Verwaltungsrecht

Anerkennung eines dienstlichen Gesprächs als Dienstunfall

Aktenzeichen  W 1 K 19.108

Datum:
25.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15709
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBeamtVG Art. 45, Art. 46

 

Leitsatz

1. In der Rspr. des BVerwG ist geklärt, dass auch nicht-körperliche Einwirkungen und damit auch dienstliche Gespräche äußere Einwirkungen im Sinne des Dienstunfallrechts sein können, wenn durch den Verlauf des Dienstgesprächs, durch dessen Art der Äußerungen (zB aggressives Anbrüllen) oder durch deren Inhalt (zB Beleidigungen, Beschimpfungen) der Rahmen der Sozialadäquanz überschritten wird. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Ansprechen des Beamten auf den Namen seines Vaters, der auf einer Liste stand, die im Zusammenhang mit der durchgeführten Durchsuchungsmaßnahme aufgefunden wurde, ist bei objektiver Betrachtung nicht als unüblich oder sozialinadäquat zu werten – auch wenn die Ansprache für den Beamten subjektiv unerwartet erfolgt sein mag -, sodass das Gespräch kein auf äußerer Einwirkung beruhendes Ereignis darstellt und damit eine Tatbestandsvoraussetzung für einen Dienstunfall ausscheidet. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Dem mit dem Beamten geführten dienstlichen Gespräch fehlt der erforderliche Kausalzusammenhang zu einer nachfolgend eingetretenen Depression, wenn es lediglich eine Gelegenheitsursache darstellt, der keine rechtliche Relevanz zukommt; eine bei dem Beamten gegebene mangelnde persönliche Verarbeitungsfähigkeit des Gesprächs ist nicht der Risikosphäre des Dienstherrn zuzurechnen. (Rn. 24 – 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet, da dem Kläger kein Anspruch nach Art. 45 Abs. 1 Satz 1, 46 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Beamtenversorgungsgesetz (BayBeamtVG) darauf zusteht, den Beklagten zu verpflichten, das dienstliche Gespräch des Klägers vom 22. März 2017 mit dem für die Durchsuchung bei einem Heilpraktiker am gleichen Tage zuständigen Sachbearbeiter als Dienstunfall mit der Folge einer schweren depressiven Episode anzuerkennen. Der Bescheid vom 14. November 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2018 erweist sich vielmehr als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist.
1.
Das Vorliegen eines Dienstunfalls scheitert vorliegend bereits daran, dass das vom Kläger benannte dienstliche Gespräch vom 22. März 2017 kein geeignetes auf äußerer Einwirkung beruhendes Ereignis nach Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG darstellt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat zu diesem vorbenannten Tatbestandsmerkmal ausgeführt (vgl. BVerwG, B.v. 11.10.2018 – 2 B 3/18 – juris): „Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits in seinem Urteil vom 24. Oktober 1963 – 2 C 10.62 – (BVerwGE 17, 59 ) ausgeführt, dass die Legaldefinition des Dienstunfalls im Anschluss an die Rechtsprechung des Reichsgerichts formuliert worden ist und danach das Merkmal “äußere Einwirkung” lediglich der Abgrenzung äußerer Vorgänge von krankhaften Vorgängen im Innern des menschlichen Körpers dient. Entscheidend für die Abgrenzung eines Unfalls von sonstigen Körperbeschädigungen ist danach, ob die Einwirkung auf Umständen beruht, für die eine in körperlicher oder seelischer Hinsicht besondere Veranlagung des Betroffenen oder das willentliche Verhalten des Betroffenen die wesentliche Ursache war. Hieran hat der Senat im Urteil vom 9. April 1970 – 2 C 49.68 – (BVerwGE 35, 133 ) festgehalten. Danach können auch herabsetzende Reden, Beleidigungen und Beschimpfungen eine äußere Einwirkung sein, weil sie “von außen her” die seelische Verfassung des Betroffenen beeinflussen und zu körperlichen Beeinträchtigungen führen können. Damit ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass einerseits auch nicht-körperliche Einwirkungen – und damit auch dienstliche Gespräche – äußere Einwirkungen im Sinne des Dienstunfallrechts sein können und andererseits ein im Rahmen des Üblichen bleibender, sozialadäquater Verlauf eines Dienstgesprächs keine äußere Einwirkung in diesem Sinne ist. Nur dann, wenn während des Dienstgesprächs durch dessen Verlauf, durch die Art der Äußerungen (z.B. aggressives Anbrüllen) oder durch deren Inhalt (z.B. Beleidigungen, Beschimpfungen) der Rahmen der Sozialadäquanz überschritten wird, ist ein auf dieser psychischen Einwirkung beruhender Körperschaden, namentlich ein seelischer Schaden, wertungsmäßig der Sphäre des Dienstherrn und nicht der Sphäre des Beamten aufgrund seiner besonderen individuellen Veranlagung zuzurechnen. Nur in einem solchen Fall gibt es eine innere Rechtfertigung, dem Beamten über die auch in diesen Fällen stets zu gewährenden Beihilfeleistungen hinaus den besonderen Schutz des Dienstunfallfürsorgerechts zukommen zu lassen.“
Die obergerichtliche Rechtsprechung hat sich dem angeschlossen und im hiesigen Zusammenhang näher ausgeführt (OVG Lüneburg, U.v. 24.10.2017 – 5 LB 124/16 – juris; i.E. ebenso: OVG NRW, B.v. 27.2.2108 – 1 A 20172/15 – juris): „Maßgeblich ist daher, mit welchem konkreten Inhalt und in welcher Weise das Gespräch tatsächlich geführt worden ist, ehe im Anschluss daran aus objektiver Sicht (vgl. Sächs. OVG, B.v. 24.3.2009 – 2 B 353/07 -, juris Rn. 11; VG Gelsenkirchen, U.v. 29.11.2010, a.a.O., Rn. 30; VG Berlin, U.v. 17.11.2015 – 26 K 123.14 -, juris Rn. 28; in diesem Sinne auch Günther, Dienstunfallrechtliche Folgen bei „schwierigen“ Personalgesprächen und Mobbing, ZBR 2015, 404, 405, 409) zu bewerten ist, ob diese tatsächlichen Feststellungen den Schluss rechtfertigen, der Rahmen des Sozialadäquaten sei überschritten. Darauf, wie der Kläger „das Gespräch empfunden hat“ – also auf seine subjektive Sicht – kommt es demnach entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts an dieser Stelle nicht an. Das dienstliche Gespräch muss hinsichtlich seines Verlaufs und/oder seiner Atmosphäre somit in tatsächlicher Hinsicht erkennbare Besonderheiten aufgewiesen haben, welche vom üblichen dienstlichen Umgang abgewichen sind, und zwar in einer Weise, die den Betroffenen nachvollziehbar erheblich belastet hat (OVG NRW, B.v. 10.8.2011, a.a.O., Rn. 11), um – ausnahmsweise – eine „äußere Einwirkung“ im Sinne des Dienstunfallrechts darstellen zu können. Als solche besonderen – d. h. außerhalb des Sozialadäquaten liegende – Umstände kommen etwa beleidigende, seelisch verletzende Äußerungen oder Beschimpfungen in Betracht (vgl. BVerwG, U.v. 9.4.1970, a.a.O., Rn. 15; Bay. VGH, U.v. 29.7.1987 – 3 B 85 A.2752 -, juris [Leitsatz]; Schl.-H. OVG, U.v. 26.11.1993, a.a.O., Rn. 36; Nds. OVG, B.v. 10.8.2016 – 5 LA 201/15 -; B.v. 27.3.2017 – 5 LA 58/16 -; VG Stuttgart, U.v. 9.4.2014, a.a.O., Rn. 24; VG Bayreuth, U.v. 28.4.2015, a.a.O., Rn. 20), ebenso das Herabwürdigen der Person des Beamten (vgl. VG Bayreuth, U.v. 28.4.2015, a.a.O., Rn. 27), das Führen des Dienstgesprächs unter „Geschrei“ (vgl. VG Stuttgart, U.v. 9.4.2015, a.a.O., Rn. 25) oder etwa eine bedrohliche Mimik, Gestik oder Körperhaltung der Gesprächsteilnehmer (vgl. VG Bayreuth, U.v. 28.4.2015, a.a.O., Rn. 27). Unter Umständen kann schon ein sonstiges deutliches Vergreifen im Ton bzw. eine im Ganzen unsachliche, etwa den Betroffenen völlig verängstigende bzw. unangemessen unter Druck setzende Gesprächsatmosphäre ein Dienstunfallereignis begründen, zumal dann, wenn es sich um ein für die Erhaltung des Status oder die weitere berufliche Entwicklung außerordentlich wichtiges Gespräch handelt und der Beamte darauf in zeitlichem Zusammenhang mit Krankheitssymptomen reagiert (OVG NRW, B.v. 10.8.2011, a.a.O., Rn. 11; Nds. OVG, B.v. 10.8.2016 – 5 LA 201/15 -; B.v. 27.3.2017 – 5 LA 58/16 -; VG Bayreuth, U.v. 28.4.2015, a.a.O., Rn. 20). Diese Rechtsprechung ist Ausfluss der dem Dienstunfallrecht zugrundeliegenden Risikoverteilung. Der Gesetzgeber wollte mit den Dienstunfallvorschriften dem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn nicht unbeschränkt das wirtschaftliche Risiko für alle von den Beamten „in Ausübung oder infolge des Dienstes“ erlittenen Schäden auferlegen (Schl.-H. OVG, U.v. 26.11.1993, a.a.O., Rn. 35). Er ist vielmehr von dem allgemeinen Grundsatz ausgegangen, dass die Folge schicksalsmäßiger, d. h. von niemandem verschuldeter schädlicher Einwirkungen von dem Geschädigten selbst zu tragen sind (Schl.-H. OVG, U.v. 26.11.1993, a.a.O., Rn. 35). Wenn die Rechtsprechung Ereignisse, mit denen während der Durchführung eines Dienstverhältnisses typischerweise gerechnet werden muss – z. B. Veränderungen des Aufgabenumfangs, Umsetzungen, Probleme in der Zusammenarbeit mit anderen Beschäftigten (vgl. VG Frankfurt, U.v. 31.8.2008, a.a.O., Rn. 20), Eröffnung dienstlicher Beurteilungen (vgl. VG Ansbach, U.v. 27.5.2014, a.a.O.), aber auch Dienst- bzw. Personalgespräche – nicht als „äußere Einwirkungen“ im Sinne des Dienstunfallrechts ansieht, liegt dieser Auffassung erkennbar die Einschätzung zugrunde, dass derartige sozialadäquate bzw. „dienstverhältnistypische“ Vorgänge von einem „durchschnittlichen“ Beamten verarbeitet werden können, denn anderenfalls wäre ein geordneter Dienstbetrieb nicht möglich. Oder anders ausgedrückt: Wenn ein Beamter im zeitlichen Nachgang zu einem typischen, sich im sozialadäquaten Rahmen haltenden Dienstgespräch gleichwohl einen Schock sowie weitere Körperschäden erleidet, kann insoweit nur die mangelnde persönliche Verarbeitungsfähigkeit des Beamten ursächlich gewesen sein, die nicht der Risikosphäre des Dienstherrn zuzurechnen ist (vgl. VG Frankfurt, U.v. 31.8.2009, a.a.O., Rn. 20; VG Gelsenkirchen, U.v. 29.11.2010, a.a.O., Rn. 28; VG Kassel, U.v. 24.5.2016 – 1 I 1730/14.KS -, juris). Denn das Merkmal der „äußeren Einwirkung“, das – wie dargestellt – den Zweck hat, äußere Vorgänge von krankhaften Vorgängen im Inneren des menschlichen Körpers abzugrenzen (BVerwG, U.v. 9.4.1970, a.a.O., Rn. 12f.), ist nicht erfüllt, wenn eine psychische Reaktion auf äußere Vorgänge ihre wesentliche Ursache in einer besonderen Veranlagung des Betroffenen hat (vgl. BVerwG, U.v. 24.10.1963, a.a.O., Rn. 20; U.v. 9.4.1970, a.a.O., Rn. 12; Groepper/Tegethoff, a.a.O., § 31 BeamtVG Rn. 41). Dementsprechend liegt im Fall des sozialadäquaten Verhaltens der im Dienstunfallrecht notwendige wesentliche Ursachenzusammenhang schon aus wertenden/normativen Gründen – also unabhängig von einer medizinischen Beurteilung – nicht vor (vgl. VG Aachen, U.v. 20.11.2014, a.a.O., Rn. 64; VG Kassel, U.v. 24.5.2016, a.a.O., Rn. 25; in diesem Sinne auch OVG NRW, U.v. 6.5.1999, a.a.O., Rn. 51ff.; Sächs. OVG, B.v. 24.3.2009, a.a.O., Rn. 11).“
Dieser überzeugenden Rechtsprechung schließt sich die erkennende Kammer an. Unter Zugrundelegung der zuvor dargestellten Grundsätze stellt die Kammer fest, dass sich das Ansprechen des Klägers auf den Namen seines Vaters, der auf einer Liste stand, die im Zusammenhang mit der durchgeführten Durchsuchungsmaßnahme aufgefunden wurde, nicht als unüblich oder sozialinadäquat dargestellt hat. Der Kläger hat in der Dienstunfallanzeige vom 10. Juni 2017 zu dem fraglichen Gespräch dargelegt, dass er im Zusammenhang mit der Durchsuchung in den Räumlichkeiten der Kriminalpolizei … plötzlich und unerwartet durch den zuständigen Sachbearbeiter konkret auf seinen Vater angesprochen worden sei, da dieser auf irgendeiner Liste gestanden habe und es scheinbar einen negativen Zusammenhang gegeben habe. Das Ansprechen auf seinen Vater sei für ihn ungewöhnlich und nicht zu erwarten gewesen. Diese inhaltliche Darstellung des Gesprächs vom 22. März 2017 lässt sich übereinstimmend auch dem klägerischen Vorbringen im Widerspruchs- und Klageverfahren entnehmen und wird auch durch den Inhalt der vorgelegten ärztlichen Unterlagen bestätigt. Demzufolge hat das vom Kläger als Dienstunfallereignis bewertete Gespräch auch nach dessen eigener Darstellung ersichtlich weder in einer den üblichen dienstlichen Rahmen verlassenden Gesprächsatmosphäre stattgefunden noch hatte es einen objektiv ungewöhnlichen Verlauf. Ebenso ist nichts dahingehend erkennbar, dass der Gesprächsführer nicht die übliche Gesprächsform gewahrt hätte und den Kläger etwa mit Beleidigungen oder Beschimpfungen o.ä. überzogen hätte. Es handelte sich vielmehr bei objektiver Betrachtung um ein in jeder Hinsicht sachliches Gespräch im Zusammenhang mit einem aktuell laufenden Ermittlungsverfahren in der Dienststelle des Klägers und hat keinerlei objektive Besonderheiten aufgewiesen, auch wenn die Ansprache für den Kläger subjektiv unerwartet erfolgt sein mag. Nach den Schilderungen des Klägers zum Gesprächsablauf und seinen Erläuterungen hierzu im Laufe des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wurden ihm auch keinerlei Vorwürfe hinsichtlich seiner etwaigen persönlichen Beteiligung an strafbaren Betrugshandlungen im Zusammenhang mit der Durchsuchung bei dem Heilpraktiker gemacht.
Soweit der Kläger hat vortragen lassen, dass den ermittelnden Beamten bewusst gewesen sei, dass die Durchsuchung und das anschließende Gespräch für den Kläger eine erhebliche Belastung darstellen würden, so erscheint dies unerheblich, im Übrigen aber auch nicht nachvollziehbar. Zwar hatte der Kläger vor der Durchsuchung darauf hingewiesen, dass ihm der Heilpraktiker bekannt sei (so in der Unfallanzeige und im Klagebegründungsschriftsatz vom 18. März 2019) und ggf. auch, dass die Schwester des Klägers bei dem Heilpraktiker wohne (so allerdings nur im Schriftsatz vom 18. März 2019 und nicht in der Unfallanzeige), jedoch war unter Berücksichtigung dieser zuvor vom Kläger gemachten Angaben für den Gesprächspartner zum einen objektiv sicherlich nicht mit einer derartig schweren und außergewöhnlichen psychischen Reaktion zu rechnen und zum anderen hatte der Kläger ersichtlich keine Verbindung zu seinem Vater hergestellt, sodass eine Vorhersehbarkeit eines Körperschadens gerade nach Ansprache auf den Vater hier ausscheidet. Zudem handelt es sich schließlich auch bei Anerkennung einer subjektiven Betroffenheit des Klägers durch das Gespräch hierbei um einen – wie bereits geschildert – objektiv betrachtet alltäglichen und üblichen dienstlichen Vorgang, was entsprechend der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung allein ausschlaggebend ist und ein geeignetes auf äußerer Einwirkung beruhendes Ereignis – als eine der Tatbestandsvoraussetzungen eines Dienstunfalls – ausschließt.
Soweit der Kläger in der Widerspruchsbegründung hat vortragen lassen, dass der bei ihm eingetretene gesundheitliche Schaden auch aufgrund der Einteilung zu der Hausdurchsuchung bei einer ihm bekannten Personen trotz vorheriger Remonstration eingetreten sei, so ist zum einen festzustellen, dass es sich hierbei um ein abweichendes/selbständiges Ereignis im Sinne des Dienstunfallrechts gegenüber dem dienstlichen Gespräch mit Ansprache auf den Vater darstellt und zum anderen im Rahmen des Klageverfahrens nicht mehr auf dieses Ereignis als kausaler Auslöser für den geltend gemachten Gesundheitsschaden abgestellt wurde (vgl. insoweit den Inhalt der Schriftsätze vom 18. März 2019 sowie 14. Juni 2019, dort ausdrücklich Seite 2 letzter Absatz). Auch aus dem Bericht der psychosomatischen Klinik Bad Neustadt vom 5. Oktober 2017 sowie dem polizeiärztlichen Gutachten vom 22. November 2017 lässt sich insoweit entnehmen, dass der Kläger auch gegenüber den dortigen Ärzten als auslösendes Ereignis für seine Beschwerden jeweils explizit die Ansprache auf seinen Vater geltend gemacht hat.
Nach alledem liegt daher bereits das Merkmal eines auf äußerer Einwirkung beruhenden Ereignisses, das geeignet wäre, Auslöser eines Dienstunfalls zu sein, aus wertenden/normativen Gründen – also unabhängig von einer medizinischen Beurteilung – nicht vor (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 24 10. 2017 – 5 LB 124/16 – juris Rn. 107).
2.
Zwar kommt es nach den Ausführungen unter 1. nicht mehr entscheidungserheblich auf die Frage des Bestehens eines Kausalzusammenhangs zwischen dem geltend gemachten Unfallereignis und dem eingetretenen Körperschaden an, jedoch liegt hier – zusätzlich – auch ein derartiger Kausalzusammenhang nicht vor, da das mit dem Kläger geführte dienstliche Gespräch vom 22. März 2017 lediglich eine Gelegenheitsursache dargestellt hat, der im Rahmen der Kausalitätsfeststellung keine rechtliche Relevanz zukommt.
Für die Feststellung eines ursächlichen Zusammenhangs im Dienstunfallrecht bedarf es nicht allein einer kausalen Verknüpfung im Sinne einer rein naturwissenschaftlichen oder zeitlichen und örtlichen Betrachtungsweise. Vielmehr unterliegt die Feststellung der Kausalität auch einer rechtlichen Wertung. Nach ober- und höchstrichterlicher Rechtsprechung sind als Ursache im Rechtssinne auf dem Gebiet des Dienstunfallrechts nur solche Bedingungen anzuerkennen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg bei natürlicher Betrachtungsweise bei dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben; beim Zusammentreffen mehrerer Ursachen ist eine als die alleinige Ursache anzusehen, wenn sie überragend am Erfolg mitgewirkt hat oder zumindest annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Schadens hatte wie die anderen Umstände insgesamt (vgl. BVerwG, B.v. 23.10.2013 – 2 B 34/12 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 9.10.2015 – 3 ZB 12.1708 – juris Rn. 12). Wesentliche Ursache im Dienstunfallrecht kann auch ein äußeres Ereignis sein, das ein anlagebedingtes Leiden auslöst oder beschleunigt, wenn diesem Ereignis nicht im Verhältnis zu anderen Bedingungen – zu denen auch eine bei Eintritt des äußeren Ereignisses schon vorhandene Veranlagung gehört – eine derart untergeordnete Bedeutung für den Eintritt der Schadensfolge zukommt, dass diese anderen Bedingungen bei natürlicher Betrachtungsweise allein als maßgeblich anzusehen sind. Nicht Ursachen im Rechtssinne sind demnach sog. Gelegenheitsursachen, d.h. Ursachen bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst eine rein zufällige Beziehung besteht, wenn also eine krankhafte Veranlagung oder ein anlagebedingtes Leiden so leicht ansprechbar waren, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Eigenart unersetzlichen Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes alltäglich vorkommendes Ereignis zum selben Erfolg geführt hätte. Eine solche untergeordnete Bedeutung ist insbesondere dann anzunehmen, wenn das Ereignis gleichsam „der letzte Tropfen“ war, „der das Maß zum Überlaufen brachte bei einer Krankheit, die ohnehin ausgebrochen wäre, wenn ihre Zeit gekommen war“ (vgl. BVerwG, B.v. 20.2.1998 – 2 B 81/97 – juris Rn. 2; BayVGH, a.a.O., Rn. 13).
Für das Vorliegen eines Dienstunfalls ist der volle Beweis zu erbringen. Dieser muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen. Lassen sich die anspruchsbegründenden Voraussetzungen für einen Dienstunfall nicht aufklären, geht die Nichterweislichkeit dieser Tatsachen nach allgemeinen Beweisgrundsätzen zu Lasten des Beamten; dies gilt auch für den erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen Unfallgeschehen und Körperschaden. Der Beamte trägt insofern das Feststellungsrisiko, dass die behauptete Schädigungsfolge wesentlich auf den Dienstunfall und nicht etwa auf eine anlagebedingte Konstitution zurückzuführen ist (vgl. BVerwG, B.v. 11.3.1997 – 2 B 127/96 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 31.1.2008 – 14 B 04.73 – juris Rn. 20 f.).
Aus dem Bericht der psychosomatischen Klinik Bad Neustadt vom 5. Oktober 2017 ergeben sich – auf der Basis erheblicher familiärer Probleme und Streitigkeiten im Kindes- und Jugendalter des Klägers – bereits relevante Anlagen für eine psychische Erkrankung, wie sie ab dem 22. März 2017 eingetreten ist. So wird dort u.a. ausgeführt, dass der Vater dominant gewesen sei und Macht ausgeübt habe. Nach vielen Streitigkeiten und massiven Problemen in der Familie habe sich der Kläger vor zehn Jahren zum Kontaktabbruch entschlossen. In der Kindheit habe er sich als Einzelgänger und Außenseiter gefühlt. Schon im 13. Lebensjahr habe er mit vermehrtem Alkoholkonsum angefangen. Es sei sehr oft verbal aggressiv gewesen. In den Augen der Eltern sei er nie gut genug gewesen. Die Eltern seien von ihm so enttäuscht gewesen, dass die Mutter ihm sogar einmal gesagt habe, dass es für alle besser wäre, wenn er tot sei. Daher sei zu vermuten, dass vor diesem primär-familiären Hintergrund es an ausreichend positiv emotionaler Spiegelung fehle. Defizite an guten Selbst- und Objektrepräsentanzen verhinderten den Aufbau eines ausreichend starken kohärenten Selbst. Eigene Autonomiewünsche und Aggressionen könnten in diesem System nicht adäquat ausgelebt, sondern müssten stattdessen abgewehrt werden. Auch die Klägerbevollmächtigte hat im Schriftsatz vom 18. März 2019 im Ergebnis bestätigt und darauf verwiesen, dass die plötzlich auftretende Erkrankung des Klägers wohl ohne die familiäre Vorgeschichte nicht denkbar gewesen sei. Ohne das extrem belastete Verhältnis zu seinem Vater hätte die Mitteilung vom 22. März 2017 den Vater betreffend den Kläger vermutlich nicht so stark betroffen, dass sich hieraus ein Körperschaden entwickelt hätte.
Auf dieser Grundlage stellt sich das Ansprechen des Klägers auf seinen Vater, der auf der Patientenliste des von der Durchsuchung betroffenen Heilpraktikers gestanden hat, als reine Gelegenheitsursache dar. Denn wenn vorliegend bereits die einmalige Ansprache auf den Vater durch einen Kollegen ausgereicht hat, um den eingetretenen erheblichen Gesundheitsschaden hervorzurufen, so ist augenscheinlich, dass es sich hierbei um ein völlig alltägliches Ereignis handelt, wie es auch im privaten Bereich durch eine dort stattfindende Ansprache auf den Vater oder eine persönliche Begegnung mit diesem jederzeit hätte eintreten können. Auch vom Kläger wurden im Laufe des Verfahrens keine Besonderheiten im Hinblick auf das Gespräch vom 22. März 2017 geltend gemacht. Zwischen dem eingetretenen Gesundheitsschaden und dem dienstlichen Gespräch vom 22. März 2017 besteht vielmehr ersichtlich nur ein zufälliger Zusammenhang in zeitlicher Hinsicht, der zur Feststellung der im Dienstunfallrecht erforderlichen wesentlichen Kausalität nicht ausreichend ist. Wenn ein Beamter im zeitlichen Nachgang zu einem typischen, sich im sozialadäquaten Rahmen haltenden Dienstgespräch gleichwohl einen Körperschaden erleidet, kann insoweit nur die mangelnde persönliche Verarbeitungsfähigkeit des Beamten ursächlich gewesen sein, die nicht der Risikosphäre des Dienstherrn zuzurechnen ist (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 24.10.2017 – 5 LB 124/16 – juris Rn. 107). Selbst wenn der Kläger – wie von ihm vorgetragen – in der Vergangenheit keine behandlungsbedürftigen psychischen Beschwerden hatte und er als polizeivollzugsdiensttauglich verbeamtet wurde, steht dies vorstehender Einschätzung nicht entgegen, da der Zeitpunkt des Eintritts derartiger gesundheitlicher Beschwerden letztlich auf Zufälligkeiten beruht. Die Alltäglichkeit und beliebige Ersetzbarkeit des Dienstgesprächs als (rein zeitlich) auslösendem Ereignis wird dadurch nicht infrage gestellt.
Auch aus den vom Kläger vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen und Berichten ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die eingetretene schwere depressive Episode im Rechtssinne kausal durch das dienstliche Gespräch vom 22. März 2017 ausgelöst wurde. Im bereits erwähnten Entlassungsbericht der psychosomatischen Klinik Bad Neustadt vom 5. Oktober 2017 wird diesbezüglich lediglich ausgeführt, dass der Patient bei der Aufnahme die folgende, sich akut seit März 2017 zuspitzende Symptomatik beschrieben habe und dass der Patient als aktuell auslösend für die depressive Dekompensation einen dienstlichen Vorfall benenne, bei dem er nach einer polizeilichen Untersuchung bei einem Heilpraktiker auf seinen Vater angesprochen worden sei, dessen Name auf einer Liste gestanden habe. Danach habe er einen Nervenzusammenbruch erlitten. Mit diesen Ausführungen geben die Verfasser des Berichts nach dem Wortlaut erkennbar lediglich die eigenen im Rahmen der Anamnese erhobenen Aussagen des Klägers wider. Eine eigene ärztliche Darlegung eines wesentlichen Kausalzusammenhangs findet demgegenüber in dem zitierten Bericht in keiner Weise statt. Soweit der den Kläger behandelnde Facharzt für Allgemeinmedizin W. mit Bescheinigung vom 26. Juni 2018 erklärt hat, dass der Kläger aufgrund des bekannten Sachverhaltes am 22. März 2017 eine schwere depressive Episode erlitten habe, so lässt auch dieses Schriftstück eine Begründung für die pauschale Behauptung der Kausalität („aufgrund des bekannten Sachverhaltes am 22. März 2017“), die sich offensichtlich ebenfalls allein auf die Angaben des Klägers stützt und den rein zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Ereignis und dem Gesundheitsschaden genügen lässt, gänzlich vermissen. Überdies hat der Mediziner erklärt, dass sich der Kläger erstmalig am 25. Juli 2017 bei ihm vorgestellt habe, sodass er über frühere etwaige Erkrankungen aus dem psychiatrischen Fachgebiet keine Hinweise geben könne. Mangels Erkenntnissen zum Vorleben des Klägers sowie etwaigen relevanten Beschwerden ist es dem W. schlechterdings auch nicht möglich, eine inhaltlich belastbare Aussage zur Frage der dienstunfallrechtlichen Kausalität abzugeben. Dem Bericht der Heilpraktikerin für Psychotherapie vom 24. August 2018 sowie den beiden polizeiärztlichen Gutachten lassen sich zur Frage der Kausalität gleichfalls keine relevanten Hinweise entnehmen.
3.
Vor dem Hintergrund der Ausführungen unter Ziffer 1., auf die hier vollumfänglich verwiesen wird, war auch dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag zur Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis für die Tatsache, dass durch das Dienstgespräch vom 22. März 2017 beim Kläger eine schwere depressive Episode verursacht worden ist, von der Kammer nicht nachzugehen. Denn angesichts des Fehlens eines auf einer geeigneten äußeren Einwirkung beruhenden Ereignisses (vgl. unter 1.) ist die beantragte Beweiserhebung bereits unerheblich, § 244 Abs. 3 Satz 2 2. Alt. StPO analog. Hinzu kommt, dass es sich bei dem gestellten Antrag um einen Ausforschungsbeweisantrag handelt, da aufgrund der vorliegenden ärztlichen Befundberichte für die unter Beweis gestellte Tatsache nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht (vgl. hierzu etwa: BayVGH, B.v. 4.12.2017 – 11 ZB 17.31507 – juris). Insoweit wird vollumfänglich auf die Ausführungen des Gerichts unter Ziffer 2. verwiesen.
4.
Nach alledem bedurfte es auch keiner Erörterungen dahingehend, ob die geltend gemachte psychische Erkrankung als Dienstunfallfolge etwaig kausal durch die persönliche Betroffenheit und Angst des Klägers vor Aufdeckung einer etwaigen Beteiligung an einer Straftat sowie vor einer strafrechtlichen Verurteilung sowie dienstrechtlichen Konsequenzen herbeigeführt wurde. Dies kann vorliegend dahinstehen, da auch bei Unterstellung eines derartigen Kausalzusammenhangs – den der Kläger selbst bestreitet – ein auf äußerer Einwirkung beruhendes Ereignis nicht vorliegen würde, sondern ersichtlich allein innere Vorgänge für die Erkrankung ausschlaggebend wären.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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