Verwaltungsrecht

Anspruch auf Benennung für eine Sozialwohnung entsprechend der Dringlichkeitseinstufung

Aktenzeichen  M 12 E 16.4510

Datum:
8.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayWoBindG BayWoBindG Art. 5

 

Leitsatz

1 In Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf hat die für Sozialwohnungen zuständige Behörde auf Basis einer zunächst zu treffenden Dringlichkeitsentscheidung gegenüber den Verfügungsberechtigten nur ein Benennungsrecht (vgl. Art. 5 S. 2 BayWoBindG). Eine hoheitliche Zuweisung einer Sozialwohnung ist nicht möglich. (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Anordnungsanspruch auf Benennung für eine Sozialwohnung ist nur dann glaubhaft gemacht, wenn tatsächlich eine bedarfsgerechte Wohnung frei ist und keine anderen Bewerber vorgehen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der am … geborene Antragsteller wohnt mit seiner Frau und zwei seiner Kinder in einer städtischen Notunterkunft in der …-str. … in München. Er bezieht aufzahlende Leistungen nach dem SGB II.
Nachdem die Wohnung des Antragstellers in der B…-str. … in München am … April 2016 zwangsgeräumt wurde, wurde der Haushalt des Antragstellers am 28. April 2016 in einer städtischen Notunterkunft untergebracht.
Aufgrund seines Antrags vom … Februar 2016 wurde der Antragsteller mit insgesamt vier Personen mit Bescheid vom 20. Juli 2016 für eine Sozialwohnung vorgemerkt. Als angemessene Wohnungsgröße wurden drei Wohnräume mit einer Fläche ab 10 qm und ein Wohnraum mit einer Fläche unter 10 qm festgesetzt. Die Dringlichkeit wurde mit 138 Punkten (96 Grundpunkten aufgrund des im Vergleich mit weiteren Wohnungssuchenden besonders hohen sozialen Gewichts der Wohnungssuche, 10 Vorrangpunkte wegen einem oder mehrerer Kinder sowie einem Schwerbehinderten im Haushalt und 32 Anwesenheitspunkten) in Rangstufe I festgesetzt.
Am … Oktober 2016 hat der Antragsteller zur Niederschrift des Gerichts beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu verpflichten, dem Antragsteller entsprechend dem Vormerkungsbescheid vom 20. Juli 2016, Vorgangsnummer: …, Wohnungsvorschläge zu erteilen.
Zur Begründung brachte der Antragsteller im Wesentlichen vor, dass er durch den Bescheid vom 20. Juli 2016 mit einer Dringlichkeit von 138 Punkten in Rangstufe I für eine Sozialwohnung vorgemerkt sei. Trotz dieser Vormerkung habe er bis heute keine Wohnungsvorschläge erhalten. Im Hinblick auf die Unterbringung seiner Familie in einer Notunterkunft und der Schwerbehinderung seiner Tochter benötige er dringend eine geeignete Wohnung. Ein vom Antragsteller gefundenes Privatangebot habe das Job-Center als zu teuer abgelehnt.
Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2016 beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Antragsteller selbst bei einer hohen Dringlichkeit aufgrund des großen Mangels an gefördertem Wohnraum zwangsläufig eine längere Wartezeit zugemutet werden müsse. Der Antragsteller sei von der ab 20. Oktober 2016 erfolgten Umstellung auf die Wohnungsplattform … informiert worden. Er habe somit die Möglichkeit, sich auf die auf der Wohnungsplattform frei gemeldeten Wohnungen zu bewerben. Zudem sei er für seine Notlage mitverantwortlich. Er sei seiner Verpflichtung zu Zahlung von Miete nicht nachgekommen. Einer Räumung bzw. Kündigung hätte er entgegenwirken können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO hat keinen Erfolg. Zum einen würde mit der begehrten Anordnung die Hauptsache vorweggenommen werden. Zum anderen besteht nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage kein Anordnungsanspruch auf Unterbreitung von Wohnungsvorschlägen bzw. auf Zuweisung einer geförderten Wohnung.
Die Landeshauptstadt München gehört zu den Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf gemäß Art. 5 Bayer. Wohnungsbindungsgesetz (BayWoBindG). Die Antragsgegnerin hat als zuständige Stelle in Bezug auf Sozialwohnungen nach Art. 5 Satz 2 BayWoBindG gegenüber den Verfügungsberechtigten ein Benennungsrecht. Das Benennungsrecht ermächtigt die zuständige Behörde aus Gründen der Praktikabilität auch, vor der eigentlichen Benennung eine rechtlich verbindliche Vorentscheidung über die Voraussetzungen der Wohnberechtigung und über den Grad der sozialen Dringlichkeit zu treffen. Diese Vorentscheidung erfolgt durch Aufnahme in eine nach Dringlichkeitsstufen und Punkten differenzierende Vormerkkartei, wobei es sich um einen im Ermessen der Behörde stehenden Verwaltungsakt handelt (BayVGH v. 23.9.1987, DWW 1988, 55). Ein solcher Vormerkbescheid ist hier mit Datum vom 20. Juli 2016 ergangen. Er ist auch bestandskräftig geworden.
Als Folge dieser Dringlichkeitseinstufung ist die Antragsgegnerin verpflichtet, Wohnungsangebote in der damit erstellten Reihenfolge der Dringlichkeit zu erteilen. Die Benennung hängt von der Zahl der tatsächlich freiwerdenden Wohnungen ab, die dem festgestellten Wohnbedarf entsprechen, von der Anzahl vorgemerkter Bewerber mit entsprechendem Wohnbedarf sowie der Dringlichkeit und Dauer der Bewerbung. Ein Anordnungsanspruch wäre nur dann glaubhaft gemacht, wenn tatsächlich eine bedarfsgerechte Wohnung frei wäre und keine anderen Bewerber dem Antragsteller vorgingen. Hierfür fehlt jeder tatsächliche Anhaltspunkt. Die Antragsgegnerin hat im Verfahren dargelegt, den Antragsteller in Zukunft seiner Dringlichkeit entsprechend zu berücksichtigen. Zudem ist es erforderlich, dass sich der Antragsteller über die Wohnungsplattform … auf frei gemeldete Wohnungen bewirbt. Darüber wurde der Antragsteller seitens der Antragsgegnerin informiert. Es ist daher nicht ersichtlich, dass der Antragsteller seitens der Antragsgegnerin vom Benennungsverfahren entsprechend seiner Dringlichkeit ausgeschlossen wird. Eine bevorzugte Benennung des Antragstellers würde zudem gegen Art. 3 GG verstoßen. Ein Anspruch des Antragstellers auf sofortige Erteilung von Wohnungsvorschlägen besteht somit nicht.
Soweit der Antrag dahingehend ausgelegt werden könnte, dass der Antragsteller die Zurverfügungstellung bzw. Zuweisung einer Sozialwohnung begehrt, ist er zulässig, aber unbegründet. Der Antragsteller hat keinen Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf unmittelbare Zuteilung einer Sozialwohnung. Gemäß Art. 5 Satz 2 BayWoBindG hat die zuständige Stelle den Verfügungsberechtigten mindestens fünf wohnberechtigte Wohnungssuchende zur Auswahl zu benennen. Die Entscheidung über den Abschluss eines Mietvertrages mit den Wohnungssuchenden bleibt jedoch den Verfügungsberechtigten vorbehalten. Eine hoheitliche Zuweisung einer Sozialwohnung durch die Antragsgegnerin ist nicht möglich (BayVGH v. 21.8.1990 – 7 CE 90.1139).
Der Antrag war nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 188 Satz 2 VwGO).


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