Verwaltungsrecht

Albanien ist ein sicherer Herkunftsstaat

Aktenzeichen  M 17 S 16.30346

Datum:
4.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4, § 29a
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
EMRK EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1 Albanien ist ein sicherer Herkunftsstaat. Bei einer Gefahr für Leib und Leben durch nichtstaatliche Dritte kann auf die Hilfe durch die zuständigen Behörden in Albanien verwiesen werden. Zumindest besteht eine inländische Fluchtalternative. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die allgemein harten Lebensbedingungen und ärmlichen Verhältnisse begründen kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1 AufenthG, da die humanitären Bedingungen für Rückkehrer nicht den Schweregrad einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung iSd Art. 3 EMRK aufweisen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der 18-jährige Antragsteller ist albanischer Staatsangehöriger muslimischer Glaubensrichtung. Er reiste nach eigenen Angaben am … April 2014 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte durch die Vormundschaft des Stadtjugendamtes … am 13. August 2014 einen Asylantrag.
Bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am … Juli 2015 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, familiäre Probleme gehabt zu haben. Sein Vater habe getrunken und der Antragsteller sei derjenige gewesen, der sich um alles habe kümmern müssen. In Albanien hätte er immer arbeiten müssen, auch über zehn Stunden täglich. Eines Tages sei er wegen der Schulden seines Vaters für zehn bis vierzehn Tage von dessen Gläubigern entführt und misshandelt worden. Er sei mit dem Leben bedroht worden und habe in dieser Zeit zwangsweise in der Landwirtschaft oder auf Baustellen arbeiten müssen. Dabei habe er im Freien schlafen müssen und nur einfachstes Essen wie Wasser und Brot erhalten. Insgesamt sei er viermal (im Frühjahr 2013, August 2013, September 2013 und März 2014) entführt worden. Zuletzt hätten die Entführer ihn verprügelt, bedroht und in seine Richtung geschossen. Auf den Inhalt der Niederschrift (Bl. 39ff. der Behördenakte – d.BA) wird verwiesen.
Am 31. Juli 2015 nahm der Antragsteller durch die Vormundschaft des Stadtjugendamtes … seinen Asylantrag beim Bundesamt wirksam zurück (Bl. 60 d.BA). Mit Vollendung seines 18. Lebensjahres (… November 2015) endete die Vormundschaft.
Mit Bescheid vom 28. Januar 2016, der an den Antragsteller adressiert als Einschreiben gemäß § 4 Abs. 2 VwZG am 18. Februar 2016 zur Post gegeben wurde, stellte das Bundesamt das Asylverfahren ein (Nr. 1) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 2). Es forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde ihm die Abschiebung nach Albanien angedroht (Nr. 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4). In Anbetracht der Rücknahme des Asylantrags sei das Asylverfahren gemäß § 32 Satz 1 AsylG einzustellen gewesen. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG seien weder vorgetragen worden noch lägen solche nach den Erkenntnissen des Bundesamtes vor. Zum Einreise- und Aufenthaltsverbot seien keine schutzwürdigen Belange geltend gemacht worden. Der Antragsteller verfüge im Bundesgebiet über keine wesentlichen Bindungen, die im Rahmen der Ermessensprüfung zu berücksichtigen wären. Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.
Am 26. Februar 2016 erhob die Bevollmächtigte des Antragstellers beim Verwaltungsgericht München Klage (M 17 K 16.30345) mit den Anträgen, den Bescheid des Bundesamtes vom 28. Januar 2016 in Ziffern 2., 3. und 4. aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten festzustellen, dass beim Antragsteller Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Albanien vorliegen. Gleichzeitig wurde beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung des Bundesamtes vom 28. Januar 2016 anzuordnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Antragsgegnerin im streitgegenständlichen Bescheid nicht mit der Frage des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG auseinandergesetzt habe. Sie müsse grundsätzlich den Sachverhalt klären und die erforderlichen Beweise erheben. Inhaltliche Ausführungen oder eine Überprüfung des von dem Antragsteller in der Anhörung Vorgetragenen sei nicht erfolgt. Zudem liege ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vor. Dem Antragsteller drohe in Albanien sowohl eine unmenschliche als auch eine erniedrigende Behandlung. Der Antragsteller würde bei seiner Rückkehr nach Albanien aufgrund der Schulden seines Vaters erneut die Entführung und Zwangsarbeit bei den Schuldeneintreibern drohen und damit konkret gefährdet sein, verprügelt, geschlagen und mit dem Tod bedroht zu werden, lediglich Brot und Wasser als Nahrung neben der harten Arbeit zu erhalten und im Freien schlafen zu müssen. Hierbei handele es sich um eine erniedrigende Behandlung, da beim Antragsteller Gefühle der Angst, des Schmerzes oder der Unterlegenheit erweckt würden, die geeignet seien, ihn dazu zu bringen, gegen seinen Willen oder sein Gewissen zu handeln. Bei seiner Rückkehr könne ihm weder der albanische Staat Schutz bieten, noch könne er Unterstützung durch seine Familie erfahren. Die vorhandenen Berichte über Albanien zeigten deutlich, dass schwerwiegende Diskriminierungen von Angehörigen gesellschaftlicher Minderheiten, ein korruptes staatliches System in Verbindung mit schwerwiegenden Störungen des Gerichtssystems erkennbar seien. Sowohl das Auswärtige Amt als auch der Kommissar für Menschenrechte des Europarates würden ein hohes Maß an Korruption, Nepotismus und organisiertes Verbrechen und eine Kultur der Straflosigkeit und fehlenden Implementierung der vorhandenen Regelwerke feststellen. Diese schwerwiegenden Defizite würden das wirksame Funktionieren des Gerichtssystems ernsthaft beeinträchtigen und das Vertrauen der Öffentlichkeit in Gerechtigkeit und Rechtstaatlichkeit aushöhlen (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Februar 2013, S. 5; Commissioner for Human Rights, Report following his visit to Albania from 23 to 27 September 2013 vom 16. Januar 2014, S. 2ff.). Der albanische Staat sei nicht in der Lage, Fälle der Schuldeneintreibung durch Zwangsarbeit zu verhindern. Der Fall des Antragstellers sei kein Einzelfall, jedoch blieben Anzeigen bei der Polizei hinsichtlich der Zwangsarbeitsfälle ohne Erfolg. Der albanische Staat sei mit dieser Situation vollkommen überfordert. Die Polizei gehe der Sache zwar nach, jedoch blieben die Anzeigen letztlich ohne Abschluss. Der Antragsteller habe große Angst gehabt, zur Polizei zu gehen, da die Entführer ihm drohten, ihn und seine Familie zu erschießen. Eine Rückkehr zu seiner Familie sei dem Antragsteller gerade aufgrund der Bedrohung durch die Schuldeneintreiber unmöglich. Dort würde man ihn finden und wiederum die Schulden seines Vaters abarbeiten lassen. Nach Kenntnisnahme der Geschehnisse habe der Vater lediglich mit den Worten reagiert, dass dies Männersache sei und der Antragsteller lediglich hätte arbeiten müssen. Ein Schutz durch die Familie sei daher bei Rückkehr nach Albanien nicht zu erwarten. Eine alternative Ansiedlung in einem anderen Landesteil Albaniens ohne Unterstützung durch den Familienverbund sei für einen unausgebildeten Jugendlichen nicht möglich. Es bestehe die akute Gefahr, dass der Antragsteller aufgrund seiner jetzigen Volljährigkeit von den Gläubigern erschossen werde, um gegenüber dem Vater ein Zeichen zu setzen, dass man es mit der Eintreibung der Schulden ernst meine. Zudem lägen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 4 Abs. 2 EMRK vor, da dem Antragsteller im Heimatstaat Zwangs- und Pflichtarbeit drohe, zu der niemand gezwungen werden dürfe. Eine Ausnahme nach Art. 4 Abs. 3 EMRK liege nicht vor, da der Antragsteller weder vom albanischen Staat noch von der Familie Schutz erwarten könne. Des weiteren bestehe ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG, da eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit vorliege.
Die Antragsgegnerin übersandte mit Schreiben vom 1. März 2016 die Behördenakten und stellte keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren M 17 K 16.30345 sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
1. Der zulässige Antrag, die kraft Gesetzes gemäß § 38 Abs. 2 AsylG i. V. m. § 75 Asylgesetz (AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) anzuordnen, hat in der Sache keinen Erfolg.
Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts überwiegt. Bei der im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens gebotenen Abwägung der für und gegen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung sprechenden Gesichtspunkte unter maßgeblicher Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Verfahrens in der Hauptsache überwiegt hier das öffentliche Vollziehungsinteresse. Es bestehen unter Zugrundelegung der jetzigen Sach- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung.
1.1. Der streitgegenständliche Bescheid ist formell rechtmäßig. Soweit vorgetragen wird, das Bundesamt habe sich im vorliegenden Verfahren mit der Frage des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht hinreichend auseinandergesetzt, trägt dies nicht.
Nach § 31 Abs. 1 Satz 2 AsylG ist die Entscheidung des Bundesamtes über Asylanträge “schriftlich zu begründen”. Auch für Einstellungsentscheidungen nach § 32 AsylG gelten die Formvorschriften des § 31 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 AsylG (Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Auflage 2013, § 32 Rn. 6). Im vorliegenden Fall ist die Entscheidung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AsylG nicht vorliegen, dahingehend begründet worden, dass entsprechende Abschiebungsverbote weder vorgetragen sind noch solche nach den Erkenntnissen des Bundesamtes vorliegen. Im Hinblick darauf, dass Albanien als sicherer Herkunftsstaat eingestuft ist und sich dem Bundesamt aus dem Vortrag des Antragstellers im Rahmen seiner Anhörung entsprechende Abschiebungsverbote ohne die erst im gerichtlichen Verfahren vorgebrachten Ergänzungen seiner Bevollmächtigten nicht haben aufdrängen müssen, genügen die Ausführungen des Bundesamtes in dem streitgegenständlichen Bescheid ungeachtet des § 46 VwVfG (noch) dem Begründungserfordernis nach § 31 Abs. 1 Satz 2 AsylG. Entgegen der Auffassung der Antragstellerseite kam das Bundesamt seinen Pflichten gemäß § 24 AsylG ausreichend nach, indem es insbesondere den Antragsteller persönlich anhörte.
1.2. Der Bescheid des Bundesamtes vom 28. Januar 2016 ist nach summarischer Prüfung auch materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG für den Erlass der Abschiebungsandrohung liegen vor, da der Antragsteller nicht als Asylberechtigter anerkannt ist, ihm weder die Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) noch der subsidiäre Schutzstatus (§ 4 AsylG) zuerkannt wurde und er keinen Aufenthaltstitel besitzt. Nach wirksamer Antragsrücknahme vom 31. Juli 2015 stellte das Bundesamt zu Recht das Asylverfahren nach § 32 Satz 1 AsylG ein. Die gesetzte Ausreisefrist von einer Woche ergibt sich für den Fall der Rücknahme des Asylantrags vor der Entscheidung des Bundesamts aus § 38 Abs. 2 AsylG.
Das Bundesamt ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Abschiebung des Antragstellers nicht gegen § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG verstößt.
Soweit der Antragsteller sich darauf beruft, dass Gefahr bestehe, dass er durch nichtstaatliche Akteure entführt, bedroht und zur Zwangsarbeit gezwungen werde, erfüllt diese Bedrohungslage nicht die Voraussetzungen der § 60 Abs. 5 i. V. m. Art. 3 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) (BGBl. 1952 II, S. 685) i. V. m. Art. 4 Abs. 2 EMRK und § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
1.2.1. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand u. a. einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen werden. Nach Art. 4 Abs. 2 EMRK darf niemand gezwungen werden, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu verrichten.
Bei der Entscheidung darüber, ob im Falle einer Abschiebung die Gefahr von Misshandlungen besteht, müssen die absehbaren Folgen unter Berücksichtigung der allgemeinen Lage im Bestimmungsland und der besonderen Umstände des Betroffenen geprüft werden. Eine Abschiebung kann die Verantwortlichkeit des Staates nach der Konvention dabei nur begründen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene im Falle seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer nach dem obigen Maßstab Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden (“real risk”; vgl. EGMR, Urteil vom 28.02.2008 – 37201/06, Saadi/Italien – NVwZ 2008, S. 1330); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (BVerwG, U. v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris unter Bezugnahme auf BVerwG, U. v. 27.04.2010 – 10 C 4.09 – Rn. 22 zu § 60 Abs. 2 AufenthG und Art. 15 lit. b QRL).
Nach obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. BVerwG, U. v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris; BayVGH, U. v. 21.11.2014 – 13a B 14.30284 – juris Rn. 17) berücksichtigt diese Vorschrift nicht nur Gefahren für Leib und Leben, die seitens eines Staates oder einer staatsähnlichen Organisation drohen. Das Bundesverwaltungsgericht geht in seiner Rechtsprechung im Hinblick auf die Entscheidungspraxis des EGMR dabei davon aus, dass Gefährdungen für ein Menschenrecht der EMRK auch von einem nichtstaatlichen Akteur ausgehen können (vgl. BVerwG, U. v. 13.06.2013 – 10 C 13/12 – BVerwGE 147, 8 = juris Rn. 25 unter Ausgabe der früheren Rechtsprechung BVerwG, U. v. 15.04.1997 – 9 C 38.96 – zur Vorgängernorm des § 53 Abs. 4 AuslG, juris). Weil das Recht absolut garantiert wird, kann Art. 3 EMRK auch anwendbar sein, wenn die Gefahr von Personen oder Gruppen von Personen ausgeht, die nicht Vertreter des Staates sind. Es muss aber sowohl bei Art. 3 EMRK als auch bei Art. 4 Abs. 2 EMRK bewiesen werden, dass die Gefahr wirklich besteht und die Behörden des Bestimmungslandes die Gefahr nicht durch angemessenen Schutz beseitigen können (EGMR, U. v. 28.06.2011 – 8319/07, Sufi u. Elmi/Vereinigtes Königreich – NVwZ 2012, S. 681 m.N.; VGH BW, U. v. 24.07.2013 – A 11 S 697/13 – juris Rn. 74 – hinsichtlich Art. 3 EMRK).
Die behauptete Bedrohungslage erfüllt diese Voraussetzungen jedenfalls nicht. Dem Antragsteller ist die Inanspruchnahme staatlichen Schutzes zumutbar (a.). Für ihn besteht die Möglichkeit, sich in einem anderen Landesteil niederzulassen (b.).
a) Das Gericht teilt gemessen an den vorliegenden Erkenntnismitteln (vor allem auch des Berichts über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien des Auswärtigen Amts vom 10. Juni 2015 (Stand Mai 2015) – im Folgenden: Lagebericht) die Einschätzung des Bundesamtes, dass der albanische Staat bei einer derartigen Bedrohung, bei der es sich um kriminelles Unrecht eines nichtstaatlichen Akteurs handelt, in der Lage und auch willens ist, hinreichenden Schutz zu gewähren (§ 3c Nr. 3, § 3d Abs. 1 und 2 AsylG; vgl. allgemein zum Schutz durch den albanischen Staat auch: OVG NW, B. v. 23.02.2015 – 11 A 334/14.A – juris Rn. 8 ff.; VG München, B. v. 10.09.2015 – M 2 S 15.31175; VG München, B. v. 4.2.2016 – M 11 S 15.31693; VG München, B. v. 14.01.2016 – M 4 S 15.31618; VG Düsseldorf, B. v. 1.02.2016 – 17 L 95/16.A – juris Rn. 18ff. ; B. v. 28.10.2015 – 17 L 2938/15.A – juris; VG Arnsberg, B. v. 23.02.2016 – 5 L 242/16.A – juris Rn. 23 ff.). Die von der Bevollmächtigten des Antragstellers insofern zitierten Erkenntnismittel stammen vom 10. Februar 2013 und 16. Januar 2014 und spiegeln daher nicht die aktuelle Lage wider.
Dafür spricht auch die Einstufung Albaniens als sicherer Herkunftsstaat (vgl. § 29 a Abs. 2 AsylG i. V. m. Anlage II) aufgrund des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20. Oktober 2015 (BGBl I S. 1722) mit Wirkung vom 24. Oktober 2015. Gegen die Einstufung Albaniens als sicherer Herkunftsstaat bestehen weder verfassungsrechtliche noch europarechtliche Bedenken (VG München, B. v. 1.03.2016 – M 17 S 16.30322).
b) Ferner ist davon auszugehen, dass jedenfalls in Fällen wie dem vorliegendem – Drohung mit Entführung und Zwangsarbeit durch nichtstaatliche Dritte wegen Schulden – ganz offensichtlich eine inländische Fluchtalternative besteht. Der Antragsteller kann jedenfalls durch Verlegung seines Wohnsitzes in urbane Zentren anderer – etwa südlicher – Landesteile Albaniens, wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist und nichtstaatliche Dritte mit asylrechtlich hinreichender Sicherheit nicht ausfindig machen können, eine etwaige Gefahr für Leib oder Leben abwenden. Eine Übersiedelung in andere Teile des Landes unterliegt keinen rechtlichen Einschränkungen (vgl. Lagebericht S. 11; VG Düsseldorf, U. v. 12.03.2015 – 6 K 8197/14.A – juris Rn. 63; VG Düsseldorf, B. v. 23.11.2015 – 17 L 3729/15.A – juris Rn. 38ff.; VG Düsseldorf, B. v. 14.10.2015 – 17 L 3111/15. A – juris, Rn. 20; VG Oldenburg, U. v. 10.4.2015 – 5 A 1688/14 – juris; VG München, B. v. 3.2.2016 – M 5 S 15.31520 – UA S. 7). Soweit der Antragsteller vorträgt, eine alternative Ansiedlung in einem anderen Landesteil Albaniens ohne Unterstützung durch den Familienverbund sei für einen unausgebildeten Jugendlichen nicht möglich, genügt nicht für eine substantiierte Darlegung, dass im gesamten Albanien keine wirksame und dauerhafte Sicherheit vor kriminellen Übergriffen gewährleitet sei. Zumal Familienangehörige des Antragstellers – nach dessen eigenen Angaben – nicht nur in … leben, sondern auch in …, woher seine Familie ursprünglich stamme.
1.2.2. Allein wegen der harten Lebensbedingungen und allgemein bestehenden ärmlichen Verhältnisse in Albanien vermag sich der Antragsteller weder auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG noch auf § 60 Abs. 5 AufenthG unter Berücksichtigung von Art. 3 EMRK zu berufen. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse kann nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschlich oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK erfüllen (BVerwG, U. v. 31.01.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, S. 1167ff. – juris Rn. 23 – 26 sowie Rn. 38; VGH BW, U. v. 24.07.2013 – A 11 S 697/13 m. w. N.). Anhaltspunkte dafür, dass dem Antragsteller eine Existenzgrundlage bei seiner Rückkehr gänzlich fehlen würde, sind nicht ersichtlich. Die humanitären Bedingungen für Rückkehrer sind grundsätzlich nicht als derart schlecht zu bewerten, dass diese den Schweregrad einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK aufweisen (VG München, B. v. 23.11.2015 – M 2 S 15.31322 – UA S. 12f.; U. v. 17.11.2015 – M 2 K 15.31226). Unter Berücksichtigung der derzeitigen humanitären Bedingungen in Albanien reicht hierfür der bloße Verweis des Antragstellers auf die schwierigen familiären Verhältnisse und die Arbeitslosigkeit der Familienmitglieder schon im Ansatz ganz offensichtlich nicht aus.
Für den Kläger, bei dem – wie dargelegt – keine gefahrerhöhenden Umstände vorliegen, besteht nach Überzeugung des Einzelrichters auf der Grundlage seines Vorbringens bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland auch keine individuelle erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung („extreme Gefahrenlage“).
2. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist allein darauf gerichtet, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung anzuordnen. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot hat hierauf keinen Einfluss. Ungeachtet dessen erscheint auch die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots aus § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG auf 30 Monate ebenfalls nach summarischer Prüfung rechtmäßig, da sie den Tatbestandsvoraussetzungen des § 11 Abs. 3 Satz 1 und 2 AufenthG entspricht. Der Antragsteller hat keine Umstände benannt, nach denen eine kürzere Befristung in Betracht käme.
3. Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylG abzulehnen.
4. Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG unanfechtbar.


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