Verwaltungsrecht

Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen

Aktenzeichen  20 ZB 16.50009

Datum:
7.3.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 44865
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 S. 4
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert, dass der Rechtsmittelführer eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufzeigt, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei grundsätzlichen Tatsachenfragen muss der Antrag auf Zulassung der Berufung durch die Benennung bestimmter Auskünfte oder sonstiger Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür erkennen lassen, warum das Verwaltungsgericht die tatsächlichen Verhältnisse unzutreffend beurteilt haben soll. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 3 K 15.50284 2016-01-22 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird verworfen
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben
III.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungszulassungsverfahren wird abgelehnt.

Gründe

Der Zulassungsantrag bleibt ohne Erfolg. Er ist unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und eines Verfahrensmangels (§ 78 Abs. 2 Nr. 1 und 3 AsylG) nicht in einer den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügenden Weise dargetan sind.
1. Die Klägerin hat den zunächst angeführten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) nicht im Sinne des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG dargelegt. Die Klägerin hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig,
ob in Ungarn sogenannte systemische Mängel im Asylverfahren vorliegen, die die Beklagte dazu verpflichten, von einer Überstellung in dieses Land abzusehen und sie dazu verpflichten, keine Abschiebungsanordnung in dieses Land zu erlassen und sie dazu verpflichten, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach der Dublin III-VO Gebrauch zu machen und das Asylverfahren im Bundesgebiet durchzuführen.
Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert, dass der Rechtsmittelführer eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufzeigt, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist. Ferner muss dargelegt werden, weshalb der Frage eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Hierfür ist eine Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts erforderlich (vgl. Berlit in GK-AsylVfG, RdNrn. 592, 607 und 609 zu § 78). Eine solche Auseinandersetzung ist hier jedoch nicht erfolgt. Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung unter Zugrundelegung der maßgeblichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH, U. v. 21.12.2011 – C-411/10 – NVwZ 2012,417 ff.; vgl. auch BVerwG B. v. 6.6.2014 – 10 B 35.14 – juris) das Vorliegen systemischer Mängel im Asylverfahren in Ungarn verneint und dort insbesondere auf den Ausnahmecharakter dieser Rechtsprechung hingewiesen. Es hat in seiner Entscheidung das ungarische Asylsystem in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gewürdigt, ist aber zur Überzeugung gekommen, dass systemische Mängel im ungarischen Asylsystem und ein Selbsteintritt der Bundesrepublik Deutschland jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 AsylG) zu verneinen sind.
Dem ist die Klägerin mit einer Auflistung von erstinstanzlichen Entscheidungen anderer Verwaltungsgerichte entgegengetreten, die solche systemischen Mängel im Falle des ungarischen Asylsystems angenommen hätten. Durch diesen bloßen Verweis auf anders lautende erstinstanzliche Entscheidungen wird kein grundsätzlicher Klärungsbedarf aufgezeigt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 8.9.2014 – 13 A 1347/14.A – juris Rn. 21; OVG Schleswig-Holstein B. v 13.4.2015 – 2 LA 39/15 – juris; BayVGH B. v. 12.6.2015 – 13a ZB 15.50097 – BeckRS 2015, 48019). Denn mit dem alleinigen Bestreiten der Auffassung des Verwaltungsgerichts in Form einer Berufungsbegründung wird eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt. Insoweit beschränkt sich die Begründung des Zulassungsantrages der Klägerin auf Meinungsäußerungen und Einschätzungen. Bei grundsätzlichen Tatsachenfragen, wie der hier gestellten, muss die Antragsbegründung aber erkennen lassen, warum das Verwaltungsgericht die tatsächlichen Verhältnisse unzutreffend beurteilt haben soll. Es ist Aufgabe des Rechtsmittelführers, durch die Benennung bestimmter Auskünfte oder sonstiger Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass nicht die Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern – mit der Folge der Durchführung eines Berufungsverfahrens – seine gegenteilige Bewertung in dem Antrag zutreffend ist (OVG Sachsen-Anhalt B. v. 28.1.2016 – 4 L 16/16 – juris). Die von der Klägerin angeführten Erkenntnisquellen entsprechen diesen Anforderungen in zeitlicher oder sachlicher Hinsicht jedoch nicht.
2. Der von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensfehler (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG) wurde ebenso wenig dargelegt. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet das Gericht, entscheidungserhebliche Anträge und Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägung einzubeziehen. Eine Versagung des rechtlichen Gehörs im Sinne von § 138 Nr. 3 VwGO kann auch in der Verletzung von Verfahrensvorschriften liegen, die der Wahrung des rechtlichen Gehörs dienen. Hierzu gehören allerdings regelmäßig nicht Verstöße gegen die Sachaufklärungspflicht des Gerichts (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) oder gegen das Gebot der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dazu zählt grundsätzlich auch die Frage, ob das Gericht auf hinreichend breiter Tatsachengrundlage entschieden hat. Der Anspruch auf rechtliches Gehör kann bei solchen Mängeln im Einzelfall allenfalls bei gravierenden Verstößen verletzt sein, etwa wenn die Ablehnung eines Beweisantrages im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfG vom 8.4.2004 NJW-RR 2004, 1150) oder wenn es sich um gewichtige Verstöße gegen Beweiswürdigungsgrundsätze handelt, beispielsweise weil die Beteiligten mit der vom Gericht vorgenommenen Würdigung ohne ausdrücklichen Hinweis nicht rechnen mussten (vgl. BVerfG vom 12.6.2003 NJW 2003, 2524) oder weil die Würdigung willkürlich erscheint oder gegen die Denkgesetze verstößt (vgl. BVerwG vom 2.11.1995 NVwZ-RR 1996, 359, vom 27.10.1998 NJW 1999, 1493). Derartige gravierende Mängel sind hier nicht dargelegt. Allein der Hinweis, das Verwaltungsgericht habe es unterlassen in eine bestimmte Richtung zu ermitteln und andere Verwaltungsgerichte hätten im Ergebnis anders entschieden, genügt hierfür nicht.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.
Nach alledem war der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung nach § 166 VwGO, § 114 ZPO abzulehnen.
Gegen diesen Beschluss, der keiner weiteren Begründung bedarf, gibt es kein Rechtsmittel (§ 78 Abs. 5 Sätze 1 und 2 AsylVfG, § 122 Abs. 2 Satz 1 VwGO).


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