Verwaltungsrecht

Anspruch auf Zuerkennung der Fachhochschulreife

Aktenzeichen  M 3 K 14.173

Datum:
2.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 75
AGG AGG § 21
GG GG Art. 3 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist unzulässig, da ein vorheriger Antrag auf Zuerkennung der Fachhochschulreife (schulischer Teil) im Verwaltungsverfahren nicht vorliegt.
Nach § 75 Satz 1 VwGO ist eine Verpflichtungsklage abweichend von § 68 Abs. 2 VwGO zulässig, wenn über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Hieraus und zusätzlich aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung, nach dem es zunächst Sache der Verwaltung ist, sich mit Ansprüchen zu befassen, die an sie gerichtet werden, folgt, dass die Zulässigkeit einer Verpflichtungsklage grundsätzlich von einem vorher im Verwaltungsverfahren erfolglos gestellten Antrag auf Vornahme des eingeklagten Verwaltungsakts abhängt. Dies gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob der erstrebte Verwaltungsakt auf Antrag oder von Amts wegen zu erlassen ist (BVerwG, U.v. 28.11.2007 – 6 C 42/06 – juris Rn. 22f. m. w. N.).
Die Zulässigkeitsvoraussetzung der vorherigen Antragstellung bei der Verwaltungsbehörde steht unter dem Vorbehalt, dass das einschlägige Verwaltungsverfahren keine abweichende Regelung trifft. Allerdings gilt, wie oben ausgeführt, die Regel, dass die Zulässigkeit der Verpflichtungsklage einen erfolglos gestellten Antrag bei der Behörde auf Vornahme des begehrten Verwaltungsakts voraussetzt, sogar dann, wenn die Behörde nach dem einschlägigen Fachgesetz über den Erlass des betreffenden Verwaltungsakts ohne Antrag von Amts wegen entscheidet (BVerwG, U.v. 28.11.2007 – 6 C 42/06 – juris Rn. 24 ff.). Vorliegend ist kein Anlass ersichtlich, von dieser Regel abzuweichen. Die Zuerkennung der Fachhochschulreife (schulischer Teil) an Schüler der gymnasialen Oberstufe nach Besuch von zwei Schulhalbjahren der Qualifikationsphase ist im bayerischen Landesrecht nicht vorgesehen; der vom Kläger herangezogene Beschluss der Kultusministerkonferenz – KMK – vom 7. Juli 1972 in der Fassung vom 6. Juni 2013 „Vereinbarung zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II“ (www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/1972/1972_07_07-Vereinbarung-Gestaltung-Sek2.pdf) enthält ausdrücklich das Erfordernis eines Antrags auf Feststellung des Erwerbs der Fachhochschulreife (schulischer Teil).
Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass der Kläger bereits im Verwaltungsverfahren einen Antrag auf Zuerkennung der Fachhochschulreife (schulischer Teil) gestellt hätte.
Der Kläger trug hierzu zunächst schriftsätzlich vor, er habe sowohl bei dem Gespräch mit dem Schulleiter und Herrn K. als auch mit der Schulberatung um die Zuerkennung der Fachhochschulreife (schulischer Teil) gebeten; ihm sei jedoch gesagt worden, dies sei in Bayern nicht möglich, wobei auf den Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 7. Juli 1972 in der Fassung vom 6. Juni 2013 verwiesen worden sei. In der mündlichen Verhandlung räumte der Vater des Klägers als dessen Beistand ein, dass kein förmlicher Antrag gestellt worden sei. Grund hierfür sei jedoch gewesen, dass ihnen sowohl seitens der Schule als auch von der Schulberatung gesagt worden sei, dass ein solcher Antrag nicht gestellt werden könne, da es diese Möglichkeit in Bayern nicht gebe. Daraufhin habe man sich zur Klärung dieser Frage an das Gericht gewandt. Demgegenüber gab in der mündlichen Verhandlung Herr K. an, bei dem Gespräch der Schule mit dem Kläger und seinen Eltern sei die Frage, ob dem Kläger der schulische Teil der Fachhochschulreife zuerkannt werden könne, mit Sicherheit nicht Gegenstand des Gesprächs gewesen; sonst hätte sich die Schule danach erkundigt.
Danach kann nicht davon ausgegangen werden, dass vor Klageerhebung die Zuerkennung der Fachhochschulreife (schulischer Teil) beim Beklagten beantragt worden wäre. Der Inhalt des Gesprächs des Klägers mit der Schulberatung bleibt bereits deshalb außer Betracht, weil die Schulberatung jedenfalls nicht zuständige Stelle für die Beantragung der Zuerkennung einer Qualifikation wäre. Ein schriftlicher Antrag bei der Schule wurde auch nach Aussage der Klägerseite nicht gestellt; Behördenakten liegen nach Auskunft des Beklagten zu dem Vorgang nicht vor. Das Gericht sieht keinen Anlass, an der Aussage von Herrn K. zu zweifeln, dass ein solcher Antrag nicht Gegenstand des Gesprächs des Klägers mit der Schule war. Insbesondere erscheint dem Gericht die Aussage von Herrn K. glaubhaft, dass die Schule für den Fall, dass ein solcher Antrag mündlich gestellt worden wäre, hierzu zunächst selbst Erkundigungen eingezogen hätte. Die in Bezug genommene Fassung des Beschlusses der Kultusministerkonferenz wurde erst wenige Wochen vor dem Gespräch der Klägerseite mit der Schule vereinbart; es erscheint daher plausibel, dass zum Zeitpunkt des Gesprächs bayerische Gymnasien nicht ohne weiteres mit dem Inhalt der Vereinbarung selbst und der Frage eines etwaigen künftigen Vollzugs in Bayern vertraut waren. Die Nichterweislichkeit einer vorherigen Antragstellung im Verwaltungsverfahren geht nach den Grundsätzen der materiellen Beweislast zulasten des Klägers.
Im Übrigen wäre die Klage auch unbegründet.
Eine Grundlage im bayerischen Landesrecht für den geltend gemachten Anspruch auf Zuerkennung der Fachhochschulreife (schulischer Teil) ist nicht ersichtlich.
Ein Anspruch auf Zuerkennung der Fachhochschulreife (schulischer Teil) lässt sich auch nicht aus § 21 Abs. 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) vom 14. August 2006 (BGBl I S. 1897), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. April 2013 (BGBl I S. 610) herleiten. Der Anwendungsbereich dieses Gesetzes ist nicht eröffnet, da das Gesetz im Bereich der Bildung (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 AGG) lediglich auf privatrechtlicher Grundlage erbrachte Leistungen erfasst; im Verhältnis der Bürger zum Staat binden die verfassungsrechtlichen Grundsätze bereits das staatliche Handeln (vgl. BT-Drs. 16/1780 S. 1, S. 31 f.).
Die Zuerkennung der Fachhochschulreife (schulischer Teil) kann der Kläger auch nicht gestützt auf Verfassungsrecht verlangen.
Art. 3 Abs. 3 GG ist nicht einschlägig.
Auch Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Nr. 12 des Beschlusses der KMK vom 7. Juli 1972 in der Fassung vom 6. Juni 2013 („Vereinbarung zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II“) vermittelt dem Kläger keine weitergehenden Ansprüche. Dass der bayerische Normgeber anders als andere Landesgesetzgeber es unterlassen hat, eine Regelung zu treffen, die entsprechend dem KMK-Beschluss unter bestimmten Voraussetzungen die Zuerkennung der Fachhochschulreife (schulischer Teil) bei Durchlaufen von zwei Schulhalbjahren der Qualifikationsphase ermöglicht, verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Landesgesetzgeber innerhalb seines Kompetenzbereichs prinzipiell nicht gehindert, von der Gesetzgebung anderer Länder abweichende Regelungen zu treffen, auch wenn dadurch die Einwohner seines Landes im praktischen Ergebnis mehr belastet oder begünstigt werden. Dadurch allein wird insbesondere der Gleichheitssatz nicht verletzt, da dieser mit Rücksicht auf die föderalistische Struktur die Kräfte freisetzen und nicht zur Uniformität zwingen will (BVerfG, U.v. 18.7.1972 – 1 BvL 32/70 u. a. – juris Rn. 96; BVerwG, B.v. 20.5.1998 – 6 B 50/98 – juris Rn. 3). Das Gleiche gilt auch für das Fehlen einer landesgesetzlichen Regelung; denn der Landesgesetzgeber ist nur gehalten, in seinem Herrschaftsbereich den Gleichheitssatz zu wahren (vgl. BVerfG, B.v. 29.10.1969 – 1 BvR 65/68 – juris Rn. 16). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wurde im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 1972 lediglich dann angenommen, wenn es bei einer in die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers fallenden Materie um einen Lebenssachverhalt gehe, der seiner Natur nach über die Ländergrenzen hinausgreife und eine für alle Staatsbürger der Bundesrepublik in allen Bundesländern gleichermaßen gewährleistete Rechtsposition berühre; dann könnten einseitige Begünstigungen der Einwohner eines Landes eine Ungleichbehandlung anderer Staatsbürger bewirken. Der Landesgesetzgeber habe dann sorgsam zu prüfen, ob sich eine Bevorzugung der Einwohner seines Lands im Rahmen der Wertentscheidungen des Grundgesetzes halte und ob sie nicht zur Entwertung von Grundrechten führen würde, wenn andere Länder ebenso verführen (BVerfG, U.v. 18.7.1972 – 1 BvL 32/70 u. a. – juris Rn. 96 f. zur Landeskinderklausel). Vorliegend ist dieser Ausnahmefall nicht einschlägig, da das Fehlen einer Regelung entsprechend dem zitierten KMK-Beschluss allenfalls eine Belastung und keine einseitige Begünstigung bayerischer Schüler darstellt; wenn andere Länder ebenso verführen, wäre lediglich einer von vielen Wegen zur Fachhochschulreife versperrt. Auf eine gleichheitswidrige Schlechterstellung innerhalb des Kompetenzbereichs des bayerischen Landesgesetzgebers beruft sich Kläger nicht.
Die Klage ist danach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124 und 124a Abs. 1 VwGO kann die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München eingelegt werden. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Sie ist spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen. Die Berufungsbegründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe).
Über die Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 5.000 festgesetzt (§ 52 Abs. 1, 2 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


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