Aktenzeichen 1 ZB 16.1621
Leitsatz
Die Anordnung zur Beseitigung einer Hebebühne in einem Garagengebäude steht in keinem unangemessenen Verhältnis zu dem mit der Maßnahme verfolgten Ziel, denn die illegale Nutzung der Garage als Werkstatt kann erst nach dem Ausbau der Hebebühne beendet und eine „schleichende“ Aufnahme der verbotenen Nutzung verhindert werden. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 9 K 14.5363 2016-06-22 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe
Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung der Beseitigung einer Hebebühne in dem Garagengebäude auf seinem Baugrundstück. Die Beseitigung wurde im Rahmen einer Nutzungsuntersagung, die für die Nutzung des Garagengebäudes als Kfz-Werkstatt ausgesprochen wurde und bestandskräftig geworden ist, angeordnet.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig.
Zwar hat der Kläger seinen Schriftsatz als „Berufung“ und die Beteiligten als „Kläger und Berufungskläger“ bzw. als „Beklagter und Berufungsbeklagter“ bezeichnet. Die Prozesshandlungen der Beteiligten eines Rechtsstreits unterliegen jedoch der Auslegung. Der danach maßgebende Erklärungswert bestimmt sich danach, wie der Empfänger nach den Umständen, insbesondere der recht verstandenen Interessenlage, die Erklärung verstehen muss. Die Auslegung muss sich auf den Schriftsatz in seiner Gesamtheit und das mit ihm erkennbar verfolgte Rechtsschutzziel beziehen (vgl. BVerwG, B.v. 3.12.1998 – 1 B 110.98 – NVwZ 1999, 405). Daran gemessen ist nicht zweifelhaft, dass der Kläger nicht Berufung eingelegt, sondern nur die Zulassung der Berufung – wie ebenfalls in dem Schriftsatz ausgeführt – beantragt hat.
Der Antrag bleibt aber ohne Erfolg. Der sinngemäß geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) wird nicht dargelegt bzw. liegt nicht vor.
Für eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung eines oder mehrerer Berufungszulassungsgründe ist es zwar nicht notwendig, dass der Antragsteller ausdrücklich einen der in § 124 Abs. 2 VwGO normierten Zulassungsgründe oder die dort angeführten tatbestandlichen Voraussetzungen benennt (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546); ein zulässiger Antrag wurde bereits bei der Einlegung des Rechtsmittels gestellt. Die Darlegungen des Klägers sind jedoch nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils zu wecken (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ernstliche Zweifel im Sinn dieser Vorschrift, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – juris) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris). Das ist nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat bei der Überprüfung der Anordnung der Beseitigung der Hebebühne darauf abstellt, dass die Untersagung einer im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften stehenden Nutzung einer baulichen Anlage auch die Befugnis umfasse, die Beseitigung von Einrichtungen anzuordnen, deren Vorhaltung zu einer Fortsetzung der zu untersagenden Nutzung führe (vgl. BayVGH, U.v. 19.11.2007 – 25 B 05.12 – BayVBl 2008, 629). Die Nutzung des Garagengebäudes sei genehmigungsbedürftig, da das Gebäude durch die Ausstattung mit einer Hebebühne den Charakter einer Werkstatt erhalte.
Hiergegen wendet der Kläger nur ein, die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Einordnung der streitgegenständlichen (Grenz-)Garage als Werkstatt hielten den tatsächlichen Gegebenheiten in sachlicher und rechtlicher Hinsicht nicht stand. Da es sich nicht um eine übliche Hebebühne mit Hebearmen, die auf verschiedene Fahrzeuge eingestellt werden könnten, handle, sondern um eine sogenannte „Stempel-Bühne“, die nur ermögliche, Fahrzeuge anzuheben, liege keine geeignete Vorrichtung vor, um der Garage den Anstrich einer Werkstatt zu geben. Nur vom Vorhandensein einer (nicht professionellen) Hebebühne auf eine Werkstatt zu schließen, sei seiner Meinung nach unzulässig. Mit diesem Vortrag stellt der Kläger nur seine eigene abweichende Auffassung zur Geeignetheit der Hebebühne als Einrichtung, die dazu dient, Kraftfahrzeuge zu reparieren, und damit dem Gebäude den Charakter einer Werkstatt verleiht, dar, ohne sich mit der diesbezüglichen Würdigung des Verwaltungsgerichts inhaltlich auseinander zu setzen und aufzuzeigen, warum sie sich aus seiner Sicht nicht als tragfähig erweist. Auch soweit der Kläger darauf abstellt, die Hebeeinrichtung ändere für sich genommen nichts daran, dass er „mit der Werkstatt“ – wie jeder andere Garagenbesitzer auch – übliche kleine Reparaturen im Rahmen von Eigenhilfe durchführen könne, zeigt er nicht auf, dass die Garage trotz der vorhandenen und fest installierten Hebebühne (nur) der von der Rechtsordnung allein vorgesehenen Funktion als Gebäude oder Gebäudeteil zum Abstellen von Kraftfahrzeugen (Art. 2 Abs. 8 Satz 2 BayBO) dient, nicht aber dazu, über die insoweit herkömmlichen Arbeiten hinausgehende Reparaturarbeiten an Kraftfahrzeugen durchzuführen. Da es sich bei der Einordnung der streitgegenständlichen Garage um eine rechtliche Frage handelt, führt auch sein weiterer Einwand, das Verwaltungsgericht habe dabei gegen die Grundsätze der Beweiswürdigung verstoßen, nicht zum Erfolg.
Ernstliche Zweifel bestehen auch nicht hinsichtlich der Feststellung des Verwaltungsgerichts, eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit sei nicht gegeben, da das Gebäude die nach Süden und Westen erforderlichen Abstandsflächen nicht einhalte. Zur Frage der erforderlichen Abstandsflächen trägt der Kläger vor, dass die beiden Nachbargrundstücke seiner Verwandtschaft gehörten bzw. an der süd-östlichen Ecke ein Bolzplatz der Gemeinde anschließe. Dabei übersieht er, dass nicht mehr auf die ursprünglich verfahrensfreie Errichtung der (Grenz-)Garage abzustellen ist. Denn durch die baugenehmigungspflichtige Nutzungsänderung im Sinn von Art. 55 Abs. 1 BayBO ist die abstandsflächenrechtliche Zulässigkeit neu zu prüfen (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2015 – 15 ZB 13.2384 – juris Rn. 11; OVG NW, B.v. 3.9.2008 – 7 B 917/08 – juris; Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 6 Rn. 12).
Im Hinblick auf den vorliegenden Verstoß gegen Abstandflächenrecht kann dahinstehen, ob die Nutzungsänderung der streitgegenständlichen Garage auch bauplanungsrechtlich unzulässig ist, weil es sich nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts bei dem für die Beurteilung des Einfügens maßgeblichen Bereich um ein reines Wohngebiet handelt, das ausschließlich dem Wohnen dient und in dem eine (gewerbliche oder private) Werkstatt zur Reparatur von Kfz auch nicht ausnahmsweise zugelassen werden kann (§ 34 Abs. 2 BauGB, § 3 Abs. 3 BauNVO).
Die Richtigkeit des angegriffenen Urteils ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht deshalb ernstlich zweifelhaft, weil das Entschließungsermessen unter Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn (Übermaßverbot, vgl. zu Begriff Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand Oktober 2018, Art. 76 Rn. 243) ausgeübt worden wäre.
Die Anordnung, die Hebebühne zu beseitigen, steht in keinem unangemessenen Verhältnis zu dem mit der Maßnahme verfolgten Ziel. Denn die illegale Nutzung der Garage als Werkstatt kann erst nach dem Ausbau der Hebebühne beendet und eine „schleichende“ Aufnahme der verbotenen Nutzung verhindert werden (vgl. BayVGH, U.v. 19.11.2007 – 25 B 05.12 – BayVBl 2008, 629 zur Reichweite einer Nutzungsuntersagung). Aus diesem Grund kommt es entgegen der Auffassung des Klägers nicht darauf an, ob er zwischenzeitlich das Gewerbe abgemeldet hat bzw. in der Garage die erforderlichen Werkzeuge für einen Werkstattbetrieb vorhanden sind. Der durch den Ausbau entstehende wirtschaftliche Schaden ist durch öffentliche Belange, die durch die Erteilung bzw. die Versagung einer Genehmigung geschützt werden sollen, gerechtfertigt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, weil sein Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Es entspricht der Billigkeit, dass der Beigeladene seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt, weil er sich im Zulassungsverfahren nicht substantiiert geäußert hat (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 1 sowie § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 9.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (vgl. Beilage 2/2013 zu NVwZ Heft 23/2013).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).