.2011 – 2 CS 11.1902 – juris). Demgegenüber kann sich die Atypik nicht aus vergleichbaren Fällen in der Umgebung ergeben (BayVGH a.a.O.).
Eine atypische Fallgestaltung in diesem Sinne liegt hier nicht vor. Vielmehr handelt es sich um den normativen Regelfall. Die Dacheindeckung des klägerischen Anwesens weicht mit ihrem dunklen Erscheinungsbild deutlich von dem nach der Satzung gewollten Erscheinungsbild ab. In einer durch Rottöne geprägten Dachlandschaft wird das Dach als Fremdkörper wahrgenommen. Selbst in dem Luftbild, das die Kläger vorgelegt haben, ist die Dachfläche des klägerischen Hauses aufgrund seiner abweichenden Dacheindeckung deutlich zu erkennen, obwohl der gesamte Ortsteil abgebildet ist.
Allein der Umstand, dass die Kläger sich bei der Gestaltung ihres Hauses im Übrigen an die Vorgaben der OGS gehalten haben, führt nicht dazu, dass hinsichtlich der Dachgestaltung eine Abweichung wegen atypischer Verhältnisse erteilt werden könnte. Die Einhaltung von baurechtlichen Normen lässt sich nicht durch die Erfüllung bzw. Übererfüllung anderer Vorgaben kompensieren. Dies gilt umso mehr, als die Dachgestalt für das Ortsbild von besonderer Bedeutung ist. Die Dachfarbe ist hier sogar wegen der geringen Höhe des Hauses der Kläger im Umfeld besonders deutlich wahrzunehmen. Aufgrund der großen Fläche der Dächer wirkt die Farbgebung dort besonders stark auf das Ortsbild.
Würde die Beklagte im Fall der Kläger von der Anforderung einer rötlich geprägten Dacheindeckung abweichen, so wäre sie gezwungen, dies in jedem beliebigen anderen Fall ebenso zu tun. Die Einhaltung der Bestimmung könnte nicht mehr durchgesetzt werden. Sie hat die Erteilung einer Abweichung zu Recht wegen des Fehlens besonderer, atypischer Umstände abgelehnt.
Die Klage war nach alledem abzuweisen.
Die Kläger haben gemäß § 154 Abs. 1, § 159 VwGO die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
Der Beigeladene trägt gemäß § 162 Abs. 3 VwGO seine außergerichtlichen Kosten selbst, da er sich nicht durch die Stellung eines Antrags in ein Kostenrisiko gemäß § 154 Abs. 3 VwGO begeben hat.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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