Verwaltungsrecht

Anspruch auf Verlängerung bzw. (hilfsweise) Neuerteilung eines Waffenscheins

Aktenzeichen  W 5 K 16.980

Datum:
22.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 5255
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 4, § 8 Nr. 1, § 10 Abs. 4 S. 1, § 19 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2
RWaffG § 15 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Ein Anspruch auf Verlängerung der Erlaubnis zum Führen von Schusswaffen scheidet aus, wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Verlängerung die Geltungsdauer der zu verlängernden Erlaubnis bereits abgelaufen war. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Kläger trägt für den Nachweis der berufsbedingten Gefährdung als waffenrechtliches Bedürfnis im Sinne der § 4 Abs. 1 Nr. 4, §§ 8, 19 WaffG die materielle Beweislast; es genügt jedoch insoweit die Glaubhaftmachung gemäß § 8 WaffG. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein Bedürfnis ist nicht bereits aufgrund früher erteilter Waffenscheine und Munitionserwerbsberechtigungen anzunehmen, sondern ohne Rücksicht auf etwaige Bestands- bzw. Vertrauensschutzerwägungen zu prüfen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
4 Das Führen der Schusswaffe ist in den in Betracht kommenden typischen Überfallszenarien nicht geeignet, die Gefährdung zu mindern, da regelmäßig kaum Zeit verbleibt, eine Schusswaffe effektiv zur Verteidigung einzusetzen. (Rn. 36 – 39) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg, weil sie sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag unbegründet ist. Der Ablehnungsbescheid des Landratsamts Bad Kissingen vom 24. August 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verlängerung bzw. (Neu-)Erteilung des beantragten Waffenscheins (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Die Klage ist im Hauptantrag zwar zulässig, aber unbegründet, weil der Bescheid des Landratsamts Bad Kissingen vom 24. August 2016 in Ziffer 1 rechtmäßig ist und der Kläger keinen Anspruch auf Verlängerung des Waffenscheins Nr. …0 hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Nach § 10 Abs. 4 Satz 1 WaffG wird die Erlaubnis zum Führen einer Waffe durch den Waffenschein erteilt. Nach Satz 2 wird die Erlaubnis nach Satz 1 zum Führen von Schusswaffen für bestimmte Schusswaffen auf höchstens drei Jahre erteilt, wobei die Geltungsdauer zweimal um höchstens drei Jahre verlängert werden kann.
Ein solcher Anspruch auf Verlängerung scheidet aus, wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Verlängerung des Waffenscheins die Geltungsdauer der zu verlängernden Erlaubnis bereits abgelaufen war (vgl. Gade/Stoppa, WaffG, 2011, § 10 Rn. 67; Steindorf, Waffenrecht, 10. Aufl. 2015, § 10 Rn. 12c).
Hier war dem Kläger der mit Bescheid vom 30. Juni 2010 erteilte Waffenschein Nr. …0 am 8. Juni 2013 bis zum 7. Juli 2016 (erstmals) verlängert worden. Das Schreiben des Klägers vom 19. Juli 2016, mit dem dieser den Antrag stellte, seinen Waffenschein zu verlängern, ging am 20. Juli 2016 beim Landratsamt Bad Kissingen ein, also nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Waffenscheins. Damit ging der Antrag auf Verlängerung des Waffenscheins ins Leere. Denn eine Verlängerung kommt nur in Betracht, wenn zumindest der Antrag dafür noch vor Erlöschen der befristeten Berechtigung gestellt wird (vgl. BayVGH, B.v. 2.4.1985 – 21 B 84 A.2268 – BayVBl 1985, 370).
2. Die Klage kann auch im Hilfsantrag keinen Erfolg haben, denn sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.
2.1. Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass der Kläger bei der Behörde explizit keinen Antrag auf Neuerteilung, sondern ausschließlich auf Verlängerung des Waffenscheins gestellt hat. Denn ausweislich der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids hat das Landratsamt Bad Kissingen den wegen Ablaufs der Geltungsdauer unzulässigen Antrag auf Verlängerung als solchen auf Neuerteilung gewertet (vgl. S. 2 des Bescheids vom 24.8.2016). Denn in einem derartigen Fall ist statt des Antrags auf Verlängerung ein Antrag auf Neuerteilung anzunehmen (vgl. Gade/Stoppa, WaffG, § 10 Rn. 67; Steindorf, Waffenrecht, § 10 Rn. 12c; BayVGH, B.v. 2.4.1985 – 21 B 84 A.2268 – BayVBl 1985, 370). Hierauf kommt es jedoch nicht entscheidungserheblich an, da die Voraussetzungen für die Erteilung oder Verlängerung identisch sind, das heißt es findet eine volle materiell-rechtliche Prüfung statt (Gade/Stoppa, WaffG, § 10 Rn. 67; Steindorf, Waffenrecht, § 10 Rn. 12c; BVerwG, U.v. 18.12.1979 – 1 C 38.77 – DVBl 1980, 1044; BayVGH, B.v. 21.7.1988 – 21 B 88.00092 – GewArch 1988, 393; NdsOVG, U.v. 23.2.2010 – 11 LB 234/09 – juris).
2.2. Die Klage ist auch im Hilfsantrag unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf Neuerteilung eines Waffenscheins hat, der ihn zum Führen der im Klageantrag näher bezeichneten Schusswaffe in den dort genannten Situationen berechtigen würde (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der entgegenstehende Bescheid des Landratsamts Bad Kissingen vom 24. August 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
2.2.1. Ausgangspunkt der rechtlichen Überlegungen ist § 10 Abs. 4 Satz 1 WaffG. Danach wird die Erlaubnis zum Führen einer Waffe durch einen Waffenschein erteilt. Dementsprechend müssen die allgemeinen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 WaffG für die Erteilung waffenrechtlicher Erlaubnisse beim Kläger vorliegen.
Streitig ist im vorliegenden Fall ausschließlich, ob beim Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BVerwG, U.v. 18.12.1979 – 1 C 38.77 – DVBl 1980, 1044) ein waffenrechtliches Bedürfnis im Sinne der § 4 Abs. 1 Nr. 4, §§ 8, 19 WaffG vorliegt. Der Kläger trägt für den Nachweis der berufsbedingten Gefährdung die materielle Beweislast (NdsOVG, U.v. 23.2.2010 – 11 LB 234/09 – juris; BVerwG, U.v. 18.12.1979 – 1 C 38.77 – DVBl 1980, 1044); es genügt jedoch insoweit die Glaubhaftmachung gem. § 8 WaffG (Apel/Bushart, Waffenrecht, 3. Aufl. 2004, § 8 Rn. 17).
Aus der Zielsetzung des Waffengesetzes (§ 1 Abs. 1 WaffG), die Zahl der Waffenbesitzer sowie die Art und die Menge der im Privatbesitz befindlichen Schusswaffen auf das unbedingt notwendige und mit Rücksicht auf die Erfordernisse der öffentlichen Sicherheit vertretbare Maß zu beschränken, damit so wenig wie möglich Waffen in die Bevölkerung gelangen, ergibt sich, dass bei der Bedürfnisprüfung insgesamt ein strenger Maßstab (Steindorf, Waffenrecht, § 19 Rn. 3; BVerwG, U.v. 13.7.1999 – 1 C 5/99 – juris; BVerwG, U.v. 14.11.2007 – 6 C 1/07 – juris) anzulegen ist. Aufgrund des vorrangigen staatlichen Gewaltmonopols ist deshalb grundsätzlich ein besonders anzuerkennendes Interesse nötig (Gade/Stoppa, WaffG, § 4 Rn. 16 und § 8 Rn. 3; Apel/Bushart, Waffenrecht, § 4 Rn. 8); die waffenrechtliche Erlaubnis ist stets der Ausnahme- und nicht der Regelfall (Gade/Stoppa, WaffG, § 8 Rn. 4; Steindorf, Waffenrecht, § 8 Rn. 6).
2.2.2. Vorab bleibt festzuhalten, dass der Kläger keinerlei Rechte aus dem bisher mit Bescheid vom 30. Juni 2010 erteilten Waffenschein Nr. …0, der mit Bescheid vom 8. Juni 2013 bis zum 7. Juli 2016 verlängert wurde, herleiten kann. Denn in der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein Bedürfnis nicht bereits aufgrund früher erteilter Waffenscheine und Munitionserwerbsberechtigungen anzunehmen, sondern ohne Rücksicht auf etwaige Bestandsbzw. Vertrauensschutzerwägungen zu prüfen ist (BayVGH, B. v. 3.7.2013 – 21 ZB 12.2503 – juris; BVerwG, U.v. 18.12.1979 – 1 C 35.77 – NJW 1980, 1588). Da es sich bei der besonderen Gefährdung im Sinne von § 19 Abs. 2 WaffG um einen fortdauernden Sachverhalt handelt, der unter anderem von aktuellen Gegebenheiten, Erfahrungen und Erkenntnissen abhängt, ist es der Waffenbehörde auch nicht verwehrt, diesen mit Wirkung für die Zukunft rechtlich neu zu bewerten.
2.2.3. Das vom Kläger geltend gemachte Bedürfnis zum Führen einer Schusswaffe setzt voraus, dass (2.2.4.) seine Person außerhalb der eigenen Wohnung, der Geschäftsräume oder des eigenen befriedeten Besitztums (§ 19 Abs. 2 WaffG) wesentlich mehr als die Allgemeinheit durch Angriffe auf Leib oder Leben gefährdet ist (§ 8 Nr. 1, § 19 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 WaffG) und dass (2.2.5.) die Schusswaffe geeignet und erforderlich ist, die Gefährdung durch solche Angriffe zu mindern (§ 8 Nr. 2, § 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 WaffG). Keine dieser Voraussetzungen liegt hier vor.
2.2.4. Es ist nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass der Kläger wesentlich mehr als die Allgemeinheit durch Angriffe auf Leib oder Leben gefährdet ist.
Eine Gefährdung im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 1 WaffG ist gegeben, wenn der Betroffene bei Anlegung eines objektiven Maßstabs aufgrund besonderer Umstände nach den Erfahrungen wesentlich mehr als der Durchschnitt der Bevölkerung mit Angriffen auf Leib oder Leben rechnen muss, wobei sich der Gefährdungsgrad deutlich von dem der Allgemeinheit unterscheiden muss (vgl. BVerwG, B. v. 22.9.1993 – 1 B 153/92 – juris zur im Wesentlichen gleichlautenden Vorschrift des § 32 Abs. 1 Nr. 3 WaffG a.F.). In den durch § 19 Abs. 1 Nr. 1 WaffG aufgestellten Voraussetzungen hat die obergerichtliche Rechtsprechung zu § 15 Abs. 1 RWaffG ihren Niederschlag gefunden, wonach zur Begründung der besonderen Umstände eine abstrakte Gefahr nicht genügte; die gefahrbringenden Umstände mussten vielmehr im Einzelfall realisiert sein (vgl. Steindorf, Waffenrecht, § 19 Rn. 5). Die Beurteilung, ob der betroffene Antragsteller wesentlich mehr als die Allgemeinheit von einem Angriff auf Leib oder Leben bedroht ist, setzt eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalles voraus. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe, die nach allgemeiner Lebenserfahrung im erhöhten Maße der Gefahr von Überfällen ausgesetzt ist, muss dabei berücksichtigt werden, ist aber nicht allein ausschlaggebend. Der Antragsteller muss die Tatsachen, welche die Annahme rechtfertigen, er sei besonders gefährdet, glaubhaft machen; er trägt dabei die materielle Beweislast (NdsOVG, U.v. 23.2.2010 – 11 LB 234/09 – juris).
Der Kläger hat vorgetragen, dass er von Beruf Finanzmakler sei und ein Schwerpunkt seiner beruflichen Tätigkeit in der Vermittlung von Geldanlagen, Versicherungs- und Rentenverträgen bestehe. Ein anderer Schwerpunkt liege im Handel mit Edelmetallen, insbesondere mit Gold in Form von Goldmünzen und Goldbarren. Der Kläger sucht die entsprechenden Kunden in einem ersten Schritt auf und bespricht mit ihnen die gewünschte Finanzanlage. In einem zweiten Schritt werden dann im Falle des Erwerbs von Edelmetallen durch diesen Kunden die Edelmetalle von dem Kläger ausgeliefert und er nimmt ggflls. den entsprechenden Geldbetrag mit. Nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung hat er ca. 20 Edelmetallkäufe pro Jahr, wobei er in 5 bis 8 Fällen – so seine Einschätzung – eine Waffe benötige.
Die vom Kläger vorgetragenen Tatsachen lassen eine besondere Gefährdung durch Angriffe auf Leib und Leben, die diesem strengen Maßstab gerecht wird, nicht erkennen. Der Kläger substantiiert sein erhöhtes Risiko einer konkreten Leibesbzw. Lebensgefahr nicht hinreichend. Die Ausführungen zur Gefährdung, die dadurch entstünde, dass er in Kontakt mit fremden Kunden trete (so der Kläger in der mündlichen Verhandlung) bzw. längere Strecken zum Kunden zu Fuß zurückgelegt werden müssten, weil der Kunde bspw. in der Innenstadt wohne, sind unsubstantiiert. Der Kläger trägt insoweit keine Überfallversuche, problematische Vorfälle oder andere Umstände vor, die eine besondere Gefährdung für seine Person begründen könnten. Er macht keine Tatsachen glaubhaft, aus denen folgen könnte, dass er auf dem Weg zu Kunden, bei Kunden oder auf dem Rückweg von diesen deutlich stärker als die Allgemeinheit durch Überfälle oder andere Angriffe gefährdet ist, zumal es für Dritte nicht von außen erkennbar sein dürfte, dass er ggf. größere Mengen Bargeld oder Edelmetalle bei sich trägt. Insoweit hat der Kläger selbst vorgetragen, dass seine Kunden wie auch er selbst größten Wert auf Diskretion legen würden. Der Kläger firmiert lediglich als Anlageberater und macht keine Werbung für den Edelmetallhandel. Er besitzt auch kein Ladengeschäft, das ihn als Edelmetallhändler ausweist. Soweit der Kläger also bei den Kundenbesuchen hohe Bargeldbeträge bzw. Edelmetalle verdeckt bei sich führt, unterscheidet sich sein Risiko nicht nennenswert von dem anderer Geschäftsleute, die regelmäßig größere Geldbeträge oder Wertsachen mit sich führen, z.B. um diese nach Geschäftsschluss zur Bank zu bringen (vgl. NdsOVG, U.v. 23.2.2010 – 11 LB 234/09 – juris). Eine gesteigerte Gefahr ergibt sich vielmehr allenfalls dann, wenn vom Kläger für einen potentiellen Straftäter erkennbar besonders wertvolle und verwertbare Ware transportiert wird. Dafür, dass aber für den Transport durch den Kläger besonders auffällige Behältnisse verwendet werden müssten, ist weder etwas vorgetragen noch sonst etwas ersichtlich. Die Kammer teilt die Auffassung der Beklagtenseite, dass die Situation des Klägers mit der eines Schmuckhändlers, der von seinem Ladengeschäft aus Filialen und Kunden aufsucht und damit einem höheren Risiko ausgesetzt ist, nicht vergleichbar ist. Denn ein derartiger Schmuckhändler betreibt in der Regel – anders als der Kläger – Werbung für seine Tätigkeit und verfügt über ein von außen klar erkennbares Ladengeschäft. Führt er einen Transport von seiner Geschäftsstelle aus durch, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass er größere Bargeldbeträge oder Wertsachen mit sich führt. Anders ist dies bei der Tätigkeit des Klägers. Dieser besitzt kein Ladengeschäft, das ihn als Edelmetallhändler ausweist, und bei seinen Kundenbesuchen ist er in ziviler Kleidung und mit einem „normalen“ PKW ohne besondere Kennzeichnung unterwegs. Es ist auch von außen nicht erkennbar, ob er Wertsachen bzw. größere Geldbeträge mit sich führt oder lediglich zu Kundengesprächen unterwegs ist. Dass die Gefährdung des Klägers in den von ihm genannten Situationen gleich hoch oder noch höher wäre als die eines Geldtransportunternehmens – wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgebracht hat – ist für die Kammer schon angesichts der immensen Geldbeträge, die von derartigen Unternehmen tagtäglich und für „interessierte Kreise“ offen erkennbar transportiert werden, nicht im Geringsten nachvollziehbar.
Gegen eine besondere Gefährdung spricht schließlich, dass die Kriminalpolizeiinspektion Schweinfurt bei ihrer Gefährdungsanalyse im August 2016 zu dem Ergebnis kam, dass für eine überdurchschnittliche Gefährdung des Klägers nichts erkennbar ist und dass die gelegentliche Ausführung eines Teilsegments seines Gewerbes keine Gefährdung erkennen lässt. Umstände, die Zweifel an der Richtigkeit dieser Gefährdungsanalyse begründen könnten, legt der Kläger nicht dar und sind auch nicht ersichtlich.
Der in der mündlichen Verhandlung vom Klägerbevollmächtigten bedingt – also nur für den Fall, dass das Gericht die Beweiserhebung für erforderlich hält – gestellte Antrag, Beweis zu erheben „durch Einholung eines Sachverständigengutachtens über die überdurchschnittliche Gefährdung des Klägers“ war schon als unbehelflich abzulehnen. Denn die Klägerseite stellt eine rechtliche Bewertung, nicht eine (hinreichend bestimmte) Tatsache unter Beweis. Die Beantwortung von Rechtsfragen ist aber der Beweiserhebung nicht zugänglich.
2.2.5. Darüber hinaus ist ein Bedürfnis auch deshalb nicht anzuerkennen, weil nicht ausreichend glaubhaft gemacht ist, dass das Führen der Schusswaffe geeignet und erforderlich ist, die Gefährdung zu mindern (§ 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 WaffG).
Geeignet im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 2 WaffG ist das Führen einer Schusswaffe nur, wenn in einer typischen Verteidigungssituation eine erfolgreiche Abwehr zu erwarten ist. Der Angegriffene muss in der Lage sein, durch das Tragen einer Schusswaffe die Gefahr zu verringern, der er bei einem Überfall ausgesetzt ist. Dies richtet sich in erster Linie nach den insoweit ins Auge zu fassenden typischen Überfallszenarien. Die Frage ist, ob diese einen effektiven Einsatz der Schusswaffe überhaupt zulassen. Mit der Eignung zusammen hängt zugleich die Frage nach den persönlichen Möglichkeiten des Betroffenen im Umgang mit der Schusswaffe. Denn eine erfolgreiche Abwehr eines Angriffs ist dann nicht zu erwarten, wenn die gefährdete Person über die zum verteidigungsgemäßen Gebrauch der Schusswaffe außerhalb der eigenen Wohnung und Geschäftsräume notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht verfügt und sie deshalb die Schusswaffe voraussichtlich nicht Gefahren mindernd einsetzen kann (vgl. OVG NW, U.v. 23.4.2008 – 20 A 321/07 – juris).
In der einschlägigen jüngeren Rechtsprechung der Obergerichte wird einhellig die Auffassung vertreten, dass in den in Betracht kommenden typischen Überfallszenarien kaum Zeit verbleiben dürfte, eine Schusswaffe effektiv zur Verteidigung einzusetzen (OVG NW, U. v. 23.4.2008 – 20 A 321/07 – juris; NdsOVG, U.v. 23.2.2010 – 11 LB 234/09 – juris). Es wird vielmehr befürchtet, dass das Führen einer Schusswaffe durch eine auf sich gestellte Einzelperson deren Gefährdung erhöht, indem etwa sich Täter auf eine ihnen bekannte Bewaffnung ihres Opfers einstellen oder diesem während der Tatausführung die Schusswaffe entwenden und sie anschließend gegen ihr Opfer richten (vgl. OVG NW, U.v. 23.4.2008 – 20 A 321/07 – juris; OVG RP, U.v. 25.3.2004 – 12 A 11775/03.OVG – juris). Wie das OVG Nordrhein-Westfalen (U.v. 23.4.2008 – 20 A 321/07 – juris) unter Bezugnahme auf Berichte des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen nachvollziehbar dargelegt hat, stehen bei Raubdelikten, bei denen Transporteure von Schmuck Opfer von Raubüberfällen waren, typischerweise Szenarien in Rede, in denen kaum Zeit verbleibt, eine Schusswaffe zur Verteidigung einzusetzen. Soweit der Täter nicht seinerseits mit einer Schusswaffe ausgestattet ist, würde im Übrigen gegebenenfalls schon die Bewaffnung mit einer Gaspistole, Reizgas und/oder eines Schlagstockes zu Verteidigungszwecken ausreichen. Das OVG Nordrhein-Westfalen führt in der vg. Entscheidung weiter aus, dass die Auswertung des Landeskriminalamts zu den Raubdelikten, bei denen Transporteure von Schmuck Opfer von Raubüberfällen waren, belegt, dass letztlich typisiert Szenarien in Rede stehen, in denen kaum Zeit verbleibt, eine Waffe zur Verteidigung einzusetzen, zumal wenn der Betreffende die jeweiligen Transporte alleine durchführt. Das gilt für das Abfangen mit dem Pkw an einer Ampel ebenso wie für den Fall der falschen Polizeikontrolle. Auch bei dem angeführten Fall der Bestellung zu einem Verkaufsgespräch, das in einer Bedrohung mit einer Waffe endete, werde man realitätsnah kein Szenario sehen können, in dem Raum für einen Waffeneinsatz verblieben wäre.
Nichts anderes kann nach Auffassung der Kammer gelten, wenn es sich – wie hier – nicht um den Transport von Schmuck, sondern um den von Edelmetallen in Form von Münzen oder Barren handelt. Gerade in den vom Kläger angeführten Szenarien, dass er bspw. in einer fremden Wohnung in Kontakt mit unbekannten Kunden trete bzw. dass er in Innenstadtlagen gehalten sei, seinen Pkw in einem Parkhaus abzustellen und zu Fuß zu seinen Kunden zu gehen, handelt es sich nach Auffassung der Kammer nicht um eine Konstellation, in der Raum für den erfolgreichen Einsatz einer Schusswaffe verbleiben dürfte.
Der in der mündlichen Verhandlung vom Klägerbevollmächtigten bedingt gestellte Antrag, Beweis zu erheben „durch Einholung eines Sachverständigengutachtens über die (…) Geeignetheit der Schusswaffe zur Abwehr von Angriffen bei genau der ausgeübten Tätigkeit“ war als unbehelflich abzulehnen, weil auch insoweit eine rechtliche Bewertung, nicht eine (hinreichend bestimmte) Tatsache unter Beweis gestellt wurde.
Schließlich ist das Führen der Schusswaffe auch nicht erforderlich, die Gefährdung zu mindern (§ 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 WaffG).
Voraussetzung hierfür wäre, dass die Gefährdung nicht auf andere zumutbare Weise verhindert werden kann (Gade/Stoppa, WaffG, § 19 Rn. 7; Steindorf, Waffenrecht, § 8 Rn. 13; Apel/Bushart, Waffenrecht, § 19 Rn. 13), d.h. nur die begehrte Waffe den vorgetragenen Zweck zu erfüllen vermag.
Es ist nicht glaubhaft, dass sich die vorgestellte Gefahrenlage nur durch eine Bewaffnung des Klägers mit einer Schusswaffe abwenden lässt und nicht bereits durch die ergriffenen Schutzvorkehrungen und Vorsichtsmaßnahmen auf ein dem Kläger zumutbares Maß reduziert sind. Deshalb mag auch dahinstehen, ob und in welchem Umfang es dem Kläger zudem zuzumuten wäre – wie von Seiten des Beklagten vorgebracht –, Dritte einzubinden und damit die für seine Person befürchteten Gefahrensituationen jedenfalls anlassmäßig entscheidend zu verringern. Denn in Ansehung der Vorsichtsmaßnahmen, die der Kläger aus Anlass von Hausbesuchen ergreift, um nicht als Träger von Wertgütern aufzufallen, verbleibt keine Gefahrenlage, die sich durch das Führen einer Schusswaffe entscheidend weiter reduzieren ließe.
3. Nach alledem ist die Klage sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag abzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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