Verwaltungsrecht

Anfechtung isolierte Zwangsgeldandrohung

Aktenzeichen  RN 8 K 17.2019

Datum:
30.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 37249
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwZVG Art. 19 Abs. 2, Art. 21, Art. 29, Art. 31 Abs. 1
BNatSchG § 39, § 44, § 45 Abs. 7
ArtenSVO§ 2
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Isolierte Zwangsgeldandrohungen, die nicht mit dem zugrundeliegenden Verwaltungsakt verbunden sind, können nur angefochten werden, soweit eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird. Einwendungen gegen den unanfechtbaren Verwaltungsakt sind ausgeschlossen.  (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das bayerische Vollstreckungsrecht geht für vertretbare Handlungen vom Vorrang des Zwangsgeldes gegenüber der Ersatzvornahme aus und lässt diese nur zu, wenn ein Zwangsgeld keinen Erfolg erwarten lässt (Art. 32 Satz 2 VwZVG). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des LRA vom 26. Oktober 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die im streitgegenständlichen Bescheid enthaltene Zwangsgeldandrohung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die maßgeblichen, in Art. 29, 31, 36 und 37 VwZVG normierten Voraussetzungen, sind gegeben.
a) Gemäß Art. 29 Abs. 1 VwZVG können Verwaltungsakte, mit denen die Vornahme einer Handlung, Duldung oder Unterlassung gefordert wird, mit Zwangsmitteln vollstreckt werden. Als Zwangsmittel nennt das Gesetz in Art. 29 Abs. 2 Nr. 1 VwZVG das Zwangsgeld und bestimmt in Art. 29 Abs. 3 Satz 1 VwZVG, dass das Zwangsmittel in angemessenem Verhältnis zu seinem Zweck stehen muss. Die Vollstreckung setzt voraus, dass der zu einer sonstigen Handlung, einer Duldung oder einer Unterlassung Verpflichtete seine Verpflichtung nicht rechtzeitig erfüllt (Art. 19 Abs. 2 VwZVG). Einzelheiten zum Zwangsgeld sind in Art. 31 VwZVG geregelt. Nach Art. 31 Abs. 1 VwZVG kann die Vollstreckungsbehörde, wenn die Pflicht zu einer Handlung nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit erfüllt wird, den Pflichtigen durch ein Zwangsgeld zur Erfüllung anhalten. Das Zwangsgeld beträgt bis zu 50.000,00 € und soll das nach Ermessen zu schätzende wirtschaftliche Interesse, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterbleiben der Handlung hat, erreichen (Art. 31 Abs. 2 VwZVG). Eine neue Androhung ist erst dann zulässig, wenn die vorausgegangene Androhung des Zwangsmittels erfolglos geblieben ist (Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG). Zwangsmittel können so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist (37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG).
Die Vorschrift des Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG schränkt die Anfechtung isolierter Zwangsgeldandrohungen, die nicht mit dem zugrundeliegenden Verwaltungsakt verbunden sind, wesentlich ein. Diese können nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird. Einwendungen gegen den unanfechtbaren Verwaltungsakt sind demnach ausdrücklich ausgeschlossen (vgl. BayVerfGH, E.v. 24.1.2007 – Vf. 50-VI-05 – BayVBl 2007, 306; OVG RhPf, U.v. 20.11.1996 – 8 A 13546/95 – NVwZ 1997, 1009). Möglich ist nur noch die Rüge von Rechtsverletzungen, die die gesetzlichen Voraussetzungen der Zwangsmittelandrohung als solche betreffen (vgl. etwa Art. 31, 36 VwZVG; BayVerfGH, E.v. 24.1.2007, a.a.O. m.w.N.). Daneben ergibt sich aus Art. 38 Abs. 3 VwZVG der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz gegen die Anwendung von Zwangsmitteln (vgl. BayVGH, B.v. 27.7.2009 – 20 CS 09.1410 – juris).
b) Ausgehend von diesen Maßgaben ist das mit Bescheid vom 26. Oktober 2017 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 € nicht zu beanstanden.
aa) Im bestandskräftigen Bescheid des LRA vom 21. Dezember 2009 wurde unter Abschnitt A. festgestellt, dass der Kläger zur Nutzung des O… in Form des Betreibens einer Wasserkraftanlage aufgrund eines Altrechts berechtigt ist, die Ausübung dieser Rechte sich aber von nun an nach den Bedingungen und Auflagen in Abschnitt B. des Bescheids (mit Ausnahme der Bedingung B. II. 1.) richte. In Ziffer B. II. 3.2 des Bescheids ist u.a. geregelt, dass der Kläger durch die Ableitung den Mindestabfluss im Mutterbett/Altbach nicht unter 0,120 m³/s mindern darf. Nach Ziffer B. II. 4.1 ist der geforderte Restabfluss über die „Fischpass-Anlage“ abzugeben. Aus Ziffer B. II. 4.2 ergibt sich, dass eine tägliche Eigenüberwachung (Wasserstands- und Abflusskontrolle) gefordert ist. Damit ist also bestandskräftig sowohl geregelt, dass als Mindestabfluss im Mutterbett/Altbach ständig eine Mindestrestwassermenge von 0,120 m³/s vorhanden sein muss, als auch, dass dies der tägliche Eigenüberwachung (Wasserstands- und Abflusskontrolle) durch den Kläger unterliegt.
Bei zahlreichen Ortseinsichten des Wasserwirtschaftsamtes und auch der Unteren Naturschutzbehörde beim LRA (mit Lichtbilddokumentationen) wurde aber immer wieder festgestellt, dass an der streitgegenständlichen Restwasseröffnung der nach dem Bescheid vom 21. Dezember 2009 erforderliche Mindestabfluss von 120 l/s nicht erreicht wurde, vielmehr wegen Verlegungen bzw. Verbauungen durch Gehölze, Steine und Erdmaterial allenfalls ein Bruchteil dieser Wassermenge abfließen konnte. Vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids kam das WWA nach einer Ortseinsicht vom 11. Oktober 2017 aus biologischer Sicht zu dem Ergebnis, dass der Wasserstand in der Restwasserstrecke innerhalb der letzten Monate weit unter den geforderten 120 l/s gelegen sei. Die Moose der Spritzwasserzone reichten stets bis zur Wasseroberfläche herab, der Algenbewuchs bis zur selben Stelle hinauf. Diese Grenzfläche liege in der Restwasserstrecke auf Höhe der bei der Ortsbesichtigung festgestellten viel zu niedrigen Wasserführung von etwa 30 l/s. Damit steht fest, dass der Kläger seine Pflicht, die geforderte Restwassermenge von 120 l/s (auf Dauer) in den O…abzugeben, nicht erfüllt hat, was letztendlich von Klägerseite auch nicht bestritten wird. Die Behörde konnte damit den Kläger grundsätzlich durch die Androhung eines Zwangsgeldes zur Erfüllung seiner Verpflichtung hinsichtlich des Restwassers anhalten.
Das Zwangsgeld wurde ordnungsgemäß in schriftlicher Form angedroht (vgl. Art. 36 Abs. 1 Satz 1 VwZVG). Hierbei ist für die Erfüllung der Verpflichtung grundsätzlich eine Frist zu bestimmen, innerhalb welcher dem Pflichtigen der Vollzug billigerweise zugemutet werden kann (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG). Vorliegend wurde des Zwangsgeld für den Fall angedroht, dass der Kläger es unterlässt, die geforderte Mindestrestwassermenge in den O… abzugeben. Auf der Grundlage des Bescheides vom 21. Dezember 2009 ist der Kläger verpflichtet, dauerhaft und ständig eine Restwassermenge von 120 l/s in den Altbach abzugeben. Nachdem für die Erfüllung dieser Verpflichtung im streitgegenständlichen Bescheid eine Frist nicht ausdrücklich festgesetzt wurde, ist davon auszugehen, dass der Kläger dieser Verpflichtung sofort nach Bescheidszugang – unter Zubilligung einer gewissen Reaktionszeit (vgl. hierzu BayVGH, B. v. 15.6.2000, NJW 2000, 3297, beck-online) – nachkommen muss. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger gegebenenfalls die Restwasseröffnung von Ästen und dergleichen befreien muss, um einen genügend großen Durchlass für die geforderte Restwassermenge zu schaffen. Denn nach mehrfacher Aussage des WWA (vgl. etwa Bl. 137 der Behördenakten: „Ich habe die Restwasseröffnung per Hand freigelegt…“) ist es ohne weiteres, insbesondere ohne Maschineneinsatz möglich, die Restwasseröffnung binnen Minuten wieder freizulegen. Auch die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes (1.000 €) ist unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten, vor allem vor dem Hintergrund, dass der Kläger über lange Zeiträume massiv gegen die Restwasservorgaben verstoßen und davon letztlich durch einen höheren Turbinendurchfluss profitiert hat, nicht zu beanstanden (vgl. Art. 31 Abs. 2 VwZVG, der grundsätzlich einen Gebührenrahmen von mindestens 15,00 € und höchstens 50.000,00 € vorgibt).
Das Zwangsgeld ist auch das richtige Zwangsmittel. Entgegen der Ansicht des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung hätte das LRA nicht die Ersatzvornahme androhen können. Die Ersatzvornahme kann gemäß Art. 32 Satz 1 VwZVG dann angedroht werden, wenn die Pflicht zu einer Handlung, die auch ein anderer vornehmen kann (vertretbare Handlung), nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit erfüllt wird. Die Einschränkung in Art. 32 Satz 2 VwZVG „Wenn ein Zwangsgeld keinen Erfolg erwarten lässt“ ist Zulässigkeitsvoraussetzung für das Zwangsmittel der Ersatzvornahme und entspricht der nach bayerischem Vollstreckungsrecht vorgesehenen Rangfolge der Zwangsmittel (vgl. Art. 29 Abs. 2 VwZVG), die bei vertretbaren Handlungen grundsätzlich vom Vorrang des Zwangsgeldes gegenüber der Ersatzvornahme ausgeht (vgl. BayVGH, B. v. 14.9.2006 – 15 ZB 06.2079 -, Rn. 5, juris). Das Landratsamt hat mit dem Zwangsgeld das nach bayerischem Vollstreckungsrecht mildeste Zwangsmittel ausgewählt und dadurch dem Kläger Gelegenheit gegeben, seiner Verpflichtung zur Abgabe der festgesetzten Restwassermenge kostengünstig nachzukommen, Art. 29 Abs. 3 Satz 2 VwZVG. Der Einwand der Klägerseite, die Ersatzvornahme sei deshalb das richtige Zwangsmittel, weil der Kläger nicht beurteilen könne, ob er bei Einhaltung der Verpflichtung zur Abgabe der Restwassermenge gegen naturschutzrechtliche Verbote verstoße, verfängt nicht. Denn dieser Einwand betrifft die Rechtmäßigkeit der der Zwangsmittelandrohung zugrunde liegenden Grundverfügung vom 21. Dezember 2009 und kann deshalb keinen Einfluss haben auf die Rangfolge der anzuwendenden Zwangsmittel.
bb) Substantiierte Rügen selbständiger Rechtsverletzungen durch die Zwangsgeldandrohung hat der Kläger nicht vorgetragen. Er trägt vielmehr – wie soeben dargelegt – vor, dass er an der Erfüllung der bestandskräftigen Verpflichtung zur Abgabe einer Restwassermenge von 120 l/s aus naturschutzrechtlichen Gründen gehindert wäre. Er wendet damit ein, dass er der bestandskräftigen Anordnung aus dem Bescheid vom 21. Dezember 2009 nicht nachkommen könne. Solche Einwendungen gegen die Vollstreckung, die den zu vollstreckenden Anspruch betreffen, sind gemäß Art. 21 Satz 2 VwZVG aber nur zulässig, soweit die geltend gemachten Gründe erst nach Erlass des zu vollstreckenden Verwaltungsakts entstanden sind und mit förmlichen Rechtsbehelfen nicht mehr geltend gemacht werden können. Der Anwendungsbereich des Art. 21 VwZVG beschränkt sich damit auf Fälle, in denen durch eine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage der Zweck der Vollstreckung entfällt.
Eine solche Änderung der Sachlage könnte sich vorliegend daraus ergeben, dass es zu dem Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 21. Dezember 2009 – sowohl nach Aktenlage, als auch nach den unbestrittenen Angaben des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung – noch keine Anzeichen für die Ansiedlung von Bibern rund um die klägerische Wasserkraftanlage gab, und deshalb auf naturschutzrechtliche Besonderheiten im Zusammenhang mit dem Biber im damaligen Bescheid nicht eingegangen worden war.
Unabhängig davon, dass darüber, ob insoweit ein Vollstreckungshindernis nach Art. 21 VwZVG vorliegt, zunächst die Anordnungsbehörde zu entscheiden hat (vgl. Art. 21 Satz 1 VwZVG), liegen hier aber die materiellen Voraussetzungen des Art. 21 VwZVG nicht vor, da der Verpflichtung nach wie vor kein gesetzliches Verbot entgegensteht. Der Kläger kann gegen die Verpflichtung zur Gewährleistung des Mindestabflusses durch Freihaltung bzw. Freilegung der Restwasseröffnung nicht einwenden, dass der Erfüllung der Verpflichtung naturschutzrechtliche bzw. artenschutzrechtliche Bestimmungen entgegenstünden bzw. dass der Kläger nicht beurteilen könne, ob solche entgegenstünden.
Artenschutzrechtliche Bestimmungen stehen der Freihaltung der Restwasseröffnung nicht entgegen. Gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 3 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) ist es verboten, Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der streng geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 13 b. aa. BNatSchG i.V.m. Anhang IV Nr. a) der Richtlinie 92743/EWG (Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie) zählt der Biber zu den Tieren der besonders geschützten Arten. Soweit nicht Fortpflanzungs- oder Ruhestätten betroffen sind, gelten auch für streng geschützte Arten die allgemeinen Regelungen des § 39 Abs. 1 BNatSchG. Nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG ist es verboten, Lebensstätten wild lebender Tiere ohne vernünftigen Grund zu beeinträchtigen oder zu zerstören.
Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass die in der Vergangenheit immer wieder festgestellten Verbauungen und Verlegungen an der Restwasseröffnung vom Biber herrührten.
Allerdings handelt es sich bei den vom Biber herrührenden Aufstauungen durch Gehölze, etc. an der Restwasseröffnung weder um eine Fortpflanzungs- noch um eine Ruhestätte des Bibers, so dass durch eine Räumung der Restwasseröffnung schon kein Verbotstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG verwirklicht wird. Zu den Ruhestätten sind dabei Örtlichkeiten zu rechnen, in denen sich die Tiere eine gewisse Zeit ohne größere Fortbewegung aufhalten, weil sie dort Ruhe und Geborgenheit suchen, zum Beispiel der Wohnbau des Bibers (vgl. Gellermann in: Landmann/Rohmer, UmweltR, BNatSchG, 89. EL Februar 2019, § 44 Rn. 16). Nach den Ausführungen des Naturschutzreferenten am LRA vom 6. März 2017 (Bl. 292 der Behördenakte) konnte eine Biberburg im Bereich der Restwasseröffnung nicht festgestellt werden. Damit unterfällt das Räumen der Restwasseröffnung schon nicht dem Verbotstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG.
Selbst wenn in irgendeiner Form ein Verbot des § 44 BNatSchG tangiert wäre, würde jedenfalls die Ausnahmeregelung für Biber in § 2 der Artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung (AAV) greifen: Nach § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG können die nach Landesrecht für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden u.a. zur Abwendung erheblicher wasserwirtschaftlicher Schäden von den Verboten des § 44 BNatSchG im Einzelfall Ausnahmen zulassen und nach § 45 Abs. 7 Satz 4 BNatSchG können die Landesregierungen Ausnahmen auch allgemein durch Rechtsverordnung zulassen. Von der Ermächtigung des § 45 Abs. 7 Satz 4 i.V.m. Satz 1 BNatSchG hat die Bayerische Staatsregierung durch Erlass der Artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung (AAV) vom 3. August 2008 (GVBl S. 327), zuletzt geändert durch die Verordnung zur Änderung der Artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung vom 23. Juni 2017 (GVBl S. 184), Gebrauch gemacht.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 AAV dürfen Biberdämme abweichend von § 44 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BNatSchG, soweit besetzte Biberburgen nicht beeinträchtigt werden, und nicht besetzte Biberburgen beseitigt werden. Nach dem – seit der Änderung der Artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung im Juni 2017 – eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, gilt dabei der Maßgabevorbehalt in § 2 Abs. 1 Satz 1 AAV („nach Maßgabe der Abs. 2 bis 7“) nur für die Maßnahmen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AAV. Hiervon ausgehend wäre vorliegend eine Beseitigung von Biberdämmen bzw. entsprechenden Verlegungen an der Restwasseröffnung rechtlich unproblematisch möglich, da es angesichts der Verordnungsregelung in § 2 Abs. 1 Satz 2 AAV keiner Zulassung einer Ausnahme vom Verbot des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG im Einzelfall nach § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG durch die Untere Naturschutzbehörde bedürfte und auch keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass durch die Beseitigung des Verschlusses an der Restwasseröffnung besetzte Biberburgen beeinträchtigt würden.
Auch die allgemeinen Regelungen zum Schutz wild lebender Tiere stehen der Beseitigung des Verschlusses an der Restwasseröffnung nicht entgegen. Soweit die für streng geschützte Arten geltenden Regelungen der §§ 44 und 45 BNatSchG tatbestandsmäßig nicht greifen, es also im hiesigen Zusammenhang nicht um Fortpflanzungs- oder Ruhestätten geht, ist
§ 39 BNatSchG anzuwenden. Nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG ist es verboten, Lebensstätten wild lebender Tiere ohne vernünftigen Grund zu beeinträchtigen oder zu zerstören. Unter Lebensstätten im Sinne dieser Vorschrift sind regelmäßige Aufenthaltsorte wild lebender Tiere zu verstehen (vgl. Gellermann in: Landmann/Rohmer UmweltR/Gellermann, a.a.O. § 39 Rn. 9). Nach der Stellungnahme des Naturschutzreferenten am LRA vom 6. März 2017 ist der Oberwasserkanal als eine solche Lebensstätte des Bibers anzusehen, das Umgehungsgerinne, also der vom streitgegenständlichen Bescheid betroffene Bereich, dagegen nicht. Darüber hinaus würde die Sicherstellung des Restwassers im Umgehungsgerinne einen wichtigen und damit vernünftigen Grund im Sinne der Vorschrift darstellen, der es trotz grundsätzlichem Verbot rechtfertigen würde, eine Lebensstätte des Bibers zu zerstören, da nur dadurch die ökologische Durchgängigkeit des Umgehungsgerinnes sichergestellt werden könne.
Anhaltspunkte dafür, dass die Beurteilung der Unteren Naturschutzbehörde, die Unterhaltung der Restwasseröffnung führe zu keiner Beeinträchtigung oder gar Zerstörung einer Biberlebensstätte, vorliegend falsch wäre, liegen nicht vor. Vielmehr hat die Untere Naturschutzbehörde in ihrer Begründung nachvollziehbar dargestellt, dass ein Wasserkörper wie der hier betroffenen Oberwasserkanal in der näheren Umgebung in so großem Umfang vorhanden ist und zudem einen so trivialen Bestandteil des Lebensraums des Bibers darstellt, dass das Freihalten der Restwasseröffnung keinerlei negative Auswirkungen auf die Qualität der Lebensstätte des Bibers haben könne. Denn auch nach Beseitigung etwaiger Verbauung führe die damit verbundene Veränderung des Wasserstandes im Oberwasserkanal aus Bibersicht zu keiner nennenswerten Verkleinerung des vorhandenen Wasserkörpers. Für die Nahrungssuche und die täglichen Ruhepausen sowie für Fortpflanzung und Jungenaufzucht sei der Oberwasserkanal ein geeigneter Lebensraumbestandteil, unabhängig davon, ob die Restwasseröffnung verbaut sei oder nicht.
Damit steht fest, dass der Erfüllung der Verpflichtung zur Abgabe der festgesetzten Restwassermenge unter Berücksichtigung der Sach- und Rechtslage im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides artenschutzrechtliche Bestimmungen nicht entgegenstanden. Inwieweit künftige Änderungen des Sachverhalts zu einer anderen Einschätzung führen könnten, ist für die Rechtmäßigkeit des hier angefochtenen Bescheides nicht relevant. Dem Kläger obliegt es, im Falle einer Veränderung der Sachlage sich gegebenenfalls mit dem LRA abzustimmen. Derzeit stehen der Erfüllung der Verpflichtung aber jedenfalls keine artschutzrechtlichen Verbote entgegen.
Im Ergebnis bestehen damit gegen den streitgegenständlichen Bescheid vom 26. Oktober 2017 keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung im Kostenpunkt war gemäß § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Gründe für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor (§ 124 a Abs. 1 VwGO).


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