Verwaltungsrecht

Anspruch auf eine erstmalige periodische dienstliche Beurteilung

Aktenzeichen  AN 1 K 18.02423

Datum:
6.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 10427
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LIbG Art. 17a, § 56 Abs. 1 S. 1, § 58 Abs. 2 S. 1
GG Art. 3. Art. 6, Art. 33 Abs. 2
BayBG Art. 15

 

Leitsatz

Für eine fiktive Fortschreibung einer Beurteilung muss eine belastbare Tatsachengrundlage vorliegen, da andernfalls ein Verstoß gegen das Leistungsprinzip vorliegen würde. Eine belastbare Tatsachengrundlage ist aber nur gegeben, wenn zumindest eine periodische Beurteilung vorliegt, die auch in zeitlicher Hinsicht nicht zu lange zurückliegen darf.  (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Klägerin steht kein Anspruch auf eine erstmalige periodische Beurteilung zu, weshalb die Entscheidung des Beklagten vom 19. Juni 2018, die aus Sicht der Kammer einen Verwaltungsakt i.S.d. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG darstellt, rechtlich nicht zu beanstanden ist, § 113 Abs. 5 und 1 VwGO.
Gemäß Art. 56 Abs. 1 Satz 1 LlbG sind die fachliche Leistung, Eignung und Befähigung der bayerischen Beamtinnen und Beamten mindestens alle drei Jahre dienstlich zu beurteilen (periodische Beurteilung). Die Beurteilung hat die fachliche Leistung in Bezug auf die Funktion und im Vergleich zu den anderen Beamtinnen und Beamten derselben Besoldungsgruppe der Fachlaufbahn und, soweit gebildet, desselben fachlichen Schwerpunkts objektiv darzustellen und außerdem von Eignung und Befähigung ein zutreffendes Bild zu geben (Art. 58 Abs. 2 Satz 1 LlbG).
Nach Art. 58 Abs. 6 Satz 1 LlbG können die Staatsministerien die nähere Ausgestaltung der Beurteilung durch Verwaltungsvorschriften gemäß Art. 15 BayBG regeln. Das Innenministerium hat hiervon durch Erlass der Beurteilungsbekanntmachung StMI Gebrauch gemacht. Gegen diese Vorschriften wurden seitens der Klägerin keine durchgreifenden Einwände vorgebracht, da die Regelungen weder in Widerspruch zu gesetzlichen Normen des bayerischen Beamtenrechts noch zu Verfassungsrecht stehen.
Die Beurteilungsbekanntmachung StMI findet auf die Klägerin Anwendung, da sie als im Geschäftsbereich des Innenministeriums tätige Beamtin eine dienstliche Beurteilung in Form einer (erstmaligen) periodischen Beurteilung begehrt, ggf. im Wege einer fiktiven Fortschreibung; Ziffer 1.1, Spiegelstrich 1 und 2 der Beurteilungsbekanntmachung StMI.
Die Klägerin gehört jedoch nicht dem zu beurteilenden Personenkreis an. Zwar unterliegen gem. Ziffer 2.1.1 Satz 1 der Beurteilungsbekanntmachung StMI der periodischen Beurteilung alle Beamten und Beamtinnen bis einschließlich Besoldungsgruppe A 16, die am Beurteilungsstichtag im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit stehen, jedoch sind Beamte und Beamtinnen, die im jeweiligen Beurteilungszeitraum weniger als sechs Monate zusammenhängend Dienst geleistet haben, von der jeweiligen periodischen Beurteilung zum Stichtag ausgenommen, Ziffer 2.1.1 Satz 2 der Beurteilungsbekanntmachung StMI. Nach unbestrittenem Vortrag hat die Klägerin im fraglichen Beurteilungszeitraum lediglich 19 Tage Dienst geleistet.
Für die Klägerin begann der Beurteilungszeitraum frühestens mit der Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit (Ziffer 2.2.2 Nr. 1 der Beurteilungsbekanntmachung StMI), mithin am 14. Oktober 2015. Der Dienst der Klägerin endete aber am 2. November 2015, da sie sich danach ohne (Teilzeit-)Beschäftigung in Elternzeit befunden hat. Zeiten der Beurlaubung, worunter auch Elternzeit zu fassen ist, werden dabei nicht in die Beurteilung einbezogen, Ziffer 2.2.3 Satz 1 der Beurteilungsbekanntmachung StMI.
Demnach ist die Beurteilung der Klägerin nach Wiederaufnahme deren Dienstes nach einem Jahr zusammenhängender Dienstzeit nachzuholen, Ziffer 2.3.3 Satz 1 Nr. 6 und Satz 2 der Beurteilungsbekanntmachung StMI, und es besteht kein Anspruch auf eine erstmalige periodische Beurteilung.
Die fiktive Fortschreibung einer periodischen Beurteilung bleibt von vorstehender Regelung zwar unberührt (Ziffer 2.3.3 Satz 1 Nr. 6 der Beurteilungsbekanntmachung StMI), jedoch kommt eine solche vorliegend nicht in Betracht, da die in Ziffer 7 der Beurteilungsbekanntmachung StMI genannten Voraussetzungen nicht vorliegen. Die Kammer teilt zudem nicht die von der Klägerin hinsichtlich Ziffer 7 der Beurteilungsbekanntmachung StMI geäußerten Bedenken, da die dortigen Regelungen in keinem Widerspruch zu Art. 17a Abs. 1 bis 3 LlbG stehen und somit die gesetzlichen Vorschriften in zulässigem Umfang konkretisieren. Zudem ist auch kein Verstoß gegen Verfassungsrecht ersichtlich.
Zwar wäre der Anwendungsbereich von Ziffer 7 der Beurteilungsbekanntmachung StMI grundsätzlich eröffnet, da die Klägerin weniger als sechs Monate zusammenhängenden Dienst geleistet hat (Ziffer 7.1 Satz 1 der Beurteilungsbekanntmachung StMI), jedoch wurde die Klägerin bisher nicht periodisch beurteilt, so dass es bereits an einem wesentlichen Tatbestandsmerkmal fehlt. Bereits dies steht einer fiktiven Fortschreibung entgegen.
Die Regelung der Ziffer 7.2.1 Satz 1 der Beurteilungsbekanntmachung StMI steht auch in Einklang mit Art. 17a Abs. 1 LlbG, da auch dieser an eine bereits vorhandene periodische Beurteilung anknüpft. Hiergegen bestehen seitens der Kammer keine Bedenken, da dies mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung vereinbar ist. Das Bundesverwaltungsgericht (U.v. 16.12.2010 – 2 C 11/09 – juris Rn. 8 ff.) hat bereits entschieden, dass für eine fiktive Fortschreibung einer Beurteilung eine belastbare Tatsachengrundlage vorliegen muss, da andernfalls ein Verstoß gegen das Leistungsprinzip vorliegen würde. Dies hat der Gesetzgeber bei Erlass von Art. 17a LlbG berücksichtigt und umgesetzt (LT-Drs. 17/6577, S. 8 f.). Eine belastbare Tatsachengrundlage ist aber nur gegeben, wenn zumindest eine periodische Beurteilung vorliegt, die auch in zeitlicher Hinsicht nicht zu lange zurückliegen darf, wobei das Bundesverwaltungsgericht einen Zeitraum von 16 Jahren als zu lange erachtet. Dies ist bezüglich der Klägerin jedoch mangels Vorliegens einer periodischen Beurteilung gerade nicht der Fall.
Da das Vorliegen einer belastbaren Tatsachengrundlage auch einen sachlichen Grund darstellt, bestehen seitens der Kammer auch mit Blick auf Art. 14 Abs. 1 und 2 BayGlG keine Bedenken.
Des Weiteren greifen die von der Klägerin geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf Art. 3 und 6 GG bzw. Art. 118 und 125 BV nicht durch. Es ist der Klägerin zwar zuzugestehen, dass die bei ihr vorliegende Fallkonstellation in aller Regel Frauen betreffen wird, jedoch ist diese Ungleichbehandlung letztlich dadurch gerechtfertigt, dass eine periodische Beurteilung nur auf einer belastbaren Tatsachengrundlage erstellt werden kann, um letztlich auch dem in Art. 33 Abs. 2 GG verankerten Leistungsprinzip ausreichend Rechnung zu tragen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin können auch nicht die Einschätzung während der Probezeit bzw. die Probezeitbeurteilung als eine belastbare Tatsachengrundlage herangezogen werden. Dies stünde bereits dem eindeutigen Wortlaut der Vorschriften entgegen, die das Vorliegen einer periodischen Beurteilung voraussetzen.
Zudem gelten für die Einschätzung während der Probezeit, die periodische Beurteilung und die Probezeitbeurteilung unterschiedliche Maßstäbe und Anknüpfungspunkte, weshalb diese auch aus diesem Grund nicht vergleichbar sind. In der Einschätzung während der Probezeit werden Eignung, Befähigung und fachliche Leistung bewertet, Art. 55 Abs. 1 Satz 1 LlbG und Ziffer 3.2 der Beurteilungsbekanntmachung StMI. Die Probezeitbeurteilung beschränkt sich auf eine verbale Würdigung der während der Probezeit erwiesenen Eignung, Befähigung und Leistung des Beamten oder der Beamtin sowie der Gesamtpersönlichkeit, Art. 55 Abs. 2 LlbG und Ziffer 3.3 der Beurteilungsbekanntmachung StMI. Gegenstand dieser dienstlichen Beurteilungen sind damit der zu beurteilende Beamte und dessen Leistungen. Demgegenüber steht der Beamte hinsichtlich fachlicher Leistung, Eignung und Befähigung bei einer periodischen Beurteilung im Vergleich zu anderen Beamten, Art. 56 Abs. 1 Satz 1, 58 Abs. 2 Satz 1 LlbG und Ziffer 3.2 der Beurteilungsbekanntmachung StMI. Aufgrund dieser unterschiedlichen Maßstäbe können eine Einschätzung während der Probezeit und eine Probezeitbeurteilung nicht einer periodischen Beurteilung gleichgestellt und als belastbare Tatsachengrundlage für eine fiktive Fortschreibung herangezogen werden.
Mangels periodischer Beurteilung fehlt somit bereits eine Basis, auf deren Grundlage eine fiktive Fortschreibung erfolgen könnte. Es wäre willkürlich, nunmehr für die Klägerin eine periodische Beurteilung zu erstellen, da es an einer belastbaren Tatsachengrundlage fehlt. Zudem wäre ein derartiges Vorgehen nicht mit dem Leistungsprinzip nach Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar. Überdies wäre eine fiktive Fortschreibung auch mit Blick auf Ziffer 7.2.4.1 Satz 1 der Beurteilungsbekanntmachung StMI nicht möglich. Diese Regelung, die im Einklang mit der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (vgl. z.B. B.v. 7.5.2019 – 3 ZB 17.2542 – juris Rn. 21) steht und daher nicht zu beanstanden ist, setzt für die Bildung einer Vergleichsgruppe voraus, dass die Beamten der Vergleichsgruppe dasselbe Gesamturteil haben. Ein solches existiert jedoch für die Klägerin nicht, so dass auch eine geeignete Vergleichsgruppe nicht gebildet werden könnte.
Aus Sicht der Kammer besteht auch kein Sonderfall im Sinne von Ziffer 7.3 der Beurteilungsbekanntmachung StMI. Demnach sind in Fällen, die von den vorstehenden Regelungen der Ziffer 7 der Beurteilungsbekanntmachung StMI nicht erfasst sind (z.B. Beurteilung nach modularer Qualifizierung oder keine ausreichend große Vergleichsgruppe) oder die im Einzelfall eine besondere Härte darstellen würden (z.B. weit überdurchschnittliche Leistungsentwicklung vor der Elternzeit, Beurlaubung oder Freistellung, die nicht bereits bei der Bildung der Vergleichsgruppe berücksichtigt werden konnte), zur Sicherung des Benachteiligungsverbots jeweils Einzelfalllösungen in Abstimmung mit dem Staatsministerium zu finden.
Der Normgeber hat mit Ziffer 7.2.1 Satz 2 der Beurteilungsbekanntmachung StMI klargestellt, dass die Fortschreibung in Fällen entfällt, in denen noch keine periodische Beurteilung vorliegt.
Demnach war dem Normgeber bewusst, dass es Konstellationen geben kann, in denen ein Beamter oder eine Beamtin z.B. wegen der Geburt mehrerer Kinder und der sich anschließenden Elternzeit nicht periodisch beurteilt worden ist. Der Fall der Klägerin ist demnach bereits von der Beurteilungsbekanntmachung StMI erfasst. Der Verweis auf die Nachholung der Beurteilung zu einem späteren Zeitpunkt ist nicht zu beanstanden, da es an einer belastbaren Tatsachengrundlage fehlt.
Zudem liegt kein besonderer Härtefall vor. Zum einen wurde seitens der Klägerin hierfür nichts vorgetragen, zum anderen handelt es sich bereits um eine Fallkonstellation, die von der Beurteilungsbekanntmachung StMI erfasst ist. Weiter würde einem besonderen Härtefall entgegenstehen, dass es der Klägerin durchaus zumutbar gewesen wäre, sich bei dem Beklagten vorab über die Rechtslage zu informieren, insbesondere wie sich eine Elternzeit ohne Beschäftigung auf deren berufliches Fortkommen, auch mit Blick auf mögliche Beurteilungen und damit zusammenhängende Beförderungsmöglichkeiten, auswirken würde.
Die Klage war daher mangels eines Anspruchs auf periodische Beurteilung abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vor-läufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124a Abs. 1 VwGO nicht vorliegen.


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