Aktenzeichen 3 CS 17.1618
§ 85 Absätze 1 und 2 BayBeamtVG
§ 80 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 VwGO (analog)
Leitsatz
Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO – auch analog – gegen die Aufrechnungserklärung des Dienstherrn wegen Überzahlung von Versorgungsbezügen ist mangels Verwaltungsakts unzulässig; statthaft ist dafür die Leistungsklage und ggf. eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
AN 1 S 17.746 2017-07-26 Bes VGANSBACH VG Ansbach
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.394,31 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag, in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 5 VwGO festzustellen, “dass der Widerspruch der Antragstellerin vom 14. Dezember 2016 (und einer ggf. nachfolgenden Klage) gegen die Rückforderung mit Schreiben der Landeskirchenstelle der Antragsgegnerin vom 24. August 2016, 10. Oktober 2016 und 8. Dezember 2016 aufschiebende Wirkung hat“, zu Recht abgelehnt.
Die hiergegen von der Antragstellerin innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO vorgetragenen Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist, führen zu keiner anderen Beurteilung, weil sie sich nicht zu der – vom Verwaltungsgericht zutreffend erkannten – prozessualen Situation verhalten. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO analog ist bereits unzulässig. Da hier kein Rückforderungsbescheid erlassen worden ist, sondern die Aufrechnung unmittelbar erklärt worden ist, kann die Antragstellerin – weil die Aufrechnung kein Verwaltungsakt ist – ihr Ziel der (vollen) Weiterbezahlung ihrer Versorgungsbezüge nur im Wege der Leistungsklage und ggf. einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO erreichen (a.A. zum Bundesrecht: Weinbrenner in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Okt. 2017, § 52 BeamtVG Rn. 37: Verpflichtungsklage). Hier hat die Antragstellerin indes trotz des Hinweises im angefochtenen Beschluss ihren Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO auch im Beschwerdeverfahren aufrechterhalten. Vor diesem Hintergrund kommt eine Umdeutung gemäß § 88 VwGO des durch einen Rechtsanwalt gestellten Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO in einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO nicht in Betracht, zumal es einem Antrag nach § 123 VwGO bereits an einem Anordnungsgrund fehlte. Eine Existenzgefährdung in Folge der Aufrechnung ist weder vorgetragen noch sind dafür ernsthafte Gründe ersichtlich (vgl. BayVGH, B.v. 17.12.2003 – 3 CS 03.2384 – juris Rn. 34).
Auf die vorgetragenen Beschwerdegründe kommt es mithin nicht an. Im Hinblick auf die anhängige Hauptsacheklage (AN 1 K 17.320) weist der Senat in gebotener Kürze auf folgendes hin:
a. Die von der Antragstellerin vermisste Aufrechnungserklärung findet sich im Bescheid vom 5. August 2016. Dort wird ausgeführt, es sei im Zeitraum vom 13. Februar bis 31. Juli 2016 zu einer Überzahlung gekommen, da die Versorgungsbezüge ohne Rentenanrechnung ausbezahlt worden seien. Die ZGASt (Evangelisch-Lutherische Landeskirchenstelle – Gehaltsabrechnung -) in Ansbach werde sich wegen der Rückzahlungsmodalitäten mit der Antragstellerin in Verbindung setzen. Damit wird der Aufrechnungswille genügend klar erkennbar (vgl. Grüneberg in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 176. Aufl. 2017, § 388 Rn. 1). Mit dem (angekündigten) Schreiben vom 24. August 2016 wurde die Summe der Überzahlung auf 6.788,72 € beziffert und hinreichend bestimmt.
b. Die nach § 72 Abs. 4, § 93 Abs. 1 Satz 1 des Kirchenbeamtengesetzes der EKD (KBG.EKD) zuständige Antragsgegnerin konnte nach § 387 BGB (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 7), § 2 Abs. 1 des Kirchlichen Versorgungsgesetzes (KVersG) i.V.m. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG die Überzahlung mit den (laufenden) Versorgungsbezügen aufrechnen.
c. Soweit Versorgungsbezüge mit gesetzlichen Renten oder entsprechenden Rentenansprüchen zusammentreffen (§ 2 Abs. 1 KVersG i.V.m. § 85 Abs. 1 BayBeamtVG) und dies zu einem Überschreiten der gesetzlichen Höchstgrenze führt (§ 2 Abs. 1 KVersG i.V.m. Art. 85 Abs. 2 BayBeamtVG), ruht kraft Gesetzes der Teil des über der Höchstgrenze liegenden Ruhegehalts. Im Umfang des Ruhens steht der Auszahlung ein rechtliches Hindernis entgegen (BVerwG, U.v. 15.11.2016 – 2 C 9/15 – juris Rn. 18). Einer „rechtmäßigen und bestandskräftigen Festsetzung durch Verwaltungsakt“ bedarf es daher nicht (BVerwG, U.v. 15.11.2016 – 2 C 9/15 – juris Rn. 21).
Bei dieser Sachlage kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, das die Festsetzung der Versorgungsbezüge mit Bescheid vom 5. August 2016, einem feststellenden Verwaltungsakt i.S.d. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG (BVerwG, U.v. 15.11.2016 a.a.O. Rn. 18), aufgrund des Widerspruchs und der nachfolgenden Klage suspendiert ist (§ 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Der aufschiebende Wirkung hindert die Aufrechnung nicht, da der Teil des über der Höchstgrenze liegenden Ruhegehalts kraft Gesetzes ruht (vgl. VGH BW, B.v. 22.1.1997 – 11 S 2934/96 – juris Rn. 6 zur vergleichbaren Situation einer Abschiebungsandrohung im Falle einer bereits kraft Gesetzes vollziehbaren Ausreisepflicht). Die Aufrechnung durfte mithin trotz der eingetretenen aufschiebenden Wirkung erklärt und vollzogen werden. Damit besteht für den im Beschwerdeverfahren erweiterten Antrag (zur Zulässigkeit s. BayVGH, B.v. 30.6.2017 – 3 CE 17.897 – juris Rn. 6), festzustellen, dass „der Widerspruch gegen den Bescheid vom 5. August 2016/12. Januar 2017“ (gemeint: Klage gegen den Bescheid vom 5. August 2016 und den Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 2017) aufschiebende Wirkung hat, kein Rechtsschutzbedürfnis.
d. Die Schreiben der ZGASt vom 24. August 2016, 10. Oktober 2016 und 8. Dezember 2016 konkretisieren die mit Bescheid vom 5. August 2016 erklärte Aufrechnung. Die Aufrechnung mit einer Gegenforderung ist kein Verwaltungsakt, sondern eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung (BayVGH, B.v. 15.3.2016 – 3 CS 16.200 – juris Rn. 15 m.w.N.). Insoweit ist ein Widerspruch bereits nicht statthaft.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 3 Satz 1 VwGO (wie Vorinstanz).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).