Verwaltungsrecht

Anspruch der Medienvertreter auf Gleichbehandlung im Rahmen einer Pressekonferenz

Aktenzeichen  7 ZB 17.234

Datum:
6.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 108403
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 S. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2

 

Leitsatz

1 Die auf einer Pressekonferenz einer Behörde anwesenden, eingeladenen Medienvertreter haben Anspruch auf “gleichberechtigte Teilhabe”, der eine willkürliche Ungleichbehandlung während der Pressekonferenz ausschließt. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Nichtberücksichtigung einer Wortmeldung im Rahmen einer Fragerunde ist nur dann zulässig, wenn hierfür ein sachlicher Grund besteht. (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein solcher sachlicher Grund kann etwa in zeitlichen Gründen oder darin liegen, dass im Rahmen der Wortmeldung Störungen der Pressekonferenz durch den betroffenen Medienvertreter zu erwarten sind; allein der Umstand, dass ein Medienvertreter in anderen Pressekonferenzen beharrlich insistiert hat, eine bestimmte Frage beantwortet zu bekommen, und die Behauptung, ihm sei es auf die Beantwortung einer bestimmten Frage überhaupt nicht angekommen, reichen nicht.  (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 10 K 16.2412 2016-10-20 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich dagegen, dass seine Wortmeldung im Rahmen einer Pressekonferenz des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr (Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2015 mit anschließender Fragerunde) nicht berücksichtigt worden ist.
Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat auf die Klage des Klägers mit Urteil vom 20. Oktober 2016 antragsgemäß festgestellt, dass es rechtswidrig gewesen sei, den Kläger im Rahmen der Fragerunde nicht zu einer Fragestellung zuzulassen. Der Beklagte habe mit der Nichtberücksichtigung der Wortmeldung des Klägers, für die es einen sachlichen Grund nicht gegeben habe, gegen das Gebot der Gleichbehandlung von Medienvertretern im publizistischen Wettbewerb (Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) verstoßen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung macht der Beklagte ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Rechtssache weise außerdem besondere rechtliche Schwierigkeiten auf und habe grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO). Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts habe ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung der Wortmeldung des Klägers bestanden, da sie der „Vermeidung erheblicher Störungen“ gedient habe. Der Kläger habe in anderen Pressekonferenzen „beharrlich insistiert“, eine „bestimmte Frage beantwortet zu bekommen“. Es sei zu erwarten gewesen, dass es der Kläger „nicht dabei belassen würde, eine unangenehme oder provokante Frage zu stellen, da es ihm auch auf die Beantwortung selbst letztlich nicht ankam“. Das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die „festgestellte Ungleichbehandlung nach Ziel und Ausmaß in der gegebenen Situation angemessen“ gewesen sei. Es habe auch „zu Unrecht nicht zwischen der Zulassung von Pressevertretern zu einer Pressekonferenz und der Zulassung von Fragen während einer Pressekonferenz“ differenziert. Es müsse dem Leiter einer Pressekonferenz „die Möglichkeit gegeben sein, die Fragerunde vor erschöpfender Abarbeitung aller Wortmeldungen zu schließen, solange er dabei nicht willkürlich handelt.“ Das Verwaltungsgericht habe im Übrigen den Umstand nicht berücksichtigt, dass dem Kläger ausdrücklich angeboten worden sei, seine Fragen – außerhalb der Pressekonferenz – zu beantworten. Grundsätzlich klärungsbedürftig sei die Frage, „ob das Unterlassen der Worterteilung an einen Teilnehmer einer Pressekonferenz zulässig ist, wenn aufgrund bisheriger Erfahrungen und aktueller Beobachtungen zu erwarten ist, dass die Meldung des Teilnehmers nicht um des Erlangens von Informationen willen erfolgt und Störungen der Pressekonferenz verursachen wird“. Schließlich sei ebenso klärungsbedürftig, ob der Anspruch auf Gleichbehandlung im Rahmen einer Pressekonferenz ausschließt, dass „bei zu erwartenden Störungen bereits eine Nachfrage unterbunden werden kann“. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Landesanwaltschaft Bayern vom 23. Februar 2017 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegte Behördenakte (Heftung) verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die vom Beklagten geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Senat folgt den Gründen des angefochtenen Urteils und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Begründung ab (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist zu bemerken:
Das Verwaltungsgericht hat in seiner angefochtenen Entscheidung zu Recht festgestellt, dass der Beklagte im Rahmen seiner freiwilligen Informationstätigkeit (Pressekonferenz) an den Gleichheitssatz gebunden ist und die zur streitgegenständlichen Pressekonferenz eingeladenen und anwesenden Medienvertreter deshalb einen Anspruch auf „gleichberechtigte Teilhabe“ haben (Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG), der eine willkürliche Ungleichbehandlung dieser Medienvertreter während der Pressekonferenz ausschließt. Das Verwaltungsgericht hat sich in diesem Zusammenhang entgegen dem Vorbringen des Beklagten nicht nur mit der Frage auseinandergesetzt, ob die „festgestellte Ungleichbehandlung nach Ziel und Ausmaß in der gegebenen Situation angemessen“ gewesen ist, sondern es hat ebenso auch zwischen „der Zulassung von Pressevertretern zu einer Pressekonferenz und der Zulassung von Fragen während einer Pressekonferenz“ differenziert und ferner den Umstand berücksichtigt, dass dem Kläger angeboten worden ist, seine Fragen – außerhalb der Pressekonferenz – zu beantworten.
Das Vorbringen des Beklagten zieht hingegen die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts zum Ablauf der Pressekonferenz und zur daraus folgenden Bewertung, dass für die Nichtberücksichtigung der Wortmeldung des Klägers während der Fragerunde im Rahmen der Pressekonferenz ein sachlicher Grund nicht bestanden hat, nicht substantiiert in Zweifel. Die Schließung einer Fragerunde „vor Abarbeitung aller Wortmeldungen“ hat das Verwaltungsgericht für zulässig erachtet, sofern hierfür (etwa aus zeitlichen Gründen) ein sachlicher Grund besteht. Einen derartigen sachlichen Grund hat das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall jedoch nicht feststellen können. Er ist auch im Zulassungsverfahren nicht vorgetragen worden. Der vorgetragene Umstand, dass der Kläger in anderen Pressekonferenzen „beharrlich insistiert“ habe, eine „bestimmte Frage beantwortet zu bekommen“ und die Behauptung, dass es dem Kläger nicht auf die Beantwortung einer bestimmten Frage angekommen sei, rechtfertigen nicht die Annahme, dass die Nichtberücksichtigung der Wortmeldung des Klägers im Rahmen der Fragerunde zur „Vermeidung erheblicher Störungen“ erforderlich gewesen ist.
2. Die Rechtssache weist auch weder besondere rechtliche Schwierigkeiten auf noch hat sie grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO). Die vom Beklagten als grundsätzlich klärungsbedürftig angesehene Frage, „ob das Unterlassen der Worterteilung an einen Teilnehmer einer Pressekonferenz zulässig ist, wenn aufgrund bisheriger Erfahrungen und aktueller Beobachtungen zu erwarten ist, dass die Meldung des Teilnehmers nicht um des Erlangens von Informationen willen erfolgt und Störungen der Pressekonferenz verursachen wird“ sowie die weitere Frage, ob der Anspruch auf Gleichbehandlung im Rahmen einer Pressekonferenz ausschließt, dass „bei zu erwartenden Störungen bereits eine Nachfrage unterbunden werden kann“, sind tatsächlich nicht klärungsbedürftig. So ist bereits grundsätzlich geklärt, dass bei Vorliegen eines sachlichen Grundes eine Ungleichbehandlung von Pressevertretern möglich ist. Im vorliegenden Einzelfall sind jedoch keine Umstände vorgetragen worden, welche die Nichtberücksichtigung der Wortmeldung des Klägers sachlich rechtfertigen könnten.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 3 und § 52 Abs. 1 und 2 GKG und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
4. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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