Verwaltungsrecht

Anforderungen trotz Bestandsschutz

Aktenzeichen  M 11 S 16.4059

Datum:
18.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 54 Abs. 2 S. 2, Abs. 4

 

Leitsatz

Fehlen in Kellerräumen Öffnungen ins Freie, sodass eine ausreichende Rauchabführung nicht gewährleistet ist, kann dies eine erhebliche Gefahr für Leben und Gesundheit darstellen, weshalb auch bei bestandsgeschützten Anlagen Anforderungen gem. Art. 54 Abs. 4 BayBO gestellt werden können. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Der Streitwert wird auf 6.250,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen den Bescheid des Antragsgegners (Landratsamt … – im Folgenden: Landratsamt) vom 5. August 2016, in dem für das Haus A2 auf den Fl.Nrn. … und … Gemarkung … die Vorlage eines Brandschutznachweises über die Entrauchung der Kellerräume bis spätestens zum 1. September 2016 und die schriftliche Anzeige der ordnungsgemäßen Herstellung der Entrauchung der Kellerräume bis zum 30. Oktober 2016 gefordert wurde. Für den Fall der Nichterfüllung wurden Zwangsgelder in Höhe von 10.000,– EUR bzw. 15.000,– EUR gefordert.
Nachdem sich Eigentümer über den mangelnden Brandschutz im Haus A2 mit Schreiben vom 18. Mai 2015 beschwert hatten, forderte das Landratsamt die Antragstellerin mit Schreiben vom 30. Oktober 2015 auf, einen Nachweis der ordnungsgemäßen Rauchabführung beizubringen. Nach einer Überprüfung der Sach- und Rechtslage sei festzustellen gewesen, dass sich im Kellergeschoss keine Öffnung bzw. Fenster ins Freie befänden. Nach Art. 35 Abs. 3 BayBO müsse jedes Kellergeschoss ohne Fenster mindestens eine Öffnung ins Freie haben. Der Anforderung, eine Öffnung ins Freie vorzusehen, könne auch durch eine anlagentechnische Maßnahme zur Rauchabführung entsprochen werden.
Mit E-Mail vom 4. November 2015 teilte das Ingenieurbüro … mit, dass die Kellerräume exakt der erteilten Baugenehmigung entsprächen. Die Entrauchungsmöglichkeiten seien im Zuge der Bauantragsplanung durch das Büro … im Brandschutznachweis ausführlich behandelt und durch das Sachverständigenbüro … geprüft und bestätigt worden. Im Zuge der Überwachung und der Abnahme des Gebäudes sei auch durch das Büro … die Brandschutzbescheinigung II mangelfrei ausgestellt worden. Die Entrauchung erfolge dann kontrolliert in die Tiefgarage über deren natürliche Entlüftung.
Mit weiterem Schreiben vom 9. März 2016 wurde die Antragstellerin vom Landratsamt letztmalig bis zum 25. März 2016 aufgefordert, einen Brandschutznachweis über die Entrauchung der Kellerräume vorzulegen.
Aus einem Vermerk vom 29. März „2015“ – richtig: 2016 – (Bl. 73 der Akte) geht hervor, dass die Pläne unvollständig seien. Die Entrauchung sei nicht gelöst. Es sei ein Brandschutznachweis erforderlich, der genau beschreibe, wie alle Räume entraucht werden. Der Plan sei nicht richtig, da keine Fenster vorhanden seien.
Mit E-Mail vom 12. April 2016 teilte das Ingenieurbüro … mit, dass ein Ortstermin mit dem Sachverständigen … durchgeführt werde.
Mit E-Mail vom 19. Mai 2016 forderte das Landratsamt das Ingenieurbüro … erneut auf, den korrigierten Brandschutznachweis bezüglich der Entrauchung der Kellerräume vorzulegen.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 5. August 2016 wurde ein Brandschutznachweis über die Entrauchung der Kellerräume im „Haus A 2“ und eine schriftliche Anzeige der ordnungsgemäßen Herstellung der Entrauchung der Kellerräume gefordert. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet.
Zur Begründung wurde ausgeführt:
Bei einer Überprüfung sei festgestellt worden, dass im Kellergeschoss keine Öffnung bzw. Fenster ins Freie vorhanden seien. Nach Art. 35 Abs. 3 BayBO müsse jedes Kellergeschoss ohne Fenster mindestens eine Öffnung ins Freie haben. Die Prüfung der vorgelegten Unterlagen habe ergeben, dass der Nachweis einer geeigneten Rauchabführung nicht gegeben sei. Eine fristgerechte Vorlage eines Brandschutznachweises sei bisher nicht erfolgt und die Rauchabführung noch nicht installiert. Nach Art. 54 Abs. 2 i. V. m. Art. 54 Abs. 4 BayBO habe die Bauaufsichtsbehörde darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten würden. Eine erhebliche Gefahrenlage bestehe durch die nicht vorhandene ausreichende Belüftung der Kellerräume und insbesondere der fehlenden Rauchabführung.
Als milderes Mittel zur Herstellung ordnungsgemäßer Zustände komme auch nicht die Untersagung der Nutzung der bereits bezogenen Wohnungen in Betracht, da hierdurch die Bewohner der bereits bewohnten Wohnungen zwar vorübergehend, aber auf unbestimmte Zeit ihr Obdach verlieren würden.
Gegen den Bescheid ließ die Antragstellerin am 7. September 2016 durch ihren Bevollmächtigten Klage erheben (M 11 K 16.4057).
Gleichzeitig ließ sie beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.
Die Klage erfolge zunächst fristwahrend. Die Antragstellerin bemühe sich, mit dem Antragsgegner eine Verständigung herbeizuführen. Die Begründung der Klage und des Antrages auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bleibe einem weiteren Schriftsatz vorbehalten.
In einem Telefonat der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts München mit dem Sachbearbeiter … der beauftragten Rechtsanwaltskanzlei der Antragstellerin am 29. September 2016 wurde erneut um die Vorlage der Antragsbegründung bis 6. Oktober 2016 gebeten.
Mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2016 legte der Antragsgegner die Akten vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren, im Klageverfahren (M 11 K 16.4057) und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist unbegründet.
Gemäß § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Hat die Behörde gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts im überwiegenden öffentlichen Interesse angeordnet, so kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs wiederherstellen (§ 80 Abs. 5 VwGO). Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn ein Rechtsbehelf gegen diesen Verwaltungsakt mit erheblicher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird. Ist demgegenüber der Rechtsbehelf voraussichtlich begründet, so überwiegt in der Regel das Interesse des Antragstellers.
Das Gericht stellt die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 5. August 2016 nicht wieder her, da die Antragstellerin im Klageverfahren nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage keinen Erfolg haben dürfte. Der angefochtene Bescheid dürfte rechtmäßig sein.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den Bescheid vom 5. August 2016 verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Ergänzend wird ausgeführt:
Nach Art. 54 Abs. 4 BayBO können bei bestandsgeschützten Anlagen Anforderungen wie z. B. im Sinne des Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO letzter Halbsatz (Vorlage von Bescheinigungen von Prüfsachverständigen) gestellt werden, wenn dies zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit notwendig ist.
Wie sich aus dem Plan (Bl. 12 der Akte) und dem Schreiben des Antragsgegners vom 30. Oktober 2015 ergibt, befinden sich im Keller keine Öffnungen ins Freie nach Art. 35 Abs. 3 BayBO.
Dies bestreitet die Antragstellerin auch nicht.
Durch eine nicht ausreichende Rauchabführung können erhebliche Gefahren für Leben und Gesundheit entstehen. Demnach konnte die Vorlage des Brandschutznachweises und die Anzeige der ordnungsgemäßen Herstellung der Entrauchung der Kellerräume in „Haus A 2“ gefordert werden.
Die jeweils hierfür gesetzten Fristen erscheinen im Hinblick darauf, dass die Antragstellerin seit Oktober 2015 zum Nachweis der ordnungsgemäßen Rauchabführung aufgefordert wurde, angemessen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nrn. 1.7.2 und 1.5 des Streitwertkataloges.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben