Verwaltungsrecht

Anspruch auf vorläufige Zulassung zum Studium der Zahnmedizin

Aktenzeichen  7 CE 15.10413, 7 CE 15.10414

Datum:
15.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
HZV § 46 Abs. 1, § 56
LUFV LUFV § 4 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Die Teilhaberechte der Studienbewerber stehen nach dem Grundgesetz stets unter dem Vorbehalt des Möglichen im Sinne dessen, was der Einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann. Die Entscheidung über Umfang und Prioritäten des Hochschulausbaus obliegt dabei vorrangig dem Gesetzgeber. (redaktioneller Leitsatz)
2 Es gibt auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur erschöpfenden Nutzung der vorhandenen Ausbildungskapazitäten keinen zwingenden Grund, die Lehrtätigkeit einer Gruppe von Mitarbeitern einseitig zulasten ihrer Forschungstätigkeit oder ihrer sonstigen Aufgaben auszuweiten. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 3 E Z 15.10033 2015-10-07 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
II.
Die Antragsteller tragen jeweils die Kosten der Beschwerdeverfahren.
III.
Der Streitwert für die Beschwerdeverfahren wird jeweils auf 2.500,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studium der Zahnmedizin im ersten Fachsemester an der L-M-Universität M. (…) nach den Rechtsverhältnissen des Sommersemesters 2015. Sie machen geltend, die … habe ihre tatsächliche Ausbildungskapazität nicht ausgeschöpft.
Mit Beschlüssen vom 7. Oktober 2015 hat das Bayerische Verwaltungsgericht München die Anträge abgelehnt. Auf die Gründe der Beschlüsse wird Bezug genommen.
Mit den vorliegenden Beschwerden verfolgen die Antragsteller ihr Rechtsschutzziel weiter. Sie machen geltend, die aufgrund der personellen Ausstattung errechnete Aufnahmekapazität im streitgegenständlichen Studiengang sei nicht durch die klinischen Behandlungseinheiten der Lehreinheit Zahnmedizin begrenzt. Die … sei deshalb verpflichtet, die personelle Ausstattung zu erhöhen. Zu diesem Zweck könne etwa das Lehrdeputat bei zwei Akademischen Räten auf Lebenszeit in der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie von fünf auf neun Lehrveranstaltungsstunden (LVS) erhöht werden. Gerügt werde auch, dass „das Verhältnis zwischen wissenschaftlichen Angestellten auf Zeit und wissenschaftlichen Angestellten auf Lebenszeit an der Zahnklinik offensichtlich sehr schlecht“ und zu überprüfen sei, ob nicht die nach Maßgabe des Gesetzes über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft (Wissenschaftszeitvertragsgesetz – WissZeitVG) jeweils zulässige Befristungsdauer überschritten sei, mit der Folge, dass auch insoweit das Lehrdeputat der wissenschaftlichen Angestellten zu erhöhen sei. Unklar sei ferner, wie viele Studierende tatsächlich im Sommersemester 2015 im ersten Fachsemester des Studiengangs Zahnmedizin an der … eingeschrieben gewesen seien. Auch sei die Schwundberechnung möglicherweise fehlerhaft, weil sie nicht „die nachträglich beispielsweise durch Vergleiche oder Ähnliches zugelassenen Studenten“ berücksichtige. Schließlich sei zweifelhaft, ob nicht „wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse“ eine Nachberechnung der Aufnahmekapazität zum Sommersemester 2015 erforderlich gewesen sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Bevollmächtigten der Antragsteller vom 12. November 2015 und 27. November 2015 verwiesen.
Der Antragsgegner widersetzt sich der Beschwerde.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerden haben keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), begründet den geltend gemachten Anordnungsanspruch der Antragsteller nicht.
1. Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die … ihre Ausbildungskapazität im Studiengang Zahnmedizin ausgeschöpft hat. Der Senat folgt den Gründen der angefochtenen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen zu bemerken:
a) Entgegen der Ansicht der Antragsteller ist der Antragsgegner nicht zu einer Erhöhung der Aufnahmekapazität (der personellen Ausstattung) der … im streitgegenständlichen Studiengang verpflichtet.
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, berechnet sich bei der … im streitgegenständlichen Studiengang die Aufnahmekapazität aufgrund der personellen Ausstattung und ist – anders als bei anderen Universitäten – nicht durch die klinischen Behandlungseinheiten der Lehreinheit Zahnmedizin begrenzt (§ 56 der Verordnung über die Hochschulzulassung an den staatlichen Hochschulen in Bayern [Hochschulzulassungsverordnung – HZV] vom 18.6.2007 [GVBl S. 401, BayRS 2210-8-2-1-1-K], zuletzt geändert durch Verordnung vom 31.3.2015 [GVBl S. 74]).
Einen Anspruch auf Ausbau der Ausbildungskapazität durch Erhöhung der personellen Ausstattung der Lehreinheit Zahnmedizin haben die Antragsteller deshalb jedoch nicht. Die Teilhaberechte der Studienbewerber stehen nach dem Grundgesetz stets unter dem Vorbehalt des Möglichen im Sinne dessen, was der Einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann. Die Entscheidung über Umfang und Prioritäten des Hochschulausbaus obliegt dabei vorrangig dem Gesetzgeber (vgl. z. B. BayVGH, B.v. 27.9.2011 – 7 CE 11.10758 u. a. – juris Rn. 9 m. w. N.). Die Antragsteller können demnach nicht verlangen, dass die … über die vorhandene Ausbildungskapazität hinaus die festgesetzte Zulassungszahl für das streitgegenständliche Sommersemester 2015 erhöht und der Antragsgegner zu diesem Zweck weitere finanzielle Mittel zur Verfügung stellt.
b) Eine Erhöhung der personellen Ausstattung (des Lehrangebots) der Lehreinheit Zahnmedizin kommt vorliegend auch nicht deshalb in Betracht, weil die … zu einer Erhöhung des Lehrdeputats bei einzelnen Lehrpersonen verpflichtet wäre.
aa) Entgegen der Ansicht der Antragsteller ist bei zwei Akademischen Räten auf Lebenszeit in der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie die Festsetzung des Lehrdeputats auf fünf LVS nicht zu beanstanden.
In die Kapazitätsberechnung ist die im Rahmen des Dienstrechts festgesetzte Lehrverpflichtung einer Lehrperson einzubeziehen (§ 46 Abs. 1 HZV). Nach der Verordnung über die Lehrverpflichtung des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an Universitäten, Kunsthochschulen und Fachhochschulen (Lehrverpflichtungsverordnung – LUFV) vom 14. Februar 2007 (GVBl S. 201; BayRS 2030-2-21-K), zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. Juli 2014 (GVBl S. 286), beträgt die Lehrverpflichtung der Wissenschaftlichen Mitarbeiter im Beamtenverhältnis (Akademischen Räte im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit) – soweit ihnen Lehraufgaben übertragen werden – höchstens zehn Lehrveranstaltungsstunden (§ 4 Abs. 1 Nr. 6 LUFV). Dass dieser Maximalwert im Hinblick auf die von dieser Personengruppe wahrzunehmenden weiteren Dienstaufgaben regelmäßig nicht voll ausgeschöpft wird, begegnet nach ständiger Rechtsprechung des Senats keinen Bedenken. Es gibt auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Verpflichtung der … zur erschöpfenden Nutzung der vorhandenen Ausbildungskapazitäten keinen zwingenden Grund, die Lehrtätigkeit dieser Gruppe von Mitarbeitern einseitig zulasten ihrer Forschungstätigkeit oder ihrer sonstigen Aufgaben auszuweiten (vgl. z. B. BayVGH, B.v. 23.7.2012 – 7 CE 12.10054 – juris Rn. 18).
Die von den Antragstellern genannte Festsetzung des Lehrdeputats für die beiden Akademischen Räte auf Lebenszeit in der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie ist im Übrigen bereits Gegenstand der Überprüfung durch den Senat gewesen und unbeanstandet geblieben (vgl. BayVGH, B.v. 21.9.2007 – 7 CE 07.10320 u. a. – juris Rn. 8).
bb) Soweit die Antragsteller das Verhältnis zwischen wissenschaftlichen Angestellten auf Zeit und wissenschaftlichen Angestellten auf Lebenszeit an der Zahnklinik als „offensichtlich sehr schlecht“ rügen und eine Erhöhung des Lehrdeputats fordern, ist zu bemerken, dass es unter den Lehrpersonen der Lehreinheit Zahnmedizin lediglich fünf wissenschaftliche Angestellte gibt und hiervon lediglich zwei – wegen befristeter Angestelltenverhältnisse – eine zutreffend auf fünf LVS festgesetzte Lehrverpflichtung (§ 4 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. c LUFV) aufweisen. Ein „Missverhältnis“ zwischen beiden Angestelltengruppen lässt sich nicht erkennen. Für die von den Antragstellern gewünschte Vorlage einzelner Arbeitsverträge gibt es keinen Anlass. Die mit 42 Lehrpersonen demgegenüber deutlich größere – und von den Antragstellern möglicherweise auch angesprochene – Gruppe der Akademischen Räte im Beamtenverhältnis auf Zeit, die in der Kapazitätsberechnung auch unter der früheren Bezeichnung „Assistenten“ und der früheren Besoldungsgruppe „C 1“ aufgeführt ist, weist demgegenüber durchgehend die ebenfalls zutreffende Lehrverpflichtung von fünf LVS auf (§ 4 Abs. 1 Nr. 5 LUFV).
c) Entgegen der Ansicht der Antragsteller ist bereits anhand der im erstinstanzlichen Verfahren übermittelten Angaben der … geklärt, wie viele Studierende sich im streitgegenständlichen Sommersemester 2015 im ersten Fachsemester des Studiengangs Zahnmedizin tatsächlich eingeschrieben haben. Freie Studienplätze sind danach – wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat – nicht mehr vorhanden. Der von den Antragstellern gewünschten Vorlage einer „Namensliste“ bedarf es zum Zweck der Überprüfung der glaubhaften Angaben der … nicht.
d) Die Zweifel der Antragsteller an der Schwundberechnung (Berechnung der Schwundquote) sind unbegründet.
Die Studienanfängerzahl ist nach der Bestimmung des § 53 HZV dann zu erhöhen, wenn zu erwarten ist, dass wegen Aufgabe des Studiums oder Fachwechsels oder Hochschulwechsels die Zahl der Abgänge an Studierenden in höheren Fachsemestern größer ist als die Zahl der Zugänge (Schwundquote). Maßgebend für die Ermittlung der Zugänge und Abgänge sind – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt – die jeweiligen (Stichtags)Erhebungen über den Bestand der im betreffenden Studiengang vorhandenen (eingeschriebenen) Studierenden, welche in der amtlichen Statistik des Bayerischen Landesamtes für Statistik und Datenverarbeitung enthalten sind.
Eine „Korrektur“ der in die Schwundberechnung einbezogenen Bestandszahlen der Studenten kommt nach der Rechtsprechung des Senats nur dann in Betracht, wenn sich die Studentenzahlen aufgrund außergewöhnlicher Einflussfaktoren in „atypischer“ Weise entwickeln und diese im sonstigen Studienverlauf ungewöhnliche Entwicklung in geeigneter Weise rechnerisch auszugleichen oder zu neutralisieren ist. Dies kann etwa bei gerichtlich nachträglich zugelassenen Studenten der Fall sein, wenn sich bei Zugrundelegung der Bestandszahlen eine „ganz ungewöhnliche („positive“) Schwundquote“ ergeben würde (vgl. z. B. BayVGH, B.v. 24.8.2009 – 7 CE 09.10352 u. a. – juris Rn. 24 ff.). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
e) Schließlich gibt es auch keinen Grund für eine von den Antragstellern gewünschte „Nachberechnung“ der Aufnahmekapazität zum Sommersemester 2015. Es fehlt schon an einer substantiierten Darlegung, welche tatsächlichen Verhältnisse sich (gegenüber dem Wintersemester 2014/2015) wesentlich geändert haben sollen. Im Übrigen sieht § 42 Abs. 3 HZV eine Änderung der – auf der Grundlage von Daten eines vorangegangenen Stichtages erstellten – Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität (für das Wintersemester 2014/2015 und das streitgegenständliche Sommersemester 2015) nur dann vor, wenn wesentliche Änderungen der Daten vor Beginn des Berechnungszeitraums eintreten. Auch dies ist vorliegend nicht der Fall.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i. V. m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung in den erstinstanzlichen Verfahren.
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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