Verwaltungsrecht

Anhörungsrüge, Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Allgemeinverfügung, Verbot nicht angezeigter Versammlungen im Zusammenhang mit Protesten gegen Corona-Maßnahmen, fehlende Antragsbefugnis

Aktenzeichen  10 CS 22.135

Datum:
18.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 1931
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, 152a

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Mit der Anhörungsrüge wendet sich die Antragstellerin gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Januar 2022 (10 CS 22.125), mit dem in Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 17. Januar 2022 ihr Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 13. Januar 2022 zu Versammlungen im Zusammenhang mit Protesten gegen Corona-Maßnahmen wegen fehlender Antragsbefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog abgelehnt worden ist.
Die zulässige Anhörungsrüge ist unbegründet, denn der Anspruch der Antragstellerin auf rechtliches Gehör ist durch den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Januar 2022 nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
Nach § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist (Nr. 1) und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (Nr. 2). Die Anhörungsrüge stellt keinen Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung dar. Es handelt sich vielmehr um ein formelles Recht, das dann greift, wenn das Gericht entscheidungserhebliches Vorbringen der Beteiligten nicht in ausreichendem Maße zur Kenntnis genommen und sich mit ihm nicht in der gebotenen Weise auseinandergesetzt hat. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht jedoch nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten inhaltlich zu folgen (vgl. BVerwG, B.v. 1.4.2015 – 4 B 10.15 – juris Rn. 2; BVerwG, B.v. 24.11.2011 – 8 C 13.11 – juris Rn. 2 m.w.N.; BayVGH, B.v. 30.6.2015 – 10 ZB 15.1197 – juris Rn. 3 m.w.N.; BayVGH, B.v. 28.2.2021 – 10 CS 21.604 – juris Rn. 3). Eine Überraschungsentscheidung ist gegeben, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte. In jedem Fall muss die angegriffene gerichtliche Entscheidung auf dem geltend gemachten Gehörsverstoß beruhen, mithin ursächlich sein (vgl. BVerfG, B.v. 19.5.1992 – 1 BvR 986/91 – juris Rn. 36, 39 u. 41).
Gemäß § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO ist das Vorliegen der in § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO genannten Voraussetzungen, also eine entscheidungserhebliche Verletzung des Gehörsanspruchs, darzulegen. Soweit der Betroffene die Nichtberücksichtigung seines Sachvortrags rügt, muss er sein tatsächliches (oder rechtliches) Vorbringen sowie die besonderen Umstände des Einzelfalles anführen, die die Annahme rechtfertigen, dass das Gericht entgegen der bestehenden Vermutung sein Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen hat (Kaufmann in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1.1.2020, § 152a Rn. 12; Rudisile in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2021, § 152a Rn. 26.; BayVGH, B.v. 28.2.2021 – 10 CS 21.604 – juris Rn. 3).
Nach diesen Maßstäben zeigt die Antragstellerin keine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör durch den Senatsbeschluss vom 17. Januar 2022 auf.
Soweit sie vorträgt, eine Antragsabweisung mangels Antragsbefugnis sei derart „fernliegend“, dass weder die Antragsgegnerin selbst noch das Verwaltungsgericht dies eingewandt oder thematisiert hätten, ist dem entgegen zu halten, dass ihr im Beschwerdeverfahren (mit der Erstzustellung) vom Senat Gelegenheit gegeben worden ist, sich zu ihrer (von Amts wegen als Sachentscheidungsvoraussetzung zu prüfenden) Antragsbefugnis, die die Antragsgegnerin im Übrigen bereits in erster Instanz und erneut im Beschwerdeverfahren bezweifelt hat, zu äußern. Eine diesbezügliche Stellungnahme erfolgte jedoch nicht.
Der Einwand, der Senat habe gerade einmal 41 Minuten nach Erhalt der Stellungnahme des Vertreters des öffentlichen Interesses im Beschwerdeverfahren seine Entscheidung und auch noch „außerhalb der Bürozeiten“ per Fax übermittelt und der Antragstellerin durch diese Überraschungsentscheidung die Möglichkeit zur Stellungnahme genommen, ist mit Blick auf die besondere Eilbedürftigkeit der Entscheidung in dieser versammlungsrechtlichen Streitigkeit betreffend eine zeitlich befristet geltende Allgemeinverfügung schon im Ansatz verfehlt.
Soweit die Antragstellerin schließlich eine rechtliche Betroffenheit „in vielfacher Hinsicht“ geltend macht, weil sie sich „gegebenenfalls spontan versammeln“ sowie (auch) am 19. Januar 2022 in M. „Bankgeschäfte tätigen“ möchte (S. 3 f. des Anhörungsrüge-Schriftsatzes), die fehlende gerichtliche Prüfung der formellen Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügung und die Unzulässigkeit der Beschwerden (der Antragsgegnerin sowie des Vertreters des öffentlichen Interesses) rügt (S. 4 f.), wird eine Verletzung des Gehörsanspruchs nicht dargelegt, sondern vielmehr die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs inhaltlich kritisiert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil für das Verfahren über die Anhörungsrüge nach Nr. 5400 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage zu § 3 Abs. 2 GKG) eine streitwertunabhängige Festgebühr anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO).


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