Verwaltungsrecht

Afghanistan, Ehemaliger Soldat, Bedrohung durch Taliban, Inländische Fluchtalternative, Alleinstehender arbeitsfähiger Mann, Abschiebungsverbot wegen COVID-19-Pandemie (verneint)

Aktenzeichen  M 6 K 17.35351

Datum:
9.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 45009
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3
AsylG § 4
AufenthG § 60 Abs. 5 und 7

 

Leitsatz

Tenor

I. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 4. Dezember 2020 entschieden werden, obwohl die Beklagte nicht erschienen ist. Denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Die Beklagte wurde form- und fristgerecht geladen.
Soweit die Klage auf Asylanerkennung und Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zurückgenommen wurde, ist das Verfahren einzustellen, § 92 Abs. 3 VwGO.
Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber nicht begründet.
Der Bescheid des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Er hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Asylgesetz – AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG noch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz – AufenthG. Die Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid nach Afghanistan sowie das festgesetzte Einreise- und Aufenthaltsverbot erweisen sich insoweit als rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zur Begründung nimmt das Gericht zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im Bescheid vom 10. März 2017 Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG) und führt im Hinblick auf das klägerische Vorbringen und die aktuelle Auskunftsklage ergänzend aus:
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG.
a. Dem Kläger droht weder die Verhängung noch die Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG). Dem Kläger droht zudem weder Folter noch eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Der Kläger bringt nicht mit Erfolg vor, individuell und unmittelbar von dem Eintritt eines ernsthaften Schadens bedroht zu sein, denn diesem droht bei seiner Rückkehr nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden. Jedenfalls steht ihm eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung (§ 3e Abs. 1 AsylG i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG).
Selbst bei Wahrunterstellung des Vortrags des Klägers, dass dieser vor seiner Ausreise für die afghanische Armee gearbeitet hat, ist es dem Gericht nicht gelungen, sich die volle Überzeugung darüber zu bilden, dass der Kläger vor seiner Ausreise Bedrohungen seitens der Taliban ausgesetzt war bzw. bei seiner Rückkehr zu befürchten hat.
Zwar agieren die Taliban landesweit und dürften im Einzelfall auch in der Lage sein, einen wohl bekannten und exponierten Gegner zu finden, wenn sich dieser in einer anderen Provinz niedergelassen hat (Immigration and Refugee Board of Canada, Afghanistan: Whether the Taliban has the capacity to pursue individuals after they relocate to another region; their capacity to track individuals over the long term; Taliban capacity to carry out targeted killings, 15.2.2016). Angesichts der Anonymität der Großstadt, des fehlenden Meldesystems und der Entfernung zum ursprünglichen Heimatort seiner Familie ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger in Herat oder Mazar-e Sharif aufgesucht und aufgefunden werden würde. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass aufgrund der hohen sozialen Kontrolle selbst in den Großstädten ein vollkommen anonymes Leben auf Dauer nur schwer möglich sein dürfte (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 16.7.2020, S. 18). Gerade in größeren Städten unterhalten die Taliban Netzwerke mit Informanten; so gibt es in Kabul schätzungsweise 1.500 Spione der Taliban. Allerdings richtet sich ihr Interesse aufgrund ihrer personell begrenzten Möglichkeiten vorrangig auf prominente Personen wie Regierungsmitglieder und hochrangige Angehörige der Streitkräfte. Das European Asylum Support Office (EASO) schätzt die Zahl derjenigen, die von den Taliban in größeren Städten Afghanistans gezielt gesucht und verfolgt werden, auf wenige Dutzend bis maximal 100 Personen (EASO, Afghanistan, Individuals targeted by armed actors in the conflict, Dezember 2017, S. 63 f.). Zu diesem Personenkreis gehört der Kläger als einfacher Soldat erkennbar nicht.
Selbst nach den Schilderungen des Klägers kam es nach dem Vorfall mit den Taliban in seinem Heimatdorf in den nachfolgenden eineinhalb Jahren Dienstzeit zu keinen weiteren persönlichen Bedrohungen des Klägers. Es ist nach der Überzeugung des Gerichts bereits nicht ersichtlich, dass die Taliban zum Zeitpunkt der Ausreise des Klägers ein gesteigertes Interesse an dessen Habhaftwerdung hatten, sodass sie – wenn überhaupt – jedenfalls nicht provinzübergreifend nach ihm gesucht haben.
Der Kläger stellt vor dem Hintergrund der genannten Erkenntnisse jedenfalls keine so profilierte und exponierte Persönlichkeit für die Taliban dar, dass diese nunmehr über fünf Jahre nach dessen Ausreise mit Nachdruck nach ihm suchen würden (vgl. hierzu BayVGH U.v. 21.6.2013 – 13a B 12.30170, juris Rn. 29), schon gar nicht, wenn er nicht an den ursprünglichen Heimatort seiner Familie – oder dessen unmittelbare Nähe – zurückkehrt, sondern sich in Herat (Ort der Ausbildung beim Militär und nunmehr Wohnort seiner Familie) oder Mazar-e Sharif (als weitere inländische Fluchtalternative) niederlässt.
In Bezug auf den Kläger sind diese Städte als innerstaatliche Fluchtalternative auch geeignet und ihm zumutbar, sodass vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Dies setzt zunächst voraus, dass die voraussichtlichen Lebensbedingungen dort nicht gegen Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK – verstoßen.
Das Gericht geht mit der obergerichtlichen ständigen und jüngst bestätigten Rechtsprechung davon aus, dass sich auch unter Berücksichtigung der vorliegenden neuesten Erkenntnismittel aus den allgemeinen Lebensverhältnissen in Afghanistan keine Verletzung von Art. 3 EMRK ergibt, da für einen alleinstehenden und arbeitsfähigen Mann ohne Unterhaltsverpflichtungen wie den Kläger regelmäßig sogar ohne nennenswertes Vermögen oder ein familiäres Netzwerk die Möglichkeit besteht, durch Gelegenheitsarbeiten ein kleines Einkommen zu erzielen und damit wenigstens ein Leben am Rande des Existenzminimums zu bestreiten (u.a. BayVGH, U.v. 26.10.2020 – 13a B 20.31087, juris; BayVGH, U.v. 6.7.2020 – 13a B 18.32817, Rn. 47; BayVGH, U.v. 1.10.2020 – 13a B 20.31004, juris Rn. 24). Dabei wird nicht verkannt, dass der Zumutbarkeitsmaßstab bzw. das Zumutbarkeitsniveau über das Fehlen einer im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK maßgeblichen Sicherung des Existenzminimums hinausgeht (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – BVerwGE 146, 12, VGH Mannheim, B.v. 8.8.2018 – A 11 S 1753/18 – juris Rn. 22 und BayVGH, U.v. 1.10.2020 – 13a B 20.31004, juris Rn. 39). Die Zumutbarkeit scheidet in wirtschaftlicher Hinsicht grundsätzlich dann aus, wenn das zu einem menschenwürdigen Leben erforderliche wirtschaftliche Existenzminimum auf einfachem Niveau nicht mehr erreichbar ist, d.h. wenn die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen am Ort der inländischen Fluchtalternative weder durch eine ihm zumutbare Beschäftigung noch auf sonstige Weise gewährleistet ist (BVerwG, B.v. 13.7.2017 – 1 VR 3.17 u.a. – NVwZ 2017, S. 1531 Rn. 114 ff.). Ein verfolgungssicherer Ort bietet erwerbsfähigen Personen das wirtschaftliche Existenzminimum grundsätzlich immer dann, wenn sie dort durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen können (BVerwG, B.v. 17.5.2006 – 1 B 100.05 – juris Rn. 11; U.v. 1.2.2007 – 1 C 24.06, NVwZ 2007, S. 590 Rn. 11). Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa, weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs ausgeübt werden können, auch soweit diese Arbeiten als Tätigkeiten im Bereich einer „Schatten- oder Nischenwirtschaft“ bezeichnet werden. Des Weiteren geht das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass sowohl die mögliche Unterstützung durch Verwandte im In- oder Ausland als auch sonstige Hilfen, also auch nichtstaatliche, in die gerichtliche Prognose mit einzubeziehen sind (vgl. BVerwG, B.v. 13.7.2017 – 1 VR 3.17 u.a. – NVwZ 2017, S. 1531 Rn. 119). Ein Leben in der Illegalität, das den Betroffenen jederzeit der Gefahr polizeilicher Kontrollen und der strafrechtlichen Sanktionierung aussetzt, stellt demgegenüber keine zumutbare Fluchtalternative dar (BVerwG, U.v. 1.2.2007 – 1 C 24.06, NVwZ 2007, S. 590 Rn. 11).
Unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse des Klägers kann vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich in den oben genannten Provinzen, insbesondere in den Provinzhauptstädten niederlässt.
Auch unter Berücksichtigung der aktuellen Lage, in der Afghanistan nach wie vor zu den ärmsten Ländern der Welt zählt und die mit der Covid-19-Krise einhergehende wirtschaftliche Rezession die privaten Haushalte stark belastet (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 16.7.2020, Stand Juni 2020, S. 22), ist das Gericht nach Würdigung der Umstände des Einzelfalls der Überzeugung, dass es dem jungen, gesunden und arbeitsfähigen Kläger ohne Unterhaltsverpflichtungen bei einer Rückkehr insbesondere in den genannten Städten gelingen wird, zumindest durch Hilfstätigkeiten und Gelegenheitsarbeiten seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Der Kläger spricht mit Dari einer der beiden Amtssprachen und hat so die Chance, durch Gelegenheitsarbeiten ein kleines Einkommen zu erzielen. Er hat den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht (vgl. VGH BW, U.v. 5.12.2017 – A 11 S 1444/17 – juris; BayVGH, B.v. 12.4.2017 – 13a ZB 17.30230 – juris) und in Afghanistan bereits mehrere Jahre gearbeitet. Insbesondere kennt er Herat durch seine Ausbildung beim Militär und befindet sich dort nunmehr seine Familie. Das Gericht ist daher der Überzeugung, dass sich der Kläger, der auch in der mündlichen Verhandlung einen offenen und kompetenten Eindruck vermittelt, gegenüber anderen Bewerbern auf dem Arbeitsmarkt in Afghanistan durchsetzen kann und somit die Möglichkeit hat, wenn auch möglicherweise auf sehr bescheidenem Niveau, „von seiner Hände Arbeit“ zu leben. Dies gilt zur Überzeugung des Gerichts auch dann, wenn der Kläger in Mazar-e Sharif nicht über besondere Kenntnisse der örtlichen Gegebenheiten verfügt oder über ein soziales Netzwerk verfügt vgl. EASO, Country Guidance: Afghanistan, Juni 2018, S. 66 f. und S. 109).
Der Kläger kann darüber hinaus auch von verschiedenen Rückkehrhilfen profitieren (z.B. im Rahmen der Programme Assisted Voluntary Return, REAG/GARP- und des ERRIN-Programms, vgl. auch Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 16.7.2020, Stand Juni 2020, S. 24), die neben finanziellen Hilfen entweder für einen begrenzten Zeitraum selbst eine Unterkunft bereitstellen oder bei der Suche nach einer Unterkunft behilflich sind.
Aufgrund dieser Rückkehr- und Starthilfen und unter Berücksichtigung der Arbeitsfähigkeit des Klägers steht es zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich der Kläger in Afghanistan und auch in den genannten Provinzen ein Leben oberhalb des Existenzminimums – wenn auch möglicherweise auf bescheidenem Niveau – sichern wird. Darüber hinaus ist auch anzunehmen, dass die Familie des Klägers diesen in gewissem Umfang wenigstens finanziell unterstützen kann.
Die als inländische Fluchtalternative in Fragen kommenden Städte sind auch im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage geeignet. Das Risiko, dort durch Anschläge Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, liegt weit unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Zur Feststellung, ob eine solche Bedrohung gegeben ist, ist zum einen eine quantitative Ermittlung der verletzten und getöteten Zivilpersonen im Verhältnis zur Einwohnerzahl erforderlich. Darüber hinaus ist neben dieser quantitativen Ermittlung auch eine wertende Gesamtbetrachtung des statistischen Materials mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung erforderlich. Zu dieser wertenden Betrachtung gehört auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann (vgl. BVerwG, U.v. 13.2.2014 – 10 C 6.13 – juris Rn. 24). Allerdings geht die Rechtsprechung in diesem Zusammenhang auch davon aus, dass – bezogen auf die Zahl der Opfer von willkürlicher Gewalt eines Jahres – ein Risiko, verletzt oder getötet zu werden von 1:800 bzw. eine Gefahrendichte von 0,125% so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt ist, dass sich eine im Übrigen unterbliebene wertende Gesamtbetrachtung nicht mehr im Ergebnis auszuwirken vermag. Bei einer geschätzten Einwohnerzahl für den Zeitraum 2019 bis 2020 von 1.967.180 und 400 zivilen Opfern im Jahr 2019 in der Provinz Herat und einer Einwohnerzahl von 1.382.155 und 277 zivilen Opfern in der Provinz Balkh lag die Wahrscheinlichkeit, dort in diesem Zeitraum ein ziviles Opfer willkürlicher Gewalt zu werden, für Herat und für Balkh bei 0,02% und ist damit in beiden Fällen weit von der Erheblichkeitsschwelle von 0,125% entfernt (vgl. UNAMA, Afghanistan – Protection of Civilians in an Armed Conflict, Annual Report 2019, Februar 2020, S. 103). Auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Dunkelziffer bzw. Untererfassung der zivilen Opfer ist noch nicht die Annahme einer Situation außergewöhnlicher allgemeiner Gewalt gegeben (vgl. BayVGH, U.v. 14.11.2019 – 13a B 19.33359 – juris Rn. 29).
Individuelle gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers, aufgrund derer hier eine andere Einschätzung geboten wäre, sind jedenfalls bei einem Leben in einer der Großstädte wie oben ausgeführt nicht ersichtlich. Er ist weder gezwungen, noch ist er nicht darauf angewiesen, sich an Orten wie zentralen Gebieten mit staatlichen bzw. ausländischen Einrichtungen aufzuhalten, die von den Aufständischen als „lohnende“ Ziele (sog. high-profile Ziele) angesehen werden und Schwerpunkt von Anschlägen sind.
Das Gericht geht davon aus, dass die beiden Provinzen Herat mit Herat-Stadt als Hauptstadt und Balkh mit der Hauptstadt Mazar-e Sharif von Kabul als Zielort einer Rückreise oder auch (möglichen) Abschiebung aus in zumutbarer Weise zu erreichen sind. Zwar enden Abschiebungen in der Regel in Kabul, wo es einen internationalen Flughafen gibt. Aber auch Mazar-e Sharif und Herat verfügen jeweils über einen internationalen Flughafen und können auch legal und sicher vom Kläger, jedenfalls von Kabul aus, erreicht werden, da innerstaatlich Flüge von Kabul nach Mazar-e Sharif und Herat gehen (vgl. Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 18.5.2020, S. 220 ff.). Diese Einschätzung wird auch nicht durch die aktuelle Covid-19-Pandemie in Frage gestellt. Selbst wenn aufgrund der aktuellen Pandemielage bei einer Rückkehr des Klägers nach Afghanistan der Flugverkehr eingeschränkt sein sollte, gibt es keine Anhaltspunkte, dass dies für unbestimmte Zeit gelten könnte (vgl. auch VG München, U.v. 21.4.2020 – M 16 K 17.41340). Für eine erneute Einstellung des wieder aufgenommenen Flugverkehrs bestehen derzeit überdies keine Anhaltspunkte.
b. Die allgemeine Gefährdungslage in Afghanistan kann ebenfalls nicht zur Zuerkennung subsidiären Schutzes führen. Eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG hat der Kläger nach Überzeugung des Gerichts ebenfalls nicht zu befürchten.
Dabei kann offenbleiben, ob die in Afghanistan oder Teilen von Afghanistan stattfindenden gewalttätigen Auseinandersetzungen nach Intensität und Größenordnung als innerstaatlicher Konflikt zu qualifizieren sind, weil nach Überzeugung des Gerichts der Kläger keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt wäre (§ 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG). Maßgeblicher Bezugspunkt für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nummer 3 AsylG ist die Herkunftsregion des Betroffenen, in die er typischerweise zurückkehren wird (vgl. zum örtlichen Bezugspunkt der Gefahrenprognose BVerwG, B.v. 14.11.2012 – 10 B 22/12 – juris).
Die allgemeine Gefährdungslage in Afghanistan bzw. in der Provinz Kabul, in der der Kläger im Falle einer Abschiebung voraussichtlich ankommen wird (s.o.), erreicht auch unter Zugrundelegung der aktuellen Erkenntnisquellen keine Intensität aufgrund derer bereits ohne das Vorliegen individueller gefahrerhöhende Umstände von der Erfüllung des Tatbestandes des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG auszugehen wäre. Bei einer Bevölkerungszahl von mindestens 4,7 Mio. Einwohnern (vgl. Islamic Republic of Afghanistan Central Statistics Organization, Afghanistan Statistical Yearbook 2017-18, August 2018, S. 5; Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Afghanistan, 13.11.2019, S. 36) und einer Zahl von 1.563 im Jahr 2019 getöteten und verletzten Zivilpersonen (vgl. UNAMA, Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflicts: 2019, Annex IV, Februar 2020, S. 94) liegt in Kabul ein Risiko von 1 zu 3007 bzw. eine Gefahrendichte von 0,03% vor, die auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Dunkelziffer bzw. Untererfassung der zivilen Opfer deutlich unter der Schwelle der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit liegt (vgl. dazu BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 23 und U.v. 13.2.2014 – 10 C 6.13 – juris Rn. 13).
Vor allem aber liegt das Risiko in den genannten Provinzen Herat mit Herat-Stadt und Balkh mit Mazar-e-Sharif, wie oben ausgeführt, erheblich unter der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit.
Diese Einschätzung wird darüber hinaus durch den Bericht von UNAMA für das dritte Quartal 2020 (UNAMA, Afghanistan Third Quarter Report on Protection of Civilians in Armed Conflict: 1 January to 30 September 2020) bestätigt. Danach sind die zivilen Opferzahlen (für ganz Afghanistan) mit insgesamt 5.939 Getöteten und Verletzten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 30 v. H. zurückgegangen und haben den niedrigsten Stand für die ersten neun Monate eines Jahres seit 2012 erreicht.
Auch unter Berücksichtigung der jüngsten Anschläge (z.B. Raketenangriff im Zentrum Kabuls am 21. November 2020) ändert sich die Risikosituation nicht wesentlich.
Individuelle, gefahrerhöhende Umstände, die eine Gefährdung im obigen Sinne dennoch begründen könnten, liegen beim Kläger nicht in einem rechtlich relevanten Maß vor (s.o.). Ebenso wenig ergibt sich bei der erforderlichen wertenden Gesamtbetrachtung des statistischen Materials mit Blick auf die Anzahl der Opfer und der Schwere der Schädigungen – Todesfälle und Verletzungen – bei der Zivilbevölkerung ein anderes Ergebnis. Angesichts des bei quantitativer Betrachtung niedrigen Risikos kann die gebotene qualitative Betrachtung hier auch im Übrigen nicht zu einem Anspruch des Klägers auf Gewährung subsidiären Schutzes führen.
2. Schließlich besteht kein nationales Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
a. Ein Abschiebungsverbot gemäß auf § 60 Abs. 5 AufenthG kommt nicht in Betracht, da dem Kläger keine Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung droht. Eine solche ergibt sich zunächst nicht aus dem individuellen Verfolgungsvortrag des Klägers und der allgemeinen Gefährdungslage (vgl. dazu Ausführungen oben).
Ein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 5 AufenthG ergibt sich auch nicht aus der aktuellen humanitären bzw. wirtschaftlichen Lage in Afghanistan.
Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der sich das erkennende Gericht anschließt, ist nicht davon auszugehen, dass eine Abschiebung nach Afghanistan ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und deshalb ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG anzunehmen wäre (BayVGH, U.v. 26.10.2020 – 13a B 20.31087, juris; BayVGH, U.v. 1.10.2020 – 13a B 20.31004; BayVGH, U.v. 6.7.2020 – 13a B 18.32817, juris Rn. 47). Das Gericht geht unter Berücksichtigung der tagaktuellen Erkenntnismittellage insoweit weiterhin davon aus, dass ein alleinstehender und arbeitsfähiger Mann ohne Unterhaltsverpflichtungen regelmäßig auch ohne nennenswertes Vermögen im Fall einer zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland Afghanistan in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten ein kleines Einkommen zu erzielen und damit wenigstens ein Leben am Rande des Existenzminimums zu bestreiten. Es bestehen grundsätzlich trotz großer Schwierigkeiten auch für Rückkehrer Perspektiven im Hinblick auf die Sicherung des Lebensunterhalts, wobei die Rückkehrer aus dem Westen auf dem Arbeitsmarkt schon aufgrund ihrer Sprachkenntnisse in einer vergleichsweise guten Position sind. Ausreichend ist die Möglichkeit einer hinreichenden Verständigung in einer der afghanischen Landessprachen, ein stützendes Netzwerk in Afghanistan ist hilfreich aber nicht erforderlich.
Zwar ist die Versorgungslage nach Auswertung der herangezogenen Erkenntnismittel in Afghanistan weiterhin schlecht (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, Stand Juni 2020, S. 22 ff.). Soziale Sicherungssysteme existieren praktisch nicht. Die soziale Absicherung liegt bei den Familien und Stammesverbänden. Es liegen jedoch keine Erkenntnisse vor, die hinreichend verlässlich den Schluss zulassen, dass jeder alleinstehende, arbeitsfähige männliche Rückkehrer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Afghanistan eine Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung zu erwarten hätte; die hohen Anforderungen aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK sind damit weiterhin nicht erfüllt. Zudem liegen trotz hoher Rückkehrzahlen keine Erkenntnisse dahingehend vor, dass gerade auch leistungsfähige erwachsene männliche Rückkehrer in Afghanistan in großer Zahl oder sogar typischerweise von Obdachlosigkeit, Hunger, Krankheit betroffen oder infolge solcher Umstände gar verstorben wären (vgl. BayVGH, U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31918, juris Rn. 32 und BayVGH, U.v. 6.7.2020 – 13a B 18.32817, juris Rn. 63).
Auch wenn die wirtschaftliche Lage in Afghanistan weiterhin angespannt ist und sich in Folge der Covid-19-Pandemie weiter verschärft hat, kann der erwerbsfähige volljährige Kläger bei seiner Rückkehr auch ohne Unterstützung seiner Familie den Lebensunterhalt sichern. Der … Kläger spricht eine der Landessprachen (Dari) und ist auch arbeitsfähig. Der Kläger arbeitet nach eigenen Angaben derzeit als Helfer bei einem Maskenhersteller. Zuvor hat er in der Systemgastronomie gearbeitet. In Afghanistan hat der Kläger nach sieben Jahren Schulbildung zunächst im Lebensmittelgeschäft seines Vaters gearbeitet und wurde dann Soldat. Es ist davon auszugehen, dass der Kläger auch weiterhin in der Lage sein wird, zu arbeiten.
Auch der Gesundheitszustand des Klägers steht seiner Erwerbstätigkeit und insoweit einer Rückkehr nach Afghanistan nicht entgegen. Der Kläger erklärte in der mündlichen Verhandlung er sei gesund.
Ohne dass es hierauf ankommt – s.o. – kann der Kläger auf eine gewisse Unterstützung seitens seiner Familie zählen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass seine Familie nach Herat gezogen sei. Der Kläger gibt zwar an, dass derzeit kein Kontakt bestehe, das Gericht sieht es jedoch nicht als fernliegend an, dass der Kontakt im Falle einer Rückkehr wiederhergestellt werden könnte.
Auch die Berücksichtigung der aktuellen Entwicklung durch die Corona-Pandemie führt zu keinem anderen Ergebnis.
Nach den am 19. November 2020 vorgelegten Zahlen des Afghanischen Ministry of Public Health waren zu diesem Zeitpunkt 44.133 Personen mit dem Coronavirus infiziert, 35.339 galten als genesen und 1.650 Personen waren am Coronavirus verstorben. Getestet wurden 133.691 Personen (OCHA: Afghanistan – Strategic Situation Report: COVID-19, No. 84, 19.11.2020, S. 1).
Nachdem für verschiedene Städte und Regionen Ausgangsbeschränkungen bis 24. Mai 2020 bestanden, wurden diese zwischenzeitlich bis heute verlängert, werden aber jedenfalls im Wesentlichen nicht mehr durchgesetzt (OCHA: Afghanistan – Strategic Situation Report: COVID-19, No. 71, 27.8.2020, S. 3; BAMF, Briefing Notes – Gruppe 62 v. 7.9.2020, S. 2). Auch die Verhaltensempfehlungen werden nicht überall beachtet. Zwischenzeitlich können beispielsweise die Bewohner von Kabul wieder ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen (OCHA, Afghanistan – Brief No. 48 COVID-19, 28.5.2020, S. 3; OCHA, Afghanistan – Brief No. 55 COVID-19, 21.6.2020, S. 3f; BAMF, Briefing Notes Gruppe 62, 15.6.2020, S. 1; EASO Special Report: Asylum Trends and Covid-19, June 2020, S. 11). Der Verdienst von ungelernten Kräften liegt derzeit bei 300 – 400 AFG pro Tag. Die Anzahl der Tage pro Woche, an denen Arbeit zur Verfügung steht, liegt zwischen zwei (Kabul) und sechs (Bamyan) (BAMF, Briefing Notes – Gruppe 62 v. 14.9.2020, S. 1). In den meisten Städten haben Geschäfte und Restaurants geöffnet (OCHA, Afghanistan – Strategic Situation Report: COVID-19, No. 65, 26.7.2020, S. 2).
Die in Afghanistan tätigen Hilfsorganisationen können weiterhin ihrer Tätigkeit nachgehen, wobei die bestehenden Beschränkungen die Tätigkeit zunehmend weniger behindern (z.B. OCHA: Afghanistan – Strategic Situation Report: COVID-19, No. 71, 27.8.2020, S. 2). Neben Hilfe bei der Bewältigung der Corona-Pandemie leisten sie auch humanitäre Hilfe für Rückkehrer (OCHA: Afghanistan – Brief No. 55 COVID-19, 21.6.2020, S. 2). Daneben ist eine Kultur der Großzügigkeit, des Freiwilligendienstes und der Fürsorge innerhalb der Gemeinschaft wieder zum Vorschein gekommen. Landesweit verzichten viele Vermieter auf die Miete, Schneider verteilen tausend selbstgemachte Gesichtsmasken, Sportler liefern Lebensmittel an Krankenhäuser und Familien in Not (Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Kurzinformation der Staatendokumentation – COVID 19 Afghanistan; Stand: 2.4.2020, S. 1f).
Eine durch die Corona-Pandemie drastische Verschärfung der Versorgungslage mit Nahrungsmitteln ist derzeit nicht feststellbar. Zwar sind die Preise für Lebensmittel durchschnittlich 10% – 20% gestiegen, während das Einkommen der Haushalte Corona bedingt wegen eingeschränkter Erwerbsmöglichkeiten gesunken ist, wobei Einwohner ländlicher Gebiete nicht so stark betroffen sind, da sie die Möglichkeit der Selbstversorgung haben, im Gegensatz zur städtischen Bevölkerung (IPC, Afghanistan – Acute Food Insecurity Analysis April 2020 – November 2020, May 2020, S. 3; ACCORD, Afhganistan – COVID 19, 5.6.2020, S. 4). Auch konnte erreicht werden, dass die Grenzübergänge in den Iran, nach Pakistan, Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan für den Güterverkehr weiterhin geöffnet sind (OCHA, Afghanistan – Strategic Situation Report: COVID-19, No. 77, 17.9.2020, S. 2). Kasachstan, der Hauptlieferant Afghanistans mit Weizen, hat seine Exportbeschränkungen inzwischen aufgehoben (IPC, Afghanistan – Acute Food Insecurity Analysis April 2020- November 2020, May 2020, S. 2). Lokale Führer profilieren sich zudem, in dem sie u.a. gegen Preistreiberei vorgehen. Auch hat eine Reihe von Religionsgelehrten und afghanische Bürger/innen die Geschäftswelt und die Händler aufgefordert, von Preistreiberei und Hamstern Abstand zu nehmen (Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Kurzinformation der Staatendokumentation – COVID-19 Afghanistan; Stand: 2.4.2020, S. 2). Nach der Ernte wird mit einer Verbesserung der Nahrungsmittelversorgung gerechnet (IPC, Afghanistan – Acute Food Insecurity Analysis April 2020- November 2020, May 2020, S. 3).
Nach alledem geht das Gericht davon aus, dass dem Kläger bei einer Rückkehr auch vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie nicht jedwede Möglichkeit genommen ist, seine Existenz zu sichern.
Zu berücksichtigen ist auch, dass es sich bei den Ausgangsbeschränkungen und wirtschaftlichen Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie um ein temporäres Phänomen handelt. Auch kann der Kläger als Rückkehrer von verschiedenen Rückkehrhilfen profitieren (z.B. REAG/GARP- und des ERRIN-Programm). Für einen alleinstehenden Mann umfasst das „REAG/GARP-Programm 2020“ neben der Übernahme der Reisekosten, eine Reisebeihilfe in Höhe von 200 EUR, medizinische Unterstützung bis zu 2.000 EUR für drei Monate sowie eine Starthilfe in Höhe von 1.000 EUR (vgl. REAG/GARP-Programm 2020, https://www.returningfromgermany.de/de/programmes/reag-garp). Hinzu kommen die kumulativ zur Verfügung stehenden Leistungen nach dem Europäischen Rückkehr- und Reintegrationsprogramm „ERRIN“ (vormals „ERIN“). Diese beinhalten z.B. Services bei der Ankunft, Beratung und Begleitung zu behördlichen, medizinischen und karitativen Einrichtungen, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Unterstützung bei der Wohnungs- und Arbeitsplatzsuche sowie Hilfestellungen bei der Existenzgründung. Die Unterstützung wird über eine vor Ort tätige Partnerorganisation in Form von Sachleistungen gewährt und kann bei einer freiwilligen Rückkehr Leistungen im Wert von bis zu 2.000 EUR, bei rückgeführten Personen bis zu 1.500 EUR umfassen (vgl. Informationsangebote des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge im Internet, Stand: Februar 2020).
b. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Ein Abschiebungsverbot wegen allgemeiner Gefahren – wie die Corona-Pandemie eine darstellt – kommt schon allein auf Grund der Sperrwirkung des § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht in Betracht. Sind zudem die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen schlechter humanitärer Bedingungen nicht erfüllt, so scheidet auch eine verfassungskonforme Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aus, da die hierfür extreme Gefahrenlage nicht vorliegt (vgl. BayVGH U.v. 21.11.18 – 13a B 30632 – juris unter Bezugnahme auf VGH BW U.v. 12.10.18 – A 11 S 316/17 – juris Rn. 453). Individuelle Umstände in der Person des Klägers, insbesondere gesundheitlicher Art, die eine andere Beurteilung rechtfertigen, sind nicht ersichtlich; der Kläger ist gesund (s.o.).
Auch die mögliche Gefahr des Klägers am Coronavirus schwer zu erkranken oder daran zu versterben, rechtfertigt kein Abschiebungsverbot aus gesundheitlichen Gründen. Der Kläger ist jung und gesund, so dass weder dargelegt noch sonst ersichtlich ist, dass ihn ein besonderes Risiko trifft, bei einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus schwer zu erkranken oder gar zu versterben (vgl. zu den Risikogruppen: Steckbrief des Robert-Koch-Institut, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html, abgerufen am 30.10.2020). Es ist daher nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger schwerwiegend oder gar lebensbedrohlich erkranken würde.
3. Die nach Maßgabe der § 34 Abs. 1, § 38 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nach Afghanistan ist in rechtlicher Hinsicht gleichfalls nicht zu beanstanden. Das gemäß § 11 Abs. 2, Abs. 3 AufenthG festgesetzte Einreise- und Aufenthaltsverbot von 30 Monaten begegnet keinen Bedenken.
Nach alledem war die Klage, soweit sie nicht zurückgenommen wurde, abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des zurückgenommenen Teils der Klage auf § 155 Abs. 2 VwGO, im Übrigen auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.


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