Verwaltungsrecht

Äthiopischer Staatsangehöriger, Geltend gemacht: somalische Staatsangehörigkeit, volljährig, Volkszugehörigkeit: Somali, Vorfluchttatbestand, Spionage für ONLF, Inhaftierung, Flucht aus Haft, Interner Schutz

Aktenzeichen  M 13 K 17.41327

Datum:
14.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 4098
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3
AsylG § 4
AufenthG § 60 Abs. 5
AufenthG § 60 Abs. 7
AsylG § 3e
§ 77 Abs. 2 AsylG.

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.  Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Über die Verwaltungsstreitsache konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2022 entschieden werden, obwohl die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung nicht anwesend oder vertreten waren. Die Beteiligten wurden zur mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen, dass auch ohne sie verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 VwGO.
II.
Die Klage ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes vom 16. Mai 2017 ist – in dem zur Entscheidung des Gerichts gestellten Umfang – rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO).
Der Kläger hat zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 AsylG) weder Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG), noch auf Zuerkennung von subsidiären Schutz (§ 4 AsylG) – hierzu sogleich unter Ziffer 1.
Darüber hinaus hat das Bundesamt zu Recht festgestellt, dass hinsichtlich Äthiopien keine zielstaatsbezogenen nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 AufenthG zu Gunsten des Klägers bestehen – hierzu sogleich unter Ziffer 2.
Auch die verfügte Abschiebungsandrohung sowie die vorgenommene Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbot sind rechtmäßig – hierzu sogleich unter Ziffer 3.
Die Klage war daher vollumfänglich abzuweisen.
1. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG noch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG.
In diesem Zusammenhang kann insoweit dahinstehen, ob der Kläger somalischer Staatsangehöriger und folglich im Rahmen der Prüfung der §§ 3 ff, § 4 AsylG als Herkunftsland Somalia zu Grunde zu legen ist, – sogleich unter Ziffer a. oder ob es sich bei dem Kläger vielmehr um einen äthiopischen Staatsangehörigen handelt (bzw. um einen Staatenlosen mit bislang gewöhnlichen Aufenthalt in Äthiopien), mit der Folge, dass Äthiopien das maßgebliche Herkunftsland darstellt – sogleich unter Ziffer b.
a. Geht man von einer somalischen Staatsangehörigkeit und damit von Somalia als Herkunftsland aus, wurde von Klägerseite keinerlei Umstände vorgebracht, aus denen sich ergibt, dass dem Kläger in Somalia eine Verfolgung i.S.v. § 3 AsylG bzw. ein ernsthafter Schaden i.S.v. § 4 AsylG droht. Die geltend gemachten Vorfluchttatbestände beziehen sich ausschließlich auf Äthiopien und die dortigen Sicherheitsbehörden bzw. die in Äthiopien operierende ONLF als maßgebliche Akteure.
b. Und auch hinsichtlich Äthiopien liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§§ 3 ff AsylG) bzw. von subsidiären Schutz (§ 4 AsylG) nicht vor.
Das Gericht folgt insoweit zunächst den Gründen des angefochtenen Bescheids und nimmt auf diesen Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG), insbesondere was die Möglichkeit internen Schutzes (§ 3e AsylG, § 4 Abs. 3 AsylG) anbetrifft. Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:
(1) Das bisherige Klägervortrag bezüglich des geltend gemachten Vorfluchttatbestandes („Inhaftierung infolge Spionage für ONLF, Flucht während Krankenhausaufenthalt“) ist bereits in tatsächlicher Hinsicht unglaubhaft. Insbesondere die Schilderung der Flucht aus der Haft während des Krankenhauses, insbesondere die Beteiligung des als „Onkel“ bezeichneten Clan-Mitgliedes weist nicht nur widersprüchliche Angaben sowie mangelnde Detailtiefe aus, sondern ist in zentralen Punkten auch unrealistisch. Insbesondere erscheint es nicht plausibel, dass der Soldat nicht nur seine Stellung sowie das damit verbundene Auskommen als Soldat riskiert hat, um den Kläger, mit dem er nicht einmal verwandt ist, zu helfen, sondern dafür sogar bereit war, selbst in Haft zu geraten.
(2) Soweit die Gefahr einer, nicht näher ausgeführten, Verfolgung durch die ONLF geltend gemacht wird, besteht jedenfalls die Möglichkeit internen Schutzes durch Wohnsitznahme in Landesteilen außerhalb des Bundesstaates Somali, in denen die ONLF nicht aktiv ist – vgl.o. sowie zur Zumutbarkeit die Ausführungen in Ziffer 2.
2. Des Weiteren bestehen zu Gunsten des Klägers keine zielstaatsbezogenen nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG.
Da das Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid allein eine Abschiebung nach Äthiopien angedroht hat, kommt es für die Feststellung von Abschiebungsverboten ausschließlich auf die Situation in Bezug auf Äthiopien an. Einer Abschiebung des Klägers nach Äthiopien stehen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht entgegen.
Das Gericht folgt zunächst der Begründung des angefochtenen Bescheids und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe ab, § 77 Abs. 2 AsylG.
Lediglich ergänzend ist auszuführen, dass sich auch vor dem Hintergrund von COVID-19-Pandemie und den in diesem Zusammenhang national wie international ergriffenen Maßnahmen, von Heuschreckenplage und Dürrekatastrophen, sowie des Tigray-Konflikts, und den hieraus jeweils resultierenden allgemeinen wirtschaftlichen wie – im Falle der COVID-19-Pandemie – gesundheitlichen Auswirkungen, welche bei Erlass des angefochtenen Bescheides nicht vorlagen, weder ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK noch nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Betracht kommt. Insbesondere zählt der Kläger nicht zu einer der durch eine COVID-19-Erkrankung besonders gefährdeten Risikogruppen.
3. Auch die verfügte Abschiebungsandrohung sowie die vorgenommene Befristung des Einreiseund Aufenthaltsverbotes begegnen keinerlei rechtlichen Bedenken.
Klarzustellen ist hierbei, dass die nach § 11 Abs. 1 AufenthG a. F. getroffene Entscheidung über die Befristung eines gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes unter Geltung des am 21.08.2019 in Kraft getretenen § 11 AufenthG in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 15.08.2019 (BGBl I, Satz 1294) als behördliche Anordnung eines solchen Verbots auszulegen ist (vgl. zur zuvor erfolgten Auslegung in Übereinstimmung mit der RL 2008/115/EG – Rückführungsrichtlinie – BVerwG, Beschluss v. 13.07.2017 – 1 VR 3/17, juris).
Auch ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass das Bundesamt insoweit nicht (mehr) i. S. d. § 114 Satz 1 VwGO pflichtgemäß von dem ihm nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eröffneten Ermessen bezüglich der Länge der Frist Gebrauch gemacht hätte.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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