Verwaltungsrecht

Anerkennung ausländischer Berufsqualifikation (Physiotherapeut) – Örtliche Zuständigkeit

Aktenzeichen  RN 5 K 16.473

Datum:
19.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 7263
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 3 Abs. 1 Nr. 2, Art. 51

 

Leitsatz

Für die Annahme der örtlichen Zuständigkeit nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG wegen Angelegenheiten, die sich auf die Ausübung eines Berufs beziehen, muss sich aus den Umständen und Erklärungen des Antragstellers eine geplante Berufsausübung im Zuständigkeitsbereich der beklagten Behörde entnehmen lassen. Die Anforderungen dürfen insoweit aber grundsätzlich nicht überspannt werden. Im Regelfall genügt es, wenn etwa ein Antragsteller bei seiner erstmaligen Beantragung einer Berufszulassung im Zuständigkeitsbereich der Behörde oder in der Nähe seinen Wohnsitz hat und plausibel darlegen kann, dass er im Bezirk der Behörde auch seinen Beruf ausüben will.  (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Ablehnung des Antrags auf Anerkennung der in Russland erworbenen Ausbildung zum Feldscher als Physiotherapeut und die Erteilung der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Physiotherapeut“ ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO.
Der Kläger hat schon keinen entsprechenden Anspruch gegen den Beklagten, weil dieser nicht örtlich zuständig und nicht passivlegitimiert ist (1.). Zudem steht dem Begehren des Klägers die Bestandskraft des vom Regierungspräsidium 1 … erlassenen Ablehnungsbescheids vom 24.7.2014 entgegen (2.). Selbst bei inhaltlicher Prüfung des klägerischen Begehrs liegen im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht die Anspruchsvoraussetzungen für die Erteilung der Berufsbezeichnung „Physiotherapeut“ vor (3.).
1. Der Kläger hat die Voraussetzungen für die Annahme einer örtlichen Zuständigkeit der Regierung … nicht in ausreichender Weise nachvollziehbar dargelegt.
Nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG ist in Angelegenheiten, die sich auf die Ausübung eines Berufs beziehen, die Behörde, in deren Bezirk der Beruf oder die Tätigkeit ausgeführt wird oder werden soll, zuständig. Mangels fachgesetzlicher Spezialregelungen ist daher für die Erteilung der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Physiotherapeut“ die Behörde zuständig, in deren Bezirk der Beruf ausgeübt werden soll.
Die Anwendung des Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG setzt voraus, dass eine entsprechende Zuständigkeitsabgrenzung anhand nachvollziehbarer und objektiv feststellbarer Kriterien vorgenommen werden kann. Für die in Rede stehende grundsätzlich ortsgebundene Berufsausübung als Physiotherapeut bedeutet dies, dass sich aus den Umständen und Erklärungen eine geplante Berufsausübung im Zuständigkeitsbereich des Beklagten entnehmen lassen müsste. Die Anforderungen dürfen insoweit grundsätzlich nicht überspannt werden, sodass es im Regelfall nicht zu beanstanden sein wird, wenn etwa ein Antragsteller bei seiner erstmaligen Beantragung einer Berufszulassung im Zuständigkeitsbereich der Behörde oder in der Nähe seinen Wohnsitz hat und plausibel darlegen kann, dass er im Bezirk der Behörde auch seinen Beruf ausüben will. Eine Veranlassung für konkretere Nachweise dürfte im Regelfall nicht bestehen.
Beim Kläger liegen die Dinge jedoch anders. Er hat bereits im zeitlichen Abstand von einer Woche am 27.11.2013 in Rheinland-Pfalz und am 3.12.2013 in Hessen Anträge auf Erlaubniserteilung gestellt, obwohl er damals schon in Baden-Württemberg gewohnt (H … ) und eine Physiotherapiepraxis (L …) betrieben hat. Eine schlüssige Erklärung, warum er nicht in Baden-Württemberg, sondern in Rheinland-Pfalz und Hessen solche Anträge gestellt hat, konnte er weder damals noch auf konkrete Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung abgeben. Nachdem er sich dann am 10.12.2013 ins hessische B … umgemeldet hatte, nahm er bereits am 1.3.2014 wieder einen Wohnsitz in H … und seinen Antrag in Hessen dann am 13.3.2014 zurück. Wenngleich es auf die melderechtliche Zuordnung nicht entscheidend ankommt, sondern, wie dargelegt, darauf, wo der Beruf ausgeübt werden soll, gab es keinen belastbaren Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger seinen Beruf außerhalb von L … ausüben wollte. Damals schon betrieb er in L … die Praxis für Physiotherapie, in der nach eigenen Angaben sechs Personen beschäftigt waren. Zudem war er selbst unter der Bezeichnung „Physiotherapeut“ im Branchenverzeichnis eingetragen, ehe ihm die Ausübung der Tätigkeit als Physiotherapeut mit Bescheid vom 13.11.2015 untersagt worden ist. So wie damals schon keine Zuständigkeit der hessischen oder rheinland-pfälzischen Behörden erkennbar war, verhält es sich nun auch hinsichtlich des am 10.12.2015 bei der Regierung … gestellten Antrags. Zwar mag sein, dass der Kläger, wie er in der mündlichen Verhandlung darlegte, in S … zu dieser Zeit einen Neubeginn starten wollte. Nicht nachvollziehbar ist jedoch, weshalb er sich dann schon am 1.2.2016 wieder in S … abgemeldet und in L … einen neuen Wohnsitz begründet hat, mit der Folge, dass der streitgegenständliche Bescheid am 26.2.2016 von der örtlich unzuständigen Behörde erlassen worden war, wie diese am 7.6.2016 mitteilte. Erst nachdem das Gericht über ein Jahr später, am 27.6.2017, um Mitteilung einer ladungsfähigen Anschrift bat, legte der Kläger eine Anmeldebestätigung der Stadt S … vor, wonach er dort seit 1.7.2017 wieder mit Hauptwohnsitz wohne. Es mag zwar sein, dass die erneute Begründung eines Wohnsitzes in S … unmittelbar nach der gerichtlichen Nachfrage nur, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung erläuterte, auf einem Zufall beruht, er seine Praxis in L … mit derzeit vier Angestellten verkaufen und in S … (nochmals) neu beginnen will. Derart vage Überlegungen können angesichts der bisherigen Entwicklungen jedoch nicht mehr ausreichen, die örtliche Zuständigkeit gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG zu begründen. Der bisherige Geschehensverlauf zeigt, dass es beim Kläger derzeit an ausreichend stichhaltigen Anhaltspunkten für die Annahme einer geplanten Berufstätigkeit in S … fehlt.
Denn bei einer derartigen Sachlage liefe eine Anwendung des Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG der Abgrenzungs- und Konzentrationsfunktion, die diese Vorschrift wie jede Zuständigkeitsregelung wahrnehmen soll, zuwider. Zuständigkeitsvorschriften haben vor allem die Aufgabe, durch Bestimmung der Zuständigkeit einer Behörde der Vermeidung unnötigen mehrfachen Verwaltungsaufwands und sich widersprechender Entscheidungen zu dienen. Sinn speziell des Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG ist es, bei ortsgebundenen beruflichen Betätigungen die Zuständigkeit derjenigen Behörde zu begründen, die aufgrund ihrer räumlichen Nähe zu diesen Betätigungen mit den örtlichen Verhältnissen am besten vertraut ist. Dieser Zweck der Vorschrift kann aber nicht erfüllt werden, wenn ein entsprechender (künftiger) Betätigungsort noch gar nicht feststeht, weil es dem Erlaubnisbewerber zunächst allein um die Erlangung der persönlichen Erlaubnis geht und zur Erreichung dieses Zieles um eine Chancenmaximierung durch Mehrfachbewerbungen bei verschiedenen, je für sich sachlich zu Erlaubniserteilungen mit bundesweiter Geltung befugten Behörden. Im verfahrensökonomischen Interesse der Vermeidung einer theoretisch unbegrenzten Vielzahl von Parallelverfahren räumt Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG einem solchen Antragsteller keine Wahlfreiheit ein zu bestimmen, welche und wie viele Behörden sich mit ein- und demselben Erlaubnisbegehren zu befassen haben (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6.9.1994 Az. 9 S 1809/94).
Wenn der Kläger daher künftig tatsächlich in S … als Physiotherapeut tätig sein will, gelten für ihn erhöhte Anforderungen an die Darlegungslast seiner Absichten. Die geäußerten Überlegungen können die Zuständigkeit gegenwärtig nicht begründen.
2. Zudem steht der begehrten Erlaubniserteilung ohnehin die Bestandskraft des vom Regierungspräsidium 1 … erlassenen Bescheids vom 24.7.2014 entgegen.
Das Regierungspräsidium 1 … hat den damals gestellten Antrag auf Erteilung der Berufsbezeichnung „Physiotherapeut“ nach inhaltlicher Prüfung abgelehnt. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger keinen Rechtsbehelf ergriffen, sodass Bestandskraft eingetreten ist.
Es hätte daher der am 10.12.2015 gestellte Antrag des Klägers von der Regierung … schon unter Verweis auf die Bestandskraft des Bescheids vom 24.7.2014 abgelehnt werden können. Dies konnte jedoch bereits deshalb nicht geschehen, weil der Kläger entgegen der tatsächlichen Sachlage auf dem Antragsformular angegeben hat, dass noch bei keiner anderen Erlaubnisbehörde ein entsprechendes Verfahren bereits abgeschlossen sei. Die Beklagte hat daher zu Gunsten des Klägers eine, wenn auch erfolglos gebliebene, erneute inhaltliche Sachprüfung durchgeführt. Daraus kann der Kläger jedoch kein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend herleiten, dass nun auch das Gericht bei vorliegender Verpflichtungsklage eine Sachprüfung vornehmen müsste, selbst wenn, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung behauptete, er versehentlich die falsche Stelle in dem Formular angekreuzt habe. Ungeachtet der Frage, ob für einen erneuten Antrag sogar die Voraussetzungen des Art. 51 BayVwVfG (vgl. zur Zuständigkeit Art. 51 Abs. 4 BayVwVfG) vorliegen müssten, bräuchte es für einen zulässigen neuen Antrag zumindest auf jeden Fall eine veränderte Sach- oder Rechtslage (vgl. Kopp/Ramsauer, § 51 VwGO, Rn. 7b). Daran fehlt es hier. Seit dem Ablehnungsbescheid vom 24.7.2014 ist keine neue erhebliche Sach- oder Rechtslage eingetreten. Insbesondere seine Teilnahme an den Ausbildungskursen zum Physiotherapeuten in Deutschland stellen keine neue Sachlage dar. Die Bestätigung, dass er die entsprechende Ausbildungsschule vom 16.7.2007 bis 5.7.2010 besucht hat, datiert auf den 12.8.2014. Sie fand zwar in der damaligen Antragsablehnung keine Berücksichtigung, weil sie der Kläger offenbar nicht vorgelegt hatte. Jedenfalls hätte er diese Bestätigung, wenn er sie für sich nutzbar machen wollte, noch in einem etwaigen Rechtsbehelfsverfahren gegen den Bescheid vom 24.7.2014 vorlegen können. Maßgeblich ist aber ohnehin, dass darin lediglich Tatsachen aus den Jahren 2007 bis 2010 bescheinigt werden, die der Kläger unproblematisch vortragen hätte können. Auch wenn die Bestimmungen des Art. 51 Abs. 2 und 3 BayVwVfG nicht direkt anwendbar sein mögen, so kann es sich gleichwohl nicht um eine neue Sachlage handeln, wenn der Kläger aus seiner Sphäre rührende Umstände nicht rechtzeitig angibt, obwohl er dies problemlos könnte. Gleiches gilt, soweit die Nachweise für die Fortbildungen in den Jahren 2010 und 2011 beim ersten Antragsverfahren nicht vorgelegt worden sein sollten. Die Beglaubigung der Übersetzerin datiert auf den 27.11.2013. Darauf, ob diese Bestätigungen für das Begehr des Klägers inhaltlich bedeutsam sind, kommt es daher schon nicht mehr an. Der einzige tatsächlich neue Umstand, der sich nach der damaligen Antragsablehnung ereignet hat, ist die Tatsache, dass der Kläger die Wiederholungsprüfung der staatlichen Abschlussprüfung zum Physiotherapeuten im Jahr 2015 erneut nicht bestanden hat. Alleine darin kann aber offenkundig keine neue Sachlage gesehen werden, die eine für den Kläger günstigere Entscheidung ermöglichen könnte.
3. Selbst wenn eine neue inhaltliche Prüfung veranlasst wäre, sieht das Gericht im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch des Klägers auf Erteilung der Berufserlaubnis als Physiotherapeut gemäß § 1 Nr. 2 MPhG.
Für die Erteilung der Erlaubnis wäre grundsätzlich gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 MPhG erforderlich, dass der Kläger die staatliche Prüfung in Deutschland bestanden hat, was nicht der Fall ist. Welche Qualität die vom Kläger in Russland erworbenen Ausbildungen haben, kann vorliegend im Einzelnen dahinstehen. Denn selbst wenn eine abgeschlossene Ausbildung im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 MPhG oder ein Drittstaatsdiplom im Sinne des § 2 Abs. 5 MPhG vorläge, wäre in Anwendung des § 2 Abs. 3 MPhG eine Erlaubnis nur dann zu erteilen, wenn keine wesentlichen Unterschiede in der Ausbildung vorliegen. Daran, dass zumindest solche wesentlichen Unterschiede vorliegen, hat das Gericht keinen Zweifel. Insoweit wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die Ausführungen im Bescheid Bezug genommen. Da das Klageziel des anwaltlich vertretenen Klägers ausschließlich auf die Erlaubniserteilung gerichtet war und nicht (etwa auch nicht hilfsweise) der Erlass eines Bescheides im Sinne des § 21c Abs. 2 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Physiotherapeuten begehrt wird, bedürfte es selbst bei Annahme einer örtlichen Zuständigkeit der Regierung … und fehlender Bestandskraft keiner weiteren Erörterung, ob wesentliche Unterschiede in den Ausbildungen noch kompensiert werden könnten.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.


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