Aktenzeichen M 13 K 17.41439
Leitsatz
Tenor
I. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 19. Mai 2022 über die Verwaltungsstreitsache verhandeln und entscheiden, da die Beklagte mit der Ladung auf diese Folge ihres Ausbleibens hingewiesen worden ist, § 102 Abs. 2 VwGO.
II.
Soweit die Klage zurückgenommen worden ist, ist das Verfahren nach § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
III.
Soweit die Klage aufrechterhalten wurde, ist sie zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes vom 18. Mai 2017 ist – in dem zur Entscheidung des Gerichts gestellten Umfang – rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO).
Die Kläger haben zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 AsylG) weder Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG), – hierzu sogleich hinsichtlich des Klägers zu 1 unter Ziffer 1, hinsichtlich der Klägerin zu 2 unter Ziffer 2, hinsichtlich des Klägers zu 3 unter Ziffer 3 sowie hinsichtlich eines abgeleiteten Anspruches für alle drei Kläger unter Ziffer 5 – noch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) – hierzu sogleich unter Ziffer 4 sowie hinsichtlich eines abgeleiteten Anspruches für alle drei Kläger unter Ziffer 5.
Darüber hinaus hat das Bundesamt zu Recht festgestellt, dass hinsichtlich Äthiopien keine zielstaatsbezogenen nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu Gunsten der Kläger bestehen – hierzu sogleich unter Ziffer 6.
Auch die verfügte Abschiebungsandrohung sowie die vorgenommene Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbot sind rechtmäßig – hierzu sogleich unter Ziffer 7.
1. Der Kläger zu 1 hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund von in seiner Person selbst begründeter Umstände.
a. Insbesondere ergibt sich ein solcher nach Überzeugung des Gerichts nicht aus dem seitens des Klägers zu 1 in der Anhörung vor dem Bundesamt sowie in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Vorfluchttatbestand aus dem Jahr 2015.
(1) Insoweit kann vorliegend dahinstehen, ob sich der Sachverhalt tatsächlich so wie vom Kläger zu 1 geschildert in der Vergangenheit ereignet hat, zumal der Kläger zu 1 in der mündlichen Verhandlung am 20. Mai 2022 auf entsprechende Nachfragen des Gerichts seine Ausführungen durch zahlreiche Ergänzungen in weiten Teilen nochmals deutlich präzisiert und hierdurch plausibler dargestellt hat.
(2) Denn zum einen sind seit der angeblichen Inhaftierung des Klägers zu 1 und seiner Ehefrau, der versuchten Zwangsräumung und der Ausreise des Klägers zu 1 und seiner Ehefrau im Oktober 2015 über sechseinhalb Jahre verstrichen.
Weder verfügt Äthiopien über ein zentrales Fahndungs- und Strafregister sowie ein landesweites Meldewesen (AA, Lagebericht v. 18.1.2022 – Ziff. V.2 – S. 25) noch hatte der Kläger zu 1 oder seine Ehefrau damals eine zentrale (!) Rolle oder Funktion in einer, auch noch derzeit als Terrororganisation eingestuften Widerstandsgruppe oder einer der auch noch derzeit staatlicher Verfolgung ausgesetzten Oppositionsgruppen inne, die dafür sorgen könnte, dass diese sich auch nach so langer Zeit der Abwesenheit immer noch auf dem Radar der Sicherheitsbehörden befinden. Zudem hat nach Überzeugung des Gerichts auch die exilpolitischen Betätigungen des Klägers zu 1 nicht dazu geführt, dass sich der Kläger zu 1 weiterhin / wieder auf dem Radar der Sicherheitsbehörden befindet – zu den exilpolitischen Betätigungen siehe sogleich die Ausführungen unter Ziffer b.
Vor diesen Hintergrund ist nach Überzeugung des Gerichts schon allein aufgrund der verstrichenen Zeit davon auszugehen, dass der Kläger zu 1 im Falle einer Rückkehr keiner erneuten Verfolgung infolge der Ereignisse 2015 ausgesetzt ist.
(3) Davon abgesehen handelt es sich bei dem vom Kläger zu 1 geltend gemachten Vorfluchttatbestand zudem bereits ganz allgemein um eine wenn überhaupt nur lokal bestehende, auf den jeweiligen Bundesstaat bzw. sogar die örtliche Region oder Stadt begrenzte Bedrohung, derer sich Betroffene durch Verlagerung ihres Wohnsitzes in eine andere Region oder einen anderen Bundesstaat, etwa in die Hauptstadt A. Ab., entziehen können (siehe hierzu AA, Lagebericht v. 18.1.2022 – Ziff. 3 – S. 18).
(a) Gemäß § 3e AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslands keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (sog. „interner Schutz“, vgl. § 3e Abs. 1 AsylG).
Bei der Zumutbarkeit sind in einer umfassenden wertenden Gesamtbetrachtung die allgemeinen sowie individuellen Verhältnisse am Ort der Niederlassung in den Blick zu nehmen. Dies betrifft insbesondere die Gewährleistung des wirtschaftlichen Existenzminimums. Maßstab für eine Zumutbarkeit ist, dass eine Verletzung von Art. 3 EMRK nicht zu besorgen ist (vgl. BVerwG, U. v. 18.2.2021 – 1 C 4.20 – juris Rn. 27).
(b) Bei der vom Kläger zu 1 geltend gemachten Verfolgung durch Sicherheitskräfte des Regionalstaates Oromia sowie der lokalen Gemeindeverwaltung in Agaro im Jahr 2015 handelte es sich bereits bei seiner Ausreise 2015 um eine lediglich regionale, räumlich auf den Bundesstaat Oromia begrenzte Bedrohung.
Wie bereits oben dargestellt, verfügt Äthiopien über kein zentrales Fahndungs- und Strafregister. Des Weiteren ist dem Gericht aus einer Vielzahl weiterer Gerichtsverfahren mit äthiopischen Staatsangehörigen bekannt, dass die lokalen Sicherheitskräfte bereits innerhalb eines Bundesstaates nicht in der Lage sind, jenseits der Heimatregion, etwa in 50 Kilometer entfernt liegenden Orten Personen oder deren Familienmitglieder ausfindig zu machen.
Zudem ist den Angaben des Klägers zu 1 zu entnehmen, dass sein in A. Ab. lebender Onkel, welcher den Kläger zu 1 und dessen Ehefrau bei seiner Flucht und der Ausreise unterstützt haben soll, im Zuge der angeblichen Fahndung nach diesen nicht von den Sicherheitskräften aufgesucht worden ist – weder während der fünf Tage, in denen sich die Kläger zu 1 und zu 2 in A. Ab. in einem Hotel versteckt hielten, noch ein bis zwei Monate nach ihrer Ausreise.
So hat der Kläger zu 1 angegeben, während seines Aufenthalts in A. Ab. wie auch ein bis zwei Monate später, als er sich in Libyen befand, mit seinem Onkel in A. Ab. telefoniert zu haben. Sofern die äthiopischen Sicherheitsbehörden den Onkel tatsächlich aufgesucht hätten, hätte der Onkel dies dem Kläger zu 1 erzählt.
Die Tatsache, dass nicht einmal der (einzige) Onkel des Klägers zu 1 in A. Ab. von den Sicherheitskräften behelligt wurde, zeigt, dass nach den Klägern zu 1 und zu 2 bereits damals jedenfalls nicht landesweit gefahndet wurde (oder konnte).
Vor diesen Hintergrund ist davon auszugehen, dass für den Fall, dass der Kläger zu 1 nach Äthiopien zurückkehrt und etwa in A. Ab. seinen Wohnsitz nimmt, nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger wegen der Ereignisse 2015 in seinem Heimatdorf bei Agaro sich weiterhin staatlicher Verfolgung ausgesetzt sieht.
(c) Unter Berücksichtigung der aus den vorliegenden Erkenntnisquellen über den Staat Äthiopien hervorgehenden allgemeine Lage sowie der individuellen Situation des Klägers zu 1 und seines Familienverbundes (Ehefrau sowie drei minderjährige, sechs, viereinhalb sowie ein Jahr und vier Monate alte Kinder) ist davon auszugehen, dass es dem Kläger zu 1 auch in A. Ab. gelingen wird, für sich und seinen Familienverbund eine existenzsichernde Lebensgrundlage zu schaffen – siehe hierzu die Ausführungen im Rahmen der Prüfung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK unter Ziffer 6. a. und b. jeweils unter (1).
b. Auch die von der Klagepartei geltend gemachten und nachgewiesenen exilpolitischen Betätigungen des Klägers zu 1 in Deutschland führen vorliegend nicht zu einem Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Zwar kann gemäß § 28 Abs. 1a AsylG die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist.
Jedoch führt nach Überzeugung des Gerichts weder die beschriebenen Teilnahmen an Demonstrationen noch die geringfügigen Spenden an die OLA oder das OMN noch die Aktivitäten auf F. zu einer begründeten Furcht vor Verfolgung i.S.v. § 3 Abs. 1 AsylG.
(1) Die bloße Beteiligung als einfacher Teilnehmer an Demonstrationen gegen die äthiopische Regierung in Deutschland führt unter Berücksichtigung der dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel über den Staat Äthiopien nach Überzeugung des Gerichts nicht zu einer asylrechtlich relevanten Verfolgungsgefahr für den Fall einer Rückkehr nach Äthiopien.
Der Kläger zu 1 hat selbst angegeben, dass er lediglich einfacher Teilnehmer gewesen sei, keinerlei Aufgaben im Rahmen von Organisation oder Durchführung der Demonstrationen übernommen habe und auch nicht als Redner aufgetreten sei.
Eine auf die Rolle eines bloßen Mitläufers beschränkte Teilnahme, das bloße Hochhalten von Fahnen oder das bloße Nachsprechen vorgegebener Parolen u.Ä. sorgt – auch wenn davon auszugehen ist, dass derartige Versammlungen seitens der äthiopischen Sicherheitsbehörden grundsätzlich beobachtet werden – alleine noch nicht dafür, dass man in den verstärkten Fokus der Sicherheitskräfte gerät. Hierfür ist eine zentralere Rolle erforderlich.
(2) Gleiches gilt für geringfügige, sporadische Spenden an das Oromia Media Network oder die – schon gar nicht nachgewiesenen – Spenden an die OLA.
(3) Und auch die vom Kläger zu 1 geltend gemachten politischen Aktivitäten auf F. stellen vorliegend keinen anspruchsbegründenden Nachfluchttatbestand nach § 28 Abs. 1a AsylG dar.
(a) Zwar hat der Kläger zu 1 nachgewiesener Maßen seit 2016 auf F. diverse regierungskritische bzw. auch deren Mitglieder verächtlich machende Posts geteilt und mit Kommentaren versehen.
Auch ist den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln über den Staat Äthiopien zu entnehmen, dass soziale Netzwerke durchaus von den äthiopischen Sicherheitsbehörden überwacht werden.
(b) Jedoch löst – wie bereits oben hinsichtlich der Teilnahme an regierungskritischen Demonstrationen im Ausland ausgeführt – nicht jedes Teilen eines regierungskritischen Posts automatisch staatliche Verfolgung i.S.d. §§ 3 ff AsylG aus. Vielmehr kommt es auch hier auf den Umfang und die Reichweite des jeweiligen Verfassers und damit dessen „Gefährlichkeit“ an.
Vorliegend hat der Kläger zu 1 selbst angegeben, nur über wenig Follower zu verfügen.
Auch hat er angegeben, seine in Äthiopien verbliebenen Familienangehörigen seien in all den Jahren seiner politischen Aktivitäten auf F. nicht von den Sicherheitsbehörden behelligt oder bedroht worden und dies damit erklärt, dass aufgrund seiner geringen Zahl an Followern die äthiopischen Sicherheitsbehörden seine Aktivitäten wahrscheinlich nicht erst nehmen würden.
(c) Zwar hat der Kläger zu 1 weiter angegeben, er selbst habe auf F. Nachrichten von Unterstützern des derzeitigen Premierministers erhalten, in denen er aufgefordert worden sei, derartige Aktivitäten und Parolen zu unterlassen und ihm mit Konsequenzen im Falle einer Rückkehr gedroht worden sei.
Jedoch hat der Kläger zu 1 den Erhalt dieser Nachrichten dem Gericht gegenüber nicht nachgewiesen, obwohl es sich hierbei um persönliche Umstände handelt, bezüglich derer die formelle Darlegungs- und Beweislast grundsätzlich beim Kläger liegt und anders als etwa bei bestimmten Vorgängen im Herkunftsland, hinsichtlich derer den Asylsuchenden ein Nachweis im engeren Sinne häufig nicht möglich ist, ein Nachweis auch ohne weiteres zu erbringen möglich ist.
Zwar hat der Kläger zu 1 angeben, die Nachrichten deshalb nicht vorlegen zu können, da er deren Verfasser sofort blockiert und die Nachrichten gelöscht habe. Jedoch wäre es dem anwaltlich vertreten und beratenen Kläger ohne Weiteres möglich gewesen, vor Löschen der Nachrichten z.B. durch Screenshots o.Ä. entsprechende Nachweise für das laufende gerichtliche Verfahren zu generieren.
c. Auch ist den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln über den Staat Äthiopien nicht zu entnehmen, dass oromische Volksangehörige seit dem Machtwechsel 2018 (vgl. hierzu ausführlich AA – Lagebericht v. 17. Okt. 2018) per se pauschaler, flächendeckender Verfolgung ausgesetzt sind (siehe hierzu AA, Lagebericht v. 18.01.2022), zumal Teile der Oromos selbst Teil der Machtelite geworden oder für diese bzw. die Sicherheitskräfte arbeiten.
2. Auch die Klägerin zu 2 hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund von in ihrer Person selbst begründeter Umstände.
a. Hinsichtlich des insoweit geltend gemachten, mit dem ihres Ehemannes identischen Vorfluchttatbestandes aus dem Jahr 2015 (Wahlveranstaltung / Inhaftierung und Freilassung / Zwangsräumung und Widerstand / Fahndung und Flucht) kann insoweit auf die Ausführungen zum Kläger zu 1 verwiesen werden – siehe oben unter Ziffer 1.a.
b. Selbiges gilt für eine etwaige Verfolgung aufgrund ihrer oromischen Volkszugehörigkeit – siehe oben unter Ziffer 1.b.
c. Sonstige, der Klägerin zu 2 im Falle einer Rückkehr drohende Verfolgungstatbestände sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Klägerin zu 2 angegeben, bereits beschnitten zu sein und im Falle einer Rückkehr nicht zu befürchten, (erneut) beschnitten zu werden – zu Mal die Klägerin zu 2 ja bereits verheiratet ist.
3. Ein Anspruch des Klägers zu 3 auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund von in seiner Person selbst begründeter Umstände scheidet vorliegend aus, da insoweit weder seitens der Klagepartei entsprechende Tatbestände vorgetragen worden noch anderweitig ersichtlich sind.
4. Der Kläger zu 1, die Klägerin zu 2 sowie der Kläger zu 3 haben jeweils auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG aufgrund von jeweils in ihrer Person selbst begründeter Umstände.
Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gelten dabei nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
a. Davon, dass den Klägern im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien infolge des geltend gemachten Vorfluchttatbestandes aus dem Jahr 2015 oder infolge der exilpolitischen Betätigung des Klägers zu 1 ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder Nr.2 AsylG (Todesstrafe / Folter / unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) droht, haben die Kläger das Gericht, wie bereits soeben im Rahmen der §§ 3 ff AsylG dargelegt, nicht überzeugen können. Auch finden die Regelungen über den internen Schutz nach § 3e AsylG über § 4 Abs. 3 AsylG auch im Rahmen des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG Anwendung, so dass auch insoweit auf die zur Flüchtlingseigenschaft gemachten Ausführungen verwiesen werden kann.
b. Auch mit Blick auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG und den Konflikt zwischen der TPLF und der Bundesregierung im Norden des Landes im Bundesstaat Tigray sowie in Teilen der Bundesstaaten Afar und Amhara ist keine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Kläger im Falle ihrer Rückkehr beachtlich wahrscheinlich. Bei einer Einreise der Kläger über den Internationalen Flughafen von A. Ab. und einer Weiterreise von dort in die Heimatregion der Kläger zu 1 und 2 (Agaro / Jimma-Zone im Bundesstaat Oromia) werden die Kläger mit dem Kampfgebiet nicht in räumlichen Kontakt kommen. Selbiges gilt auch für potentielle Ausweichmöglichkeiten im Rahmen des internen Schutzes, wie insbesondere die Hauptstadt A. Ab..
5. Auch ein von einem anderen Mitglied des insgesamt fünfköpfigen Familienverbundes abgeleiteter Anspruch des Klägers zu 1, der Klägerin zu 2 oder des Klägers zu 3 auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutzes gemäß § 26 Abs. 5 i.V.m. den Abs. 1 bis 3 AsylG scheidet vorliegend aus, da nicht nur den Klägern in diesem Verfahren (und damit dem jeweiligen Ehegatten / Elternteil / Sohn), sondern auch den beiden Töchtern des Klägers zu 1 / der Klägerin zu 2 bzw. Schwestern des Klägers zu 3 bislang weder die Flüchtlingseigenschaft noch subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist.
6. Des Weiteren bestehen zu Gunsten des Klägers zu 1, der Klägerin zu 2 sowie des Klägers zu 3 jeweils auch keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG, EMRK oder nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Bei den nationalen Abschiebungsverboten im Sinne des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG handelt es sich um einen einheitlichen, nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand (BVerwG, U.v. 8.9.2011 – 10 C 14.10 – juris; BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30284 – juris).
Da das Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid allein eine Abschiebung nach Äthiopien angedroht hat, kommt es für die Feststellung von Abschiebungsverboten ausschließlich auf die Situation in Bezug auf Äthiopien an.
Insbesondere besteht vorliegend nicht die Gefahr, dass die Kläger (sowie die übrigen Mitglieder des Familienverbundes) nicht in der Lage sind, nach einer Rückkehr nach Äthiopien ihr Existenzminimum zu decken – sogleich unter a. sowie b. jeweils unter (1.)
a. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention unzulässig ist. Dies umfasst auch das Verbot der Abschiebung in einen Zielstaat, in dem dem Ausländer eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne von Art. 3 EMRK droht.
(1) Eine Verletzung von Art. 3 EMRK (sowie von Art. 4 GRCh, der Art. 3 EMRK entspricht, vgl. Art. 52 Abs. 3 GRCh), kommt in besonderen Ausnahmefällen auch bei „nichtstaatlichen“ Gefahren aufgrund prekärer Lebensbedingungen in Betracht, bei denen ein „verfolgungsmächtiger Akteur“ (siehe § 3c AsylG), fehlt, wenn die humanitären Gründe mit Blick auf die allgemeine wirtschaftliche Lage und die Versorgungslage betreffend Nahrung, Wohnraum, Hygiene und Gesundheitsversorgung „zwingend“ sind (BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 45/18 – juris, Rn. 12 m.v.N.). Die einem Ausländer im Zielstaat drohenden Gefahren müssen hierfür jedenfalls ein „Mindestmaß an Schwere“ (minimum level of severity) aufweisen (vgl. EGMR, U.v. 13.12.2016 – 41 738/10, Paposhvili/Belgien – NVwZ 2017, 1187 Rn. 174; EuGH, U.v. 16.2.2017 – C-578/1, C. I. u.a. – NVwZ, 691, Rn. 68). Dieses Mindestmaß kann erreicht sein, wenn der Ausländer seinen existentiellen Lebensunterhalt nicht sichern kann, kein Obdach findet oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhält (vgl. BVerwG, B.v. 8.8.2018 – 1 B 25.18 – juris Rn. 11).
Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen einer drohenden menschenunwürdigen Verelendung setzt dabei keine „Extremgefahr“ voraus, die für die Durchbrechung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG notwendig ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8.8.2018, 1 B 25.18 – juris Rn. 13). Der Gerichtshof der Europäischen Union stellt in seiner Rechtsprechung (EuGH, Urteile v. 19.3.2019 – C-297/17 u.a., Ibrahim – JZ 2019, 999, Rn. 89 ff., und C-163/17, Jawo, InfAuslR 201 9, 236, Rn. 90 ff.) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (U.v. 21.1 .2 0 1 1, 30696/09, M.S.S. / Belgien und Griechenland, NVwZ 2011, 413, Rn. 252 ff.) darauf ab, ob sich die betroffene Person „unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not“ befindet, „die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre“ (vgl. BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 45/18 – juris, Rn. 12; OVG Hamburg, U.v. 18.12.2019 – 1 Bf 132/17.A – juris, Rn. 39).
Gemessen an diesen Grundsätzen besteht unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkenntnisquellen über den Staat Äthiopien sowie den eigenen Angaben des Klägers zu 1 und der Klägerin zu 2 in der Anhörung vor dem Bundesamt sowie in der mündlichen Verhandlung – und insbesondere auch unter Berücksichtigung von Umständen, die erst nach Erlass des angefochtenen Bescheids eingetreten sind, wie etwa die sich durch Heuschreckenplage, Dürrekatastrophe, Tigray-Konflikt und COVID-19-Pandemie / in diesem Zusammenhang national wie international ergriffener Pandemieschutzmaßnahmen sowie dem Ukraine-Krieg und den sich hieraus ergebenden Auswirkungen auf die allgemeine Versorgungslage, Wirtschaft und Arbeitsmarkt in Äthiopien – nach Überzeugung des Gerichts nicht die Gefahr, dass es dem Kläger zu 1 und der Klägerin zu 2 nicht möglich sein wird, für sich, den Kläger zu 3 und ihre beiden Töchter das Existenzminimum durch eigene Erwerbstätigkeit, gegebenenfalls mit zusätzlicher Unterstützung ihrer Familienangehörigen in Äthiopien sowie der Rückkehrerhilfen decken zu können.
(a) Der Kläger zu 1 verfügt über eine sechsjährige Schulausbildung, eine Berufsausbildung als Schweißer in Äthiopien und hat als solcher bereits von 2006 bis 2014 in A. Ab. seinen Lebensunterhalt verdient. Des Weiteren hat er in Äthiopien erfolgreich einen Lebensmittelladen betrieben, zudem in Deutschland als Reinigungskraft gearbeitet.
Neben seiner Muttersprache Oromo spricht er auch Amharisch sowie etwas Deutsch, was er im Falle einer Rückkehr ebenfalls gewinnbringend auf dem Arbeitsmarkt einsetzen kann, etwa in der Tourismusindustrie oder als Dolmetscher / Mitarbeiter für westliche Hilfsorganisationen oder die deutsche Auslandsvertretung.
Ausweislich seiner Angaben ist er gesund und arbeitsfähig.
(b) Die Klägerin zu 2 verfügt über eine dreijährige Schulausbildung in Äthiopien und hat bis vor ihrer Ausreise zusammen mit ihrem Mann einen Lebensmittelladen betrieben.
Sie spricht ebenfalls neben ihrer Muttersprache Oromo auch Amharisch sowie etwas Deutsch.
Auch sie ist gesund und arbeitsfähig.
(c) Der sechsjährige Sohn ist – wie auch seine beiden, viereinhalb sowie ein Jahr und vier Monate alten Schwestern – auf die Versorgung durch seine Eltern angewiesen.
(d) Im Hinblick auf die beiden Töchter der Kläger zu 1 und zu 2 / Schwestern des Klägers zu 3 ist zudem zu berücksichtigen, dass die Familie – wegen der im Heimatdorf der Eltern etwaig drohenden Gefahr einer Beschneidung – gegebenenfalls ihren Wohnsitz in A. Ab. nehmen muss (siehe hierzu die Ausführungen in den Entscheidungsgründen der Urteile in den Verfahren M 13 K 18.31714 sowie M 13 K 21.30768, jeweils vom 31. Mai 2022).
Dies bedeutet nicht nur, dass der Familienverbund der Kläger damit wohl nicht auf faktische Unterstützung durch die Familien des Klägers zu 1 sowie der Klägerin zu 2 aus ihrem Heimatdorf zurückgreifen kann (und wohl auch eine finanzielle Unterstützung aus der Distanz unwahrscheinlich erscheint).
Sondern auch, dass der Familienverbund den – im Vergleich zu kleineren Städten / Dörfern erhöhten Wohnungskosten in der Hauptstadt ausgesetzt ist.
(e) Jedoch ist in diesem Zusammenhang zugleich zu berücksichtigen, dass der Kläger zu 1 in Gestalt seines Onkels und dessen Familie über familiäre Unterstützung auch in A. Ab. verfügt. Insbesondere ist hierbei zu berücksichtigen, dass der Onkel nach Angaben des Klägers zu 1 bereits dessen Ausreise finanziert hat.
(f) Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der Kläger zu 1 bereits mehrere Jahre in A. Ab. gelebt und dort seinen Lebensunterhalt als Schweißer verdienen konnte, zumal die Hauptstadt als wirtschaftliches Zentrum des Landes einen hohen Bedarf an Arbeitskräften bzw. hohes Potential für eine wirtschaftliche Betätigung aufweist.
(g) Zudem ist auch zu berücksichtigen, dass die Kläger und ihr Familienverbund im Falle einer freiwilligen Rückkehr auf umfangreiche Leistungen diverser Rückkehrerprogramme zurückgreifen können (https://www.returningformgermany.de/de/programmes; abgerufen am 18.5.2022):
Neben einer einmaligen finanziellen Starthilfe von jedenfalls insgesamt 3.500 EUR (1.000 EUR pro Person, 500 EUR bei Personen unter achtzehn Jahren) sowie der Übernahme der Reisekosten im Rahmen des Reintegration and Emigration Programme for Asylum-Seekers in Germany (REAG) sowie des Government Assisted Repatriation Programme (GARP) sind dies u.a.:
Im Vorfeld, noch vor seiner Rückkehr nach Äthiopien: Rückkehrvorbereitende Maßnahmen (RkVM) wie etwa Coachings und Workshops in entsprechender Sprache zur Existenzgründung im Zielstaat.
Nach Ankunft in Äthiopien: Reintegrationsunterstützungen, zum einen in Form von nicht-monetären Unterstützungsleistungen wie etwa (neben der In-Empfangnahme am Flughafen u.a. auch) die Unterstützung beim Aufbau eines kleinen Unternehmens oder bei der Jobsuche sowie die Unterstützung bei der Suche nach Kontaktpersonen im Rahmen der Nolawi Services Äthiopien, sowie ggf. auch weitere finanzielle Unterstützung wie etwa die sog. 2. Starthilfe nach sechs bis acht Monaten im Rahmen des sog. StarthilfePlus-Programms.
Zudem werden im Rahmen des European Return and Reintegration Network (ERRIN) für vulnerable Personen individuelle Unterstützungsleistungen durch ein Netzwerk lokaler Service Provider und Partner sowie im Rahmen der Nolawi Services Äthiopien Hilfeleistungen für Menschen in Not, wie etwa Frauen und Kinder, zur Verfügung gestellt.
(h) Zudem ist die äthiopische Wirtschaft bzw. der dortige Arbeitsmarkt derzeit nicht infolge weitreichender Pandemieschutzmaßnahmen (allgemeiner oder zumindest Teil-Lockdown / Geschäftsschließungen o.Ä.) in vielen Teilen lahmgelegt, Hotels, Gaststätten, Kinos und Clubs etc. geöffnet (https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aethiopien-node/aethiopiensicherheit/209504; abgerufen am 18.5.2022).
(i) Aufgrund der vorgenannten Faktoren (Qualifikationen und Arbeitsfähigkeit der Kläger zu 1 und zu 2, vorhandenes familiäres Netzwerk in A. Ab. (Onkel) sowie Rückkehrerhilfen,) ist das Gericht davon überzeugt, dass die Kläger zusammen mit ihrem Familienverbund trotz der derzeit schwierigen wirtschaftlichen Lage in Äthiopien das Existenzminimum werden sichern können.
b. Ebenso wenig besteht ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
(1) Liegen – wie hier – die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbotes wegen schlechter humanitärer Bedingungen nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nicht vor, so scheidet auch eine im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung allein relevante extreme Gefahrenlage aus (vgl. VGH Bad.-Württ., U.v. 9.11.2017 – A 11 S 789/17 – juris Rn. 282).
(2) Auch in Äthiopien derzeit bestehende allgemeine Gesundheitsgefahren begründen vorliegend kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu Gunsten der Kläger. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Gefahr einer Ansteckung mit dem auch in Äthiopien grassierenden Sars-Cov-2-Virus und einer anschließenden COVID-19-Erkrankung.
(a) Beruft sich ein Ausländer auf allgemeine (hier: Gesundheits) Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG, wie etwa die sämtliche Menschen in Äthiopien treffende Gefahr einer Ansteckung mit dem Sars-Cov-2-Virus und einer daran anschließenden COVID-19-Erkrankung, wird Abschiebungsschutz grundsätzlich ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt.
Allerdings kann ein Ausländer in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG auch bei Fehlen einer solchen generellen Regelung ausnahmsweise dann individuellen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 AufenthG beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund der im Zielstaat herrschenden allgemeinen Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn in diesem Fall gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V. m. § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassung wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren.
(b) Zwar besteht auch für die Kläger im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien, wie für jeden anderen Menschen in Äthiopien auch, die Gefahr, sich dort mit SARS-CoV-2 anzustecken und infolge dessen Schaden an Leib oder Leben zu erleiden. Jedoch ist die Gefahr hinsichtlich der Kläger nicht derart extrem, dass diese im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien „sehenden Auges dem Tod oder schwersten Verletzungen“ ausgesetzt würden (vgl. zu diesem Maßstab: BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18/05 -, juris Rn. 16) und deshalb aus verfassungsrechtlichen Gründen die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG entfällt.
So kann eine COVID-19-Erkrankung zwar bei schwerem Verlauf zum Tod führen oder zumindest schwere, dauerhafte bzw. lange andauernde gesundheitliche Beeinträchtigungen nach sich ziehen. Auch hängt der Grad der Gefahr, im Falle eines schweren Verlaufes zu sterben, neben individuellen Faktoren wie etwa der gesundheitlichen Disposition des Erkrankten sowie der bei Ansteckung ausgesetzten Virusmenge u.a. auch von allgemeinen Umständen wie Qualität und Kapazitäten der vor Ort vorhandenen medizinischen Behandlung (Personal / Intensivbetten / Sauerstoff etc.) sowie den vor Ort ergriffenen Infektionsschutzmaßnahmen ab.
Sowohl der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 wie auch der Kläger zu 3 sind jung bzw. sehr jung und gesund und weisen auch im Übrigen keinen Risikofaktor für einen schweren Verlauf im Falle einer Infektion auf.
(3) Individuelle Gesundheitsgefahren wurden vorliegend weder hinsichtlich des Klägers zu 1, der Klägerin zu 2 noch des Klägers zu 3 geltend gemacht.
7. Auch die verfügte Abschiebungsandrohung sowie die vorgenommene Befristung des Einreiseund Aufenthaltsverbotes begegnen keinerlei rechtlichen Bedenken.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.