Verwaltungsrecht

Anspruch eines Privatdozenten an medizinischer Fakultät auf Lehrveranstaltung bei konkurrierender Tätigkeit in der Tabakindustrie

Aktenzeichen  7 ZB 16.578

Datum:
26.10.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 54914
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 12 Abs. 1

 

Leitsatz

Die zusätzliche berufliche Tätigkeit eines Privatdozenten an einer medizinischen Fakultät bei einem Zigarettenhersteller wirft hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit einer Lehrtätigkeit im Studiengang Public Health (= öffentliche Gesundheit) Probleme auf, die es rechtfertigen können, das Abhalten einer solchen Lehrveranstaltung nicht zu genehmigen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 3 k 15.1263 2016-02-02 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 10.000,– Euro festgesetzt.

Gründe

I. Der Kläger ist Privatdozent an der Medizinischen Fakultät der Beklagten und seit Anfang des Jahres 2005 beruflich für ein internationales Unternehmen der Tabakindustrie in der Schweiz tätig. Er erstrebt die Möglichkeit, eine Lehrveranstaltung bei der Beklagten nicht nur in deren Studiengang Humanmedizin (Medizinisches Curriculum München der Ludwig-Maximilians-Universität – MeCum), sondern auch im Masterstudiengang „Public Health“ anzubieten.
Seine darauf gerichtete Klage, u. a. mit dem Antrag, die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Ankündigung und Abhaltung einer Wahlveranstaltung mit dem Titel „aktuelle Fragen der evidenzbasierten Public Health“ im Umfang von 18 SWS im Masterstudiengang Public Health zu ermöglichen und für diese Abhaltung alle notwendigen organisatorischen Maßnahmen einzuleiten und zu treffen, hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 2. Februar 2016 abgewiesen. Denn die Beklagte habe den Kläger mit bestandskräftigem Bescheid vom 10. November 2005 für die Zeit seiner Tätigkeit in der Tabakindustrie von seinen Lehraufgaben im Studiengang Public Health entbunden.
Hiergegen richtet sich der auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit dieses Urteils gestützte Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung. Er macht im Wesentlichen und sinngemäß geltend, das Verwaltungsgericht verkenne den Regelungsgehalt des Bescheides, der sich lediglich auf seine damalige Beurlaubung bezogen und sich mittlerweile auch anderweitig erledigt habe. Im Übrigen sei dieser Bescheid von Anfang an nichtig gewesen.
Die Beklagte ist dem Antrag entgegengetreten und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und auf die vorgelegten Akten Bezug genommen.
II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, die von ihm geplante Wahlveranstaltung im Rahmen des Masterstudiengangs Public Health anbieten und abhalten zu dürfen, weil er aufgrund des bestandskräftigen Bescheids vom 10. November 2005 von seinen Lehraufgaben in diesem Studiengang entbunden ist. Der Senat folgt insoweit der Begründung auf S. 12 ff. des streitgegenständlichen Urteils (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO) und merkt im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen noch folgendes an:
1. Entgegen dem Vorbringen des Klägers regelt der Bescheid vom 10. November 2005 ersichtlich nicht nur die Entbindung des Klägers von seinen Lehraufgaben im Studiengang Public Health während des Zeitraums seiner Beurlaubung aus dem Angestelltenverhältnis beim Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie der Universität München. Er gilt vielmehr – ausdrücklich – „für die Zeit seiner Tätigkeit bei …“, einem Unternehmen der Tabakindustrie, bei dem der Kläger unverändert tätig ist. Dass die berufliche Tätigkeit bei einem Zigarettenhersteller hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit einer Lehrtätigkeit im Studiengang Public Health (= öffentliche Gesundheit) tatsächlich Probleme aufwirft, hat nicht zuletzt der Kläger selbst seinerzeit erkannt: In seinem Antrag auf zweijährige Beurlaubung vom 16. September 2004, gerichtet an den damaligen Institutsleiter, weist er nicht nur auf „ethische Implikationen“ seines Vorhabens hin, sondern auch darauf, dass das Image der „Zigarettenindustrie“ im Fach Epidemiologie nicht das „allerunproblematischste“ sei und die Rückkehr eines Epidemiologen (an den Lehrstuhl) erschweren könne.
Angesichts dessen gibt es keine Anhaltspunkte für die Auffassung des Klägers, der Bescheid habe sich nur auf die Zeit seiner Beurlaubung bezogen – abgesehen davon, dass sich dann auch nicht erschließt, weshalb der Bescheid erst nach Ablauf von nahezu der Hälfte der Beurlaubungszeit (nämlich am 10. November 2005) erlassen wurde und nicht unmittelbar zu Beginn der Beurlaubung am 1. Januar 2005.
2. Der Bescheid hat sich auch nicht, wie der Kläger meint, etwa aus dem Grund „anderweitig erledigt“, weil der damalige Magisterstudiengang mit dem Titel „postgradualer Studiengang öffentliche Gesundheit und Epidemiologie“, der sich grundlegend vom Masterstudiengang „Public Health“ unterschieden habe, nicht mehr angeboten wird und damit „untergegangen“ ist. Abgesehen davon, dass in dem Bescheid wörtlich vom „Studiengang Public Health“ die Rede ist, bleiben Organisation und Bezeichnung eines Studiengangs ohne Einfluss auf die – inhaltliche – Frage einer Vereinbarkeit der beruflichen Tätigkeit des Klägers für ein Tabakunternehmen mit seinen Lehraufgaben im Studiengang Public Health.
Insoweit gibt es auch kein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers dahingehend, die Beklagte werde sich auf den Bescheid nicht (mehr) berufen. Der Umstand, dass der Kläger, der zum wiederholten Male versucht, eine Lehrveranstaltung im Studiengang Public Health abzuhalten, bislang daran gescheitert ist, dass die von ihm geplante Veranstaltung bereits nicht den organisatorischen Vorgaben der Beklagten entsprach (vgl. BayVGH, B. v. 20.2.2015 – 7 ZB 14.1014), ändert daran nichts.
3. Schließlich deutet – entgegen der Auffassung des Klägers – auch nichts auf eine anfängliche Nichtigkeit des Bescheids hin. Der Kläger ist unverändert berechtigt, Lehrveranstaltungen im Rahmen des Medizinischen Curriculums der Beklagten abzuhalten, von einem (Teil-)Widerruf seiner Lehrberechtigung kann angesichts dessen keine Rede sein.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 3 und § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 1.1.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014).
Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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