Aktenzeichen 9 ZB 19.999
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 5 S. 2
BayVwVfG Art. 26 Abs. 2
BayBO Art. 76 S. 2
Leitsatz
1. Bei einer Nutzungsuntersagungsverfügung mit angedrohtem Zwangsgeld ist maßgeblich, ob der Adressat vor dem Zeitpunkt des Erlasses die Erfüllung der Verpflichtung substantiiert geltend gemacht hat oder sie für die Behörde unabhängig davon ersichtlich war. Ausreichende Angaben erst nach dem Erlass des Zwangsgeld sind unerheblich. (Rn. 4 – 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Erfüllung einer Unterlassungspflicht hindert nicht die Beitreibung eines angedrohten Zwangsgeldes, wenn dieser Pflicht, deren Erfüllung durch die Androhung erreicht werden sollte, zuwider gehandelt wurde. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
AN 9 K 17.1417 2019-03-13 Urt VGANSBACH VG Ansbach
Tenor
I. Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 13. März 2019 wird der Streitwert für das Verfahren An 9 K 17.01497 auf 7.500,00 Euro und ab der Verbindung mit dem Verfahren AN 9 K 17.01417 auf insgesamt 17.500,00 Euro festgesetzt. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 17.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Fälligstellung eines angedrohten Zwangsgeldes und eine erneute Zwangsgeldandrohung.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 3. Mai 2017 verpflichtete die Beklagte die Klägerin, unter Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit, die Nutzung der als Laden mit Lager und Werkstatt genehmigten Räume im Erdgeschoss des Anwesens W* …straße … in N* … (FlNr. … Gemarkung G* …*) als Wettbüro innerhalb einer Frist von einem Monat ab Zustellung des Bescheids einzustellen (Nr. 1 des Bescheids). Außerdem drohte sie für den Fall der Nichteinhaltung der Frist ein Zwangsgeld von 10.000,– Euro an (Nr. 2). Mit Schreiben vom 20. Juni 2017 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass das Zwangsgeld in Höhe von 10.000,– Euro aus dem Bescheid vom 3. Mai 2017 fällig geworden sei. Mit Bescheid vom 20. Juni 2017 drohte die Beklagte der Klägerin für den Fall der Nichterfüllung der Nr. 1 des Bescheids vom 3. Mai 2017 binnen einer weiteren Frist von einem Monat ab Zustellung dieses Bescheids ein Zwangsgeld in Höhe von 15.000 Euro an.
Mit Urteil vom 13. März 2019 wies das Verwaltungsgericht die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Fälligstellung des Zwangsgeldes und auf Aufhebung der erneuten Androhung eines Zwangsgeldes mit Bescheid von 20. Juni 2017 gerichteten Klagen in einer gemeinsamen Entscheidung ab. Hiergegen richten sich die Anträge auf Zulassung der Berufung der Klägerin.
II.
Die Anträge auf Zulassung der Berufung haben keinen Erfolg.
Die Klägerin beruft sich allein auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Klägerin innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Hieraus ergeben sich solche Zweifel nicht.
Das Verwaltungsgericht hat das mit Bescheid vom 3. Mai 2017 angedrohte Zwangsgeld als fällig geworden (vgl. Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG) und die zugrundeliegende Androhung eines Zwangsmittels als erfolglos angesehen (vgl. Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG), weil die Klägerin der Nutzungsuntersagungsverfügung nach Art. 76 Satz 2 BayBO im Bescheid vom 3. Mai 2017 nicht rechtzeitig nachgekommen ist. Nach den Ergebnissen von Ortseinsichten am 25. Januar 2017, 6. April 2017, 14. Juni 2017 und 31. Juli 2017 sei die Nutzung der betreffenden Räumlichkeiten als Wettbüro mit den Außenbeklebungen der Schaufenster im Erdgeschoss des Anwesens mit der Aufschrift „…“ von der Klägerin unverändert fortgesetzt worden. Hiervon habe die Beklagte bei Erlass des Bescheids vom 20. Juni 2017 ausgehen dürfen.
Die Klägerin macht hiergegen geltend, das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht vom Weiterbetreiben und einem Verstoß gegen die Nutzungsuntersagungsverfügung durch die Klägerin aus, obwohl ein entsprechender Nachweis nicht erbracht sei. Sie habe dagegen schlüssig dargelegt, dass sie die Tätigkeit rechtzeitig eingestellt habe. Die Fortführung des Betriebs durch ein anderes Unternehmen unter der gleichen Bezeichnung „…“ sei nicht relevant. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils weckt dieses Vorbringen nicht.
Das Verwaltungsgericht hatte darüber zu befinden, ob die Beklagte mit Ablauf der im Bescheid vom 3. Mai 2017 gesetzten Frist von einem Monat und auch noch zum Zeitpunkt des Erlasses der zweiten Zwangsgeldandrohung davon ausgehen durfte, dass die Klägerin der Nutzungsuntersagungsverfügung noch nicht nachgekommen war. Maßgeblich ist daher, ob die Erfüllung dieser Verpflichtung bis dahin substantiiert geltend gemacht wurde oder für die Behörde auch unabhängig davon ersichtlich war. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin nachträglich Angaben gemacht hat, aus denen sich ggf. Anhaltspunkte für die Beendigung ihres Wettbürobetriebs ergeben (vgl. BayVGH, B.v. 10.5.2019 – 1 ZB 17.1039 – juris Rn. 5). Das Verwaltungsgericht hat folglich zutreffend auf die Ergebnisse der Ortseinsichten und den Umstand abgestellt, dass die Klägerin innerhalb der mit Bescheid vom 3. Mai 2017 gesetzten laufenden Monatsfrist nicht von sich aus einen Betreiberwechsel gegenüber der Beklagten angezeigt hatte, während es dem erst nach Zustellung des Bescheids vom 20. Juni 2017 übermittelten Schreiben des Bevollmächtigten der Klägerin vom 18. Juli 2017, mit dem er über eine Gewerbeabmeldung zum 7. Juni 2017 wegen Gründung einer neuen GmbH in Kenntnis setzte, sowie dem Schreiben vom 15. November 2017, mit dem er ein Bestätigungsschreiben der … … als Vermieterin der streitgegenständlichen Räume vom 23. Mai 2017 betreffend eine Beendigung des Mietvertrages mit der Klägerin durch außerordentliche Kündigung zum 31. Mai 2017 vorlegte, zu Recht keine Bedeutung beigemessen hat. Solche nachträglichen Erkenntnisse könnten hier nur noch im Hinblick auf die Regelungen in Art. 37 Abs. 4 VwZVG von Bedeutung sein (s.u.).
Ebenfalls nicht beachtlich ist auch der weitere Einwand der Klägerin, dass Mitwirkungs- und Nachweispflichten hinsichtlich der Betriebsbeendigung mit der Nutzungsuntersagung im Bescheid vom 3. Mai 2017 nicht verfügt worden seien. Die Klägerin ist ihren grundsätzlich bestehenden verfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten nach Art. 26 Abs. 2 BayVwVfG betreffend den Nachweis einer Beendigung des Betriebs durch sie nicht innerhalb der laufenden Monatsfrist nachgekommen, obwohl sie – worauf auch das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung zutreffend hingewiesen hat – von der Bedeutung ihrer Betreibereigenschaft durch das vorgeschaltete Verfahren betreffend die Nutzungsuntersagung informiert war. Die Mitteilung der Betriebsbeendigung bzw. die Vorlage von entsprechenden Nachweisunterlagen, so die Klägerin ihrer Verpflichtung aus dem Bescheid vom 3. Mai 2017 denn rechtzeitig nachgekommen wäre, hätte auch in ihrem ureigenen Interesse gelegen, wenn sie einem nicht den Realitäten entsprechenden Anschein ihrer fortbestehenden Verantwortlichkeit für das Wettbüro hätte entgegenwirken wollen. Nachdem sie dennoch bis zum Ablauf der gesetzten Monatsfrist an der Sachverhaltsaufklärung nicht in solcher Weise mitwirkte, ist es nicht zu beanstanden, dass sich dies für die Klägerin im Rahmen der Sachverhaltswürdigung der Behörde, für die sich nach dem Ergebnis der Ortseinsicht vom 14. Juni 2017 somit keine Veranlassung zu weiterer Aufklärung ergab, und in der Folge auch des Verwaltungsgerichts entsprechend der in Art. 26 Abs. 2 BayVwVfG angelegten Risikoverteilung für die Beibringung von Tatsachen, die aus der Sphäre eines Beteiligten stammen, nachteilig auswirkt (vgl. Schwarz in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, VwVfG, § 26 Rn. 36-39).
Soweit das Zulassungsvorbringen auch dahingehend verstanden werden könnte, dass jedenfalls nachträglich nachgewiesen sei, dass die Klägerin die Nutzung der betreffenden Räume als Wettbüro eingestellt habe und seitdem eine weitere Anwendung der Zwangsmittel ausscheide, kann auch dies nicht zum Erfolg der Zulassungsanträge führen. Abgesehen davon, dass bei Richtigkeit einer solchen Annahme schon das Rechtsschutzbedürfnis für die Zulassungsanträge fraglich wäre (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2007 – 2 ZB 05.843 – juris Rn. 9), hindert die Erfüllung einer Unterlassungspflicht – wie sie hier bei der verfügten Nutzungsuntersagung im Vordergrund steht (vgl. Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand August 2019, Art. 76 Rn. 271) – nicht die Beitreibung eines angedrohten Zwangsgeldes, wenn dieser Pflicht, deren Erfüllung durch die Androhung erreicht werden sollte, zuwider gehandelt wurde (vgl. Art. 37 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 VwZVG). Die Entscheidung, von der Beitreibung eines fällig gewordenen Zwangsgeldes abzusehen, wäre vom Vorliegen hier nicht vorgetragener und auch nicht ersichtlicher Härtefallgründe abhängig; sie läge zudem im Ermessen der Behörde (Art. 37 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 VwZVG). Ob die Klägerin mittlerweile nachgewiesen hat, dass die ihr mit Bescheid vom 3. Mai 2017 auferlegte Verpflichtung, die Nutzung der betreffenden Räume als Wettbüro einzustellen, erfüllt ist, kann somit hier dahingestellt bleiben. Solches könnte allerdings in Anbetracht einer Gewerbeabmeldung der Klägerin zum 7. Juni 2017, einer aus der Behördenakte ersichtlichen Gewerbeanmeldung einer … … … (haftungsbeschränkt) vom selben Tag, deren Geschäftsführer mit dem der Klägerin identisch ist, und der daneben lediglich noch vorliegenden Kündigungsbestätigung der … … auch noch immer in Zweifel zu ziehen sein, zumal eine Anordnung nach Art. 76 Satz 2 BayBO die umfassende Verpflichtung begründet, alles zu unterlassen, wodurch die Nutzung fortgesetzt werden würde (Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand August 2019, Art. 76 Rn. 271).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 52 Abs. 1, § 47 GKG. In Abänderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts war der Streitwert für das Verfahren AN 9 K 17.01497 auf 7.500,00 Euro und somit nach der Verbindung mit dem Verfahren AN 9 K 17.01417 für beide Rechtszüge insgesamt auf jeweils 17.500,00 Euro festzusetzen. Nach Nr. 1.7.1 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, den der Senat bei der Streitwertfestsetzung in der Regel als Orientierungshilfe heranzieht, war für den Gegenstand der Klage im Verfahren AN 9 K 17.01497, nämlich die im angefochtenen Bescheid vom 20. Juni 2016 enthaltene (selbständige) Androhung eines weiteren Zwangsgeldes in Höhe von 15.000,00 Euro, ein Betrag in Höhe der Hälfte des angedrohten Zwangsgeldes, also 7.500,00 Euro anzusetzen (vgl. BayVGH, B.v. 12.7.2016 – 9 ZB 16.943 – juris Rn. 3). Dieser war mit dem vom Verwaltungsgericht zutreffend festgesetzten Streitwert für das Feststellungsklageverfahren AN 9 K 17.01417 betreffend die Fälligstellung eines zuvor angedrohten Zwangsgeldes in Höhe von 10.00,00 Euro (vgl. Nrn. 1.7.1 Satz 1 und 1.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013) nach der Verbindung und für das die gemeinsame Entscheidung betreffende Zulassungsverfahren zu addieren.
Mit der nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbaren Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).