Verwaltungsrecht

Abweisung einer Asylklage als offensichtlich unbegründet

Aktenzeichen  M 27 K 17.49207

Datum:
12.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 20423
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 1, Abs. 5
AsylG § 3, § 4, § 30 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2, § 78 Abs. 1 S. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1 Es ist davon auszugehen, dass Beschneidungen nach wie vor in Nigeria verbreitet sind, obwohl der ehemalige nigerianische Präsident im Jahr 2015 ein Gesetz gegen Beschneidungspraxis unterzeichnet hat und die Beschneidung mittlerweile in 13 bundesstaatlichen Untergliederungen („States“) von Nigeria ebenfalls gesetzlich (strafbewehrt) verboten ist. (Rn. 37 und 42) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Behauptung, dass Beschneidungen ohne die Einwilligung der Eltern stattfinden, findet in den Quellen keine Grundlage. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung am 12. Januar 2018 trotz Ausbleibens der Beklagtenseite entschieden werden. Denn das Verwaltungsgericht hat mit der frist- und formgerechten Ladung zur mündlichen Verhandlung gemäß § 102 Abs. 2 VwGO darauf hingewiesen, dass es auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandeln und entscheiden kann.
2. Die zulässige Klage gegen die Entscheidung über den Asylantrag ist offensichtlich unbegründet.
a) Die Abweisung der Asylklage als offensichtlich unbegründet setzt voraus, dass in dem maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage sich dem Verwaltungsgericht geradezu aufdrängt. Da dem Asylgesetz ein einheitlicher Begriff der offensichtlichen Unbegründetheit zugrunde liegt, ist die Bestimmung des § 30 AsylG grundsätzlich auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren maßgeblich.
b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht nach § 113 Abs. 1 und 5 VwGO in seinen Rechten. Der Kläger hat in dem maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG, die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG und die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Die gemäß § 34 AsylG in Verbindung mit § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung sowie das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 AufenthG sind ebenfalls nicht zu beanstanden.
aa) Das Verwaltungsgericht folgt insgesamt den Feststellungen und der Begründung in dem angefochtenen Bescheid der Beklagten und sieht zu der Vermeidung von Wiederholungen von einer nochmaligen Darstellung gemäß § 77 Abs. 2 AsylG ab.
bb) Überdies verweist das Verwaltungsgericht entsprechend § 117 Abs. 5 VwGO auf die Entscheidungsgründe in dem Beschluss vom 29. November 2017 (M 27 S 17.49211). Darin hatte dieses – unter anderem – Folgendes ausgeführt:
Gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 1 Asylgesetz sei ein unbegründeter Asylantrag unter anderem dann als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn das Vorbringen des Ausländers in wesentlichen Punkten nicht substantiiert oder in sich widersprüchlich sei oder offenkundig den Tatsachen nicht entspreche.
So liege der Fall hier. Der Sachvortrag des Klägers gegenüber der Beklagten sei äußerst vage, detailarm, in wesentlichen Teilen unplausibel und in maßgeblichen Punkten auch widersprüchlich und daher unglaubwürdig. Er zeichne sich aus durch das maßgebliche Fehlen von konkreten Angaben zu Namen und Beschreibungen von Personen und Institutionen, Zeiten und Orten sowie Motiven und Hintergründen. Dazu habe der Kläger vorgetragen, dass er das Land verlassen habe, weil der namentlich nicht genannte und auch anderweitig nicht näher konkretisierte Adoptivvater ihn mit einem Mord beauftragt haben soll, dass er aber das Mordopfer weder mit Namen noch mit Adresse gekannt habe. Dies sei gänzlich unplausibel. Nicht eindeutig seien auch die Einlassungen zu der Verbindung zu … …, teils werde sie als Freundin, teils als Verlobte oder teils als Ehegattin bezeichnet, ohne dass eine Eheschließung erwähnt oder näher konkretisiert worden sei. Außerdem habe der Kläger angegeben, dass namentlich nicht genannte und auch anderweitig nicht näher konkretisierte Personen die erwachsene … … mit Beschneidung bedroht hätten. Laut dem Vermerk in der persönlichen Anhörung habe der Kläger eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt, wonach … … bereits beschnitten sei. Diesen Widerspruch habe er nicht aufgelöst. Zu Beginn der persönlichen Anhörung habe er vorgetragen, dass seine Adoptivmutter einen Reisepass für ihn beantragt habe, den er allerdings nie erhalten habe. Später habe er angegeben, dass sein Adoptivvater ihm alles weggenommen habe. Auch diesen Widerspruch habe er nicht aufgelöst. Zu Beginn der persönlichen Anhörung habe er angegeben, den Namen seiner Eltern nicht zu kennen. Im Fortlauf der persönlichen Anhörung habe er jedoch mit seinem wahren Namen konfrontiert angegeben, dass der Nachname seines biologischen Vaters Mohammed sei. Auch diesen Widerspruch habe er nicht aufgelöst. Gegen Ende der persönlichen Anhörung habe er angegeben, dass er sich einer Operation am Herzen unterziehen müsse. Er habe aber trotz Aufforderung und Fristverlängerung der Beklagten keine ärztlichen Bescheinigungen beibringen können.
Gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 2 Asylgesetz sei ein Asylantrag daneben – selbstständig tragend – als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn ein Ausländer im Asylverfahren über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täusche. Es sei dem Ausländer daher zuzumuten, spätestens gegenüber der für die Entscheidung zuständigen Beklagten seine Identität darzulegen oder Angaben hierzu zu machen (vgl. BT-Drs. 12/4450, S. 22). Die Täuschung setze ein vorsätzliches Handeln voraus und könne darin liegen, dass ein Irrtum durch unwahre Behauptungen hervorgerufen oder ein bei der Beklagte bereits bestehender Irrtum aufrechterhalten werde. Sobald die Beklagte auf anderem Wege die Identität und Staatsangehörigkeit eines Asylbewerbers herausgefunden habe, kämen dessen nachträgliche Aufklärungsversuche zu spät (VG Regensburg, B.v. 7.2.2017 – RN 5 S 17.30264 – juris Rn. 18).
So liege der Fall hier. Der Kläger habe gegenüber der Beklagten einen anderen Vor- und Nachnamen, ein falsches Geburtsdatum und damit falsches Alter – er habe sich um zwölf Jahre jünger gemacht – angeführt als in dem Reisepass. Die Beklagte habe über das Bundesverwaltungsamt in … von dem richtigen Namen und dem richtigen Geburtsdatum des Klägers erfahren. Erst nachträglich auf Nachfragen der Beklagten hat der Kläger eingeräumt, dass sein richtiger Name … … sei. An dieser Einschätzung ändere auch der nachträgliche Sachvortrag vom … November 2017 und vom … November 2017 nichts. Der Vortrag, dass die namentlich nicht genannten und auch anderweitig nicht näher konkretisierten Adoptiveltern für den Kläger einen falschen Reisepass beantragt haben sollen, sei angesichts des Umstandes, dass es sich bei dem am … April 1983 geborenen Kläger um einen erwachsenen Mann handele, dass er selbst den Namen … … als den richtigen Namen bezeichnet habe, dass ein Visumsantrag auf diesen Namen für ihn vorliege und in Anbetracht der übrigen geschilderten widersprüchlichen Angaben nicht tragfähig. Der Umstand, dass die Frau an der Seite des Klägers „… …“ heiße, deute eher darauf hin, dass der Kläger eine zu deren Angaben passende Identität gewählt habe. Dass der Kläger sich auf Ehe und Familie berufen habe, vermöge ernsthafte Zweifel nicht zu begründen. Es gebe keine Pflicht der Beklagten, mehrere antragstellende Personen in einem Bescheid zu verbescheiden, und dementsprechend auch kein entsprechendes Recht hierauf. Es sei eine Prüfung des individuellen Schicksals erforderlich. Gemäß § 43 Abs. 3 AsylG dürfe die Ausländerbehörde zur Wahrung der Familieneinheit die Abschiebung vorübergehend aussetzen, um die gemeinsame Ausreise der Familie zu ermöglichen, wenn Familienangehörige im Sinne des § 26 Abs. 1 bis 3 AsylG gleichzeitig oder jeweils unverzüglich nach ihrer Einreise einen Asylantrag gestellt hätten.
Auch der Sachvortrag zu der behaupteten drohenden Beschneidung des Kindes … … … vermöge ernsthafte Zweifel an dem angegriffenen Bescheid nicht zu begründen.
Zwar gehe das Verwaltungsgericht davon aus, dass Beschneidungen nach wie vor in Nigeria verbreitet seien, obwohl Präsident … … im Jahr 2015 ein Gesetz gegen Beschneidungspraxis unterzeichnet habe. Aktuell dürften etwa 25 Prozent der Frauen zwischen 15 und 49 beschnitten sein (vgl. NGO 28toomany, Key Findings, https://www.28toomany.org/country/nigeria/), jedoch mit großen regionalen Differenzen (vgl. AA, Lagebericht v. 21.11.2016, S. 15). In einigen Bundesstaaten sei sie inzwischen unter Strafe gestellt. Insgesamt werde von einem Rückgang der Praxis berichtet. Von maßgeblicher Bedeutung für die Einschätzung der Gefahr von Beschneidungen sei auch die Haltung der Eltern (vgl. VG Augsburg, U.v. 21.6.2017 – Au 7 K 16.31586 – juris Rn. 57).
Im konkreten Fall habe der Kläger bereits nicht substantiiert dargelegt, von wem und aus welchen Gründen dem Kind konkret eine Beschneidung drohen solle. Dazu sei weder substantiiert vorgetragen noch sei anderweitig ersichtlich, aus welchen Gründen es dem Kläger und der Mutter des Kindes nicht gelingen sollte, das Kind einer drohenden Beschneidung zu entziehen, zumal Personen, die dies anstreben sollten, dieses in einer Stadt wie beispielsweise Lagos mit ihren über 18 Millionen Einwohnern kaum finden dürften. Der Kläger könne hierzu auch bei staatlichen Organisationen um Schutz zu bitten (vgl. VG München, U.v. 11.9.2017 – M 21 K 17.41915 – juris Rn. 18). Der Kläger habe unter anderem behauptet, wegen der drohenden Beschneidung der Mutter des Kindes das Land verlassen zu haben. Er habe damit zum Ausdruck gebracht, ebenso wie die Mutter des Kindes selbst gegen Beschneidungen zu sein.
cc) Die Geschehnisse und der Sachvortrag des Klägers seit dem Erlass des Bescheides der Beklagten beziehungsweise seit dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 29. November 2017 tragen nichts zu einer abweichenden Beurteilung bei.
Dies gilt insbesondere für den Sachvortrag mit Telefax vom 13. Dezember 2017 und in der mündlichen Verhandlung am 12. Januar 2018. Mit dem Vorbringen in dem Telefax vom … Dezember 2017, dass in Nigeria Beschneidungen an jungen Mädchen beziehungsweise Frauen bis zu drei Mal vorgenommen würden, hat der Kläger den Widerspruch zwischen der zunächst behaupteten Gefahr der (erstmaligen) Beschneidung von … … und der zutage getretenen, bereits bestehenden Beschneidung von … … nicht aufgelöst. Die Gefahr einer weiteren Beschneidung ist ein gänzlich anderer Lebenssachverhalt als die behauptete Gefahr einer (erstmaligen) Beschneidung. Die Art und Weise, in der Gründe vorgetragen werden, insbesondere auch der stückchenweise und nachträgliche Sachvortrag zu offenkundig zuvor widersprüchlichem Vortrag, sind ein maßgebender Faktor bei der Beurteilung der Tragfähigkeit und Glaubwürdigkeit von Aussagen. In dem Telefax vom … Dezember 2017 ließ der Kläger noch nicht einmal ausdrücklich vortragen, dass der Grund für das Verlassen des Heimatlandes die behauptete Gefahr einer weiteren Beschneidung ist. Zwar hat der Kläger (dessen Reise nach Deutschland nach eigenen Angaben ein Jahr gedauert haben soll) in der mündlichen Verhandlung erwähnt, dass „man“ … … (deren Reise nach Deutschland nach eigenen Angaben drei Monate gedauert haben soll) erneut habe beschneiden wollen. Damit bleibt weiterhin im Dunkeln, wer, wann, unter welchen Umständen und aus welchen Gründen in Nigeria konkret eine solche Beschneidung gewollt haben soll.
Außerdem wird lediglich behauptet, dass es in Nigeria eine weit verbreitete Tradition der mehrmaligen Beschneidung bis in das Erwachsenenalter hinein gibt. In dem Telefax vom … Dezember 2017 sind diesbezüglich keinerlei Quellen zitiert oder beigefügt. Diese Behauptung steht im Widerspruch zu den Erkenntnissen aus einschlägigen verfügbaren Quellen. Bei 82% der beschnittenen Frauen zwischen 15 und 49 in Nigeria ist die Beschneidung vor dem fünften Lebensjahr erfolgt (vgl. die auf FGM spezialisierte internationale Nichtregierungsorganisation 28toomany – FGM let´s end it, Country in Profile: FGM in Nigeria, Stand: Oktober 2016, S. 8; https://www.28toomany.org/country/nigeria/).
Zu Beschneidungen gilt insgesamt Folgendes: Der ehemalige Präsident Nigerias … … hat im Jahr 2015 ein Gesetz gegen Beschneidungspraxis unterzeichnet. Dieses Gesetz ist anwendbar auf das Federal Capital Territory von Abuja. Daneben ist die Beschneidung mittlerweile in 13 bundesstaatlichen Untergliederungen („States“) von Nigeria ebenfalls gesetzlich (strafbewehrt) verboten (vgl. die auf FGM spezialisierte internationale Nichtregierungsorganisation 28toomany – FGM let´s end it, Executive Summary, Stand: Oktober 2016, S. 3 sowie Country in Profile: FGM in Nigeria, Stand: Oktober 2016, Appendix II, S. 68 ff.; https://www.28toomany.org/country/nigeria/). First Lady Aisha Buhari hat im Februar 2016 ein nationales Programm initiiert, um die Praxis innerhalb einer Generation abzuschaffen (vgl. 28toomany – FGM let´s end it, Country in Profile: FGM in Nigeria, Stand: Oktober 2016, S. 21; https://www.28toomany.org/country/nigeria/). Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass Beschneidungen nach wie vor in Nigeria vorgenommen werden. Aktuell dürften in Nigeria etwa 25 Prozent der Frauen zwischen 15 und 49 beschnitten sein (vgl. NGO 28toomany – FGM let´s end it, Key Findings („24,8%“), https://www.28toomany.org/country/nigeria/), wenngleich mit regionalen Differenzen (vgl. AA, Lagebericht v. 21.11.2016, S. 15 und 28toomany – FGM let´s end it, Executive Summary, Stand: Oktober 2016, S. 1 https://www.28toomany.org/country/nigeria/). Insgesamt ist jedoch ein merklicher Rückgang der Praxis über die Generationen hinweg festzustellen (vgl. NGO 28toomany – FGM let´s end it, Executive Summary, Stand: Oktober 2016, S. 2 („steady decline in support of FGM“) https://www.28toomany.org/country/nigeria/). Von maßgeblicher Bedeutung für die Einschätzung der Gefahr von Beschneidungen ist hierbei insbesondere die Haltung der Eltern (vgl. VG Augsburg, U.v. 21.6.2017 – Au 7 K 16.31586 – juris Rn. 57 und NGO 28toomany – FGM let´s end it, Country in Profile: FGM in Nigeria, Stand: Oktober 2016, Conclusions, S. 63). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass in … …, dem Heimatstaat des Klägers, Beschneidungen verboten sind (vgl. NGO 28toomany – FGM let´s end it, Executive Summary, Stand: Oktober 2016, S. 3 sowie Country in Profile: FGM in Nigeria, Stand: Oktober 2016, Appendix II, S. 68 ff.; https://www.28toomany.org/country/nigeria/).
Auch in Bezug auf die Gefahr der Beschneidung des im Bundesgebiet geborenen Kindes … … … gibt der Sachvortrag mit Telefax vom … Dezember 2017 keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Die Beschneidung ist, wie dargestellt, auf Bundesebene in … und mittlerweile in 13 bundesstaatlichen States Nigerias ebenfalls gesetzlich (strafbewehrt) verboten, insbesondere auch in … …, dem Heimatstaat des Klägers (vgl. NGO 28toomany – FGM let´s end it, Executive Summary, Stand: Oktober 2016, S. 3 sowie Country in Profile: FGM in Nigeria, Stand: Oktober 2016, Appendix II, S. 68 ff.; https://www.28toomany.org/country/nigeria/).
Im konkreten Fall ist die Gefahr, die erforderliche Wahrscheinlichkeit der Gefahr sowie die erforderliche zeitliche Nähe der Realisierung der Gefahr ab Ausreise nicht substantiiert dargelegt.
Der Kläger hat sich in der persönlichen Anhörung gegen Beschneidungen gestellt („ich habe das verurteilt“). Es ist nicht substantiiert dargetan, von wem, unter welchen Umständen und aus welchen Gründen dem Kind konkret eine Beschneidung drohen soll. Die nachträglich behauptete Gefahr soll von namenlosen und auch anderweitig nicht näher konkretisierten Personen ausgehen. Dazu ist weder substantiiert vorgetragen noch ist anderweitig ersichtlich, aus welchen Gründen es dem Kläger nicht gelingen sollte, wie in der deutlichen Mehrheit der Fälle (75 Prozent) auch, eine solche Beschneidung durch Kundgabe des (Un-)Willens abzuwehren. Der Kläger kann bei staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen um Schutz zu bitten (vgl. VG München, U.v. 11.9.2017 – M 21 K 17.41915 – juris Rn. 18), zumal … …, aus dem der Kläger stammt, sogar zu den Bundesstaaten in Nigeria gehört, in denen die Beschneidung verboten ist (vgl. NGO 28toomany – FGM let´s end it, Executive Summary, Stand: Oktober 2016, S. 3 sowie Country in Profile: FGM in Nigeria, Stand: Oktober 2016, Appendix II, S. 68 ff.; https://www.28toomany.org/country/nigeria/).
Die Behauptung, dass Beschneidungen ohne die Einwilligung der Eltern stattfinden, findet in den Quellen keine Grundlage. Im Gegenteil kommt in den Quellen die maßgebliche Bedeutung der Haltung der Eltern für die Gefahr der Beschneidung zum Ausdruck (vgl. VG Augsburg, U.v. 21.6.2017 – Au 7 K 16.31586 – juris Rn. 57 und NGO 28toomany – FGM let´s end it, Country in Profile: FGM in Nigeria, Stand: Oktober 2016, Conclusions, S. 63). Die Behauptung, dass unbeschnittene Mädchen Opfer von Vergewaltigungen werden, ist ebenfalls nicht belegt und findet in den Quellen keine Grundlage. Abgesehen davon ist damit auch nicht die erforderliche Wahrscheinlichkeit der Gefahr sowie die erforderliche zeitliche Nähe der Realisierung der Gefahr substantiiert dargelegt.
Im Hinblick auf den Kläger ist auch kein Abschiebungsverbot ersichtlich. Der Kläger ist jung und mangels entgegenstehender ärztlicher Atteste als gesund und arbeitsfähig anzusehen. Der Kläger verfügt über praktische Berufserfahrung. Bei seiner persönlichen Anhörung am *. August 2017 hat der Kläger ausgesagt, dass er seinen Lebensunterhalt als Fahrer (Traktor und Bus) verdient habe. Der Kläger kann augenscheinlich lesen, buchstabieren und zählen. Außerdem hat der Kläger ausgesagt, dass er seine Flucht in Höhe von 700.000 Naira mit seinen Ersparnissen und den Ersparnissen von … … bestritten habe.
Der Kläger stünde auch nicht allein. Er hat in der persönlichen Anhörung angegeben, in Nigeria „viele Freunde“ haben. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger auf die Frage nach der Kommunikation mit Freunden und Familie in Nigeria zunächst ausweichend und inkohärent geantwortet. Letztendlich hat er ausgesagt, dass er einen Freund habe, der für ihn nach Nigeria telefonieren würde. Daraus geht hervor, dass es für den Kläger in Nigeria Bezugspersonen gibt. Es sind daher keine Gründe ersichtlich, aus denen der Kläger nicht – gegebenenfalls mit Unterstützung dieser Personen in Nigeria sowie gegebenenfalls mit dem Ausreisegeld – für sich sowie … … und das Kind … … eine Existenz aufbauen können soll.
Aus den ehelichen und familiären Banden kann der Kläger unmittelbar kein Abschiebungsverbot herleiten. Zwar verstärkt die mündliche Verhandlung den Eindruck, dass der Kläger eine zu … … passende Identität und Geschichte gewählt hat. Der Kläger hat die Frage nach der Religion von … … nicht beantworten können und gesagt, dass er dies nicht wisse. Das kann aber letztendlich dahingestellt bleiben. Selbst wenn man die ehelichen und familiäre Banden für die Zwecke der Prüfung unterstellt, ergibt sich nichts anderes: Es gibt keine Pflicht der Beklagten, mehrere antragstellende Personen in einem Bescheid zu verbescheiden, und dementsprechend auch kein entsprechendes Recht hierauf. Es ist eine Prüfung des individuellen Schicksals erforderlich. Ein Fall der Asylanerkennung gemäß § 26 Abs. 1 AsylG beziehungsweise der Zuerkennung internationalen Schutzes gemäß § 26 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 5 AsylG liegt in Bezug auf … … und das Kind … … bislang erkennbar nicht vor, wobei hier hinsichtlich des Klägers jeweils auch § 26 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 2 AsylG zu beachten wäre. § 43 Abs. 3 AsylG stellt sicher, dass die Ausländerbehörde zur Wahrung der Familieneinheit die Abschiebung vorübergehend aussetzen darf, um die gemeinsame Ausreise der Familie zu ermöglichen, wenn Familienangehörige im Sinne des § 26 Abs. 1 bis 3 AsylG gleichzeitig oder jeweils unverzüglich nach ihrer Einreise einen Asylantrag gestellt haben.
3. Der Kläger trägt als unterliegender Teil nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.
5. Das Urteil ist gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG unanfechtbar.


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