Verwaltungsrecht

Angemessene Verzinsung des Anlagekapitals

Aktenzeichen  20 ZB 18.1884

Datum:
24.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15383
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG Art. 8 Abs. 3 S. 1, Abs. 6

 

Leitsatz

Das der Gemeinde zustehende Wahlrecht bei der Entscheidung, ob sie eine eher kurzfristige oder eher eine langfristige Zinsbetrachtung als angemessen ansieht, würde beseitigt, wollte man den im Rahmen der „angemessenen“ Verzinsung nach Art. 8 Abs. 3 S. 1 BayKAG heranzuziehenden Zinsbemessungszeitraum auf vier Jahre begrenzen; Art. 8 Abs. 6 BayKAG regelt gerade nicht die Frage des im Rahmen der „angemessenen“ Verzinsung nach Art. 8 Abs. 3 S. 1 BayKAG heranzuziehenden Zinsbemessungszeitraums.  (Rn. 7 – 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 6 K 17.441 2018-08-01 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 440,91 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe entweder schon nicht in einer § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Art und Weise dargelegt sind (hierzu 1.) oder aber nicht vorliegen (hierzu 2.).
1. Der Kläger nennt in seiner Begründung des Zulassungsantrags zwar den Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache), führt aber nicht aus, worin diese im konkreten Fall bestehen sollen. Damit sind die Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht gewahrt.
Was die ebenfalls geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) angeht, so gibt er zwar wieder, wann eine grundsätzliche Bedeutung abstrakt vorliegt, er unterlässt es aber, für den konkreten Fall eine grundsätzlich klärungsbedürftige Rechts- oder Tatsachenfrage zu formulieren, geschweige denn, deren Entscheidungserheblichkeit, Klärungsbedürftigkeit und Bedeutung für eine Vielzahl von Einzelfällen (vgl. hierzu Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a, Rn. 72) darzulegen. Damit sind auch insoweit die Darlegungsanforderungen nicht erfüllt.
2. Die daneben geltend gemachten, ausreichend dargelegten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen tatsächlich nicht vor.
Der Kläger macht insoweit geltend, dass gem. Art. 8 Abs. 6 Kommunalabgabengesetz (KAG) bei der Gebührenbemessung Kosten für einen mehrjährigen Zeitraum berücksichtigt werden können, der jedoch höchstens vier Jahre umfassen soll. Den Zinssatz am Durchschnitt der letzten dreißig Jahre zu bemessen, sei daher nicht sachgerecht. Der Beklagte habe sich beim Ansatz unstreitig nicht am mehrjährigen, sondern am langjährigen Mittel der Kapitalmarktrenditen orientiert. Eine Subsumtion des Begriffs „langjähriges Mittel“ unter dem Begriff „mehrjähriges Mittel“ widerspreche insbesondere Art. 8 Abs. 6 Satz 1 KAG, welcher eine Begrenzung auf vier Jahre enthalte. Eine Anlehnung an das mehrjährige Mittel der Kapitalmarktrenditen (vier Jahre) würde weder die Gemeinde dazu zwingen, ständig nachzujustieren, noch würde sich eine Abweichung vom Kostendeckungsprinzip ergeben. Durch die tatsächlich erheblich niedrigeren Kapitalmarktzinsen werde hier eine unangemessene Verzinsung gebührenerhöhend zum Ansatz gebracht. Die Tatsache, dass der Beklagte tatsächlich seit 2000 erst einmal die Zinshöhe angepasst habe, spreche dafür, dass Kostenüberdeckungen nicht ausgeglichen würden.
Damit werden keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung begründet.
Art. 8 Abs. 6 KAG regelt nicht die Frage des im Rahmen der „angemessenen“ Verzinsung nach Art. 8 Abs. 3 Satz 1 KAG heranzuziehenden Zinsbemessungszeitraums, sondern die Frage, für welchen Zeitraum die Gebühren kalkuliert werden bzw. die Kosten im Rahmen der Gebührenbemessung angesetzt werden müssen (vgl. neben dem Wortlaut auch LT-Drs. 12/8082, S. 9: „Art. 8 Abs. 6 soll klarstellen, dass auch eine mehrjährige (höchstens vierjährige) Gebührenkalkulation zulässig ist.“; Hasl-Kleiber in Ecker, Kommunalabgaben in Bayern, Loseblattsammlung, Stand April 2019, Ziff. 53.00, Nr. 3.2). Daher kann ihm direkt keine Aussage entnommen werden, wie die angemessene Verzinsung nach Art. 8 Abs. 2 KAG zu kalkulieren ist.
Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil unter Berufung und in Übereinstimmung mit der einschlägigen Rechtsprechung u.a. des erkennenden Senats (vgl. zur letzteren zusammenfassend B.v. 23.10.2018 – 20 N 17.621 – juris) ausgeführt, dass der Gemeinde bei der Entscheidung, welche Verzinsung sie als angemessen betrachtet, ein Beurteilungsspielraum zusteht, der gerichtlich nur eingeschränkt zu überprüfen ist. Es kämen verschiedene Verzinsungsmethoden in Betracht. Insbesondere sei es auch möglich, einen auf längere Frist beizubehaltenden Zinssatz zu wählen, der sich dementsprechend an langfristigen Prognosen zu orientieren habe (Rn. 22 des verwaltungsgerichtlichen Urteils unter Verweisung auf BayVGH, B.v. 5.5.2008 – 4 BV 07.614 – BayVBl 2009, 247 – juris Rd. 10). Die Gemeinde kann daher eine eher kurzfristige Zinsbetrachtung, wie sie der Kläger mit dem von ihm angestrebten vierjährigen Zeitraum im Auge hat, durchführen. Sie kann aber auch die langfristige Betrachtung vornehmen, wie hier vorliegend. Auch damit hält sie sich im Rahmen des Beurteilungsspielraums.
Die vom Kläger geforderte Auslegung des in Rn. 23 vom Verwaltungsgericht verwendeten Begriffs „mehrjährig“ in Anlehnung an den maximal vierjährigen Zeitraum nach Art. 8 Abs. 6 KAG würde (unabhängig davon, dass sie aus Art. 8 Abs. 6 KAG nicht abgeleitet werden kann) im Ergebnis bedeuten, dass eine kalkulierende Gemeinde in jedem Kalkulationszeitraum den Zinssatz neu kalkulieren müsste. Damit würde eine Pflicht zur ständigen Nachjustierung des Zinssatzes ausgelöst und das nach der obergerichtlichen Rechtsprechung bestehende Wahlrecht (BayVGH, B.v. 23.10.2018 – 20 N 17.621 – juris Rn. 25; BayVGH, U.v. 22.9.2011 – 4 N 10.315 – KommunalPraxis Bayern 2011, 428) gerade beseitigt. Da der Beklagte vorliegend seinen Beurteilungsspielraum nicht überschritten hat, indem er sich bei der Ermittlung der angemessenen Zinsen an den langfristigen Umlaufrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen orientiert hat, bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Rechtsgrundlage für die Streitwertfestsetzung sind §§ 52 Abs. 3 Satz 1 GKG i.V.m. Ziff. 3.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Mit dieser Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO.


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