Verwaltungsrecht

Anforderungen an das Vorliegen politischer Verfolgung im Iran – Erfan-e Halgheh

Aktenzeichen  W 8 K 17.31790

Datum:
13.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3
AsylG AsylG § 4
AsylG AsylG § 25
AufentG § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1
VwGO § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2

 

Leitsatz

Es besteht nicht für alle Mitglieder der Gemeinschaft Erfan-e Hagheh gleichermaßen eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10. April 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG sowie für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Gericht folgt im Ergebnis sowie in der wesentlichen Begründung dem angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Das Gericht ist insbesondere nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugt, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in den Iran politische Verfolgung oder sonst eine ernsthafte Gefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
Ein Ausländer darf gemäß § 3 ff. AsylG nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Verfolgungshandlungen müssen an diese Gründe anknüpfend mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (siehe zum einheitlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – BVerwGE 140, 22; U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – BVerwGE 136, 377). Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist letztlich, ob es zumutbar erscheint, dass der Ausländer in sein Heimatland zurückkehrt (BVerwG, U.v. 3.11.1992 – 9 C 21/92 – BVerwGE 91, 150; U.v. 5.11.1991 – 9 C 118/90 – BVerwGE 89, 162). Über das Vorliegen einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegebenen Gefahr politischer Verfolgung entscheidet eine wertende Gesamtbetrachtung aller möglichen verfolgungsauslösenden Gesichtspunkte, wobei in die Gesamtschau alle Verfolgungsumstände einzubeziehen sind, unabhängig davon, ob diese schon im Verfolgerstaat bestanden oder erst in Deutschland entstanden und von dem Ausländer selbst geschaffen wurden oder ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem nach der Flucht eingetretenen Verfolgungsgrund und entsprechend den schon in dem Heimatland bestehenden Umständen gegeben ist (BVerwG, U.v. 18.2.1992 – 9 C 59/91 – Buchholz 402.25, § 7 AsylVfG Nr. 1).
Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat ein Kläger (oder eine Klägerin) seine (ihre) Gründe für seine politische Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO). Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. Bei den in die eigene Sphäre des Klägers fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, muss er eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, den Abschiebungsschutz lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. Bleibt ein Kläger hinsichtlich seiner eigenen Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 106.84 – BVerwGE 71, 180).
Dem Kläger ist es nicht gelungen, die für seine Ansprüche relevanten Gründe in der dargelegten Art und Weise geltend zu machen. Unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass eine begründete Gefahr (politischer) Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestand bzw. besteht oder sonst eine ernsthafte Gefahr drohte oder droht. Weiter stützt er seine Verfolgungsfurcht im Wesentlichen auf Vermutungen und Spekulationen. Des Weiteren sprechen die vorliegenden Erkenntnisse sachverständiger Stellen gegen eine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden Verfolgungsgefahr.
Der Kläger hat schon selbst angegeben, den Iran tatsächlich unverfolgt verlassen zu haben. Soweit er nunmehr mit Bezug auf seine Aktivitäten im Zusammenhang mit der religiösen Gemeinschaft Erfan-e Halgheh (Lehre von der interuniversalen Mystik) vorbringt, er befürchte bei einer Rückkehr Verfolgung, hat er sein Vorbringen nicht substanziiert. Vielmehr hat er bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung im gerichtlichen Verfahren dazu keinerlei Klagebegründung vorgebracht und auch anschließend nur spärliche Angaben gemacht. Der Kläger stützt seine Verfolgungsfurcht nur auf Vermutungen und Spekulationen, da weitere mit Tatsachen untermauerte Angaben zu konkreten Verfolgungsmaßnahmen fehlen. Er erklärte lediglich, ein- bis zweimal sei jemand bei seiner Frau gewesen sowohl wegen ihm als auch wegen seiner Tochter. Nähere Erläuterungen gab er nicht. Insbesondere berichtete er nichts von irgendwelchen schriftlichen Unterlagen. Er erwähnte nur, dass er keinen Kontakt zu seiner Tochter habe. Von eventuellen, auch gerade aktuellen staatlichen Verfolgungsmaßnahmen gegen seine Person, geschweige denn von diesbezüglichen schriftlichen konkreten Dokumenten, die sein Vorbringen belegen könnten und die er auch dem Gericht vorlegen könnte, berichtete der Kläger nichts. Es erscheint lebensfremd und nicht nachvollziehbar, dass der Kläger nicht aus eigenem Antrieb weitere konkrete Erkundigungen eingezogen hat, die auf eine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestehenden Verfolgungsgefahr für ihn hindeuten. Gerade wenn jemand verfolgt wird – und damit sein Asylbegehren in Deutschland begründet –, wäre es lebensnah, sich weitere konkrete Informationen über ein Fortbestehen der Verfolgungsgefahr zu besorgen und entsprechende Belege von sich aus unaufgefordert den deutschen Behörden bzw. dem Gericht vorzulegen. In diese Richtung ist nichts Substanzielles vorgetragen. Danach drängt sich dem Gericht der Eindruck auf, dass überhaupt keine relevanten Verfolgungsmaßnahmen seitens der staatlichen Behörden im Iran erfolgt sind und auch bei einer Rückkehr nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen.
Des Weiteren sprechen die vorliegenden Erkenntnisse sachkundiger Stellen gegen eine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden Verfolgungsgefahr. Selbst wenn nach der Erkenntnislage Atheisten, insbesondere Personen, deren Haltung von der offiziellen Interpretation des schiitischen Islam abweicht, Gefahr laufen, strafrechtlich verfolgt, inhaftiert und hingerichtet zu werden, und auch der Gründer der religiösen Gemeinschaft Herr Dr. Ali Taheri seit mehreren Jahren inhaftiert und im Iran zum Tode verurteilt ist (vgl. Amnesty International, Urgent Action vom 1.9.2017; Amnesty International, Report 2016; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 12.12.2016 zu Iran: Verfolgung von Mitgliedern in der Gruppe Erfan-e Halgheh [Interuniversalismus]; Accord, Anfrage-Beantwortung zu Iran vom 25.3.2015, Rechtslage für Atheistinnen; Strafbarkeit bzw. Bestrafung vom Abfall für Islam), besteht nicht für alle Mitglieder der Gemeinschaft Erfan-e Halghe (Lehre der interuniversalen Mystik) gleichermaßen eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr.
Das Auswärtige Amt hat in einer Stellungnahme vom 18. März 2015 an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (vgl. auch schon Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 11.12.2013 an das Schleswig-Holsteinische VG) ausdrücklich ausgeführt, dass die Vereinigung, der der Kläger angehört, als Abfall vom Islam angesehen werde und sich der Gründer seit 4. Mai 2011 im Gefängnis befinde. Neben Mohammed Ali Taheri seien auch weitere Angehörige der Bewegung, die sich in der Führungshierarchie von einfachen Mitgliedern abheben, festgenommen worden. Das Auswärtige Amt betont aber ausdrücklich, eine Nachfrage bei den Europäischen Vertretungen in Teheran habe ergeben, dass aktuell auch bei diesen eine Gefährdungslage für einfache Mitglieder der Bewegung als nicht gegeben angenommen werde. Erst eine exponierte Stellung führe möglicherweise zu einer staatlichen Reglementierung oder gar Einleitung eines Strafverfahrens. Diese Auskunft leuchtet auch ein, wenn man davon ausgeht, dass die Gemeinschaft laut Angabe des Auswärtigen Amtes auf eine Mitgliedzahl von 300.000 Menschen geschätzt wird. Bei dieser Größenordnung müssten sich Erkenntnisse über Maßnahmen allein aufgrund der Mitgliedschaft in dieser Gemeinschaft oder der Teilnahme an Kursen in erheblicher Dimension in den vorliegenden Quellen niederschlagen. Daran fehlt es. Der Kläger ist nur einfaches Mitglied gewesen. Er hat keine exponierte Stellung in seiner religiösen Gemeinschaft gehabt. Zudem würde nach der zitierten Auskunft des Auswärtigen Amtes selbst eine exponierte Stellung nur „möglicherweise“ zu staatlichen Maßnahmen führen, wäre aber nicht zwangsläufig beachtlich wahrscheinlich. Die schlichte gegenteilige Behauptung der Klägerseite wurde nicht nachvollziehbar belegt und rechtfertigt keine andere Beurteilung (vgl. BayVGH, Be.v. 10.10.2017 – 14 ZB 15.30233 und 14 ZB 15.30234 – nicht veröffentlicht). Auch dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 12.12.2016 zu Iran: Verfolgung von Mitgliedern in der Gruppe Erfan-e Halgheh [Interuniversalismus]) ist nur zu entnehmen, dass auch Anhänger dieser Vereinigung Maßnahmen ausgesetzt waren, wobei es sich offenkundig um Aktivisten gehandelt hat, die ins Blickfeld der iranischen Sicherheitsbehörde geraten sind, etwa durch Protestaktionen im Iran zur Unterstützung des Gründers dieser Gruppierung.
Gegen eine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Gefahr, konkret in der Person des Klägers spricht weiter, dass er in Deutschland nur an einer vereinzelt gebliebenen Demonstration einer kleinen Gruppe der Erfan-e Halgheh am 5. November 2016 in Hamburg teilgenommen hat. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger in dem Zusammenhang selbst eingeräumt, er habe nicht an weiteren Demonstrationen teilgenommen, weil er sich auf seine Kurse für die Bahá’í konzentriere. Hätte er sich nicht für die Bahá’í interessiert, hätte er die Demonstrationen fortgesetzt. Insofern ist der Kläger offenbar mittlerweile schon selbst von Aktivitäten im Rahmen der religiösen Gruppierung Erfan-e Halgheh abgerückt.
Die Situation der Mitglieder bzw. Anhänger der Gemeinschaft Erfan-e Halghe ist nach der bestehenden Erkenntnislage gerade nicht mit der Verfolgungsquantität und Verfolgungsintensität etwa betreffend die Anhänger der Religionsgemeinschaft der Bahá’í oder die konvertierten Christen im Iran vergleichbar.
Zusammenfassend ist das Gericht nach dem Gesamtbild, wie es sich dem Gericht aufgrund der Angaben des Kläger im behördlichen Verfahren und im Gerichtsverfahren unter Einbeziehung der vorgelegten bzw. sonst zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Unterlagen darstellt, gerade auch nach dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugt, dass dem Kläger aufgrund des von ihm geschilderten Vorfluchtschicksals im Zusammenhang mit Erfan-e Halgheh eine (politische) Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohte oder heute noch droht.
Das Gericht ist des Weiteren nicht davon überzeugt, dass für den Kläger eine ernsthafte Verfolgungsgefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aufgrund seiner Nachfluchtaktivitäten droht. Die als Nachfluchtgründe geltend gemachten Aktivitäten bewegen sich insgesamt betrachtet noch auf einen niedrigen oppositionellen Niveau, so dass nach Überzeugung des Gerichts nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger in Deutschland derart nach Außen in Erscheinung getreten ist, dass er zum einen durch die iranischen Sicherheitsbehörden mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit als ernsthafter Regimegegner, welche auf die Verhältnisse im Iran einzuwirken vermag, identifiziert und qualifiziert worden ist und dass zum anderen wegen der von ihm ausgehenden Gefahr ein Verfolgungsinteresse des iranischen Staates besteht.
Was die Aktivitäten für die Gemeinschaft Erfan-e Halghe anbelangt, hat der Kläger – wie ausgeführt – keine großen Aktivitäten in Deutschland entfaltet. Er hat nur an einer einzelnen Demonstration teilgenommen und sich wegen seines Interesses für die Bahá’í nicht um weitere Aktivitäten bemüht.
Nach den vorliegenden Erkenntnissen (vgl. nur Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 8.12.2016, Stand: Oktober 2016; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 22.5.2017) gilt für alle exilpolitischen Aktivitäten, dass eine Gefahr politischer Verfolgung wegen exilpolitischer Aktivitäten nur dann anzunehmen ist, wenn ein iranischer Bürger bei seinen Aktivitäten besonders hervortritt und sein Gesamtverhalten ihn den iranischen Stellen als ernsthaften, auf die Verhältnisse im Iran hineinwirkenden Gegner erscheinen lässt. Untergeordnete Handlungen genügen nicht (vgl. BayVGH, B.v. 20.6.2017 – 14 ZB 17.30370 – nicht veröffentlicht; B.v. 29.7.2013 – 14 ZB 13.30084 – juris sowie ebenso zuletzt etwa VG Würzburg, B.v. 30.10.2017 – W 8 K 17.32061 – juris; U.v. 26.8.2015 – W 6 K 15.30206 – juris; U.v. 19.12.2012 – W 6 K 12.30171 – juris jeweils m.w.N.). Eine einmalige Teilnahme an einer Demonstration genügt für die Annahme einer beachtlich wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr danach bei weitem nicht.
Unabhängig davon hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund seines Kontakts und den Aktivitäten im Zusammenhang mit der Religionsgemeinschaft der Bahá’í. Eine Konversion zur Religionsgemeinschaft der Bahá’í ist jedenfalls nach Überzeugung des Gerichts noch nicht vollzogen.
Zwar besteht aufgrund der aktuellen Lage, welche sich aus den in den Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln ergibt, im Iran für Mitglieder der Bahá’í eine beachtliche Verfolgungsgefahr bei einer Rückkehr in den Iran. Dies gilt erst recht für Konvertiten, die vom Islam zu den Bahá’í konvertiert sind (vgl. VG Würzburg, U.v. 21.10.2015 – W 6 K 15.30149 – juris; Ue.v. 15.02.2013 – W 6 K 12.30204 und W 6 K 12.30216 – juris – m.w.N.).
Gleichwohl war dem Kläger im vorliegenden Verfahren die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen. Denn aufgrund des persönlichen Eindrucks in der mündlichen Verhandlung besteht nach Überzeugung des Gerichts für den Kläger keine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit bei dessen Rückkehr in den Iran, da sich der Kläger (noch nicht) aufgrund einer tiefen inneren Glaubensüberzeugung lebensgeschichtlich nachvollziehbar endgültig vom Islam abgewandt und ernsthaft und auf Dauer den Glauben der Bahá’í angenommen haben. Das Gericht ist weiter nicht davon überzeugt, dass der Kläger aufgrund seiner persönlichen religiösen Prägung jetzt schon das unbedingte Bedürfnis hat, seinen Glauben in Gemeinschaft mit anderen öffentlich auszuüben und dass er ihn auch tatsächlich öffentlich ausübt. Insbesondere ist auch nicht zu erwarten, dass der Kläger bei einer angenommenen Rückkehr in seine Heimat seiner neu gewonnenen Religion entsprechend leben würde. Das Gericht hat jedenfalls bezogen auf den entscheidungserheblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht die Überzeugung vom Vorliegen einer vollzogenen Religionskonversion und einer daraus resultierenden Verfolgungsgefahr bei einer Rückkehr in den Iran.
Gegen die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft spricht, dass sich der Kläger nach Überzeugung des Gerichts zwar auf dem Weg vom Islam hin zu den Bahá’í befindet. Aber der Schritt ist noch nicht endgültig vollzogen.
Der Kläger hat weder gegenüber dem Bundesamt noch zunächst im Klageverfahren Diesbezügliches vorgetragen, obwohl er von Rechts wegen gehalten war binnen Monatsfrist seine Klagegründe vorzubringen, wie ihm auch in der Rechtsbehelfsbelehrung:des streitgegenständlichen Bescheides mitgeteilt worden war. Des Weiteren hatte das Gericht dem Kläger über seine Anwältin mit Schreiben vom 12. September 2017 ausdrücklich aufgegeben sämtliche zur Klagebegründung dienenden Erklärungen und Beweismittel und etwaigen weiteren Tatsachenvortrag bis 29. Oktober 2017 vorzubringen bzw. vorzulegen und dabei auf die Vorschrift des § 87b Abs. 3 VwGO hingewiesen. Der Einwand der Klägerbevollmächtigten, dass sie das Verfahren erst später übernommen habe, verfängt nicht, weil sie zu dem Zeitpunkt der gerichtlichen Aufforderung nach § 87b Abs. 3 VwGO schon das Mandat innehatte. Auch der Umstand, dass der Kläger ihr erst eine Woche vor der mündlichen Verhandlung über seine Aktivitäten mit den Bahá’í berichtet habe, entschuldigt nicht. Denn es obliegt der Klägerbevollmächtigten, rechtzeitig innerhalb der gesetzten Frist (hier bis 29.10.2017) Kontakt mit dem Kläger aufzunehmen und sich um den Erhalt der erforderlichen Informationen zu bemühen. Dazu hatte sie über sechs Wochen Zeit.
Erstmals in der mündlichen Verhandlung am 13. November 2017 brachte der Kläger vor, Kurse der Bahá’í zu besuchen. Das Vorbringen ist eindeutig als verspätet zurückzuweisen, insbesondere sind aufgrund dessen keine weiteren Ermittlungen veranlasst.
Abgesehen davon ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass der Kläger den Abfall vom Islam und die Hinwendung zur Religionsgemeinschaft der Bahá’í schon endgültig vollzogen hat. So gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung an, dass er seit 4. August 2017, also erst seit gut drei Monaten, die Kurse besuche. Bislang habe er sieben bis acht Kurse besucht. Die gesamte Kursdauer betrage etwa ein Jahr. Als Beweggrund gab der Kläger dazu an, die Kurse hätten Ähnlichkeiten mit den Kursen der Vereinigung, die er im Iran besucht habe. Er habe sich deshalb entschieden, diese Kurse zu besuchen. Die Klägerbevollmächtigte erläuterte dazu weiter, dass der Kläger aufgrund seiner psychischen Probleme die Kurse besucht habe. Grund sei auch gewesen, dass sowohl die Schwestern als auch die Eltern des Klägers zu den Bahá’í konvertiert seien. Über diese sei der Kläger dann den Bahá’í nähergetreten und sei zu den Bahá’í gewechselt.
Der Kläger substanziierte indes trotz gerichtlicher Nachfrage nicht seine religiösen Beweggründe für die Abwendung vom Islam und die Hinwendung gerade zur Religionsgemeinschaft der Bahá’í sowie die für ihn wesentlichen Unterschiede. Darüber hinaus offenbarte der Kläger keine weitergehenden Glaubenskenntnisse der religiösen Gemeinschaft der Bahá’í, etwa wie die Schriften des Bahá’u’I´láh sowie Feiertage oder den Kalender oder etwaige Gebote oder Verbote sowie Gebete. Der Kläger gab an, lediglich die Kurse besucht zu haben. Dass er an Andachten oder sonstigen Veranstaltungen der Bahá’í teilgenommen hat, hat der Kläger nicht berichtet. Voraussetzung für die Konversion ist indes die Akzeptanz Bahá’u’l’láhs als Manifestation Gottes, der Wunsch nach seiner Lehre zu leben und der Bahá’í-Gemeinde anzugehören. Dass diese Voraussetzungen (jetzt schon) beim Kläger vorliegen, hat er nicht hinreichend substanziiert.
Das Gericht hatte in der mündlichen Verhandlung des Weiteren den Eindruck, dass der Kläger letztlich nicht aus eigenem Entschluss, sondern mehr oder weniger gedrängt durch seine Eltern bzw. Schwestern zu den Kursen der Bahá’í gegangen ist, auch um seine psychischen Probleme in den Griff zu bekommen. Der Kläger hat zudem einerseits zwar erklärt, er sei schon Bahá’í. Andererseits merkte er in der mündlichen Verhandlung selbst an, dass er sich noch auf dem Weg befinde und das Ziel noch nicht erreicht habe. So erklärte er bei der Frage nach einer Aufnahmeprüfung, man müsse erst die Kurse besuchen, dann werde festgestellt, ob man tatsächlich von dieser Religion angezogen werde. Er habe sich auf die Bahá’í-Kurse konzentriert, um die Konversion zu den Bahá’ís zu erreichen. Man müsse an den Kursen teilnehmen, bis man das Ziel erreicht habe. Die Kurse hätten erst begonnen. Er kenne sich noch nicht so gut aus. Er sei noch nicht so weit.
Der Kläger erklärte zwar, dass es bei den Bahá’í Friede, Liebe und Freundschaft gebe und keine Lügen. In den Kursen finde er die innere Ruhe. Man könne bei den Bahá’í jederzeit mit Gott reden. Am meisten fasziniere ihn die Einheit. Es gebe Solidarität, Emanzipation, Mann und Frau seien gleich, alles gehe in Frieden von Statten. Es gehe bei den Bahá’í um Gerechtigkeit und Frieden. Es gebe Bahá’u’l’láh, Bab sowie Abdul-Bahar. Dies seien Großscheichs. Aber er habe die Bücher von Bahá’u’l’láh nicht gelesen, sondern nur Bücher im Rahmen der Kurse. Feiertage bei den Bahá’í kenne er nicht. Er kenne auch nicht den Kalender und wisse auch nicht, ob man fasten müsse.
Das Gericht hat nachdem nicht den Eindruck, dass der Kläger schon die fundamentalen Unterschiede zwischen dem Islam und seinem neuen Glauben verinnerlicht hat. Der Kläger ließ sich nicht näher zu den Lehren des Bahá’u’l’láh aus und kannte auch nicht etwa die wichtigsten Glaubensgrundsätze der Bahá’í. Er wusste nicht, dass der Kalender der Bahá’í aus 19 Monaten zu je 19 Tagen sowie aus vier bzw. fünf weiteren Tagen besteht. Er kannte nicht die Veranstaltungen, die alle 19 Tage stattfinden. Er konkretisierte nicht die Ge- und Verbote sowie die verschiedenen Gebete, großes, mittelgroßes, kleines Gebet. Auch die Feiertage waren ihm fremd. Der Kläger wusste nichts von üblichen Riten seiner Glaubensgemeinschaft in seinem Alltag. Bislang fehlen grundlegende Glaubenskenntnissen und ein eindeutiges und überzeugendes Bekenntnis zum Glauben der Bahá’í. Das Gericht hat vielmehr den Eindruck, dass dem Kläger die Teilnahme an den Kursen primär aus persönlichen und auch psychischen Gründen zurzeit guttut.
Des Weiteren hat das Gericht Bedenken, dass der Kläger bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran seinen eventuellen Glauben an die Religionsgemeinschaft der Bahá’í einem identitätsprägenden Bedürfnis entsprechend öffentlich ausüben würde. Der Kläger verwies insbesondere darauf, dass es bei seinen Eltern nicht sehr einfach gewesen sei. Sie hätten auch dort alles nur konspirativ durchgeführt.
Der Kläger ließ auch keinerlei Belege seiner neuen Religionsgemeinschaft der Bahá’í vorlegen, die seine Konversion bestätigen könnten. Erheblich gegen eine bereits vollzogene Konversion spricht auch die bislang fehlende Aufnahme in die Religionsgemeinschaft der Bahá’í. Das Aufnahmegespräch stellt als zentrales Element der Religionsgemeinschaft der Bahá’í gerade bei Ausländern aus dem Iran dar.
Denn nach der Auskunft des Nationalen Geistigen Rates der Bahá’í in Deutschland an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 16. November 2011 wird beim Aufnahmegesuch jeder Fall einzeln sorgfältig geprüft. Dabei werden in einem persönlichen Gespräch zwischen zwei Beauftragten und den Bewerbern versucht, die Person kennenzulernen und ihre Motive einzuschätzen. So werde in Erfahrung gebracht, wie und wo die Person den Bahá’í-Glauben kennengelernt habe, wie die Lebensumstände und der Aufenthaltsstatus seien und ob über einen längeren Zeitraum hinweg das Interesse am Glauben deutlich geworden sei, ob Kenntnisse über den Glauben vorhanden seien und eine regelmäßige Teilnahme an den Bahá’í-Aktivitäten vorliege. Ziel sei es ohnehin, sich ein Bild von der Aufrichtigkeit und Rechtschaffenheit des Verhaltens zu machen. So würden auch Einkünfte vor Ort eingeholt. Eine Aufnahme in die Gemeinde erfolge nur, wenn keinerlei Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Glaubensüberzeugung bestünden und der Nationale Geistige Rat sich von der Aufrichtigkeit der Motive habe überzeugen können. Es müsse deutlich sein, dass Beweggrund ausschließlich die Anerkennung des Bahá’u’lláhs sei. Andere Beweggründe würden nicht akzeptiert. Wo dies nicht eindeutig der Fall sei, seien Anträge auf Aufnahme in die Gemeinde abgelehnt oder zur erneuten Prüfung nach mehreren Monaten zurückgestellt worden (vgl. auch Auskunft des Nationalen Geistigen Rates der Bahá’í in Deutschland vom 5.9.2012 an das VG Regensburg).
Das Vorstehende hat der Sekretär des Nationalen Geistigen Rates der Bahá’í in Deutschland bei einer Zeugenaussage am 15. Februar 2013 im Verfahren W 6 K 12.30204, auf die Bezug genommen wird, ausdrücklich bestätigt. Der Zeuge wies darauf hin, dass es bei der Aufnahme von Bewerbern in der Religionsgemeinschaft der Bahá’í Besonderheiten gebe für Personen, etwa aus Ländern wie dem Iran, in dem Verfolgung herrsche. Deshalb würden bei diesen Personen die Aufnahmevoraussetzungen besonders geprüft. Gerade auch um Missbrauch vorzubeugen, gehe es bei der Aufnahmeprüfung darum, die Aufrichtigkeit der Beweggründe festzustellen und zu prüfen, ob sich die innere Glaubensüberzeugung manifestiert habe. Es gehe auch darum, andere Absichten auszuschließen. Um Missbrauch von Bewerbern mit asyltaktischen Motiven auszuschließen, würden sie prüfen, ob der Bewerber Bahá’í sei. Bei Zweifeln würden die Bahá’í die Aufnahme zurückstellen und den Bewerber bitten, sich nach sechs Monaten nochmals zu melden. Sie würden regelmäßig Bewerber ablehnen, auch zum zweiten Mal, von denen sie nicht überzeugt seien, dass sie aufrichtige Bahá’í seien. Letzteres deckt sich mit der Aussage des Klägers zur Aufnahmeprüfung, wonach man erst Kurse besuchen müsse; dann werde festgestellt, ob man tatsächlich von dieser Religion angezogen werde. Ausschlaggebend für eine vollzogene Religionskonversion ist nach alledem jedenfalls nicht allein der Aufnahmewunsch des Betreffenden.
Mangels Aufnahmegespräch und Aufnahme in die Religionsgemeinschaft der Bahá’í fehlt es des Weiteren vor allem auch an einen nach außen getragenen Manifestation einer eventuellen Konversion. Zwar ist aus der Sicht des iranischen Staates bei der Konversion vom Islam zu einer anderen Religionsgemeinschaft nicht auf einzelne förmliche Akte der neuen Religion abzustellen, sondern auf den nach außen getragenen Abfall vom Islam unter Hinwendung zu einer anderen Religion. Jedoch ist grundsätzlich erforderlich, die Lösung vom Islam nach außen zu manifestieren und zu verfestigen, so dass davon ausgegangen werden kann, dass der Betreffende sich nachhaltig und auf Dauer sowie nach außen hin erkennbar ernstlich vom moslemischen Glauben abgewandt hat (vgl. HessVGH, B.v. 23.2.2010 – 6 A 1389/09.A – Asylmagazin 2010, 120). Das Auswärtige Amt hat in seiner Auskunft an das VG Schwerin vom 25. August 2015 ausdrücklich angemerkt, dass Apostasie, der Abfall vom Islam, nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes im Iran erst angenommen wird, wenn der eigentliche Übertritt in eine andere, dem Islam nicht zurechenbare Glaubensgemeinschaft, vorgenommen wird. Daran fehlt es beim Kläger. Solange das Aufnahmegespräch nicht stattgefunden hat und auch keine positive Entscheidung zur Aufnahme seitens der Religionsgemeinschaft der Bahá’í gefallen ist, sieht das Gericht dies als weiteres starkes Indiz an, dass die Religionsgemeinschaft der Bahá’í selbst noch Zweifel an der Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit der Konversion hat. Dafür sprechen die oben zitierten Aussagen des Nationalen Geistigen Rates der Bahá’í. Das Gericht ist nicht der Auffassung, dass die förmliche Aufnahme zur Religionsgemeinschaft der Bahá’í eine reine Formalie sei. Angesichts der Auskünfte aus den Reihen des Nationalen Geistigen Rates der Bahá’í ist davon auszugehen, dass dieser selbst noch nicht von einer nachhaltigen und endgültigen vollzogenen Konversion und von einer nach außen getragenen Manifestation der Konversion überzeugt ist.
Auch nach der Rechtsprechung (vgl. etwa BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 20.12 – Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 15 sowie EuGH, U.v. 5.9.2012 – C 71/11 und C 99/11 – ABl. EU 2012, Nr. C 331, 5 – ZAR 2012, 433) ist für die Annahme einer Verfolgungsgefahr erforderlich, dass für den Kläger eine öffentliche Glaubensbetätigung als zentrales Element seiner religiösen Identität für ihn unverzichtbar ist. Daran hat das Gericht zum gegenwärtigen Zeitpunkt beim Kläger noch durchgreifende Zweifel. Wie ausgeführt, sprechen schon die nur dürftigen bisherigen Angaben zu seinen religiösen Aktivitäten und zu einer öffentlichen Glaubensbetätigung sowie seine fehlenden Glaubenskenntnisse gegen eine Konversion. Der Kläger erweckte nicht den Eindruck, dass er den neuen Glauben schon nachhaltig und endgültig verinnerlicht hat und deshalb bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran als unverzichtbares Element seine neue Glaubensüberzeugung auch öffentlich betätigen müsste. Zurzeit ist nach Überzeugung des Gerichts nicht davon auszugehen, dass zu erwarten sei, dass der Kläger bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran entsprechend des neuen Glaubens der Bahá’í leben und nicht doch zum Islam zurückkehren würde. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht zu erwarten, dass die iranischen Behörden von der Konversion Kenntnis erlangen und darauf repressiv reagieren würden.
Nach alledem erschließt sich für das Gericht nicht, dass der Kläger jetzt schon das Bedürfnis hat, den neuen Glauben der Bahá’í in der Öffentlichkeit zu leben. Es ist nicht ersichtlich, dass sich der Kläger schon zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund einer tiefen inneren Glaubensüberzeugung lebensgeschichtlich nachvollziehbar endgültig vom islamischen Glauben abgewandt und dem Glauben der Bahá’í angenommen hat. Insbesondere hat das Gericht – wie ebenfalls bereits ausgeführt – noch Zweifel, dass der Hauptbeweggrund zum Wechsel der Bahá’í ausschließlich die Anerkennung Bahá’u’lláhs und seine Lehre ist und nicht andere Beweggründe inmitten stehen, wie der Besuch der Kurse zur Bewältigung der psychischen Probleme des Klägers. Der Kläger konnte nicht nachweisen, dass er abgesehen von wiederholten Besuchen von Kursen der Bahá’í in Deutschland seine Lebensführung an grundlegenden religiösen Geboten seiner jetzigen Glaubensvorstellung ausgerichtet hat. Vielmehr erscheinen soziale, persönliche und gesundheitliche Gründe nichtreligiöser Art vorzuwiegen.
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Kläger einen weiteren Asylantrag (Folgeantrag) stellen kann und auch rechtzeitig stellen muss, wenn die Aufnahme in die Religionsgemeinschaft der Bahá’í erfolgt ist und er sich – nicht nur aus opportunistischen, asyltaktischen oder sonstigen Gründen – dem Glauben der Bahá’í endgültig zugewandt hat.
Das Gericht ist des Weiteren auch nicht überzeugt, dass dem Kläger im Übrigen schon jetzt – vor dem Vollzug des Beitritts zur Religionsgemeinschaft der Bahá’í – allein wegen eines Abfalls vom Islam politische Verfolgung bei einer Rückkehr im Iran drohen würde. Denn wie ausgeführt ist erforderlich ein Glaubenswechsel, wonach sich der Kläger verpflichtet fühlt, eine andere Religion als den Islam öffentlich und in Gemeinschaft mit anderen auszuüben. Erst dann wäre die Gefahr damit verbunden als Konvertit und Apostat erkannt zu werden. Erforderlich wäre beim Kläger ein zwingendes Bedürfnis, ein religiöses oder auch atheistisches Selbstverständnis nach außen mitzuteilen (BayVGH, B.v. 2.3.2010 – 14 ZB 10.30050 – Asylmagazin 2010, S. 333). Der Kläger hat selbst nicht vorgetragen, dass ein Abfall vom islamischen Glauben derart stattgefunden hat. Der Kläger hat nicht vorgebracht, ein dauerhaft prägendes, zwingendes Bedürfnis zu haben, sein religiöses oder atheistisches Selbstverständnis nach außen mitzuteilen. Dem Gericht drängt sich nach den eher dürftigen Aussagen in der mündlichen Verhandlung nicht der Eindruck auf, dass sich der Kläger schon endgültig und intensiv mit Glaubensfragen beschäftigt hat, geschweige denn sich endgültig vom Islam in jeder Form abgewandt und sich stattdessen mit einem neuen Glauben intensiv auseinandergesetzt hat. Vielmehr verspricht der Kläger sich bzw. versprechen seine Verwandten sich persönlich Vorteile gerade im Blick auf seine psychischen Probleme durch die Teilnahme an den Kursen. Weiter ist nicht erkennbar, dass sich die Loslösung vom Islam nach außen so manifestiert hat, dass sich der Betreffende nachhaltig und auf Dauer sowie nach außen hin erkennbar ernstlich und endgültig vom moslemischen Glauben abgewandt hat (vgl. dazu auch HessVGH, B.v. 23.2.2010 – 6 A 1398/09.A – Asylmagazin 2010, 120).
Nach alledem fehlt es zurzeit an einer Grundlage, die als Basis für die Annahme einer möglichen und mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden religiösen Verfolgung des Klägers bei einer Rückkehr in den Iran dienen könnte.
Schließlich ist auch nicht anzunehmen, dass dem Kläger sonst bei einer Rückkehr politische Verfolgung droht, etwa wegen seines Auslandsaufenthalts oder seiner Asylantragstellung in Deutschland. Auslandsaufenthalte sind nicht verboten. Zwar kann es bei der Rückkehr in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen; die Befragung geht in Ausnahmefällen mit einer ein- bis zweitägigen Inhaftierung einher. Darüber hinaus kommt es jedoch zu keinen staatlichen Repressionen. Keiner westlichen Botschaft ist bisher ein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte darüber hinaus staatlichen Repressionen ausgesetzt waren. Zudem wurde auch kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Zurzeit gibt es keine Hinweise auf eine Veränderung dieser Praxis. Schließlich können Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, von der iranischen Vertretung ein Passersatzpapier bekommen und in den Iran zurückkehren. Mit dieser „gesetzlichen Wiedereinreise“ werden die früheren illegalen Ausreisen legalisiert (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 8.12.2016, Stand: Oktober 2016). Vorstehendes gilt auch in Bezug auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 9. März 2010 (R.C./Sweden, Nr. 41827/07). Denn die dort entschiedene Fallkonstellation ist nicht mit der hier vorliegenden vergleichbar, weil der Europäische Gerichtshof in jenem Fall seiner Beurteilung eine Vorverfolgung (Demonstrationsteilnahme mit anschließender Verhaftung und Folter) als substanziiert glaubhaft gemacht zugrunde gelegt hat (VGH BW, U.v. 15.4.2015 – A 3 S 1459/13 – juris; SächsOVG, U.v. 14.1.2014 – A 2 A 911/11 – juris; BayVGH, B.v. 25.2.2013 – 14 ZB 13.30023 – juris; B. v. 21.1.2013 – 14 ZB 12.30456 – juris; OVG NRW, B.v. 16.6.2011 – 13 A 1188/11. A – Asylmagazin 2011, 246; OVG Lüneburg, B.v. 13.5.2011 – 13 LA 176/10 – AuAS 2011, 174).
Nach dem vorstehend Gesagten sind weiter insgesamt betrachtet keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG oder von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt wären. Im Übrigen wird auf den angefochtenen Bundesamtsbescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Dies gilt auch hinsichtlich der Begründung der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG abzuweisen.


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