Verwaltungsrecht

Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen eine Abschiebungsandrohung

Aktenzeichen  M 5 S 20.32401

Datum:
25.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 26153
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
AsylG § 30, § 36
AufenthG § 60

 

Leitsatz

Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag nur dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) und die Voraussetzungen des § 3 AsylVfG offensichtlich nicht vorliegen. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom gegen die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom … August 2020 wird angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Der am … August 2020 gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom … August 2020 (als Einschreiben zur Post gegeben am … August 2020, Bl. 257 der Bundesamtsakte) anzuordnen, hat Erfolg.
1. Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylVfG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG offensichtlich nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob dieser weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – BVerfGE 67, 43). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) und die Voraussetzungen des § 3 AsylVfG offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylVfG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i.S.v. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.), was nach ständiger Rechtsprechung aber nicht anzunehmen ist, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – Inf-AuslR 1993, 196).
2. Es sprechen erhebliche Gründe dafür, dass die Ablehnung des Asyl- und Schutzantrags jedenfalls als offensichtlich unbegründet keinen Bestand haben kann. Denn an den tatsächlichen Feststellungen des Bundesamtes bestehen Zweifel. Es kann nach derzeitiger Auskunfts- und Aktenlage nicht mit der erforderlichen Gewissheit davon ausgegangen werden, dass die zum Nachweis des angeblich erlittenen Verfolgungsschicksals vorgelegten Dokumente unecht sind. Insofern sind weitere Aufklärungsmaßnahmen durch das Gericht erforderlich.
a) Das vorgelegte „release on bond“ vom … Dezember 2018 das den Stempel des „… POLICE POST – … POLICE STATION“ (Bl. 136 der Bundesamtsakte) trägt, weist zwar die Auffälligkeit auf, dass dort angegeben ist, dass sich der Antragsteller bei der „… Police Station“ wieder einzufinden habe, obwohl diese Behörde nach dem Stempel nur „… POLICE POST“ ist.
Die „INVITATION TO POLICE TO ASSIST IN INVESTIGATION“ vom 30. Dezember 2018 (Bl. 137 der Bundesamtsakte) ist nach Aufdruck ein Formular der „… POLICE STATION … DIVISION“ und zweimal mit einem Stempel des „… POLICE POST – … POLICE STATION“ versehen. Auch das ist auffällig.
In der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 28. Februar 2020 (Bl. 204 f. der Bundesamtsakte) ist angegeben, dass die Zuständigkeit für die … Polizeistation bei der … Polizei Division liege, nicht … Andererseits hat die Antragstellerpartei ein Schreiben der „… POLICE STATION C/O … POLICE DIVISION“ vom 10. März 2020 (Bl. 221 der Bundesamtsakte) vorgelegt, wonach „… Police“, die früher zur „… Police Division“ gehört habe, in ein „station level“ erhoben und zur „… Police Division“ abgegeben worden sei.
b) Von einer Unrichtigkeit der Dokumente kann angesichts des vorgetragenen Zuständigkeitswechsels nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Es kann nicht mit der für die Annahme der offensichtlichen Unbegründetheit erforderlichen Gewissheit ausgeschlossen werden, dass bei einem vorgetragenen Zuständigkeitswechsel noch alte Formulare und Stempel (möglicherweise neben- und durcheinander) benutzt werden. Zudem ist in der Auskunft des Auswärtigen Amtes nicht angegeben, bei welcher Polizeistation das Aktenzeichen überprüft wurde. Die erforderliche genaue Angabe, dass das Aktenzeichen bei der ausstellenden Polizeistation „… Police Station“ nicht registriert ist, fehlt in der Auskunft vom … Februar 2020. Diese Ungenauigkeit geht zu Lasten der Antragsgegnerin.
Soweit im Bescheid vom … August 2020 angegeben ist, dass angesichts der fehlenden Angabe des Zeitpunkts des Zuständigkeitswechsels im Schreiben vom … März 2020 dieses Vorbringen nicht schlüssig sei, überzeugt das nicht. Diese Argumentation lässt den strengen Maßstab für die Annahme einer offensichtlichen Unbegründetheit außer Acht. Die Irrelevanz des vorgetragenen Zuständigkeitswechels für die auffälligen Angaben in den vorgelegten Dokumenten kann nicht ausgeschlossen werden. Das wurde aber nicht aufgeklärt, ebenso nicht das Datum des Zuständigkeitswechsels. Auch diese Ungenauigkeit geht zu Lasten der Antragsgegnerin.
3. Dem (gerichtskostenfreien, § 83 b AsylG) Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO war da-her mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG unanfechtbar.


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