Verwaltungsrecht

Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis

Aktenzeichen  10 ZB 19.229

Datum:
11.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9100
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 5 Abs. 4, § 9 Abs. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3, § 124a Abs. 4 S. 4

 

Leitsatz

1. § 5 Abs. 4 AufenthG gilt nach Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte der Norm zweifelsfrei auch für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis (Anschluss an VGH München BeckRS 2014, 47089). (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine als klärungsbedürftig aufgeworfene Frage, die sich auf Sinn und Zweck einer Vorschrift unter Beachtung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit im konkreten Fall bezieht, zeigt schon durch diese Verengung, dass damit in einem Berufungsverfahren die Klärung einer fallübergreifenden Rechts- oder Tatsachenfrage nicht verbunden wäre. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 25 K 17.905 2018-11-28 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr in erster Instanz erfolgloses Klagebegehren, den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids des Landratsamts München vom 2. Februar 2017 zu verpflichten, ihr eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, weiter.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich weder die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (1.) noch besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (2.).
1. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt nicht vor.
Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung, dass eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 23.1.2020 – 10 ZB 19.2235 – Rn. 4; B.v. 14.2.2019 – 10 ZB 18.1967 – juris Rn. 10; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 72). Gemessen daran kommt dem vorliegenden Fall keine grundsätzliche Bedeutung zu.
Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis unter Rückgriff auf den zwingenden Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 AufenthG verneint. Die Klägerin hält insofern zunächst für klärungsbedürftig, „ob § 5 Abs. 4 AufenthG die Regelung des § 9 Abs. 2 Nr. 4 AufenthG verdrängt oder ob – nach dem Grundsatz des Vorrangs des spezielleren Gesetzes – nicht vielmehr § 9 Abs. 2 (Satz 1) Nr. 4 (AufenthG) in Fällen der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis anzuwenden ist“. Diese Frage ist jedoch in der Rechtsprechung des Senats in dem Sinne geklärt, dass § 5 Abs. 4 AufenthG nach Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte der Norm „zweifelsfrei“ auch für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis gilt (BayVGH, U.v. 2.9.2013 – 10 B 10.1713 – juris Rn. 51). Einen darüber hinaus gehenden oder neu entstandenen Klärungsbedarf legt der Zulassungsantrag nicht dar. Dass eine andere Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertreten würde, wird von der Klägerin nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Die Auffassung des Bevollmächtigten der Klägerin, der Gesetzgeber habe durch die Streichung der früheren Ausnahmevorschriften in § 5 Abs. 4 Sätze 2 und 3 AufenthG durch das Gesetz zur Neuregelung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten (Familiennachzugsneuregelungsgesetz) vom 12. Juli 2018 (BGBl I S. 1147) den Anwendungsbereich des § 5 Abs. 4 AufenthG zu Gunsten bereits langjährig im Bundesgebiet lebender Ausländer beschränken wollen, findet in den Gesetzesmaterialen nicht nur keinerlei Stütze. Sie liegt angesichts der im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Absicht, bei Gefährdern auch jede Form der Aufenthaltsverfestigung – etwa durch Familiennachzug zu Gefährdern – zu verhindern (vgl. zur Motivlage im Ausschuss für Inneres und Heimat BT-Drs. 19/2740 S. 14), geradezu fern.
Soweit die Klägerin darüber hinaus für klärungsbedürftig hält, inwieweit eine Auslegung des § 5 Abs. 4 AufenthG anhand seines „Sinnes und Zwecks unter Beachtung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit im konkret die Klägerin betreffenden Fall eine Nichterteilung einer Niederlassungserlaubnis tragen“ könne, zeigt schon die Verengung der Fragestellung auf den Fall der Klägerin, dass mit der Beantwortung dieser Frage in einem Berufungsverfahren die Klärung einer fallübergreifenden Rechts- oder Tatsachenfrage nicht verbunden wäre. Ungeachtet dessen bietet der Fall der Klägerin keinen Anlass, die Frage zu klären, ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall eine vom Gesetzgeber ausdrücklich nicht (mehr) vorgesehene Einschränkung des § 5 Abs. 4 AufenthG (vgl. zum ursprünglichen Konzept, das Ausnahmen noch vorsah BT-Dr. 15/420 S. 70; zur Streichung der Ausnahmen BT-Drs. 19/2740 S. 14) gebieten könnte, denn die Versagung der Niederlassungserlaubnis ist im Falle der Klägerin offensichtlich nicht unverhältnismäßig. Anders als ihr Bevollmächtigter meint, kommt die Anwendung des § 5 Abs. 4 AufenthG auf den Fall der Klägerin einer Ausweisungsverfügung nicht gleich, da sie auch weiterhin über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG verfügt. Wenn die Klägerin die Unverhältnismäßigkeit der Anwendung des § 5 Abs. 4 AufenthG auf ihren konkreten Fall damit begründen lässt, dass sie erkennbar nicht gefährlich sei und nur an Veranstaltungen „ihres Volkes“ teilnehme, legt sie ihrer Grundsatzrüge einen Sachverhalt zu Grunde, den das Verwaltungsgericht so gerade nicht festgestellt hat.
2. Da § 5 Abs. 4 AufenthG nach dem Dargelegten zweifelsfrei auf den Fall der Klägerin Anwendung findet, ist nicht ersichtlich, warum die Rechtssache die behaupteten besonderen rechtlichen oder tatsächliche Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) aufweisen soll.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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